Schlagwortarchiv für: Versorgung

Neuwahl des Vorstands und Ausbildungsreform

26. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin

(BPtK) Am 25. April 2015 fand der 26. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) in Berlin statt. Künftig spricht Dr. Dietrich Munz für die deutschen Psychotherapeuten. Der 63-jährige angestellte Psychotherapeut wurde mit deutlicher Mehrheit zum neuen Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) gewählt. Munz löst damit Prof. Dr. Rainer Richter ab, der zehn Jahre lang für die Interessen der Psychotherapeuten eintrat. Der DPT wählte außerdem mit großen Mehrheiten als neue Vizepräsidenten Dr. Nikolaus Melcop und Peter Lehndorfer sowie als Beisitzer Dr. Andrea Benecke und Wolfgang Schreck.

Psychotherapeutische Versorgung sterbender Menschen verbessern

BPtK zum Gesetzentwurf zur Hospiz- und Palliativversorgung

(BPtK) Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland“ (Hospiz- und Palliativgesetz – HPG) beschlossen. Mit dem Gesetz soll ein flächendeckendes Angebot verwirklicht werden, sodass alle Menschen an den Orten, an denen sie ihre letzte Lebensphase verbringen, auch im Sterben gut versorgt und begleitet sind. Pflegeheimbewohnern soll zudem eine individuelle Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase ermöglicht werden.

„Die Hospiz- und Palliativversorgung muss als ganzheitliche Versorgung nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation ausgestaltet werden“, betont Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Wir hätten uns daher ein noch klareres Bekenntnis der Bundesregierung dazu gewünscht, die bestehenden Defizite in der psychotherapeutischen Versorgung von schwer kranken und sterbenden Patienten zu beheben.“ 50 bis 90 Prozent der Pflegeheimbewohner leiden unter einer seelischen Erkrankung, nur fünf bis 19 Prozent werden psychotherapeutisch behandelt. Stattdessen erhalten zu viele pflegebedürftige Patienten Psychopharmaka.

Die Einzelheiten der Hospiz- und Palliativversorgung sollen vertraglich u. a. zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Krankenkassen im Bundesmantelvertrag festgelegt werden. Vor der vertraglichen Ausgestaltung der Versorgung ist der Bundesärztekammer und der BPtK Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Referentenentwurf hatte die BPtK noch vom Stellungnahmerecht ausgenommen. Die Einbeziehung der BPtK in die Beratungen lässt darauf schließen, dass das Problem erkannt wurde.

Verbindliche Anforderungen an die Personalausstattung unverzichtbar

BPtK-Veranstaltung zur psychotherapeutischen Versorgungsqualität in Psychiatrie und Psychosomatik

(BPtK) Mit der Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) und dem damit verbundenen Auslaufen der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) wurde der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) vom Gesetzgeber beauftragt, Empfehlungen für die Ausstattung der Einrichtungen mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal zu erarbeiten. Die Versorgungsqualität in Psychiatrie und Psychosomatik hängt – mehr noch als in der Somatik – entscheidend von der Anzahl und Qualifikation des therapeutischen Personals ab. Der gesetzliche Auftrag lässt jedoch Interpretationsspielraum hinsichtlich der Verbindlichkeit der Anforderungen an die Personalausstattung. Er lässt offen, ob es sich lediglich um Empfehlungen oder um verbindliche Mindestanforderungen für die Krankenhäuser handeln soll. Der G-BA hat bereits eine Arbeitsgruppe Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik (AG PPP) eingesetzt, die u. a. diese Frage diskutieren soll.

Empfehlungen oder Mindestanforderungen

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) veranstaltete am 10. März 2015 eine Tagung, um diese Frage mit Vertretern von Leistungserbringern, Kostenträgern und Patienten zu diskutieren. Als Vertreterin der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) sprach sich Dr. Sabine Haverkamp dann für verbindliche Mindestanforderungen aus, wenn gleichzeitig deren Finanzierung gesichert werde. Verbindliche Vorgaben zögen auch immer eine Prüfung dieser Vorgaben nach sich, die Vorgaben müssten deshalb ausreichend flexibel sein, damit sie von den Krankenhäusern auch erfüllt werden könnten.

Aus Sicht der Krankenkassen müsse vor allem gesichert sein, dass das Geld, was den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werde, auch in Personal umgesetzt werde. Quersubventionierungen anderer Krankenhausbereiche, wie sie unter der Psych-PV möglich gewesen wären, müssten zukünftig verhindert werden. Derzeit diskutiere der GKV-Spitzenverband vor allem, ob Mindestanforderungen für die gesamte Psychiatrie sinnvoll seien oder ob es nicht vielmehr darum gehe, in besonders qualitätssensiblen Bereichen, wie der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder der Akutpsychiatrie, verbindliche Vorgaben zu machen, erläuterte Dr. Ute Watermann vom GKV-Spitzenverband.

Aus BPtK-Sicht sind verbindliche Mindestanforderungen und deren ausreichende Finanzierung zwingende Voraussetzungen, um eine gute Versorgungsqualität in Psychiatrie und Psychosomatik zu erhalten und zu erreichen. Eine qualitativ hochwertige Versorgung psychisch kranker Menschen sei vor allem gesprächs- und beziehungsorientiert, stellte BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter fest. Gerade bei der Implementierung psychotherapeutischer Behandlungskonzepte gebe es erheblichen Nachholbedarf, da sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse seit der Verabschiedung der Psych-PV entscheidend weiterentwickelt hätten. Dies könne nur erreicht werden, wenn ausreichend Psychotherapeuten und psychotherapeutisch geschulte Teams in der stationären Versorgung zur Verfügung ständen. Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die es zum Zeitpunkt der Entwicklung der Psych-PV noch nicht gab, müssten im zukünftigen Personalportfolio der Krankenhäuser ausdrücklich verankert werden.

Podiumsdiskussion

Dem Ziel einer stärker psychotherapeutisch orientierten Versorgung in der Psychiatrie stimmte Dr. Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ausdrücklich zu. Die Fehler der Psych-PV, die vor allem in der Akutpsychiatrie kaum Psychotherapie vorgesehen habe, dürften nicht tradiert werden. Die Entwicklung der Anforderungen an die Personalausstattung sollte soweit möglich evidenzbasiert erfolgen.

Psychotherapie umfasse mehr als das psychotherapeutische Einzel- und Gruppengespräch, ergänzte BPtK-Präsident Richter. Eine psychotherapeutische Grundhaltung des gesamten Teams und psychotherapeutische Kurzinterventionen seien im stationären Bereich auch von immenser Wichtigkeit. Prof. Richter erinnerte an den Begriff der „Therapeutischen Gemeinschaft“. Dieser Ansatz sei lange aus der Mode gewesen, obwohl die positiven Auswirkungen auf die Gesundung der Patienten hinreichend bekannt seien. Heute entständen jedoch wieder Soteria-Stationen, die nach dem Prinzip einer therapeutischen Wohngemeinschaft arbeiten, wie z. B. am St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin speziell für junge Patienten in psychotischen Krisen.

DGPPN-Präsidentin Hauth appellierte an alle Leistungserbringer, sich gemeinsam für eine ausreichende Finanzierung und Personalausstattung der stationären Versorgung psychisch kranker Menschen einzusetzen. Eine Forderung, die auch Prof. Dr. Michael Löhr, Experte im Bereich psychiatrische Pflege von der Fachhochschule Bielefeld, teilte. Die Erfahrungen mit der Einführung der Fallpauschalen (DRG) in den somatischen Häusern zeigten, dass es unter Kostendruck in einem pauschalierten Entgeltsystem vor allem zu massivem Stellenabbau in der Pflege gekommen sei. Diese Entwicklung dürfe sich in den psychiatrischen Häusern mit der Einführung des PEPP auf keinen Fall wiederholen. Dr. Claus Krüger vom Verband der Psychosomatischen Krankenhäuser und Krankenhausabteilungen in Deutschland (VPKD) sah deshalb vor allem auch die Notwendigkeit, eine funktionierende Qualitätssicherung in den psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen einzuführen. Die Schaffung geeigneter Komplexcodes für die Leistungserfassung, in denen Prozess- und Strukturmerkmale kombiniert würden, könnten auch ein geeigneter Weg sein, Anforderungen an die Personalausstattung zu implementieren. Hierzu müssten jedoch die verschiedenen Leistungserbringer besser als bisher bei der Entwicklung des PEPP zusammenarbeiten.

Gleichzeitig dürfe das neue Entgeltsystem eine Weiterentwicklung der stationären Versorgung in Richtung eines flexibleren Behandlungsangebots, das in Abhängigkeit von den Patientenbedarfen und -bedürfnissen stationär, teilstationär, ambulant oder zu Hause erfolgen kann, nicht behindern. Auf diesen Punkt wies insbesondere Jurand Daszkowski vom Landesverband Psychiatrie Erfahrener Hamburg ausdrücklich hin.

Psychotherapeutische Versorgungsqualität – Beispiele aus der Praxis

Wie eine evidenzbasierte und psychotherapeutisch orientierte Versorgung in Psychiatrie und Psychosomatik unter den heutigen Bedingungen gelingt, war Thema des Nachmittags der BPtK-Veranstaltung. In einer Reihe von Fachvorträgen wurden Beispiele für eine gelungene Implementierung wirksamer, psychotherapeutischer Behandlungsansätze in den stationären Alltag vorgestellt.

Psychosen und Depressionen
Prof. Dr. Stefan Klingberg von der Universität Tübingen berichtete über ein stationäres Psychotherapie-Konzept für Patienten mit Psychosen. In manchen Krankenhäusern würde Psychotherapie bei der Behandlung von Psychosen immer noch als „Kunstfehler“ bezeichnet, zitierte er eine Klinik-Webseite. Das sei eine vollkommen überholte Auffassung von Psychosentherapie. In Tübingen sei es trotz der großen Heterogenität hinsichtlich des Krankheitsbildes, der sozialen Integration und der Komorbiditäten gelungen, ein 8-wöchiges Komplexprogramm zu etablieren, in dem alle erforderlichen Behandlungsansätze inclusive Psychotherapie integriert seien. Dabei würden die Patienten nicht selektiv aufgenommen, sondern in 80 bis 90 Prozent der Fälle von der Aufnahmestation überwiesen. Mit einer Personalausstattung von einem Arzt, 1,25 Psychologischen Psychotherapeuten, ½ Psychologen, einem Psychotherapeuten in Ausbildung und 8,5 Pflegekräften könnten 20 Behandlungsplätze (17 vollstationär und 3 teilstationär) entsprechend versorgt werden.

Unipolare Depressionen sind neben Psychosen ein Hauptaufnahmegrund in einem psychiatrischen Krankenhaus. Auch für unipolare Depressionen ist nachgewiesen, dass Psychotherapie eine wirksame Behandlungsmethode ist. Unter den derzeitigen Bedingungen können jedoch nicht alle Patienten ausreichend psychotherapeutisch versorgt werden, wie Dr. Sabine Hoffmann, leitende Psychologin der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie I&II in den Kliniken im Theodor-Wenzel-Werk in Berlin, berichtete. In ihrer Abteilung erhalten Patienten mit Depressionen kognitive Verhaltenstherapie, im Einzel und in störungsspezifischen Gruppen. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen erhielt nur knapp ein Viertel der Patienten Einzelgespräche in wünschenswertem Umfang und knapp ein Drittel eine störungsspezifische Gruppentherapie.

Besondere Anforderungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie kämpfe insbesondere mit einer sinkenden Personalausstattung, stellte Jan Wiedemann, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Schleswig fest. Wiedemann mahnte, dass gerade Kinder- und Jugendliche eines besonderen Schutzes bedürften und ihre Rechte nicht selber einklagen könnten. Eine Personalausstattung, die aktuell nicht immer gewährleisten könne, dass die jungen Patienten leitliniengerecht versorgt werden könnten, sei nicht akzeptabel. Kinder Jugendliche müssen in kleinen Gruppen behandelt und betreut werden, große Stationen verstärkten den Stress für die Patienten und führten eher dazu, dass Symptome wir Unruhe, Hyperaktivität und Aggressivität sich verschlimmerten als verbessern. Gerade für die Kinder- und Jugendpsychiatrie scheinen verbindliche Vorgaben deshalb unerlässlich.

Komplexe störungsspezifische Therapieprogramme
Über die gelungene Integration einer störungsspezifischen Behandlung von Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) auf einer normalen Station, referierte Dr. Ernst Kern von der Psychiatrischen Klinik Sonnenberg in Saarbrücken. Auf seiner Station würden sechs Behandlungsplätze speziell für Patienten mit einer BPS angeboten, die dort mit einem störungsspezifischen Komplexprogramm (dialektisch behaviorale Therapie nach Linehan) behandelt würden. Die Ergebnisse zeigten, dass sich mit einem guten störungsspezifischen Therapiekonzept, ausreichend Personal und Zeit mit überschaubarem Aufwand ausgezeichnete Therapieerfolge erzielen lassen würden. Die meisten integrativen Konzepte dauerten 12 bis 13 Wochen und bezögen das gesamte Behandlungsteam ein, das weitergebildet sowie kontinuierlich geschult und supervidiert werde.

Über ähnliche Erfahrungen und Ergebnisse berichteten Prof. Dr. Jörn von Wietersheim bei der Behandlung von Essstörungen und Klaus Dilcher bei der Behandlung von Traumafolgestörungen. In der psychosomatischen Universitätsklinik Ulm werden magersüchtige Patienten mit einem intensiven und komplexen Behandlungsprogramm entsprechend den Leitlinienempfehlungen behandelt. In Urlauszeiten und bei Krankheit entstünden jedoch bei der aktuellen Personalausstattung Engpässe und Therapien müssten ausfallen, berichtete von Wietersheim. Auch im Pflegebereich reichten die vorgesehenen Stellen nicht aus, um Essbegleitungen und Nachbesprechungen, die heute zum Standard in der Behandlung von Essstörungen gehörten, ausreichend gewährleisten zu können. Auch gebe es derzeit noch zu wenige Zentren oder Ambulanzen, die auf die Behandlung von Essstörungen spezialisiert seien. Bei dieser komplexen, häufig chronisch verlaufenden und mit einem hohen Mortalitätsrisiko behafteten Erkrankung sei dies jedoch unbedingt erforderlich.

Auch die Behandlung von komplexen Traumastörungen erfordere eine ausreichende Personalausstattung mit spezifisch fortgebildeten Psychotherapeuten, erläuterte Dilcher, Leitender Psychologe und Geschäftsführer der Klinik am Waldschlösschen in Dresden. In seiner Klinik würden die Patienten in einem geschützten Rahmen vor allem intensiv einzeltherapeutisch behandelt, mit guten Therapieerfolgen. Die Kosten für die hierfür notwendige Personalausstattung seien im derzeitigen Krankenhausfinanzierungssystem nicht ausreichend abgebildet.

Unabhängig von Störungsbild und Krankenhaus plädierten alle Referenten einstimmig für ein besser ausgebautes psychotherapeutisches Angebot in den Krankenhäusern und eine Personalausstattung, die auch intensive Einzeltherapien mit den Patienten ermöglichten, da alle Erfahrungen zeigten, dass diese besonders wirkungsvoll seien.

(Statements und Fachvorträge der BPtK-Veranstaltung werden in einem Buch veröffentlicht.)

Kürzere Wartezeiten beim Psychotherapeuten

BPtK zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz

(BPtK) Termine beim Psychotherapeuten könnten viel schneller möglich sein. Dafür ist eine psychotherapeutische Sprechstunde notwendig, durch die ein Ratsuchender mit psychischen Beschwerden, kurzfristig einen Termin erhält. Bisher wartet ein psychisch kranker Mensch durchschnittlich mehr als drei Monate auf einen ersten Termin beim niedergelassenen Psychotherapeuten.

„Der Gesetzgeber muss im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sicherstellen, dass jemand, der aufgrund psychischer Beschwerden Beratung oder Hilfe benötigt, schnell eine qualifizierte Auskunft erhält“, fordert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Einem Ratsuchenden kann aber nur weitergeholfen werden, wenn überhaupt klar ist, ob und woran er leidet. Eine psychotherapeutische Sprechstunde ohne fachgerechte Diagnostik gefährdet den Patienten. Beratung setzt Diagnostik voraus, ansonsten müssten Psychotherapeuten ihre Sorgfaltspflichten verletzen. Der Gemeinsame Bundesausschuss braucht deshalb durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz einen klareren Auftrag als derzeit im Gesetzentwurf vorgesehen.“

In der Warteschlange beim Psychotherapeuten befinden sich Ratsuchende mit sehr unterschiedlichen Fragen, Beschwerden oder Erkrankungen. Manchen wäre schon mit wenigen Gesprächen geholfen. Dies zeigt sich auch an der Anzahl derjenigen, die nach den ersten Gesprächen keine psychotherapeutische Behandlung beginnen. Fast 40 Prozent nutzen nicht mehr als die probatorischen Sitzungen (siehe Grafik 1). Andere brauchen schnellstmöglich einen Therapieplatz oder eine Einweisung ins Krankenhaus. Alle Anfrager warten jedoch die gleiche Zeit auf einen ersten Termin. Alle könnten schneller wissen, was ihnen fehlt und wie ihnen geholfen werden kann, wenn Psychotherapeuten eine Sprechstunde anbieten könnten.

Durch eine psychotherapeutische Sprechstunde sollten Menschen mit psychischen Beschwerden innerhalb einer Woche einen ersten Termin erhalten. Patienten mit leichten Beschwerden könnten z. B. auf wirksame therapeutengestützte Selbsthilfeangebote oder Angebote von Beratungsstellen verwiesen werden. Schwer psychisch kranken Menschen könnte gezielter ein komplexes ambulantes und, wenn notwendig, auch stationäres Behandlungs- oder Rehabilitationsangebote gemacht werden.

Psychotherapeuten müssen dafür durch weitere Anpassungen im SGB V in die Lage versetzt werden, ihren Patienten ein breiteres Spektrum an Hilfen anzubieten bzw. auf solche Angebote verweisen zu können, einschließlich:

  • präventiver Beratung,
  • regelmäßigem Monitoring bei psychotherapeutisch begleiteter Selbsthilfe,
  • mediengestützter Interventionen,
  • psychoedukativer (Gruppen-)Angebote,
  • Akutversorgung und Kriseninterventionen,
  • komplexer ambulanter Behandlungsangebote, die auch längere Behandlungen bei einer Kombination von Einzel- und Gruppenpsychotherapie umfassen,
  • aufsuchender Behandlung, z. B. in der Wohnung des Patienten,
  • der Möglichkeit, in dringenden Notlagen ins Krankenhaus einzuweisen,
  • der Verordnung von Rehabilitation,
  • der Verordnung von Heilmitteln für Kinder und Jugendliche, Ergotherapie in der neuropsychologischen Therapie sowie Soziotherapie.

Das Kapazitätsproblem in der Psychotherapie wird sich nicht durch eine weitere Ausweitung der Kurzzeittherapie lösen lassen, wie der aktuelle Entwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes noch suggeriert. Psychotherapeuten behandeln ihre Patienten schon heute nur so lange und so intensiv, wie es für eine erfolgreiche Therapie erforderlich ist. Der Anteil der Kurzzeittherapie liegt bei rund 70 Prozent, etwa ein Viertel der Behandlungen dauert sogar nur bis zu zehn Stunden (siehe Grafik 2). Das Ausmaß an Kurzzeittherapie stößt damit bereits an fachliche Grenzen, die nicht mehr zu unterschreiten sind. Die aktuellen Daten zu den Therapiedauern unterstreichen zudem, dass die bewilligten Behandlungskontingente von Patienten und Psychotherapeuten nicht ausgeschöpft werden.

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Bundeseinheitliches Verhältnis von Psychotherapeuten zu Einwohnern

Bertelsmann-Studie zur Psychotherapeutendichte

(BPtK) Die psychotherapeutischen Praxen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt. Dies stellt die Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Berliner Forschungsinstitut IGES in einer neuen Studie fest. Der Grund dafür sind insbesondere gesetzliche Vorgaben: Danach soll ein Psychotherapeut in ländlichen Regionen rund 6.000 Einwohner versorgen, in Großstädten aber nur halb so viele. Dieses Ungleichgewicht wird damit begründet, dass in Städten häufiger Patienten aus dem Umland mit versorgt werden.

Die Bertelsmann Stiftung schlägt nun ein bundesweit einheitliches Verhältnis von Psychotherapeut pro Einwohner vor, damit sich die Praxen bedarfsgerechter verteilen. „Die Einführung einer bundeseinheitlichen Verhältniszahl ist zu begrüßen. Hierdurch könnte das Stadt-Land-Gefälle in der Versorgung verringert werden. Menschen auf dem Land sind genauso häufig psychisch krank wie Menschen, die in der Stadt leben und brauchen genauso häufig eine psychotherapeutische Behandlung“, erklärt Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Problematisch wäre es jedoch, wenn dafür die bisherige Bedarfsplanung die Grundläge wäre.“

Die bisherigen Vorgaben unterschätzen den Bedarf an psychotherapeutischen Praxen erheblich. Die heutige Mangelversorgung an ambulanter Psychotherapie ist auf Fehler bei der Bedarfsplanung für die Arztgruppe der Psychotherapeuten zurückzuführen, die bei anderen Arztgruppen nicht gemacht worden sind. Die Fehler betreffen vor allem die Stichtagsregelung im Rahmen der Bedarfsplanung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss.

Die BPtK schlägt deshalb für die Berechnung einer bundeseinheitlichen Verhältniszahl für Psychotherapeuten zunächst eine neue Stichtagsregelung vor. Grundlage für die Berechnung des Bedarfs soll danach der Mittelwert der psychotherapeutischen Praxen am 31. Dezember 2004 in Westdeutschland sein. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Psychotherapeuten, die vor der Einführung des Psychotherapeutengesetzes im Delegations- oder Kostenerstattungsverfahren tätig waren, zugelassen. Durch diese Korrektur entsprächen die heute vorhandenen Praxen in etwa dem gesetzlich festgelegten Bedarf (siehe Abbildung).

„Diese Korrektur kann jedoch nur ein erster Schritt sein“, stellt BPtK-Präsident Richter fest. „Grundsätzlich brauchen wir eine Bedarfsplanung, die nicht die vorhandenen Praxen zählt, sondern auf einem tatsächlichen Versorgungsbedarf basiert.“ Das IGES Institut hat hierfür einen Bedarfsplanungsindex mit Faktoren entwickelt, die den medizinischen Versorgungsbedarf abbilden. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, so Richter. „Für die psychotherapeutische Versorgung ist aber eine Anpassung dieses Indexes notwendig.“

Arbeitsunfähige unter Druck der Krankenkassen

BPtK fordert Versichertenschutz im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz auszubauen

(LPK BW) Versicherte, die längere Zeit arbeitsunfähig sind und deshalb Krankengeld beziehen, sehen sich nicht selten von ihrer Krankenkasse unter Druck gesetzt. Sie erhalten nach Berichten der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) von ihren Kassen Anrufe, in denen sie dann zu hören bekommen: „Ach, im Hintergrund spielt das Radio – dann geht es Ihnen ja gar nicht so schlecht …“ oder „Jetzt stellen Sie sich doch nicht so an!“, „Gehen Sie wieder arbeiten!“. Einige Versicherte berichteten sogar, dass sie sich nicht mehr trauten, ans Telefon zu gehen, weil sie weitere Anrufe ihrer Krankenkasse befürchteten.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert deshalb strengere Regeln darüber, welche Fragen Krankenkassen ihren Versicherten stellen dürfen. „Die Versicherten wissen häufig nicht, welche Rechte sie haben und was sie ihrer Krankenkasse mitteilen müssen und was nicht“, stellt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter fest und fordert deshalb, den Versichertenschutz durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz auszubauen. Krankenkassen wenden sich insbesondere dann an ihre Versicherten, wenn sie lange arbeitsunfähig sind und deshalb Krankengeld beziehen. Unter diesen Versicherten sind besonders viele psychisch kranke Menschen. Jeder fünfte Versicherte, der länger als sechs Wochen krankgeschrieben ist, ist psychisch krank.

„Es muss durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz präzise und einheitlich geregelt werden, welche Daten Krankenkassen von ihren Versicherten, die lange krankgeschrieben sind, zusätzlich zu den Daten erfragen dürfen, die ihnen aus der Routineversorgung zur Verfügung stehen“, fordert BPtK-Präsident Richter. Vor allem sollte künftig verglichen werden, wie die Krankenkassen mit ihren Versicherten umgehen, die längerfristig arbeitsunfähig sind. Dazu sollte das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen regelmäßig über die Beratungen der Kassen bei arbeitsunfähigen Versicherten und die Art und Weise, wie sie diese unterstützen, berichten. Das Institut sollte hierzu auch Versicherte befragen. „So könnten Versicherte die Wahl ihrer Krankenkasse auch davon abhängig machen, wie hilfreich diese ist, wenn sie längerfristig arbeitsunfähig werden“, betont BPtK-Präsident Richter. Außerdem sollten die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet werden, ihre Versicherten darüber zu informieren, dass ein Gespräch über ihre Arbeitsunfähigkeit absolut freiwillig ist und dass das Krankengeld nicht gekürzt oder gestrichen werden kann, wenn sie ein solches Gespräch ablehnen.

Grundsätzlich ist sinnvoll, psychisch kranke Menschen, die lange krank und arbeitsunfähig sind, über die ihnen zustehenden Leistungen des Gesundheitssystems zu informieren und ihnen dabei zu helfen, diese auch nutzen zu können, z. B. bei zu langen Wartezeiten auf eine Psychotherapie. Wesentliche Aufgabe der Krankenkassen ist es hierbei z. B. den Versicherten zu unterstützen, einen Behandlungsplatz zu finden oder den Übergang zwischen stationärer und ambulanter Behandlung möglichst reibungslos zu gestalten.

Aufgabe der Krankenkassen ist es dagegen nicht, in die Behandlung einzugreifen (z. B. durch Fragen zu Problemen am Arbeitsplatz, zu familiären Nöten und finanziellen Schwierigkeiten) oder kranken Versicherten zu raten, möglichst schnell an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Hat eine Kasse Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, kann sie zur Klärung den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einschalten. Sie selbst darf dies jedoch nicht eigenständig unter dem Vorwand der Beratung überprüfen. „Hier muss der Gesetzgeber einen Riegel vorschieben“, fordert BPtK-Präsident Richter.

Hintergrund Krankengeld: Unter dem Vorwand der „Beratung“ von lange arbeitsunfähigen Versicherten versuchen einige Kassen, ihre Ausgaben für Krankengeld kurzfristig zu verringern. Das Krankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, durch die ein Versicherter bei längerer Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (ab sechs Wochen) finanziell abgesichert werden soll. Die Dauer der Krankengeldzahlungen ist begrenzt. Der Versicherte erhält Lohnersatz für insgesamt maximal 78 Wochen für dieselbe Krankheit innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren. Bei Arbeitnehmern beträgt das Krankengeld 70 Prozent des Bruttolohns, jedoch nicht mehr als 90 Prozent des Nettolohns. Krankengeld ist bei den gesetzlichen Krankenkassen ein beträchtlicher finanzieller Posten. Die Ausgaben für Krankengeld betrugen im Jahr 2013 9,76 Milliarden Euro. Sie sind damit seit 2005 um zwei Drittel gestiegen (Abbildung 1).

Weitere Informationen zum Krankengeldmanagement der Krankenkassen finden sich in der BPtK-Studie zur Arbeitsunfähigkeit 2015.

Psychisch kranke Menschen in der Versorgung benachteiligt

Bundesrat fordert Überprüfung der Bedarfsplanung

(BPtK) Der Bundesrat fordert eine regelmäßige Überprüfung der sogenannten Bedarfsplanung, mit der festgelegt wird, wie viele Ärzte und Psychotherapeuten zur ambulanten Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen werden. Das geht aus der heute beschlossenen Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes hervor.

„Die BPtK begrüßt diese Forderung des Bundesrats“, betont Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Der Bundesrat hat erkannt, was diese „Bedarfsplanung“ für psychisch kranke Menschen bedeutet, die händeringend einen Behandlungsplatz suchen – oft vergeblich. Jetzt ist es aber auch Zeit, daraus Konsequenzen zu ziehen.“ Die BPtK fordert, mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz die in der Vergangenheit begangenen Fehler der Bedarfsplanung zu korrigieren.

Im Bereich der Psychotherapie ist die ambulante Versorgung mangelhaft. Psychisch kranke Menschen warten in Deutschland derzeit im Durchschnitt über drei Monate auf ein erstes Gespräch beim Psychotherapeuten. Der Bundesrat verweist in seiner Stellungnahme daher auch auf die deutliche Diskrepanz bei der psychotherapeutischen Versorgung zwischen der Bedarfsplanung, die rechnerisch eine Überversorgung aufweist, und der tatsächlichen Versorgungssituation mit langen Wartezeiten.

In seiner Stellungnahme fordert der Bundesrat außerdem, die mit dem Gesetzesentwurf geplante Regelung zum weiteren Abbau von Praxissitzen für Psychotherapeuten bis 2018 auszusetzen.

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Soziotherapie künftig bei allen psychischen Erkrankungen verordenbar

G-BA verabschiedet überarbeitete Soziotherapie-Richtlinie

(BPtK) Die Verordnung von Soziotherapie war bisher auf die Diagnosen Schizophrenie, wahnhafte Störungen und schwere depressive Episoden mit psychotischen Symptomen beschränkt. Mit Inkrafttreten der neuen Richtlinie kann Soziotherapie jetzt in begründeten Einzelfällen auch bei allen anderen Diagnosen einer psychischen Erkrankung verordnet werden, sofern diese zu gravierenden Beeinträchtigungen im Alltag führen, die auch die Fähigkeit zur Inanspruchnahme und Koordination ärztlicher Leistungen betreffen. Damit wird die Forderung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) erfüllt, Soziotherapie für alle psychischen Erkrankungen zu ermöglichen.

Auch in der neuen Richtlinie darf Soziotherapie weiterhin nur von einem Arzt – Facharzt für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatische Medizin oder Neurologie/Nervenheilkunde – verordnet werden. Diese Einschränkung ist aus Sicht der BPtK nicht sachgerecht. „Gerade bei psychischen Erkrankungen, die nicht zum schizophrenen Formenkreis gehören, macht das gar keinen Sinn. Patienten mit anderen psychischen Erkrankungen werden häufig – und leitlinienkonform – ausschließlich von Psychotherapeuten behandelt. Diese Patienten für die Verordnung von Soziotherapie noch einmal zu einem Facharzt schicken zu müssen, ist weder sinnvoll noch notwendig“, kritisiert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der BPtK.

Aus Sicht der BPtK sind Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten dafür qualifiziert, über die Frage der Indikation einer Soziotherapie zu entscheiden. Daher ist die Möglichkeit zur Verordnung von Soziotherapie durch Psychotherapeuten die angemessene Lösung. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen lässt sich eine solche Regelung jedoch nicht allein auf der Ebene der Richtlinie verankern. Die BPtK hatte deshalb vorgeschlagen, dass es auch anderen Ärzten, als den in der Richtlinie benannten Fachärzten, ermöglicht werden sollte, Soziotherapie zu verordnen, wenn sie vom behandelnden Psychotherapeuten empfohlen wird. Insbesondere könnten dies Ärzte sein, bei denen im Rahmen der Psychotherapie ohnehin der Konsiliarbericht angefordert wird. Durch die Empfehlung des Psychotherapeuten wäre die notwendige Fachexpertise gesichert. Gleichzeitig würde dem Patienten ein weiterer Arztbesuch allein aus formalen Gründen zum Zweck der Verordnung von Soziotherapie erspart. Diese Forderung wurde jedoch vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht aufgenommen.

Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung

Landtag setzt EU-Richtlinie um

(LPK BW) Im November hat der Landtag von Baden-Württemberg das Baden-Württembergische Patientenmobilitätsgesetz (BWPatMobG) beschlossen. Das Gesetz setzt die EU-Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung um. Im April 2011 war die EU-Richtlinie in Kraft getreten. Die Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinie umsetzen.

Das Gesetz richtet sich an alle Dienstleister der Gesundheitsversorgung, also auch an Sie als Vertragspsychotherapeut und regelt u. a., welche Informationen die Patienten erhalten müssen. Die im Patientenmobilitätsgesetz verankerten Pflichten gelten jetzt nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Behandlungsvertrag sowie nach den Vorschriften der Berufsordnung. Das Patientenmobilitätsgesetz verlangt zum Beispiel, dass Sie den Patienten über die Verfügbarkeit der Gesundheitsversorgung informieren. Dies machen Sie regelmäßig bereits durch die Angabe der Sprechstunden auf Ihrem Praxisschild. Selbstverständlich müssen Sie die Patienten auch über die erforderliche Behandlung aufklären.

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/24/EU finden Sie unter dem nachfolgenden Link zum Download.

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