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Wegweisende Reform der Psychotherapeutenausbildung

BPtK unterstützt Gesetzentwurf für eine neue Aus- und Weiterbildung (hier inkl. Pressecho und Stellungnahmen – ganz unten auf dieser Seite)

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer begrüßt den Gesetzentwurf als wegweisende Reform der Psychotherapeutenausbildung. „Mit der Einführung eines Hochschulstudiums der Psychotherapie, das mit einem Masterabschluss endet, und einer Weiterbildung, die sowohl ambulant als auch stationär eine breitere Qualifizierung sichert, erfolgt eine richtungsweisende Integration der Versorgung psychisch kranker Menschen in das deutsche Gesundheitssystem“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Die bewährten Strukturen eines Hochschulstudiums mit anschließender Weiterbildung gelten damit künftig auch für Psychotherapeuten. Der Sonderweg der bisherigen Psychotherapeutenausbildung wird beendet.“

Einheitliches Masterniveau

Die bisherige Psychotherapeutenausbildung hatte gravierende strukturelle Mängel: Durch die Bologna-Reform der Studienabschlüsse gab es keine einheitlichen Voraussetzungen für die Psychotherapeutenausbildung mehr. Nach der neuen Bachelor-Master-Systematik reichte in einigen Bundesländern seither ein Bachelorabschluss für die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten aus. Nur für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten war ein Masterabschluss erforderlich. Es war jedoch nicht mehr klar, ob im Studium die für eine Psychotherapeutenausbildung notwendigen Inhalte vermittelt wurden. Mit dem Gesetzentwurf wird die Ausbildung auf Masterniveau gesichert.

Beendigung der prekären wirtschaftlichen und rechtlichen Ausbildungsbedingungen

In der bisherigen Psychotherapeutenausbildung arbeiten angehende Psychotherapeuten nach abgeschlossenem Studium mindestens drei Jahre in der Versorgung, davon eineinhalb Jahre als „Praktikanten“ in psychiatrischen oder psychosomatischen Krankenhäusern oder Reha-Kliniken. Während dieser Zeit erhalten sie meist keine oder nur eine geringe Bezahlung und sind damit nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Künftig sollen Psychotherapeuten nach dem Studium über eine Approbation verfügen. Dadurch können sie, wie heute schon Ärzte, während ihrer Weiterbildung in der Versorgung tätig sein und entsprechend vergütet werden.

Breite ambulante und stationäre Qualifizierung

Das Spektrum der psychischen Erkrankungen, die psychotherapeutisch behandelt werden können, entwickelt sich immer weiter. Bei fast allen psychischen Erkrankungen empfehlen Leitlinien, sie psychotherapeutisch oder in Kombination mit einer Pharmakotherapie zu behandeln. Auch die Behandlung von psychotischen Erkrankungen, Borderline-Störungen und Suchterkrankungen gehört heute zu den Leistungen niedergelassener Psychotherapeuten. Die geplante Reform stellt sicher, dass Psychotherapeuten sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich nach diesen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen weitergebildet werden. Eine ausreichend lange Weiterbildung im ambulanten sowie stationären Bereich sorgt dafür, dass Psychotherapeuten für ihre vielfältigen Aufgaben umfassend qualifiziert werden. Die BPtK begrüßt, dass zu den Ausbildungszielen auch Prävention und Rehabilitation, die Übernahme von Leitungsfunktionen und die Veranlassung von Behandlungsmaßnahmen durch Dritte gehören.

Spezifische Qualität der Ausbildungsinstitute

Die spezifische Qualität der ambulanten Ausbildung, die bisher schon durch die psychotherapeutischen Ausbildungsinstitute und Ambulanzen gesichert ist, soll auch künftig in der Weiterbildung erhalten bleiben. Durch die geplanten Regelungen schafft der Bundesgesetzgeber die notwendigen sozialrechtlichen Voraussetzungen, damit die ambulante Weiterbildung an Instituten und Ambulanzen erfolgen kann.

BPtK-Forderungen

  • Finanzieller Unterstützungsbedarf in der Weiterbildung: Für die fachlich notwendige Supervision, Selbsterfahrung und Theorie sowie die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Psychotherapeuten besteht während der ambulanten Weiterbildung ein zusätzlicher finanzieller Unterstützungsbedarf. Hier könnte sich der Gesetzgeber an der Regelung zur ambulanten Weiterbildung bei Hausärzten und grundversorgenden Fachärzten orientieren oder Zuschüsse für Weiterbildungsinstitute vorsehen, um „Schulgeld“ für Psychotherapeuten zu vermeiden.
  • Heilkundeerlaubnis: Die Heilkundeerlaubnis sollte in Anlehnung an die anderen verkammerten Heilberufe erteilt werden. Psychotherapeuten sind qualifiziert, das zu tun, was notwendig ist, um psychische Erkrankungen festzustellen sowie alle Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist, zu heilen und zu lindern. Wie bei allen anderen Heilberufen ist durch die Aus- und Weiterbildung in Verbindung mit den Berufsordnungen und der Berufsaufsicht der Landespsychotherapeutenkammern flächendeckend sichergestellt, dass Psychotherapeuten ihre Patienten unter Einhaltung der Sorgfaltspflichten und dem aktuellen fachlichen Wissensstand behandeln. Dies selbst zu regeln, gehört zum Kernbereich der Tätigkeit von Psychotherapeutenkammern wie auch Ärztekammern. Der Gesetzgeber kann daher auf gesetzliche Interventionen in der Heilkundeerlaubnis verzichten und auch Psychotherapeuten eine Erlaubnis erteilen, die die Erforschung psychotherapeutischer Innovationen einschließt.
  • Mehr Praxis und psychotherapeutische Verfahren im Studium: Um während des Studiums ausreichend praktisch zu qualifizieren, ist ein Praxissemester sinnvoll, das dem „Praktischen Jahr“ im Medizinstudium entspricht. Ausreichende praktische Erfahrungen sind notwendig, damit Psychotherapeuten ohne Weiterbildung bereits in der Lage sind, die Möglichkeiten und Grenzen ihrer heilkundlichen Kompetenz richtig einzuschätzen. Außerdem sollte gesichert sein, dass an der Hochschule praktische Erfahrungen in mindestens zwei wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren erworben werden, die für die Versorgung psychisch kranker Menschen relevant sind.

Erfolge der psychotherapeutischen Sprechstunde nicht zunichtemachen

BPtK lehnt gestufte Versorgung, wie mit dem TSVG geplant, ab

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) lehnt eine „gestufte und gesteuerte psychotherapeutische Versorgung“, wie sie mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) geplant ist, ab. „Psychisch kranke Menschen werden bereits nach Dringlichkeit und Schwere behandelt“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. „Der Gesetzgeber hat mit der psychotherapeutischen Sprechstunde bereits eine differenzierte Versorgung eingeführt. Eine zusätzliche Prüfung durch Dritte, ob eine psychotherapeutische Behandlung überhaupt notwendig ist, würde den großen Erfolg, der mit der Sprechstunde erzielt wurde, wieder zunichtemachen.“ Menschen, die an psychischen Beschwerden leiden, erhalten durchschnittlich innerhalb von knapp sechs Wochen einen ersten Termin beim Psychotherapeuten zur Diagnostik und Beratung. Diese Regelung hat sich gerade für schwer psychisch kranke Menschen bewährt, die vorher von den langen Wartezeiten auf einen ersten Termin abgeschreckt wurden.

Alle Patienten, bei denen festgestellt wurde, dass sie psychisch krank sind, müssen danach viel zu lange auf eine psychotherapeutische Behandlung warten: in ländlichen Regionen fünf bis sechs Monate, im Ruhrgebiet sogar sieben Monate. „Diese langen Wartezeiten lassen sich nur durch mehr Psychotherapeuten verkürzen“, erklärt BPtK-Präsident Munz. „Deshalb fordern wir, dort kurzfristig für Psychotherapeuten 1.500 Praxen mehr zuzulassen.“

Vielen Patienten kann mit einer Kurzzeit- oder Langzeitpsychotherapie geholfen werden. Einige dieser Patienten erhalten flankierend eine Pharmakotherapie. „Es gibt aber auch eine kleine Gruppe von Patienten, die nicht nur Psychotherapie und Pharmakotherapie brauchen, sondern darüber hinaus auch soziotherapeutische Unterstützung, psychiatrische Krankenpflege, Ergotherapie oder auch Angebote der Gemeindepsychiatrie“, stellt Munz fest. „Bei diesen Patienten mit komplexem Leistungsbedarf reicht jedoch eine rein psychotherapeutische oder psychiatrische Versorgung nicht aus. Ihr Hauptproblem ist die fehlende Kooperation und Koordination. Für diese schwer und meist chronisch kranken Patienten fehlt schlicht das notwendige multiprofessionelle Behandlungsangebot“, erläutert Munz. „Der Gemeinsame Bundesausschuss sollte den Auftrag erhalten, für diese schwer und meist chronisch kranken Patienten eine ambulante multiprofessionelle Versorgung zu ermöglichen.“

Sofortprogramm für psychisch kranke Menschen

BPtK-Forderungen zu Terminservice- und Versorgungsgesetz

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) insbesondere ein Sofortprogramm für psychisch kranke Menschen. Ein Drittel der Patienten, bei denen in einer psychotherapeutischen Sprechstunde diagnostiziert wurde, dass sie psychisch krank sind und eine ambulante Psychotherapie benötigen, warten sechs bis neun Monate auf den Beginn der Behandlung. Deshalb fordert die BPtK in ländlichen Regionen und im Ruhrgebiet rund 1.500 psychotherapeutische Praxen zusätzlich.

„Das monatelange Leid psychisch kranker Menschen, bevor sie behandelt werden können, muss dringend verkürzt werden“, fordert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Dafür müssen mehr Psychotherapeuten zugelassen werden. Denn dort, wo mehr Psychotherapeuten arbeiten, sind die Wartezeiten nachweislich am kürzesten.“ Bundesgesundheitsminister Jens Spahn plane mit dem TSVG bereits die Krankenversorgung vor allem dort zu verbessern, wo besonders große Versorgungs- und Terminschwierigkeiten bestehen. „Besonders schlecht versorgt sind aber insbesondere psychisch kranke Menschen, die seit Jahren nicht rechtzeitig behandelt werden können“, betont Munz. „Dadurch verschlimmern sich psychische Beschwerden oder sie chronifizieren.“ Leitlinien empfehlen bei fast allen psychischen Erkrankungen eine Psychotherapie.

Die Wartezeiten auf eine Behandlung sind dort am längsten, wo am wenigsten Psychotherapeuten je Einwohner arbeiten. „In ländlichen Regionen werden deutlich weniger psychotherapeutische Praxen zugelassen als in den Großstädten“, erläutert der BPtK-Präsident. „Deshalb sind die Wartezeiten dort auch am längsten.“ Dies lasse sich zum Beispiel für Baden-Württemberg belegen, wo er selbst in einer Klinik arbeite. Psychisch kranke Menschen warten in den städtischen Zentren mit mehr als 60 Psychotherapeutensitzen je 100.000 Einwohnern durchschnittlich 12 Wochen auf eine psychotherapeutische Behandlung: beispielsweise in Tübingen 9,8 Wochen, in Heidelberg 11,7 Wochen und in Freiburg 12,5 Wochen. In den ländlichen Regionen mit weniger als 20 Psychotherapeutensitzen je 100.000 Einwohner sind die Wartezeit dagegen fast doppelt so lang und betragen 20,7 Wochen. „Ich erwähne ausdrücklich Freiburg, weil Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Deutschen Bundestag behauptet hat, dass in Freiburg die Wartezeiten am längsten seien, weil es dort am meisten Psychotherapeuten gäbe“, ergänzt BPtK-Präsident Munz. „Da war der Bundesgesundheitsminister schlecht informiert.“

Die BPtK fordert die zusätzlichen psychotherapeutischen Praxen insbesondere für die ländlichen Regionen. Dort sind nach der Bedarfsplanung besonders wenige Psychotherapeuten vorgesehen. „Menschen in ländlichen Regionen leiden jedoch keineswegs seltener an psychischen Erkrankungen“, stellt Munz fest. „Es ist deshalb eine gravierende Fehlplanung, dort weniger Psychotherapeuten zuzulassen als in den Großstädten“. Das Sofortprogramm, das die BPtK fordert, soll deshalb vor allem die psychotherapeutische Versorgung außerhalb städtischer Zentren verbessern. Einzige Ausnahme ist das Ruhrgebiet, das in der Bedarfsplanung als Sonderregion behandelt wird und deshalb ähnlich schlecht psychotherapeutisch versorgt ist wie die ländlichen Regionen.

Spahnsches Terminservicegesetz am Montag im Petitionsausschuss

Über 200.000 Unterstützer gegen neue Hürden in der Psychotherapie

(BPtK) Das Terminservice- und Versorgungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist am Montag, dem 14. Januar 2019, Thema einer öffentlichen Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Über 200.000 Personen hatten die Petition gegen den Regierungsentwurf unterzeichnet.

Mit dem neuen Gesetz plant der Bundesgesundheitsminister zusätzliche Hürden auf dem Weg zum Psychotherapeuten. Bevor ein Patient sich an einen niedergelassenen Psychotherapeuten wenden kann, sollen künftig Dritte prüfen, ob überhaupt eine psychotherapeutische Beratung oder Behandlung notwendig ist. Die Bundespsychotherapeutenkammer hält eine solche „gestufte und gesteuerte Versorgung“ (Regierungsentwurf) für überflüssig. Mit der psychotherapeutischen Sprechstunde, die am 1. April 2017 eingeführt wurde, werden Patienten bereits erfolgreich je nach Dringlichkeit und Schwere ihrer Erkrankung versorgt.

Der Petitionsausschuss berät am Montag ab 13:00 Uhr die Petition gegen das Terminservicegesetz. Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen und im Internet (www.bundestag.de) übertragen. Sie ist auch auf mobilen Geräten zu empfangen.

 

Und hier gibt es die Aufzeichnung der Sitzung, die Petition zum TSVG wird ca. ab Minute 60 gezeigt.

Spahnscher Irrtum 3:

Psychotherapeutische Praxen: "Mehr Angebot löst das Problem nicht."

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert, mehr psychotherapeutische Praxen zuzulassen, um die monatelange Wartezeit auf eine psychotherapeutische Behandlung zu verkürzen.

Gesundheitsminister Jens Spahn behauptet im ARD-Morgenmagazin am 12. Dezember 2018:

„Mehr Angebot löst das Problem nicht.“

Richtig ist:

Mehr psychotherapeutische Praxen verkürzen die Wartezeit erheblich.

Ende 2012 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss, 1.300 psychotherapeutische Praxen zusätzlich in ländlichen Regionen zuzulassen. Die Wartezeiten in ländlichen Regionen waren damals überdurchschnittlich lang. Es gab drei Kreistypen für ländliche Gebiete:

  • Kreistyp 7: 27,3 Wochen
  • Kreistyp 8: 23,7 Wochen,
  • Kreistyp 9: 28,7 Wochen,
  • Bundesdurchschnitt: 23,4 Wochen.

Der Kreistyp 8 bezog sich auf „verdichtete Kreise in ländlichen Räumen“. Dort waren mehr Psychotherapeuten vorgesehen als in rein ländlichen Kreistypen, was zu vergleichsweise kürzeren Wartezeiten führte.

Mit der Zulassung von 1.300 zusätzlichen psychotherapeutischen Praxen wurden auch die Kreistypen der Bedarfsplanung zusammengefasst. Aus 10 Kreistypen wurden 5 Kreistypen. Der Kreistyp für ländliche Regionen war jetzt der Kreistyp 5.

Im Kreistyp 5 sank die Wartezeit auf eine psychotherapeutische Behandlung durch die zusätzlichen 1.300 psychotherapeutischen Praxen auf 20,7 Wochen. In den rein ländlichen Gebieten sank die Wartezeit durch mehr Angebote also um rund zwei Monate.

Spahnscher Irrtum 2:

"Wir haben heute so viele Psychotherapeuten zugelassen wie Hausärzte."

(BPtK) Bundesgesundheitsminister Spahn ist nicht ausreichend über grundsätzliche Relationen im deutschen Gesundheitswesen informiert. Im ARD-Morgenmagazin von 12. Dezember 2018 behauptete er:

„Wir haben heute so viele Psychotherapeuten zugelassen wie Hausärzte.“

Richtig ist:

In Deutschland gibt es mehr als doppelt so viele Hausärzte wie Psychotherapeuten. Am 31. Dezember 2017 waren genau 51.914 Praxissitze für Hausärzte zugelassen, aber nur 23.717 Praxissitze für Psychotherapeuten.

Dass es noch mehr Psychotherapeuten sein müssen, belegen folgende Zahlen:

Nach der bevölkerungsrepräsentativen Studie zur Gesundheit in Deutschland des Robert Koch-Instituts leiden 28 Prozent der Erwachsenen innerhalb eines Jahres unter mindestens einer psychischen Erkrankung. Insgesamt sind in Deutschland circa 19 Millionen Menschen jährlich von einer psychischen Erkrankung betroffen. Laut Gutachten des Gemeinsamen Bundesausschusses sind jährlich etwa 1,9 Millionen Menschen bei einem Psychotherapeuten in Behandlung. Das sind lediglich 10 Prozent aller psychisch kranken Menschen. Nicht jeder psychisch kranke Mensch benötigt eine Psychotherapie oder möchte diese in Anspruch nehmen. Aber bei den meisten psychischen Erkrankungen ist Psychotherapie nach nationalen und internationalen Leitlinien die Behandlungsmethode der ersten Wahl. Dass nur jeder zehnte psychisch kranke Mensch eine Psychotherapie erhält, zeigt, welch große Defizite in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung noch bestehen.

Spahnscher Irrtum 1 – Reloaded:

"Wartezeiten sind dort am längsten, wo die meisten Psychotherapeuten sind."

(BPtK) Gesundheitsminister Jens Spahn hatte schon am 26. September 2018 im Bundestag behauptet:

„Die Stadt mit dem höchsten Versorgungsgrad in der psychotherapeutischen Versorgung ist Freiburg; die Stadt mit den längsten Wartezeiten ist – Freiburg.“ (Protokoll Deutscher Bundestag, 51. Plenarsitzung)

Jetzt hat er diese These im ARD-Morgenmagazin (12. Dezember 2018) noch einmal wiederholt:

„Wir müssen gleichzeitig feststellen, dass in den Regionen, wo die meisten Psychotherapeuten sind, ihr Angebot machen, wir auch die längsten Wartezeiten haben.“

Dieser Spahnsche Irrtum, den die Bundespsychotherapeutenkammer schon am 28. September 2018 korrigiert hatte, wird auch durch Wiederholung nicht richtig.

Richtig ist:

Dort, wo es mehr Psychotherapeuten gibt, sind die Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung auch kürzer. In Großstädten, in denen mehr Psychotherapeuten zugelassen werden, als auf dem Land, warten psychisch kranke Menschen deutlich kürzer auf eine Behandlung als im Bundesdurchschnitt (19,9 Wochen). In Berlin warten sie beispielsweise 13,4 Wochen, im Saarland dagegen 23,6 Wochen.

Und auch nochmal zu Freiburg: Dort arbeiten 121,5 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner. Damit ist Freiburg eine der am besten versorgten Großstädte. Im Bundesdurchschnitt sind es 25,1 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner. Weil es in Freiburg mehr Psychotherapeuten als im Bundesdurchschnitt gibt, warten die Menschen dort auch nicht so lange auf einen Termin bei einem Psychotherapeuten. In Freiburg beträgt die Wartezeit auf einen ersten Termin in der Sprechstunde 3,4 Wochen (Bundesdurchschnitt: 5,7 Wochen) und auf einen Behandlungstermin (Richtlinienpsychotherapie) 12,5 Wochen (Bundesdurchschnitt: 19,9 Wochen). Die Wartezeiten sind in Freiburg also deutlich kürzer als anderswo. Fazit: In Freiburg müssen Patienten fast nur halb so lange auf einen Beratungs- oder Behandlungstermin warten wie im Bundesdurchschnitt.

Patienten werden je nach Dringlichkeit und Schwere behandelt

BPtK-Auswertung zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)

(BPtK) Menschen, die in die psychotherapeutische Sprechstunde kommen, bekommen dort je nach Dringlichkeit und Schwere die Leistungen empfohlen, die sie benötigen. Knapp 60 Prozent der Ratsuchenden erhalten eine psychotherapeutische Behandlung. Von ihnen befindet sich jeder sechste in einer so starken psychischen Krise, dass eine Akutbehandlung kurzfristig notwendig ist. Diese rasche Hilfe gibt es insbesondere für Patienten, die ansonsten nicht mehr arbeiten, in die Schule gehen könnten oder in ein Krankenhaus eingewiesen werden müssten.

Längst nicht alle Patienten, die in eine Sprechstunde kommen, beginnen eine psychotherapeutische Behandlung. Über 40 Prozent der Patienten erhalten zwar eine diagnostische Abklärung, verlassen jedoch die Praxis, ohne anschließend eine Akut-, Kurzzeit- oder Langzeittherapie zu beginnen. Bei leichten Beschwerden, aus denen sich eine psychische Erkrankung entwickeln könnte, empfehlen Psychotherapeuten Angebote zur Prävention und Selbsthilfe oder verweisen an eine Beratungsstelle. Je nach Art und Schwere der Erkrankung veranlassen Psychotherapeuten aber z. B. auch eine Behandlung im Krankenhaus, medizinische Rehabilitation, Soziotherapie oder eine fachärztliche Behandlung.

Das sind die Ergebnisse einer Auswertung der Abrechnungsdaten von rund 240.000 Patientinnen und Patienten, die im 2. Quartal 2017 erstmals in einer psychotherapeutischen Sprechstunde waren. „Die Daten belegen deutlich: Die psychotherapeutische Sprechstunde ist ein überaus großer Erfolg. Patienten, die sich von einem Psychotherapeuten beraten lassen, erhalten je nach Dringlichkeit und Schwere der Beschwerden die Hilfe, die sie benötigen“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Die größte Verbesserung konnte für die Patienten erreicht werden, die besonders dringend Hilfe benötigen. Sie erhalten mit der Akutbehandlung jetzt besonders schnell professionelle Hilfe. Damit erweist sich die neue psychotherapeutische Sprechstunde schon kurz nach ihrer Einführung als überaus erfolgreich.“

Bereits direkt nach ihrer Einführung am 1. April 2017 wurde die psychotherapeutische Sprechstunde schon im 2. Quartal 2017 flächendeckend angeboten. Dabei wurden die geforderten Mindestzeiten sogar deutlich übertroffen. Mittlerweile ist auch erkennbar, dass gerade Patientengruppen, die bisher aufgrund der langen Wartezeiten häufig gar nicht erst versuchten, einen Termin in einer psychotherapeutischen Praxis zu bekommen, verstärkt den Weg zum Psychotherapeuten finden. Das sind vor allem psychisch kranke Menschen mit chronischen Erkrankungen, die arbeitsunfähig sind, und sozial benachteiligte Patienten. Daten des Robert Koch-Instituts zeigen außerdem, dass vor allem besonders belastete Patienten mit mehreren psychischen Erkrankungen eine ambulante Behandlung erhalten. Von den Patienten mit zwei psychischen Diagnosen beginnen rund 20 Prozent innerhalb eines Jahres eine Behandlung, bei Patienten mit vier oder mehr psychischen Diagnosen sind dies doppelt so viele (40 Prozent).

„Der große Erfolg der psychotherapeutischen Sprechstunde kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass psychisch kranke Menschen noch viel zu lang auf eine Kurz- oder Langzeittherapie warten“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. Jeder dritte Patient, der eine Richtlinientherapie benötigt, erhält diese Behandlung erst zwei bis drei Quartale später. „Die psychotherapeutische Sprechstunde hat zwar dazu geführt, dass psychisch kranke Patienten jetzt schneller erfahren, ob sie eine Behandlung benötigen“, erläutert Munz. „Danach müssen sie jedoch weiterhin monatelang auf einen freien Behandlungsplatz warten.“ Die BPtK fordert deshalb im geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das am Donnerstag im Bundestag beraten wird, ein Sofortprogramm für psychisch kranke Menschen. Dazu gehört:

  • die sofortige Möglichkeit für 1.500 Psychotherapeuten, sich außerhalb von großstädtischen Zentren zusätzlich niederzulassen. Dadurch könnten die Wartezeiten von fünf bis sieben Monaten für psychisch kranke Menschen auf dem Land im Sinne einer Soforthilfe kurzfristig abgesenkt werden,
  • daran anschließend: eine grundsätzliche Reform der Bedarfsplanung, die sich an der Morbidität der Bevölkerung orientiert. Nach repräsentativen epidemiologischen Studien leiden die Menschen überall in etwa gleich häufig an einer psychischen Erkrankung, unabhängig davon, ob sie in der Stadt oder auf dem Land wohnen. „Auf dem Land sind deshalb in etwa so viele Psychotherapeuten notwendig wie in großstädtischen Zentren“, macht BPtK-Präsident Munz deutlich. „Die fehlerhaften Vorgaben der bisherigen Bedarfsplanung, nach denen sich auf dem Land erheblich weniger Psychotherapeuten niederlassen können, gehören abgeschafft.“
  • eine höhere Vergütung sowohl für die Sprechstunde als auch für die psychotherapeutische Akutbehandlung, da diese beiden Leistungen besondere Flexibilität in der Behandlungsplanung erfordern. „Wir nehmen Gesundheitsminister Spahn beim Wort. Besondere Leistungen müssen sich besonders lohnen“, fordert Munz. „Deshalb sollten auch Psychotherapeuten, die ihren Patienten kurzfristig die Termine für eine Sprechstunde und für eine Akutbehandlung geben, besser vergütet werden.“

Angesicht des Erfolgs der Sprechstunde und der Akutbehandlung hält die BPtK den im TSVG geplanten Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss, eine gestufte und gesteuerte psychotherapeutische Versorgung in der Psychotherapie-Richtlinie zu verankern, für überflüssig, so Munz. „Eine gestufte und gesteuerte Versorgung von psychisch kranken Menschen ist seit der Einführung der psychotherapeutischen Sprechstunde längst Realität“, stellt Munz fest. „Die Entscheidung, ob eine psychotherapeutische Behandlung notwendig ist, muss eine Entscheidung des Patienten und des Psychotherapeuten seiner Wahl bleiben. Psychisch kranke Menschen haben das gleiche Recht der freien Wahl eines Behandlers ihres Vertrauens wie körperlich kranke Menschen. Davor eine bürokratische Prüfinstanz zu schalten, dient schlicht der Abschreckung von Patienten. Der Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss ist ersatzlos zu streichen.“

Engagement für das Psychotherapeutengesetz

Diotima 2018 an Ellen Bruckmayer und Hans-Jochen Weidhaas

(BPtK) Ellen Bruckmayer und Hans-Jochen Weidhaas haben heute den Diotima-Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft erhalten. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ehrt damit in diesem Jahr zwei Psychotherapeuten, deren herausragendes Engagement entscheidend dazu beigetragen hat, dass vor rund 20 Jahren das Psychotherapeutengesetz verabschiedet werden konnte. „Obwohl in unterschiedlichen psychotherapeutischen Traditionen verortet, verbanden beide sachliche Leidenschaft und den Blick für die gesamte Profession“, stellte BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz in seiner Laudatio fest. „Beide hatten in der entscheidenden parlamentarischen Phase das politische Augenmaß, den Kompromiss in der Profession zu suchen und zu finden, der in diesem Moment politisch umsetzbar war.“

Das Psychotherapeutengesetz war ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen. Seither können sich Menschen mit psychischen Beschwerden direkt an einen Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten wenden. Auf deren Qualifikation können sich die Patienten verlassen, da alle über eine Ausbildung mit Staatsprüfung und Approbation verfügen und der Aufsicht der Kammern unterliegen. Das Psychotherapeutengesetz, das am 1. Januar 1999 in Kraft trat, war die Grundlage für die Integration der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Diotima-Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft wird einmal im Jahr an Personen oder Organisationen verliehen, die sich in besonderem Maß um die Versorgung psychisch kranker Menschen verdient gemacht haben. Der Preis ist nach Diotima aus Mantinea benannt, einer mythischen Priesterin der Antike. Sie gilt als Lehrerin des Sokrates, die ihn dazu inspirierte, als erster Philosoph die Seele des Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens und Lehrens zu stellen.

Wartezeiten für psychisch kranke Menschen weiterhin zu lang

BPtK zum G-BA-Gutachten zur Bedarfsplanung

(BPtK) Das Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung, das der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) heute in Berlin vorgestellt hat, bietet keine Lösung, die Wartezeiten auf eine Behandlung für psychisch kranke Menschen ausreichend zu verkürzen. Die Gutachter kommen zwar zu dem Ergebnis, dass deutschlandweit rund 2.400 psychotherapeutische Praxen fehlen. Sie setzen jedoch die von den heute zugelassenen Psychotherapeuten erbrachten Leistungen mit dem Bedarf gleich.

„Die Gutachter haben ihre eigentliche Aufgabe nicht erfüllt“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), das G-BA-Gutachten. „Angesichts der langen Wartezeiten auf eine Psychotherapie reicht es nicht aus, den Status quo an psychotherapeutischer Versorgung heranzuziehen, um den Bedarf abzuschätzen. Aufgabe der Gutachter wäre es gewesen, ein Konzept zu entwickeln, wie unter Berücksichtigung der Häufigkeit psychischer Erkrankungen der Bedarf an psychotherapeutischen Behandlungsplätzen ermittelt werden kann. Daran sind die G-BA-Gutachter jedoch gescheitert.“ Nach BPtK-Berechnungen sind rund 7.000 zusätzliche Psychotherapeutenpraxen notwendig, um die monatelangen Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung in besonders schlecht versorgten Regionen zu verkürzen.

Kein Konzept für eine bedarfsgerechte Ermittlung der Anzahl psychotherapeutischer Praxen

Die G-BA-Gutachter gehen bei der Ermittlung des fachspezifischen Versorgungsbedarfs über den Status quo nicht hinaus. Sie schlagen vor, die notwendige Anzahl von Ärzten und Psychotherapeuten auf Basis der aktuell abgerechneten ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen zu ermitteln. „Damit gehen sie grundsätzlich davon aus, dass die Versorgungsleistungen, die Ärzte und Psychotherapeuten aktuell erbringen, ausreichen, um kranke Menschen angemessen zu versorgen. Gerade bei psychisch kranken Menschen herrscht jedoch ein erheblicher und unstrittiger Mangel an Behandlungsplätzen“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Weil die Gleichsetzung von Angebot und Bedarf in der ambulanten Psychotherapie völlig unhaltbar ist, hatten die G-BA-Gutachter den Auftrag bekommen, ein neues Konzept zu entwickeln. Dieser Auftrag wurde jedoch nicht erfüllt.“ Psychisch kranke Menschen warten durchschnittlich fünf Monate auf eine psychotherapeutische Behandlung. „Angesichts eines solch gravierenden Mangels an psychotherapeutischen Behandlungsplätzen keine konkreten Ansätze zur Berechnung des tatsächlichen Versorgungsbedarfs vorzulegen, ist konzeptionell mehr als mager.“

Nach der bevölkerungsrepräsentativen Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS) des Robert Koch-Instituts leiden 28 Prozent der erwachsenen Deutschen innerhalb eines Jahres unter mindestens einer psychischen Erkrankung. Insgesamt sind in Deutschland 19 Millionen Menschen jährlich von einer psychischen Erkrankung betroffen. Laut dem G-BA-Gutachten sind jährlich etwa 1,9 Millionen Menschen bei einem Psychotherapeuten in Behandlung. Das sind lediglich 10 Prozent aller psychisch kranken Menschen. Nicht jeder psychisch kranke Mensch benötigt eine Psychotherapie oder möchte diese in Anspruch nehmen. Aber bei den meisten psychischen Erkrankungen ist Psychotherapie nach nationalen und internationalen Leitlinien die Behandlungsmethode der ersten Wahl. „Dass nur jeder zehnte psychisch kranke Mensch eine Psychotherapie erhält, belegt die großen Defizite in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. „Mit dem Gutachten würde der Missstand, dass viele psychisch kranke Menschen nicht und nicht leitliniengerecht behandelt werden können, auch in Zukunft fortgeschrieben.“

Gesetzliche Vorgaben für die psychotherapeutische Bedarfsplanung notwendig

Der G-BA hatte bereits mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 den Auftrag erhalten, die Bedarfsplanung zu reformieren und hierbei den Fokus insbesondere auf die psychotherapeutische Versorgung zu richten. Die ihm hierfür gesetzte Frist hat der G-BA nicht eingehalten. Gesundheitsminister Spahn will mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz dem säumigen G-BA eine Fristverlängerung bis zum 1. Juli 2019 gewähren. Diese Fristverlängerung sollte jedoch nicht ohne Auflagen bleiben. Damit der G-BA mit seinen sich in der Bedarfsplanung oft blockierenden Bänken – Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverband – zu sachgerechten Lösungen kommen kann, sollte er vom Gesetzgeber konkrete Vorgaben für die Reform insbesondere der psychotherapeutischen Bedarfsplanung erhalten. Diese sollten vor allem das Ziel haben, die Fehler in der Bedarfsplanung für die Bedarfsplanungsgruppe der Psychotherapeuten aus dem Jahr 1999 zu beheben und die bevölkerungsrepräsentativen Daten zur Häufigkeit psychischer Erkrankungen aus der DEGS-Studie des Robert Koch-Instituts systematisch zu berücksichtigen.