Schlagwortarchiv für: Versorgung

E-Health – die Digitalisierung des Gesundheitswesens

1. Landeskongress Gesundheit Baden-Württemberg am 29. Januar 2016

(LPK BW) Die Bezirksärztekammer Nordwürttemberg, die Kassenärztliche Vereinigung und die Landeskrankenhausgesellschaft haben den ersten Gesundheitskongress Baden-Württemberg initiiert. Die LPK ist offizieller Unterstützer des Kongresses.

Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitalwirtschaft und früherer Ministerpräsident Baden-Württembergs wird als Hauptredner zum Thema „Die digitale Revolution im europäischen Gesundheitswesen – wo steht Baden-Württemberg“ sprechen. In der anschließenden Podiumsdiskussion soll daran angeknüpft werden. Am Nachmittag wird im Format internationales World-Café in vier Foren über Telemedizin, elektronisch gestützte Behandlung, Qualitätssicherung und Dokumentation, E-Health in der ärztlichen Praxis und digitale Perspektiven der Gesundheitsprävention das Thema weiter vertieft und abschließend im Plenum diskutiert werden.

Wir haben angeregt, auch den Einsatz von Computer und Internet in der Behandlung von Menschen mit psychischen Belastungen und Erkrankungen aufzugreifen, dies soll u. a. im Rahmen der Foren geschehen. Der Landeskongress Gesundheit wird sicher eine interessante Veranstaltung und wir laden alle Psychotherapeuten zum Kongress ein, um sich dort über die zukünftigen Entwicklungen zu E-Health ein Bild zu machen und über diese Perspektiven mit zu diskutieren.

Auf www.lk-gesundheit.de finden Sie weitere Informationen und den Zugang zur Anmeldung.

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Inhumane und lebensgefährdende Regelungen für psychisch Kranke geplant

BPtK kritisiert scharf die Pläne des BMI für ein neues Asylpaket

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) lehnt die geplanten Neuregelungen zu beschleunigten Asylverfahren für psychisch kranke Flüchtlinge als inhuman und lebensgefährdend ab.

„Die Annahme, dass posttraumatische Belastungsstörungen keine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben darstellen, ist fachlich falsch“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Flüchtlinge, die an dieser psychischen Störung erkranken, sind oft suizidal. 40 Prozent von ihnen hatten bereits Pläne, sich das Leben zu nehmen oder haben sogar schon versucht, sich zu töten. Es ist deshalb unverantwortlich, wenn das Bundesinnenministerium (BMI) plant, Flüchtlinge trotz vorliegender posttraumatischer Belastungsstörung in der Regel abzuschieben.“

„Flüchtlinge mit schweren Traumata dürfen nicht mit Tabletten ruhig gestellt werden, um sie abschieben zu können. Das wäre fachlich unverantwortlich und zutiefst inhuman“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Unter Fachleuten besteht Einigkeit: Nach der konsentierten S3-Leitlinie soll eine posttraumatische Belastungsstörung psychotherapeutisch behandelt werden. Ohne Psychotherapie ist ein schweres Trauma nicht wirksam zu behandeln. PTBS-Kranke erhalten in Einzelfällen Beruhigungstabletten, um überhaupt wieder schlafen zu können. Die Verordnung von Beruhigungsmitteln und Psychopharmaka ersetzen aber keine Psychotherapie.“

Ereignisse, die als lebensbedrohlich oder als katastrophal erlebt werden und eine tiefe Verzweiflung verursachen, können zu einer schweren psychischen Erkrankung führen. Menschen, die Opfer von Vergewaltigung, Krieg, Vertreibung und Folter wurden, haben ein hohes Risiko eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln. Zu den häufigsten lebensbedrohlichen Erlebnissen, die von Flüchtlingen berichtet werden, gehören Beschuss mit Handfeuerwaffen und Granaten, Hunger und Durst (z. B. während einer Haft), Todesdrohungen und Scheinexekutionen, körperliche Folter, Stromschläge, sexuelle Erniedrigung und Vergewaltigung sowie auch das Miterleben von Hinrichtungen oder Vergewaltigungen.

3sat-Sendung über den Therapienotstand in Deutschland

Was hilft der kranken Seele?

(LPK BW) In seiner Sendung vom 23.10.2015 sprach Gert Scobel mit Eva-Lotta Brakemeier, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Psychologische Hochschule Berlin, Holger Schulz, Professor für Klinische Versorgungsforschung an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf und Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer und Landespsychotherapeutenkammer BW, über die Behandlung von psychisch kranken Menschen in Deutschland. Dabei standen zunächst die Antidepressiva im Vordergrund, die manchmal das verstärkten, was sie eigentlich lindern und heilen sollten. So gäbe es Fälle, wo Patienten nach der Verabreichung Stimmten hörten, halluzinierten und Selbstmord oder Amokläufe begingen. Trotzdem werde immer noch häufig allein auf Medikamente gesetzt, denn der Anteil depressiver Menschen, die nur pharmakologisch behandelt würden, sei höher als der, der therapeutisch behandelt werde, so Munz: „Es erhalten mehr Patienten Antidepressiva als Psychotherapie“ und das obwohl es viele Belege gäbe, „dass die Kombination von Psychopharmaka und Psychotherapie bei mittelschweren und schweren Depressionen die beste Herangehensweise ist“.

Befristete Zulassung für die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge

BPtK aktualisiert Ratgeber: Wie beantrage ich eine Ermächtigung?

(BPtK) Für traumatisierte Flüchtlinge müssen zukünftig mehr Psychotherapeuten verfügbar sein. Dazu hat die Bundesregierung auf Initiative der Bundespsychotherapeutenkammer die Zulassungsverordnung für Ärzte geändert. Danach sind die Zulassungsausschüsse zukünftig verpflichtet, Psychotherapeuten, Ärzte und psychosoziale Einrichtungen zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung von Flüchtlingen zu ermächtigen.

Die BPtK hat deshalb ihren Ratgeber für Psychotherapeuten, die eine Ermächtigung für die Versorgung von Flüchtlingen beantragen wollen, aktualisiert.

Asylrecht erlaubt keine angemessene medizinische Versorgung

BPtK-Symposium zur Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge

(BPtK) Viele der 800.000 Flüchtlinge, die voraussichtlich bis Ende des Jahres 2015 nach Deutschland kommen werden, sind psychisch krank. Studien zeigen, dass es 40 bis 50 Prozent sind. Ihre Versorgung ist mangelhaft. Kaum ein Flüchtling erhält eine psychotherapeutische Behandlung.

Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und darüber zu diskutieren, wie die Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge verbessert werden kann, veranstaltete die BPtK am 24. September in Berlin ein Symposium, zu dem Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik eingeladen waren.

BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz erläuterte in seiner Begrüßung, dass die rechtlichen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen in Deutschland völlig ungeeignet seien, um psychisch kranken Flüchtlingen schnell eine notwendige Psychotherapie anbieten zu können: „Das muss dringend geändert werden.“

Munz bedauerte, dass die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration der Bundesregierung, Staatsministerin Aydan Özoğuz, aufgrund kurzfristig anberaumter Beratungen im Vorfeld des heutigen Flüchtlingsgipfels der Bundesregierung verhindert sei und daher die Veranstaltung nicht – wie angekündigt – mit einem persönlichen Grußwort eröffnen könne.

Psychotherapie und Dolmetscher für psychisch kranke Flüchtlinge

BÄK und BPtK legen Konzept für Modellprojekt vor

(BPtK) Bundesärztekammer (BÄK) und Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordern eine bessere psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung von psychisch kranken Flüchtlingen. Ob ein Flüchtling eine Psychotherapie benötigt, muss von unabhängigen und qualifizierten Gutachtern geprüft werden. Bisher fällen solche Entscheidungen viel zu häufig Sachbearbeiter in den Sozialbehörden oder fachfremde Gutachter. Falls eine Psychotherapie indiziert ist, muss außerdem der Einsatz von Dolmetschern finanziert werden.

BÄK und BPtK schlagen deshalb gemeinsam ein Modellprojekt für die psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen vor, das aus Bundesmitteln finanziert werden soll. Beide Kammern greifen damit auch eine Forderung der Integrations- und der Gesundheitsministerkonferenz auf, die vorgeschlagen hatten, den Einsatz von Dolmetschern in der psychotherapeutischen Behandlung in einem Modellprojekt zu erproben. Eine solche Finanzierung von Dolmetschern ist in der Asylrechtsreform, die gestern vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, nicht vorgesehen.

Kern des Modellprojekts sind drei aufeinander abgestimmte Module. Das erste Modul sieht den Aufbau eines bundesweiten Dolmetscherpools vor. Dieser könnte von Anbietern geleistet werden, die bereits in der Sprachmittlung tätig sind. Eine Koordinierungsstelle würde die Sprachmittler qualifizieren und zertifizieren, an Ärzte und Psychotherapeuten vermitteln und auch deren Vergütung abwickeln.

Als zweites Modul schlagen BÄK und BPtK in jedem Bundesland eine Koordinierungsstelle für die psychotherapeutische Behandlung von Flüchtlingen vor. Diese soll für die Beantragung, Begutachtung, Genehmigung sowie Vergütung von Psychotherapien bei Flüchtlingen zuständig sein. Die Begutachtung, ob die beantragte Psychotherapie indiziert ist, soll durch einen unabhängigen und qualifizierten Gutachter erfolgen. Die Koordinierungsstelle entscheidet über die Psychotherapie auf Grundlage des Votums des Gutachters. Sie leistet auch die Vergütung der Ärzte und Psychotherapeuten und rechnet die Ausgaben mit der Behörde ab, die gesetzlich die Kosten übernehmen muss.

Ein drittes Modul stellt die erforderliche Qualifizierung der Ärzte und Psychotherapeuten sicher. Ärzte und Psychotherapeuten sollten über spezifische Kompetenzen bei der Versorgung von Flüchtlingen verfügen, zu denen zum Beispiel asylrechtliche Kenntnisse gehören. Solche Kompetenzen sollen durch entsprechende Fortbildungen der Landesärztekammern bzw. Landespsychotherapeutenkammern sichergestellt werden. Zudem sollte es möglich sein, dass sich nicht nur Vertragsärzte und -psychotherapeuten, sondern auch psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten, die in Privatpraxen, Flüchtlingszentren oder universitären Forschungs- und Hochschulambulanzen tätig sind, an dem Modellprojekt beteiligen können.

Hintergrund: Knapp die Hälfte der Flüchtlinge in Deutschland leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Psychotherapie ist bei posttraumatischen Belastungsstörungen die Behandlungsmethode der Wahl. Die alleinige Behandlung mit Medikamenten ist nicht ausreichend und medizinisch in der Regel nicht zu verantworten. Kaum ein psychisch kranker Flüchtling erhält bisher jedoch eine psychotherapeutische Behandlung.

Asylrecht: Medizinische Versorgung von psychisch kranken Flüchtlingen verbessert

Bundesregierung verpflichtet Zulassungsausschüsse, Ermächtigungen zu erteilen

(BPtK) Mit der heute verabschiedeten Reform des Asylrechts geht eine Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen einher. Für traumatisierte Flüchtlinge müssen zukünftig mehr Psychotherapeuten und Ärzte verfügbar sein. Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen sind künftig verpflichtet, befristet und speziell für die Behandlung von Flüchtlingen, die Folter, Vergewaltigung oder schwere psychische, physische oder sexuelle Gewalt erlitten haben, Psychotherapeuten und Ärzte zu ermächtigen. Auch Einrichtungen, die von Psychotherapeuten oder Ärzten geleitet werden, können eine solche Ermächtigung erhalten. Dazu hat die Bundesregierung die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte geändert.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt die neue Regelung nachdrücklich. „Jetzt müssen die dringend benötigten Psychotherapeuten und Ärzte, die bereit stehen, um traumatisierte Flüchtlinge angemessen zu behandeln, ermächtigt werden. Es besteht kein Ermessensspielraum mehr“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen konnten schon bisher befristet zusätzliche Psychotherapeuten und Ärzte ermächtigen, sofern dies notwendig ist, um eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden oder um einen begrenzten Personenkreis zu versorgen. Die Gremien, in denen Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen über solche befristeten Ermächtigungen entscheiden („Zulassungsausschüsse“) waren bisher jedoch in der Regel nicht bereit, diese Ermächtigungen zu erteilen. Deshalb stellte der Gesetzgeber klar, dass zukünftig für traumatisierte Flüchtlinge mehr Psychotherapeuten und Ärzte zuzulassen sind.

„Die Versorgung psychisch kranker Flüchtling ist zurzeit absolut unzureichend“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. Etwa die Hälfte der Flüchtlinge ist psychisch krank. 2014 konnten jedoch nur etwa vier Prozent von ihnen psychotherapeutisch behandelt werden. „Wir fordern die Zulassungsausschüsse auf, der neuen Verpflichtung nachzukommen und beantragte Ermächtigungen zügig zu erteilen“, betont Munz. Psychotherapie ist bei Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung die Behandlungsmethode der Wahl. Die alleinige Behandlung mit Medikamenten ist nicht ausreichend.

Eine Ermächtigung muss beim zuständigen Zulassungsausschuss beantragt werden. Sie ist in der Regel auf zwei Jahre befristet. Wer eine solche Ermächtigung erhält, ist berechtigt, vertragspsychotherapeutische oder -psychiatrische Leistungen für Flüchtlinge zu erbringen und diese auch mit den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Die neue Regelung greift jedoch erst, wenn ein Flüchtling nach 15 Monaten Aufenthaltsdauer wie ein Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt wird. Bis dahin gelten die weiterhin eingeschränkten medizinischen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die BPtK fordert langfristig, diese Einschränkungen grundsätzlich aufzuheben. Außerdem müssten für eine Psychotherapie mit fremdsprachigen Flüchtlingen auch Dolmetscher finanziert werden.

Neues Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik

Psychiatrische Verbände legen Alternativkonzept zum PEPP vor

(BPtK) Das Konzept eines budgetbasierten Entgeltsystems als Alternativkonzept zum Pauschalierenden Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) schafft nach Ansicht der Bundespsychotherapeutenkammer nicht für alle psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser die Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, eine an Leitlinien und den Bedürfnissen psychischer kranker Menschen orientierte Versorgung anzubieten. Dazu gehören insbesondere eine verbindliche Personalausstattung in den Kliniken, ihre Finanzierung und eine leistungsgerechte Verteilung der Mittel zwischen den Häusern. Das Konzept hat aus BPtK-Sicht Stärken bei der inhaltlichen Entwicklung neuer Personalanforderungen sowie der Berücksichtigung besonderer struktureller Krankenhauskosten. Zielführend könnte ein Hybridsystem sein, bei dem ein Teil der Vergütung über leistungsorientierte Entgelte und ein anderer Teil über krankhausindividuelle Zuschläge erfolgt.

Am 29. September 2015 hatten verschiedene psychiatrische Fach- und Pflegeverbände der Öffentlichkeit einen Alternativvorschlag zum PEPP vorgestellt. Gesundheitsminister Hermann Gröhe hatte in dem von ihm initiierten strukturierten Dialog die Kritiker des PEPP aufgefordert, Lösungen für ihre Hauptkritikpunkte zu entwickeln.

Damit ein neues Entgeltsystem geeignet ist, eine leitlinienorientierte, an den Bedürfnissen psychisch kranker Menschen orientierte Versorgung sicherzustellen, muss es mindestens folgende Kriterien erfüllen:

• Verbindliche Personalanforderungen, deren Umsetzung überprüft wird

Grundvoraussetzung für eine gute Versorgungsqualität ist eine ausreichende und qualifizierte Personalausstattung. Diese kann nur mit verbindlichen Personalanforderungen realisiert werden, deren Umsetzung auch überprüft wird.

• Finanzierung der verbindlichen Personalanforderungen

Für die Umsetzung der verbindlichen Personalanforderungen müssen ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Da derzeit von einer Unterfinanzierung der Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik auszugehen ist, sind zusätzliche finanzielle Ressourcen notwendig. Weitere Mittel sind außerdem notwendig, weil in der Psychiatrie-Personalverordnung der wissenschaftliche Fortschritt, den es vor allem in der Psychotherapie und bei ambulanten und auf-suchenden Behandlungen gegeben hat, nicht berücksichtigt ist.

• Gleiches Entgelt für gleiche Leistung

Die in einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem begrenzt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel müssen leistungsgerecht verteilt werden. Für gleiche Behandlungsleistungen bzw. die Versorgung aufwandsgleicher Patienten sollten gleiche Entgelte gezahlt werden. Die großen Unterschiede in der Höhe der bisherigen Pflegesätze sind weniger medizinisch als mit dem Verhandlungsgeschick der Kliniken, historisch gewachsenen Strukturen und klinikindividuellen Besonderheiten zu begründen. Die große Spreizung der Pflegesätze legt nahe, dass die Versorgungsqualität in den Einrichtungen sehr unterschiedlich ist und viele Kliniken derzeit nicht die notwendigen Personalressourcen haben, um eine leitlinienorientierte Versorgung anzubieten.

• Strukturelle Besonderheiten berücksichtigen

Klinikindividuelle strukturelle Besonderheiten, wie zum Beispiel regionale Versorgungsverpflichtungen, die sich über ein pauschalierendes Entgeltsystem nicht adäquat abbilden lassen, sollten gesondert berücksichtigt und vergütet werden.

• Sektorenübergreifende Versorgung

Das Entgeltsystem sollte darüber hinaus eine stärker ambulant orientierte und sektorenübergreifende Versorgung fördern und weiterentwickeln. Wichtige Fragen wie die Kooperation zwischen Krankenhäusern und vertragsärztlicher bzw. psychotherapeutischer Versorgung gestaltet werden sollte, aber auch welche Patientengruppen sektorenübergreifende Versorgungsansätze benötigen und welche Anforderungen zum Beispiel im Bereich der Qualitätssicherung zu erfüllen sind, müssen dafür geklärt werden. Eine grundsätzliche Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung oder die flächendeckende Einführung von Regionalbudgets eignen sich dafür nicht.

Traumatisierte MigrantInnen – Zweiter Versorgungsbericht zeigt Reformbedarf und fordert Änderungen

Aktuelle gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen – Ärzte und Psychotherapeuten bedauern Hürden für Helfer

(LPK BW) Der von Landesärztekammer Baden-Württemberg und Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg gemeinsam vorgelegte „Zweite Versorgungsbericht“ erläutert Ursachen und Auswirkungen von Traumafolgestörungen und benennt strukturelle Probleme des deutschen Gesundheitswesens bei der ambulanten psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgung traumatisierter Flüchtlinge. Er widmet sich der besonderen Bedeutung der Psychosozialen Zentren (PSZ) für die Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen und Migranten in Baden-Württemberg.

„Qualitativ hochwertige Versorgungsangebote bei einer steigenden Anzahl traumatisierter Flüchtlinge können nur erbracht werden, sofern die Finanzierungsgrundlagen sicher und nachhaltig sind“, fasst Birgitt Lackus-Reitter, Vorstandsmitglied und Beauftragte für Menschenrechte der Landespsychotherapeutenkammer ein Fazit des Berichts zusammen. Die seit 2012 erfolgende Förderung durch das Land Baden-Württemberg sei ohne Zweifel ein wichtiger Baustein und eine Anerkennung der Bedeutung der fünf PSZ. Trotz einer Anhebung im vergangenen Jahr sei die dauerhafte Finanzierung der PSZ nach wie vor jedoch nicht sicher gestellt.

Wie Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer und Menschenrechtsbeauftragter der Bundesärztekammer, hervorhebt, „macht der vorliegende Bericht deutlich, dass sich die Psychosozialen Zentren seit vielen Jahren der Versorgung von Flüchtlingen und Migranten angenommen haben. In der Vergangenheit stand diese Aufgabe nicht im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und des Gesundheitswesen. Die PSZ ermöglichten dennoch von Anfang an die professionelle Versorgung eines Teils der traumatisierten Flüchtlinge in Baden-Württemberg.“ Das Versorgungsproblem sei innerhalb des Gesundheitswesens allein nicht lösbar, unter anderem weil die Aufenthaltsunsicherheit der Flüchtlinge eine enge Verzahnung von psychotherapeutisch-psychosozialer und juristischer Expertise erfordere, die aber vom Gesundheitswesen nur unzureichend erbracht werden könne. Darüber hinaus bestehen Probleme hinsichtlich des Zugangs zu und der Finanzierung von Dolmetschern sowie hinsichtlich des im Gesundheitswesen verbreiteten „sektoralen Denkens“.

Aktuelle gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen

Vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsproblematik bedauern Landesärztekammer und Landespsychotherapeutenkammer, dass sich Angehörige beider Berufsgruppen – je nach Region – immer wieder Hürden gegenüber sehen, die die Umsetzung ihrer Hilfsangebote behindern oder gar verhindern. „Nach den Erfahrungen unserer Mitglieder fehlen koordinierende Stellen vor Ort, an die sich die vielen einsatzbereiten Ärzte und Psychotherapeuten wenden können“, beschreibt Frau Lackus-Reitter die Lage. Und Dr. Clever ergänzt: „Leider erschweren bürokratische Abläufe und Zuständigkeitsprobleme mancherorts die schnelle und bedarfsorientierte Hilfe. Wir sind daher jetzt auf das Land zugegangen, um den beiderseitigen Dialog möglichst übergreifend zu optimieren.“

Ergänzend begrüßt der Präsident ausdrücklich, dass das Sozialministerium der Landesärztekammer bestätigt habe, dass Ärztinnen und Ärzte, die in vom Land betriebenen Einrichtungen Flüchtlinge behandelten, dem Grunde und dem Umfang nach im Rahmen der Staatshaftung abgesichert seien. „Damit können viele Mediziner, die sich beispielsweise schon im Ruhestand befinden und aktiv Hilfe leisten wollen, ohne Abschluss einer Berufshaftpflicht freiwillig ärztlich tätig werden. Wir sind diesen Kolleginnen und Kollegen für dieses selbstloses Engagement sehr dankbar.“

Hintergrund für die Redaktionen

Die Psychosozialen Zentren üben seit ihrer Entstehung vor fünf Jahren bis heute eine Pilotfunktion in Baden-Württemberg aus. Es ist allerdings nicht abzusehen, dass und ob sie ihren Versorgungsauftrag mittel- oder langfristig in das reguläre ambulante Gesundheitswesen integrieren können. Andererseits werden sie auch weiterhin und aufgrund der dramatisch steigenden Flüchtlingszahlen deutlich vermehrt für die ambulante Schwerpunktversorgung traumatisierter Flüchtlinge dringend nötig sein. In der Summe wird deutlich, dass der humanitäre und wirtschaftliche Schaden einer Kürzung oder sogar Einstellung des Versorgungsauftrags der PSZ sowohl für die betroffenen Flüchtlinge als auch für Baden-Württemberg enorm wäre.

Der Versorgungsbericht leitet daraus folgende Reformforderungen ab:

  • Ausreichende personelle Ressourcen und Sicherstellung der fachlichen Qualifikation – Rascher Ausbau der Behandlungsplätze sowie ausreichend vorhandenes und qualifiziertes Fachpersonal in der Traumatherapie für minderjährige und erwachsene Flüchtlinge wie auch in der Sozialarbeit und im Management
  • Schaffung von institutionsübergreifenden Dolmetscherpools – Flüchtlinge können nur dann adäquat behandelt werden, wenn eine Sprachvermittlung erfolgen kann. Dies trifft im besonderen Maße für die Psychotherapie zu, gilt aber auch für die anderen Bereiche der Gesundheitsversorgung. Qualifizierte und unabhängige Dolmetscher müssen integraler Bestandteil der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen sein. Hierfür müssen Dolmetscherpools entstehen, die institutionsübergreifend zugänglich sind. Es ist nicht akzeptabel, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Erstattung von Dolmetscherkosten im Rahmen einer Therapie verweigert.
  • Nachhaltige Finanzierung – Eine professionelle Versorgung traumatisierter Flüchtlinge kann nur dann nachhaltig stattfinden, wenn deren Finanzierung gesichert ist. Davon sind die PSZ weit entfernt. Bei allen Zentren ist ein großer Teil der Mittel projekt- und spendengebunden. Eine verlässliche und den Bedarfen entsprechende Strukturfinanzierung der PSZ ist unerlässlich. Optionen sind, den PSZ Kassensitze zuzuteilen oder durch bilaterale Verträge eine weniger restriktive Bewilligung der Anträge zu gewährleisten. Allerdings müssten dafür Therapie- und Dolmetscherkosten im Regelleistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verankert werden.

 

Kontakt:
Landesärztekammer Baden-Württemberg
Ärztliche Pressestelle
Jahnstraße 38a, 70597 Stuttgart
Telefon 0711-76989-99

Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg
Pressestelle
Jägerstraße 40, 70174 Stuttgart
Telefon 0711-674470-0

Psychisch kranke Flüchtlinge bleiben unzureichend versorgt

BPtK fordert Nachbesserungen bei Asylgesetzreform

(BPtK) Psychisch kranke Flüchtlinge haben auch zukünftig nach dem Asylbewerberleistungsgesetz keinen Anspruch auf eine angemessene Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen. Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert deshalb Nachbesserungen bei den geplanten Änderungen. „Von den Sozialbehörden werden psychische Erkrankungen meist als nicht akut behandlungsbedürftig beurteilt“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK, fest. „Das ist fachlich falsch. Flüchtlinge, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkranken, sind oft suizidal. 40 Prozent von ihnen hatten bereits Pläne, sich das Leben zu nehmen oder haben sogar schon versucht, sich zu töten. Sie sind deshalb dringend behandlungsbedürftig. Das muss durch die Reform deutlich gemacht werden.“

AsylbLG: Besonderen gesundheitlichen Bedarf anerkennen

Die BPtK fordert im Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) eine Klarstellung, dass psychisch kranke Flüchtlinge als besonders schutzbedürftige Personen auch in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts einen Anspruch auf eine ausreichende Versorgung, in aller Regel Psychotherapie, haben. Das sind z. B. Menschen, die aufgrund von erlittener Folter und Kriegsgewalt oder während ihrer Flucht unter psychischen Erkrankungen, einschließlich Traumatisierungen, leiden. Dazu zählen aber auch psychisch kranke Flüchtlingskinder und -jugendliche, die z. B. Augenzeuge von Folter und Kriegsgewalt wurden oder die Rückkehr von gefolterten und schwer misshandelten Eltern erleben mussten. Auch bei Flüchtlingskindern in Deutschland sind Erkrankungen aufgrund traumatischer Erlebnisse besonders häufig. Jedes fünfte von ihnen ist an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt. „Mit der Anerkennung der “besonderen Bedarfe“ auch von psychisch kranken Flüchtlingskindern könnte der EU-Aufnahmerichtlinie Rechnung getragen werden“, erläutert BPtK-Präsident Munz.

Nach wissenschaftlichen Leitlinien ist Psychotherapie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung die empfohlene Behandlungsmethode. Die alleinige Behandlung mit Medikamenten ist nicht ausreichend und medizinisch in der Regel nicht zu verantworten. Nur rund vier Prozent der psychisch kranken Flüchtlinge erhalten bisher jedoch eine Psychotherapie.

Ausreichend Ermächtigungen für Flüchtlingszentren sicherstellen

Die BPtK hält es für eine entscheidende Verbesserung, dass die Bundesregierung die Zulassungsverordnung für Ärzte verändern will. Danach sollen sowohl einzelne Psychotherapeuten und Ärzte als auch Einrichtungen, die von Ärzten oder Psychotherapeuten geleitet werden, ermächtigt werden. Dadurch können sie Flüchtlinge vertragspsychotherapeutisch und -psychiatrisch versorgen. Die zuständigen Ausschüsse sollen demnach verpflichtet werden, die ambulante Versorgung von Flüchtlingen, die Folter, Vergewalti-gung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, sicherzustellen. Die BPtK fordert aber, den Personenkreis generell auf Flüchtlinge mit psychischen Erkrankungen auszuweiten, wie dies in der EU-Aufnahmerichtlinie vorgesehen ist. Eine solche Regelung ermöglicht eine angemessene Versorgung der Flüchtlinge, auch wenn sie länger als 15 Monate in Deutschland sind. Unverzichtbar ist ferner ein Anspruch auf Dolmetscherleistungen, die in aller Regel erst eine psychotherapeutische Behandlung ermöglichen.

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