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Aktualisierung: BPtK-Praxis-Info Coronavirus

Die neuen bundesweiten Regelungen zur Telefonbehandlung

(BPtK) Aufgrund der neuen bundesweiten Regelungen zur psychotherapeutischen Versorgung per Telefon hat die BPtK ihre Praxis-Info Coronavirus aktualisiert.

Die Corona-Pandemie verändert viele Abläufe im Alltag. Infizierte Patient*innen benötigen Online-Behandlungen per Videotelefonat. Hygienevorschriften und neue Meldepflichten sind zu beachten. Und nicht zuletzt: Was passiert, wenn zu viele Patient*innen absagen? Kann ich meine Praxis schließen? Gibt es Härtefallregelungen oder Entschädigungszahlungen? Die aktualisierte Praxis-Info informiert über Hygiene, Videobehandlung, Fortführung von Behandlungen per Telefon, Meldepflichten und Entschädigungen.

Die Praxis-Info Coronavirus wird weiter fortwährend aktualisiert.

So wenig Corona wie möglich

Erfahrungsbericht 5: Oleg Winterfeld, Psychotherapeut in der beruflichen Integration

(BPtK) Mit diesem Ablenkungseffekt hatte das Reha-Team für berufliche Integration gar nicht gerechnet. Das neue Online-Angebot der Rheinhessen-Fachklinik Alzey hatte die Teilnehmer*innen eher in eine Computerkrise als in eine Coronakrise gestürzt. Nicht jeder von ihnen war technisch ausreichend auf den Ortswechsel vom Kursraum in die eigenen vier Wände vorbereitet gewesen. Das Online-Programm war eine schnell und pfiffig umgesetzte Alternative zu den täglichen Kursen des ambulanten beruflichen Reha-Angebots gewesen. Doch an die Cloud, in der alles in einem eigenen Ordner abrufbereit lag, musste jede Teilnehmer*in erst einmal herankommen.

Seither stellt das Reha-Team täglich Arbeitsaufträge ins Netz, die heruntergeladen und ausgeführt werden sollen. „Um eine Tagesstruktur aufrechtzuerhalten, senden wir morgens bis 10 Uhr eine E-Mail mit Aufgaben, die bis 16:30 Uhr erledigt werden sollen“, berichtet Oleg Winterfeld, der Psychologische Psychotherapeut im Team, dem auch ein Psychologe, eine Sozialarbeiterin, eine Fachkraft für Berufs- und Arbeitspädagogik, ein studentischer Mitarbeiter sowie zahlreiche Honorarkräfte aus der Erwachsenenbildung angehören.

Das berufliche Reha-Angebot der Alzeyer Klinik richtet sich an Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und hilft ihnen, wieder ins Berufsleben zurückzufinden. Das Online-Programm soll die Zeit der Coronakrise überbrücken, in der die Kurse vor Ort nicht mehr möglich sind, und vor allem eins verhindern: dass die Teilnehmer*innen zu stark ins Grübeln kommen. „Unser Motto lautet: So wenig Corona wie möglich“, erzählt Oleg Winterfeld. „Die erste Woche haben wir noch sehr viel telefoniert. Die Teilnehmer*innen riefen an und ließen sich zur Technik beraten. Ab der zweiten Woche waren wir wieder in der Lage, unser vollständiges Beratungsangebot für psychologische, sozialrechtliche, berufliche Angelegenheiten anzubieten.“

Ein großer Teil der Teilnehmer*innen war in guter psychischer Verfassung. Einige mussten allerdings die Praktika, die zum Programm der beruflichen Integrationsmaßnahme gehören, abbrechen, weil auch die Betriebe schlossen. „Einige stürzte dies wieder in Existenzängste und die Furcht, erneut in der Arbeitslosigkeit zu landen“, berichtet der Psychotherapeut. „Das mussten wir auffangen. Bei anderen hocken sich gerade alle in der Familie sehr eng auf der Pelle. Für einige bestehen jetzt zu wenig Rückzugmöglichkeiten.“

Mit der Idee, das Kursangebot zu digitalisieren und online anzubieten, schuf das Reha-Team für die Teilnehmer*innen jeden Tag einen Start- und Endpunkt. Zum Angebot gehören Arbeitsblätter sowie Audio- und Videodateien. Damit die Teilnehmer*innen auch untereinander in Kontakt bleiben können, informierte das Team über verschiedene Videokonferenzsysteme und bot die Möglichkeit, diese auszuprobieren. „Wir wollen erreichen, dass unsere Teilnehmer*innen auch in der erzwungenen Vereinzelung noch die vertrauten Gesichter sehen“, erklärt Oleg Winterfeld. „Bei unseren Videos, die wir zum großen Teil selbst produzieren, treten wir möglichst authentisch und humorvoll auf, nehmen uns auch selbst auf die Schippe, um die Verbundenheit zu stärken.“ Außerdem beginnt und endet jede Woche mit einer Achtsamkeitsübung.

Dabei darf der Schutz des Reha-Teams nicht zu kurz kommen. „Wir haben jetzt feste Arbeitsplätze und Telefone und arbeiten in getrennten Büros oder stellen einen 2-Meter-Abstand sicher“, berichtet Oleg Winterfeld. „Die Produktion und Bearbeitung der Materialien frisst mehr Zeit als erwartet, die Arbeitsbelastung ist dadurch momentan sogar höher als bei den Präsenzangeboten – Ich arbeite zum Teil 50 Stunden die Woche. Zum Glück haben wir ein sehr engagiertes Team.“

Während Corona: Psychotherapeutische Versorgung per Telefon

Fortführung von Behandlungen möglich, neue aber nicht

(BPtK) Ab sofort können Psychotherapeut*innen ihre Patient*innen bundesweit telefonisch weiter beraten und behandeln. Das Angebot ist auf maximal 20 Einheiten à 10 Minuten im Quartal begrenzt. Dies haben Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) am Freitag beschlossen.

„Dies ist eine dringend notwendige Lösung für Patient*innen, die nicht mehr in die Praxen kommen können oder nicht über die technischen Voraussetzungen für Videogespräche verfügen“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Damit ist sichergestellt, dass Psychotherapeut*innen die Behandlungen ihrer Patient*innen fortsetzen können.“ Aufgrund der Coronakrise nimmt der Versorgungsbedarf wegen behandlungsbedürftigen Depressionen und Angststörungen voraussichtlich zu. Die häusliche Enge in den Familien und finanzielle Existenzängste verunsichern viele Menschen stark.

Unverständlich ist jedoch, dass dies nur für Patient*innen gilt, die in den vergangenen 18 Monaten bereits bei einer Psychotherapeut*in waren. Patient*innen, die neu erkranken, sind damit ausgeschlossen. Für die ersten diagnostischen Gespräche müssen sie zumindest in die Video-Sprechstunde einer Psychotherapeut*in. „Gerade ältere Patient*innen verfügen jedoch häufig nicht über die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Neuerkrankte während der Coronakrise von psychotherapeutischer Beratung und Behandlung abgeschnitten werden. Dies ist nicht zu verantworten. In dieser Notsituation brauchen wir psychotherapeutische Hilfen per Telefon für alle.“

Einige Kassenärztliche Vereinigungen haben bereits psychotherapeutische Gespräche per Telefon auch für neue Patient*innen zugelassen. „Der Lösungsvorschlag von KBV und GKV-Spitzenverband bleibt dahinter zurück“, kritisiert Munz. Die neue Leistung beinhaltet die psychotherapeutische Betreuung mit Telefongesprächen von mindestens 10 Minuten Dauer. Wenn erforderlich, können damit Patient*innen, die der Praxis bekannt sind, telefonisch behandelt und beraten werden. Insbesondere kürzere stützende Gespräche und Kriseninterventionen können damit auch per Telefon durchgeführt werden.

Maximal 20 Einheiten à 10 Minuten im Quartal reichen aber nicht aus. „Die Beschränkung ist aus fachlicher Sicht nicht nachzuvollziehen“, kritisiert Dr. Munz. „Insbesondere schwer erkrankte Patient*innen, die wegen der Coronakrise nicht mehr in die Praxis kommen können oder bei denen Videogespräche nicht möglich sind, sollten über regelmäßige kurze Gespräche stabilisiert und unterstützt werden können. Dafür ist umgerechnet gut eine psychotherapeutische Sitzung pro Monat zu wenig. Intensivere Behandlungen für stark belastete Patient*innen sind so weiterhin nicht möglich.

Die BPtK hatte gefordert, während der Coronakrise auch reguläre Psychotherapiesitzungen, die aktuell nicht im unmittelbaren Kontakt oder per Video erbracht werden können, per Telefon durchführen zu können, ebenso wie die Akutbehandlung. Dies ist umso dringender, als psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser und Tageskliniken ihre Angebote aktuell deutlich eingeschränkt haben.

BPtK: Trotz Corona – Psychotherapeut*innen weiter erreichbar

Beratung und Behandlung kann per Telefon fortgesetzt werden

(BPtK) Ab sofort können Psychotherapeut*innen die Beratung und Behandlung von psychisch kranken Patient*innen auch telefonisch fortsetzen. „Dies ist eine dringend notwendige bundesweite Lösung, für die Patient*innen, die aufgrund der Coronakrise nicht mehr in die Praxen kommen können oder nicht über die Technik für Online-Videogespräche verfügen“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Damit ist sichergestellt, dass Patient*innen, die sich aufgrund einer psychischen Erkrankung bereits in Behandlung befinden, weiter psychotherapeutisch versorgt werden können.“

Unverständlich ist jedoch, dass dies nur für Patient*innen gilt, die in den vergangenen 18 Monaten bereits bei einer Psychotherapeut*in waren. Patient*innen, die neu erkranken, sind damit ausgeschlossen. Für die ersten diagnostischen Gespräche müssen sie zumindest in die Video-Sprechstunde einer Psychotherapeut*in. „Gerade ältere Patient*innen verfügen jedoch häufig nicht über die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Neuerkrankte während der Coronakrise von psychotherapeutischer Beratung und Behandlung abgeschnitten werden. Dies ist nicht zu verantworten. In dieser Notsituation brauchen wir telefonische Versorgung für alle.“ Einzelne Kassenärztliche Vereinigungen haben schon solche patientengerechten Lösungen geschaffen.

Mit der Coronakrise nimmt der Versorgungsbedarf aufgrund behandlungsbedürftiger Depressionen und Angststörungen voraussichtlich zu. Die häusliche Enge in den Familien und finanzielle Existenzängste verunsichern viele Menschen stark. Wer länger oder stärkere psychische Beschwerden hat, sollte sich nicht scheuen, sich an eine Psychotherapeut*in zu wenden.

Während der Coronakrise: Der Weg zum Psychotherapeuten

  • Eine psychotherapeutische Beratung und Behandlung kann grundsätzlich auch weiter in den psychotherapeutischen Praxen stattfinden, auch trotz Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten. Die Behandlung einer psychischen Erkrankung gehört zur medizinisch dringend notwendigen Versorgung. Patient*innen können deshalb weiter Termine für eine Behandlung von Angesicht zu Angesicht machen oder bestehende Termine wahrnehmen, wenn sie keine Erkältungssymptome und sich nicht mit dem Coronavirus angesteckt haben. Die Praxen halten alle notwendigen Hygienestandards ein, die dafür notwendig sind.
  • Wem es nicht möglich ist, in die Praxis zu kommen, kann eine Online-Behandlung per Videogespräch angeboten werden. Dafür benötigen die Patient*innen z. B. ein Tablet, einen Laptop oder PC.
  • Wer über keines dieser Geräte oder keine ausreichend stabile Internetverbindung verfügt, kann sich auch per Telefon an eine Psychotherapeut*in wenden. Wer in den vergangenen 18 Monaten bereits bei einer Psychotherapeut*in war, kann auch weiter telefonisch behandelt werden.
  • Wer erstmals aufgrund psychischer Beschwerden Hilfe bei einer Psychotherapeut*in sucht, muss zunächst in die psychotherapeutische Sprechstunde. Diese kann in der Praxis oder per Video-Gespräch erfolgen. Die Psychotherapeut*in muss die Patient*in weiterhin zur Diagnostik sehen. Eine rein telefonische Beratung, ob eine Behandlung notwendig ist, ist nicht möglich.

Informationsbedarf Kinderschutz und Pandemie

Infos der Kinderschutzhotline

(LPK BW) (Text der Kinderschutzhotline) „Aktuell sieht sich die Medizinische Kinderschutzhotline stark zunehmenden Anfragen gegenüber, die den Kinderschutz in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen, Schulschließungen und zunehmendem wirtschaftlichen Druck auf Familien zum Thema haben. Konkret berichten Anrufende von familiären Eskalationen und von Eltern, die selbst aktiv um Hilfe nachfragen, weil sie mit der aktuellen Situation überfordert sind. Wir wissen aus früheren Untersuchungen, dass in Zeiten der Rezession sowohl häusliche Gewalt, als auch Misshandlung, Vernachlässigung und sexueller Missbrauch von Kindern stark zunehmen. Dementsprechend wird in Zukunft wahrscheinlich der Informationsbedarf bei den Fachkräften im Gesundheitswesen ansteigen.

Wir haben deshalb eine kurze Arbeitshilfe entworfen, welche die wichtigsten Informationen zusammenfasst. Sie finden sie anbei – bitte stellen Sie sie Ihren Mitgliedern zur Verfügung.

Zusätzlich bieten wir an, weitere Arbeitshilfen zu schicken, wenn der Bedarf besteht. Gerne würden wir so einen Beitrag dazu leisten, Fachkräfte im Gesundheitswesen mit Informationen zu unterstützen. Natürlich stehen wir darüber hinaus unverändert rund um die Uhr telefonisch für Beratungen unter 0800 19210 00 zur Verfügung, weitere Informationen finden Sie auf unserer Internetseite www.kinderschutzhotline.de

Ein kurzer Überblick über unsere Arbeitshilfen:

  • Kindesmisshandlung, rechtliche Grundlagen
  • Prävention des „Schütteltraumas“
  • Misshandlungsbedingte Frakturen bei Kindern
  • Verdacht auf sexuellen Missbrauch
  • Kinder psychisch kranker Eltern
  • Flyer mit Informationen zur Medizinischen Kinderschutzhotline.

Da persönliche Treffen derzeit ohnehin kaum stattfinden, können wir Ihnen rasch die entsprechenden pdf-Dateien zur Verfügung stellen, die Sie per Email an Ihre Netzwerke weitergeben könnten. Im Einzelfall können wir auch die gedruckten Karten per Post zusenden stellen.“

Kontakt:
www.kinderschutzhotline.de
0800 19 210 00 (24 Stunden)

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„Der Schutzraum der Praxis fehlt“

Erfahrungsbericht 2: Dr. Natalia Erazo, Praxis für Psychotherapie und Psychoanalyse

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer setzt die Serie mit Berichten von Psychotherapeut*innen aus dem Alltag der Coronakrise fort. Heute beschreibt die niedergelassene Psychotherapeutin Dr. Natalia Erazo ihre ersten Erfahrungen mit der Videobehandlung.

„Der Schutzraum der Praxis fehlte. Die Patientin saß in ihrem Wohnzimmer. Die Leitung für das Online-Videogespräch stand und die Kamera der Patientin war eingerichtet. Der Ton rauschte zwar noch, aber das war auf die Schnelle nicht zu ändern. Aber etwas anderes fiel mir in diesem Moment erst auf“, erinnert sich Psychotherapeutin Dr. Natalia Erazo. Unübersehbar war, dass sich die Patientin in ihrer privaten Umgebung befand, nicht in der Praxis. „Das war doch eine Veränderung in der Behandlung, die nicht unerheblich ist“, erklärt Natalia Erazo. Die Praxis ist der besondere Raum für die psychotherapeutischen Gespräche. Das beinhaltet an die Patient*in auch die Botschaft: „Wir können hier persönlichere Gespräche führen als irgendwo sonst und die Psychotherapeutin, die Ihnen gegenübersitzt, passt auf Sie auf, wenn Sie sich öffnen und von Dingen erzählen, die Sie schmerzen, beschämen oder tief traurig machen.“ Wenn die Patient*in die Praxis kommt, betritt sie einen Raum, der für sie nicht alltäglich ist, in dem Besonderes möglich ist und den sie dann bis zum nächsten Gespräch zurücklassen darf. Und dieses Potenzial hat das Wohnzimmer der Patient*in nur eingeschränkt, die Patient*in bleibt allein in ihrem Raum, wenn wir uns aus dem Gespräch ausloggen.

Doch außergewöhnliche Situationen verlangen auch ungewohnte Lösungen. Die Corona-Pandemie gebietet vor allem große Vorsicht. Das Virus ist außergewöhnlich ansteckend und einige Patient*innen ziehen es deshalb vor, die psychotherapeutische Behandlung erst einmal über das Internet fortzuführen: per Videotelefonat, bei dem man sich nicht nur hört, sondern auch sieht. Und diese Technik, die gerade auch in die psychotherapeutische Praxen Einzug hält, ermöglicht etwas, das die Nachteile aufwiegt: „Ich kann weiter für die Patient*in da sein. Die Behandlung kann fortgesetzt werden, sie muss nicht abgebrochen werden“, hebt Psychotherapeutin Erazo hervor. „Diese Kontinuität ist ein großer stabilisierender Faktor.“

Aber auch die Videobehandlungen verlangen Ruhe und Ungestörtheit. Das ist nicht immer der Fall. Eine andere Patientin hatte sich für die Behandlung ins Auto gesetzt, weil in der Wohnung zu viel los war. Auch Homeoffice und geschlossene Kitas und Schulen verlangen häufig besonderen Einfallsreichtum.

Die Erfahrungen, die Natalia Erazo mit Behandlungen in der Coronakrise gemacht hat, sind grundsätzlich besser als zunächst gedacht: Ihre Patient*innen haben jetzt handfeste Alltagsprobleme. Sie sind mit existenziellen Ängsten beschäftigt, zum Beispiel mit Befürchtungen entlassen zu werden oder mit Sorgen um Großeltern, die der Virus das Leben kosten kann. Doch diese neuen Herausforderungen des Alltags relativieren auch das persönliche psychische Leiden. „Die Coronakrise hat überraschend auch die Eigenschaft zu stützen“, berichtet Erazo. „Das psychische Leid rückt bei manchen etwas aus dem Zentrum des Erlebens, es scheint in der Corona-Sorge etwas aufgehoben; es gibt nun Konkretes zu besprechen, zu organisieren, zu erschaffen.“ Ferner hat die Krise auch Elemente, die Zusammenhalt fördern: Die Menschen sprechen mehr miteinander und versichern sich in der Not: „Wir sitzen alle in einem Boot. Gemeinsam schaffen wir das.“

Viele ihrer Patient*innen nutzen bereits die neue Videobehandlung. Natalia Erazo schätzt, dass es bei ihr bereits zwei Drittel der Termine sind. Doch nicht für jede Patient*in ist das Ferngespräch per Handy oder Laptop eine ausreichende Alternative, auch wenn man die Gesprächspartner*in dabei sieht. Im realen Kontakt kann das Gespräch, das immer auch viele gestische, nonverbale Elemente enthält, leichter eine Tiefe erreichen, als dies im virtuellen Kontakt möglich ist. Ein älterer Herr nimmt nach wie vor die Fahrt zur Praxis auf sich, trotz der besonderen Risiken, die er damit eingeht. Er möchte weiter das Gespräch von Angesicht zu Angesicht führen, um damit ab und zu aus der Einsamkeit seiner Situation herauszukommen. Natalia Erazo bleibt auch diesen Wünschen gegenüber offen. Solange eine Patient*in nicht positiv getestet ist, sind ihre Praxistüren nicht verschlossen. Auch wenn sie den Sicherheitsabstand auf drei Meter vergrößert hat.

Jetzt auch Sprechstunde und Probatorik per Videobehandlung möglich

BPtK begrüßt neue Regelungen während der Corona-Pandemie

(BPtK) Psychotherapeutische Sprechstunde und probatorische Gespräche sind während der Corona-Pandemie auch per Videotelefonat möglich. Das haben Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverband gestern beschlossen. Danach kann in begründeten Einzelfällen die Beratung und Diagnostik von Patient*innen ohne unmittelbaren Kontakt erfolgen. Insbesondere Quarantäne-Patient*innen sind nicht anders zu versorgen. Aber auch älteren Menschen ist nicht immer zumutbar, das Ansteckungsrisiko auf dem Weg zur Praxis einzugehen. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt die neuen Regelungen während der Corona-Pandemie.

Auch für Gruppentherapien wurden Erleichterungen geschaffen. Bereits genehmigte Gruppentherapiesitzungen können unbürokratisch als Einzeltherapiesitzungen durchgeführt werden. Hierfür ist nur eine formlose Anzeige bei der Krankenkasse erforderlich.

Bereits seit vergangener Woche sind Videobehandlungen unbegrenzt möglich. Ihre Beschränkung auf maximal 20 Prozent der Patient*innen ist während der Corona-Pandemie ausgesetzt. Die BPtK setzt sich aber weiter dafür ein, psychotherapeutischen Sprechstunde, Probatorik und Behandlung per Telefon zu ermöglichen, wenn es anders nicht möglich ist.

BPtK: Corona erfordert Sprechstunde und Behandlung per Telefon

Auch Quarantäne-Patient*innen benötigen Versorgung

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert, dass Psychotherapeut*innen Sprechstunde, Probatorik und Behandlung während der Coronakrise auch per Telefon anbieten können. „Patient*innen in Quarantäne sind sonst nicht mehr zu versorgen“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. „Da längst nicht alle Patient*innen die technischen Möglichkeiten haben, sich per Videotelefonat beraten und behandeln zu lassen, ist es notwendig, während der Coronakrise die psychotherapeutische Versorgung grundsätzlich per Telefon zu ermöglichen. Die Psychotherapeut*innen werden in jedem Einzelfall prüfen, ob dies verantwortbar ist.“

Neben Quarantäne-Patient*innen benötigen auch viele ältere Patient*innen eine telefonische Beratung und Behandlung, um sich auf dem Weg in eine psychotherapeutische Praxis nicht zu gefährden. Ferner bestehen in ländlichen Gebieten vielerorts noch keine ausreichend stabilen Internetverbindungen, die eine Videobehandlung ermöglichen.

„Die Tageskliniken und Ambulanzen sind bereits geschlossen“

Erfahrungsbericht 1: Andreas Gilcher, Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer startet eine Serie mit Erfahrungen von Psychotherapeut*innen während der Coronakrise. Heute beschreibt Andreas Gilcher, wie sich die Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach in der er als Psychotherapeut in leitender Position arbeitet, darauf vorbereitet, trotz Ansteckungsgefahr die Versorgung aufrecht erhalten zu können.

Aus dem Dilemma gab es keinen anderen Ausweg: In die Tageskliniken kamen täglich viele der psychisch kranken Patient*innen von außerhalb. Das Risiko, dass sie das Coronavirus in das Krankenhaus trugen, war zu groß. In den Räumen für Gruppentherapie war der notwendige 2-Meter-Abstand nicht einzuhalten, die Räume für die Sporttherapie waren zu klein und auch beim Mittagessen saßen die Patient*innen zu eng nebeneinander. Es blieb nur ein Ausweg: Die sieben Tageskliniken der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach mussten schließen. „Die Ansteckungsgefahr war zu groß“, erklärt Andreas Gilcher, Psychologischer Psychotherapeut und Leitender Psychologe der Klinik.

Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen berieten: Wer konnte ambulant versorgt und deshalb entlassen werden und wer musste auf die Station aufgenommen werden. Die Entscheidung fiel auch deshalb so schwer, weil viele Patient*innen sich seit Wochen vor einer Ansteckung ängstigten. „Viele Menschen verfolgen den ganzen Tag die Nachrichten und ängstigen sich fortwährend“, schildert der Psychotherapeut Gilcher die starke Verunsicherung unter seinen Patient*innen. „Gerade ältere Patient*innen oder die mit Lungenerkrankungen sind sehr beunruhigt.“ Die Patient*innen werden jedoch nicht allein gelassen. „Die Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen, Sozialarbeiter*innen und Pflegekräfte bleiben in telefonischem Kontakt mit ihren Patient*innen“, erklärt Gilcher. „Auch die Möglichkeiten der Videobehandlung sollen nun genutzt werden. In ganz dringenden Fällen bieten wir aber immer noch einzelne Therapiestunden von Angesicht zu Angesicht in den Tageskliniken an.“ Auch die Institutsambulanzen der Klinik arbeiten aktuell vor allem per Telemedizin.

Die Einschränkungen treffen nicht nur die Patient*innen der Tagesklinik. Die Klinik hat alle vorgesehenen Aufnahmen von der Warteliste abgesagt. Es erfolgen nur noch Notfallaufnahmen. Auf den Stationen besteht Besuchsverbot. Die Türen von außen sind zu. „Das schafft zusätzliche Unruhe“, erklärt Gilcher. „Die Patient*innen sorgen sich um sich und um ihre Angehörigen. Es sind weit mehr Gespräche als normal erforderlich. Diese erfolgen aktuell fast ausschließlich mit jeder einzelnen Patient*in und nicht mehr in Gruppen.“

Oberstes Ziel ist es, die Grund- und Notfallversorgung der Patient*innen aufrechtzuerhalten, auf den Stationen für die psychisch kranken Menschen, aber auch in der Neurologie der Klinik. Wie gut dies möglich ist, hängt auch stark von den Ausfällen bei den Mitarbeiter*innen ab. Ein Krisenstab passt täglich den Pandemieplan der Klinik an und informiert die Mitarbeiter*innen. Dazu gehört auch, dass eine ganze Station freigeräumt wurde, um Platz für Intensivbetten mit Beatmungsgeräten zu schaffen. Auf dieser COVID-Station sollen auch zwei Psychotherapeut*innen eingesetzt werden, die sich sowohl um die Patient*innen als auch um das Personal kümmern. Auch an Übernachtungsplätze für das Personal wurde gedacht, wenn der tägliche Weg vom Arbeitsplatz zur Familie nach Hause zu riskant werden sollte. Wenn das Virus weiter um sich greift, will die Klinik vorbereitet sein.

Die Corona-Epidemie verunsichert alle, die Patient*innen, aber auch das Personal. Die Mitarbeiter*innen auf den Stationen benötigen nicht nur Schulungen in den notwendigen Hygienestandards oder Auffrischungen in der Bedienung der Beatmungsgeräte. Sie benötigen auch tägliche Beziehungsarbeit und gutes Krisenmanagement. Das „Gemeinsam schaffen wir das“ erfordert Gespräche und ein besonnenes und fürsorgliches Miteinander. Die Expertise der Psychotherapeut*innen ist im Besonderen gefordert. Gespräche über psychische Krisen sind ihr Metier. „Aber die Coronakrise ist auch für uns und die Familien zuhause eine besondere Herausforderung“, weiß Andreas Gilcher.

Psychotherapeutische Versorgung während der Corona-Epidemie

Interview mit Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK

(BPtK) Psychisch kranke Menschen brauchen auch während der Corona-Epidemie weiter eine psychotherapeutische Versorgung. Psychotherapie findet aber in der Regel von Angesicht zu Angesicht statt. Ist dies überhaupt möglich?

Sicher, insbesondere solange weder Patient*innen noch Psychotherapeut*innen irgendwelche Symptome für Atemwegserkrankungen haben. Dann ist es zwar notwendig, dass ein ausreichender Abstand von ein bis zwei Metern eingehalten, auf das Hände-Schütteln verzichtet, die Husten- und Nies-Etikette beachtet wird und z. B. Türklinken regelmäßig desinfiziert werden. Dies sind die gesundheitlichen Vorsichtmaßnahmen, die jederzeit gelten. Sie ermöglichen aber auch, weiter Patient*innen in der Praxis zu sehen, zu beraten und zu behandeln.

Was ist, wenn die Patient*in Kontakt zu einer Corona-Erkrankten* hatte oder selbst erkrankt ist?

Dann besteht die Möglichkeit, die Behandlung online per Videotelefonat fortzuführen. Diese Möglichkeit war bis vor Kurzem noch stark begrenzt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen haben jedoch noch Mitte März beschlossen, diese Begrenzungen der Videobehandlung aufzuheben. Die neue Regelung gilt vorläufig ab dem 1. April für das II. Quartal 2020. Wir begrüßen diese Entscheidung sehr, weil sie es überhaupt erst ermöglicht, die psychotherapeutische Versorgung auch für Patient*innen, die sich in Quarantäne befinden, sicherzustellen. Wenn der Patient*in aber kein Videotelefonat möglich ist, sollte auch die Behandlung per Telefon möglich sein. Beides ist wichtig, weil sich bei einem Teil der Patient*innen ohne Behandlung die psychischen Erkrankungen verschlimmern oder chronifizieren können.

Was ist, wenn eine Corona-Patient*in sich so stark in einer akuten Krise befindet, dass ein Videotelefonat nicht reicht?

Zunächst einmal sind Akutbehandlungen weiterhin von der Videobehandlung ausgenommen. Das ist ein Unding. Gerade diese Patient*innen brauchen unbedingt Beratung und Behandlung. Dies muss noch ermöglicht werden. Aber zu Ihrer Frage: Was ist, wenn dies nicht reicht? Ein unmittelbarer Kontakt zwischen einer coronakranken Patient*in gefährdet auch die Psychotherapeut*in und damit die psychotherapeutische Versorgung aller anderen ihrer Patient*innen. Denkbar wäre noch eine Behandlung im Schutzanzug. Doch für eine Behandlung in Schutzkleidung fehlt es aber zum einen in den Praxen an Atemschutzmasken und Schutzkleidung. Zum anderen stellt sich allerdings auch die Frage, ob ein Gespräch mit einer Psychotherapeut*in in Alienverkleidung der Patient*in tatsächlich hilft. Für diese Patient*innen wäre es unbedingt notwendig, per Telefon und Video möglichst viel psychotherapeutische Unterstützung aus der Ferne anbieten zu können.

Was ist mit der psychotherapeutischen Sprechstunde und den probatorischen Gesprächen? Muss die Diagnostik nicht eigentlich immer im unmittelbaren Kontakt durchgeführt werden?

Grundsätzlich ist das so. Die Diagnostik einer psychischen Erkrankung muss grundsätzlich von Angesicht zu Angesicht stattfinden, damit überhaupt ein vollständiger, auch nicht-visueller Eindruck von der Patient*in möglich ist. Die Corona-Epidemie schafft hier jedoch Notlagen bei den Patient*innen, die wir lösen müssen. Wir können in einer solchen weltweiten Epidemie die Patient*innen nicht allein lassen. Deshalb ist es in dieser noch nie dagewesenen Ausnahmesituation notwendig, auf die Videobehandlung zurückzugreifen, wenn sonst keine psychotherapeutische Versorgung möglich ist. Deshalb hält die BPtK es auch für notwendig, befristet Sprechstunden und probatorische Gespräche per Video in begründbaren Einzelfällen zu ermöglichen.

Welche Hilfen bieten Sie Ihren Kolleg*innen, um Sie in dieser Situation zu unterstützen?

Wir informieren fortwährend über den Stand der Entwicklungen auf unserer Homepage. Für die Behandlung per Videotelefonat haben wir bereits im November 2019 einen BPtK-Ratgeber herausgegeben. Darin ist auch ein Kapitel enthalten, das jetzt ganz wichtig wird: „Was muss ich bei der Praxisorganisation beachten?“. Darin werden Fragen beantwortet wie: „Was ist ein zertifizierter Videodienstanbieter? Welche technische Ausstattung ist notwendig? In welchen Räumen ist eine Videobehandlung möglich?“. Außerdem enthält sie eine Information für Patient*innen und Sorgeberechtigte.