Schlagwortarchiv für: Versorgung

LPK-Vorstand trifft sich im ZfP Reichenau zum Austausch mit dem Sozialministerium und der Leitung der Forschungsstation

(LPK BW) Am 23. Juni fand auf der Forschungsstation mit Standort im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Reichenau in Konstanz ein Treffen statt, zu dem der LPK-Vorstand eingeladen war. Anwesend waren ein Vertreter des Referats „Psychiatrie, Sucht“ des Sozialministeriums Baden-Württemberg, Dr. Michael Konrad, Prof. Daniela Mier, Lehrstuhl Klinische Psychologie der Universität Konstanz, welche die Hochschulambulanz und die seit 1996 bestehende Forschungsstation auf der Reichenau führt, der Leitende Psychologe der Forschungsstation Dr. Michael Odenwald und die zuständige Chefärztin der Klinik für Allgemeinpsychiatrie Ann-Kristin Hörsting. Für die LPK nahmen neben Kammerpräsident Dr. Dietrich Munz Vizepräsident Martin Klett und Vorstandsmitglied Dr. Roland Straub teil. Dr. Konrad war im Sozialministerium für die Betreuung der Corona-Hotline zuständig.

Auf dem Plan standen unterschiedliche Anliegen:

  • wechselseitige Information zum Stand der Umsetzung der Weiterbildungsreform und insbesondere dazu, wie die Verknüpfung von Klinik, Weiterbildung und Forschung am Beispiel eines integrativen Konzepts wie desjenigen in der „Reichenau“ aussehen könnte,
  • ein erster Austausch dazu, wie eine bessere Einbindung der Psychotherapie in gemeindepsychiatrische Angebote gelingen könnte sowie
  • eine Diskussion zur Umsetzung der GBA-Beschlüsse zur Verordnung durch Psychotherapeuten, z. B. zur Verordnung von Leistungen zur häuslichen Krankenpflege, medizinischer Rehabilitation, Soziotherapie und Krankentransporten.
  • Zuletzt wurde der aktuelle Stand der Aktivitäten sowie das weitere Vorgehen zur Corona-Hotline besprochen.

Die Hotline habe sich, wie Dr. Michael Konrad ausführte, als kostenloses, fachlich kompetentes und niederschwellig erreichbares Angebot des Landes Baden-Württemberg bewährt, mit dem die Bürgerinnen und Bürger Sorgen und Ängste angesichts der Pandemie auf psychotherapeutischem Niveau besprechen konnten.

Im weiteren Gespräch entstand die Idee, gemeinsam mit dem Ministerium einen Fachtag als Dank an die Teilnehmenden der Hotline zu organisieren, der sich mit der Schaffung ambulanter psychotherapeutischer Angebote für komplexe Versorgungsbedarfe von schwer psychisch kranken Menschen sowie deren Vernetzung und Koordination befassen solle. Der Fachtag könne für Herbst 2021 durch das Ministerium initiiert werden. Dies wurde zwischenzeitlich den Teilnehmenden durch ein Dankesschreiben des Ministers mitgeteilt. Ausgetauscht wurden verschiedene Ideen, wobei man sich einig war, dass sich bei der Veranstaltung sozialpsychiatrische Dienste, poststationäre Reha, Wohngruppen usw. vorstellen könnten. Darüber hinaus sollten ggf. die Landesärztekammer und die KV Baden-Württemberg einbezogen werden. Zunächst soll sich eine Gruppe von Vertretern aus den relevanten LPK-Ausschüssen mit dem Sozialministerium zu einem weiteren Ideenaustausch treffen.

Weiterer Punkt der Gespräche in Konstanz war im Kontext besserer Vernetzung, die weitere Teilnahme der LPK im Landesarbeitskreis (LAK) Psychiatrie zu bestätigen, da gerade dessen Geschäftsordnung aktualisiert wird und dadurch Mitglieder neu benannt und bestimmt wurden. Der LAK ist in § 11 Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz festgeschrieben und berät das Ministerium bei der Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung. Zentrales Instrument sind sektorenübergreifende Arbeitsgruppen zu aktuellen Themen. Im LAK sind seit vielen Jahren der Verband der Klinikpsychotherapeuten und seit ihrer Gründung 1999 die LPK als Mitglieder dabei. Eine Aufnahme des Verbundes der Ausbildungsinstitute 3abw wurde im Gespräch mit Dr. Konrad diskutiert und für wichtig erachtet, mit der Zusage, diese weitere Mitgliedschaft zu prüfen. Zwischenzeitlich hat der LAK Psychiatrie getagt und das Ministerium hat der Teilnahme aller drei als Mitglied dieses beratenden Gremiums zugestimmt.

Barmer-Studie zu der ab 2017 geltenden Psychotherapierichtlinie

Interview mit LPK-Präsident Dr. Dietrich Munz

(LPK BW) Mit der Reform der Psychotherapie-Richtlinie im Jahr 2017 wurde der Besuch einer psychotherapeutischen Sprechstunde Voraussetzung für den Beginn einer Psychotherapie in der ambulanten kassenärztlichen Versorgung. Wie Kammerpräsident Dr. Dietrich Munz im Interview mit der Badischen Zeitung am 18. Juli 2020 hervorhebt, ging „die Umsetzung bei den Kolleginnen und Kollegen sehr zügig“. Und sie habe sich auch schnell bewährt. Anlass des Interviews, an dem auch Barmer-Landesgeschäftsführer Winfried Plötze beteiligt war, waren die Ergebnisse des Barmer Arztreport 2020, in der über 2000 Versicherte befragt wurden, die eine psychotherapeutische Sprechstunde in Anspruch genommen hatten. Zudem wurden die Abrechnungsdaten aus 2016 und 2018 in dieser Studie verglichen.

Ergebnisse der Studie:  Nach der Reform hatten im Jahr 2018 bundesweit 12 % mehr Menschen Kontakt zu Psychotherapeuten als 2016, in BW betrug der Anstieg knapp 9 %. Die Versicherten stellten der psychotherapeutischen Sprechstunde ein überwiegend positives Zeugnis aus, mehrheitlich fühlten sich die Befragten durch sie gut betreut, ca. 2/3 konnten danach innerhalb von vier Wochen eine Psychotherapie beginnen. Letztere wurde meist (71 %) dort begonnen, wo auch die Sprechstunde stattfand. Ebenfalls ca. 2/3 waren nach Therapieende mit dem Ergebnis vollkommen oder sehr zufrieden.

Die Studie weist auch darauf hin, dass die Anzahl der Psychotherapeutinnen in den vergangenen Jahren angestiegen ist, aber deutlich weniger in Vollzeit arbeiten. Dies entspricht der allgemeinen Entwicklung zu mehr halben Kassensitzen für Psychotherapie. Weiterhin wurde untersucht, wie hoch der Anteil der Bevölkerung ist, die innerhalb eines Jahres Kontakt mit Psychotherapeuten hatte. Dieser ist in gut versorgten Städten wie Freiburg und Heidelberg  etwa doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Die weiterhin bestehenden Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz weisen auch in den Regionen mit relativ guter Versorgung aus Sicht der LPK BW eher auf eine nach wie vor bestehende Unterversorgung und weiterhin mangelhafte Bedarfsplanung hin. Zudem sieht Kammerpräsident Munz das häufig gepflegte Vorurteil widerlegt, dass Psychotherapeuten jeden in Behandlung nehmen, der bei Ihnen anfragt. Für fast 30 % der befragten Versicherten sei keine Behandlung in der  psychotherapeutischen Praxis indiziert gewesen, diese seien dann an andere, z. B. stationäre Behandlungsangebote weiterverwiesen worden.

Insgesamt könne hervorgehoben werden, dass Patienten/Versicherte von einer ambulanten Psychotherapie profitieren und mit dem Ergebnis zufrieden sind.

Weiterbildungsgebiete für eine gute Versorgung im Transitionsalter

Fachgespräch der BPtK zur Reform der Musterweiterbildungsordnung

(BPtK) Nach der Ausbildungsreform erhalten Psychotherapeut*innen die Approbation künftig bereits nach einer staatlichen Prüfung im Anschluss an ein Universitätsstudium. Daran schließt sich eine Weiterbildung an, die für die eigenverantwortliche Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung qualifiziert. Mit Abschluss der Weiterbildung darf die Berufsbezeichnung „Fachpsychotherapeut*in“ geführt werden.

Die Psychotherapeutenschaft hatte sich schon vor der Reform für die zwei Fachgebiete „Psychotherapie für Kinder und Jugendliche“ und „Psychotherapie für Erwachsene“ ausgesprochen. Diese Alters-Gebiete legt nun auch das Gesetz als Voraussetzungen für den „Arztregister“-Eintrag fest. Weitere Gebiete können geschaffen werden, wenn die Psychotherapeutenkammern diese in ihren Weiterbildungsordnungen regeln.

Die Unterscheidung zwischen den Alters-Gebieten „Kinder und Jugendliche“ und „Erwachsene“ ist nicht trennscharf. Abhängig vom individuellen Entwicklungsstand können bei Jugendlichen bereits psychotherapeutische Methoden für Erwachsene indiziert sein, während bei jungen Erwachsenen noch Methoden für Kinder und Jugendliche angezeigt sein können. Wie sollten vor diesem Hintergrund die Grenzen der beiden Alters-Gebiete definiert werden? Das war ein Schwerpunkthema der ersten Beratungsrunde des Projekts „Reform der Musterweiterbildungsordnung“ der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Mit dem Projekt soll bis 2021 eine neue Musterweiterbildungsordnung entwickelt werden (weitere Informationen zum Stand des Projektes gibt es hier). Nach den bisherigen Beratungen sollte zur Versorgung im Transitionsalter zwischen 16 und 24 Jahren ein flexibler Einsatz psychotherapeutischer Methoden aus beiden Alters-Gebieten möglich sein. In den Gremien gibt es jedoch noch keinen Konsens, wie breit sich beide Gebiete überlappen sollten. Zur Klärung dieser Frage lud die BPtK am 24. Juni 2020 zu einer Videokonferenz ein.

BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz wies darauf hin, dass die beiden Alters-Gebiete nicht im luftleeren Raum entstanden sind. Bereits heute gebe es mit den „Psychologischen Psychotherapeut*innen“ und „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen“ zwei Berufe für unterschiedliche Altersgruppen. Und schon heute gebe es eine Überschneidung beider Berufe bei Patient*innen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren. Bei der künftigen Gestaltung der Gebiete habe die Psychotherapeutenschaft allerdings jetzt die Möglichkeit, die Altersgrenzen neu zu justieren, wenn es für die Versorgung erforderlich sei. Berufsständische Fragen sollten im Hintergrund stehen, auch wenn sie die Debatte immer mitprägen. Munz hob hervor, dass es in der laufenden Diskussion um die Qualifizierung einer neuen Psychotherapeutengeneration gehe. Diese neuen Gebietsweiterbildungen seien keine Qualifizierungsoption für Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen.

Emerging Adulthood: Herausforderungen aus entwicklungspsychologischer Sicht

Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke, Entwicklungspsychologin an der Universität Mainz und Psychotherapeutin, stellte entwicklungspsychologische Befunde zum Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter vor. Der Abschluss von Ausbildung oder Studium, der Auszug bei den Eltern oder die Gründung einer eigenen Familie würden heute im Durchschnitt mehrere Jahre später erfolgen als vor 50 Jahren. Auch sei eine verlängerte und qualitativ veränderte Identitätsentwicklung nachweisbar. Identitätskrisen und ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen zeigten sich inzwischen eher im jungen Erwachsenenalter als in der Adoleszenz. Damit sei eine neue Phase zwischen Adoleszenz und Erwachsenenalter entstanden, die als „Emerging Adulthood“ (18 bis 30 Jahre) bezeichnet werde. Dies hätte auch zur Folge, dass sich viele Eltern länger um ihren Nachwuchs kümmern. Dabei gebe es problematische Erziehungsstile mit zu viel Unterstützung, Separationsangst und starker und psychologischer Kontrolle.

Diese Ergebnisse der entwicklungspsychologischen Forschung gehörten sowohl in das künftige Studium als auch in die Weiterbildung von Psychotherapeut*innen, um Krankheitswertigkeit einschätzen zu können. Die Frage „Was ist noch normal?“ müsse nicht nur für die jungen Erwachsenen beantwortet werden, sondern auch für das Elternverhalten. Auch bei Patient*innen im jungen Erwachsenenalter könne es indiziert sein, die Eltern in die Behandlung einzubeziehen.

Psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung im Transitionsalter

Wie sollten diese Veränderungen im Transitionsalter in die Qualifikation künftiger Psychotherapeut*innen einfließen? Darum ging es im zweiten Teil des BPtK-Fachgesprächs.

Berufs- und sozialrechtlicher Rahmen

Prof. Dr. Martin H. Stellpflug, Justiziar der BPtK stellte klar, dass der Gesetzgeber die bisherige Differenzierung in die beiden Berufe Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in (KJP) und Psychologische Psychotherapeut*in (PP) mit der Ausbildungsreform nicht fortgeschrieben habe. Künftig gebe es eine einheitliche Ausbildung der „Psychotherapeut*innen“ mit Weiterbildung zu Fachpsychotherapeut*innen für Kinder und Jugendliche und Fachpsychotherapeut*innen für Erwachsene. Die Beschränkung der Approbation der KJP auf Patient*innen bis zum Ende des 21. Lebensjahrs gebe es künftig nicht mehr.

Für die Definition der Alters-Gebiete könnten verschiedene rechtliche Normen herangezogen werden, zum Beispiel der Eintritt der „Volljährigkeit“ mit dem vollendeten 18. Lebensjahr im Bürgerlichen Gesetzbuch, das Alter des „Heranwachsenden“ von 18 bis 21 Jahren im Jugendgerichtsgesetz oder die Bezeichnung „junger Volljähriger“ für das Alter von 18 bis 21 Jahren im Kinder- und Jugendhilfegesetz.

Auch das Berufsrecht der Länder, das die Weiterbildung regelt, definiere keine Altersgrenzen. Die ärztliche Weiterbildung definiere die Gebietsgrenzen der Fachärzt*innen für „Kinder- und Jugendmedizin“ oder „Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ ebenfalls nicht über konkrete Altersangaben, sondern als Altersbereich, zu dem auch „Heranwachsende“ gehören, ohne dass dieser näher spezifiziert werde. Ärzt*innen hätten dadurch einen Beurteilungsspielraum, welche Patient*innen dem Gebiet zuzurechnen seien, an den auch Gerichte gebunden seien. Unabhängig davon könnte in Ausnahmen auch außerhalb des Gebietes behandelt werden.

Ergebnisse aus der Versorgungsforschung

Dr. Gundula Ernst, Diplom-Psychologin, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Transitionsmedizin und Mitarbeiterin an der Medizinischen Hochschule Hannover, beschrieb die Herausforderungen der Versorgung von Menschen im Transitionsalter. Jugendliche wollten frei sein von ihrer Krankheit, den damit verbundenen Einschränkungen und allem, was sie daran erinnert. Gleichzeitig fänden Eltern bei der Begleitung des Übergangs vom Versorgungsystem für Kinder und Jugendliche in die Erwachsenenversorgung nicht immer die richtige Balance zwischen Kontrolle und Loslassen. Auch von Seiten der Pädiater*innen gebe es eine Furcht vor schlechterer Versorgung. Häufig würde deshalb das ungewohnte Behandlungsklima in der Erwachsenenversorgung abgelehnt.

Für einen guten Übergang gebe es auch strukturelle Barrieren. Dazu gehörten fehlende Standards über den adäquaten Zeitpunkt und Ablauf des Wechsels, Schwierigkeiten, Behandler*innen zu finden, oder eine fehlende oder unangemessene Vergütung von Leistungen, die für den Wechsel zwischen den Behandler*innen notwendig sei. Das könne zu Unterversorgung während der Transition führen. Darauf habe der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen bereits 2009 hingewiesen. Die Versorgung im Transitionsalter müsse deshalb strukturiert und geplant werden, sodass junge Patient*innen die Angebote der Erwachsenenversorgung wahrnehmen.

PD Dr. Ulrike Schulze, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Chefärztin am Zentrum für Psychiatrie Calw, stellte das internationale Forschungsprojekt Milestone an der Uniklinik Ulm zur Transition in der Psychiatrie vor. Patient*innen berichteten von einer Verschlechterung der Versorgung beim Übergang von der Kinder- und Jugend- in die Erwachsenenpsychiatrie. Sie würden nicht in die Entscheidungen einbezogen und es bleibe ein Gefühl des Gehetztseins. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie sei oft „nicht in der Lage“, mit einer fachfremden Profession zu kommunizieren. Beim Wechsel zwischen den verschiedenen Psychiatrien beständen lange Wartezeiten, es fehle an Unterstützung beim Übergang. In Großbritannien und Irland gebe es deshalb bereits Fortbildungsangebote zur Transition in der Psychiatrie.

Schulze empfahl die Entwicklung einer Leitlinie für den Übergang in der Psychiatrie, die Anerkennung von Interdisziplinarität mit der rechtzeitigen Überprüfung des Transitionsbedarfs, das Annehmen von Transition als „persönliche Herausforderung“ für die Therapeut*innen, die Unterstützung sozialer Kompetenzen und Selbstwertstärkung bei den Patient*innen, die Ressourcenförderung und Unterstützung einer altersangemessenen Autonomieentwicklung. Besonders wichtig sei, Patient*innen in Entscheidungsprozesse einzubinden und sie zu ermuntern, das eigene Tempo wichtig zu nehmen. In Deutschland hätten die beiden psychiatrischen Fachgesellschaften DGKJP und DGPPN 2016 ein gemeinsames Arbeitspapier herausgegeben, in dem sie fordern, die Versorgung im Transitionsalter stärker in der Weiterbildung ihrer Gebiete zu verankern.

Erfahrungen in der ambulanten Versorgung

Sabine Maur, Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, schilderte ihre Erfahrungen aus einer psychotherapeutischen Praxis für Kinder und Jugendliche in Mainz. Bei ADHS gebe es zur Transition dieser chronischen Erkrankung eine Empfehlung in der S3-Leitlinie. Danach solle ADHS in dieser Altersphase erneut untersucht werden, um einen gleitenden Übergang zu ermöglichen und die Weiterbehandelnden ausführlich zu informieren. Auch sollte während der Transition eine Absprache der vor- und weiterbehandelnden Ärzt*innen ermöglicht und die Patient*innen umfassend über die Versorgung im Erwachsenenbereich informiert werden.

Die Problematiken der Patient*innen änderten sich von der Kindheit zum jungen Erwachsenenalter, wenn zum Beispiel aus Hyperaktivität innere Unruhe werde, aus Aufmerksamkeitsproblemen Desorganisiertheit werde oder das Risiko für Süchte und Delinquenz steige. Das junge Erwachsenenalter werde zu einer besonders vulnerablen Zeit, wenn Strukturen durch Schule und Jugendhilfe wegfielen, Tagesstruktur und Sozialkontakte fehlten und Konflikte mit Eltern sich häuften. Darauf müsse eine Transitionspsychotherapie eingehen, indem sie die Teilnahme an Psychotherapie und die Einhaltung der Pharmakotherapie unterstütze, Bezugspersonen im Spannungsfeld von Unterstützung und Autonomie angemessen einbinde und frühzeitig und aktiv den Wechsel zu einer Erwachsenenpsychotherapeut*in unterstütze. Dafür bräuchten Psychotherapeut*innen für Kinder und Jugendliche keine Befugnis, um ihre erwachsenen Patient*innen möglichst lange selbst zu behandeln. Notwendig sei vielmehr eine Vergütung des erhöhten Koordinationsaufwandes und Abrechnungsmöglichkeiten gemeinsamer Termine zum Beispiel von Vor- und Nachbehandler*innen.

Erfahrungen in der Jugendhilfe

Einen weiteren Versorgungsbereich, den Psychotherapeut*innen mit der reformierten Aus- und Weiterbildung stärker in den Blick nehmen wollen, ist die Jugendhilfe. Jörg Hermann, Psychologischer Psychotherapeut und Leiter der Erziehungsberatungsstelle des Landkreises Wolfenbüttel, vermittelte Erfahrungen mit dem Transitionsalter in der Jugendhilfe. Ein Überblick zu den Leistungen für junge Erwachsene zeige, dass Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche auch für junge Menschen gewährt werden können, die noch keine 27 Jahre alt sind. Diese Altersgruppe mache in der Hilfestatistik aber nur einen äußert geringen Anteil aus. Der 14. Kinder- und Jugendbericht habe das „sozialrechtliche Bermudadreieck bei den 20- bis 25-Jährigen“ kritisiert. Ein Verschiebebahnhof der Zuständigkeiten zwischen den Sozialgesetzbüchern führe eher zu Hilfevermeidung statt Hilfegewährung.

Erhebungen in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Landkreises Wolfenbüttel zeigten, dass in dieser Altersgruppe die meisten Hilfesuchenden auch unter psychischen Problemen litten. Versorgungsprobleme in dieser Altersgruppe gründeten dabei jedoch nicht vorrangig auf den Befugnisbeschränkungen von KJP. Anders als in der Krankenbehandlung kenne die Jugendhilfe keine altersspezifischen Befugnisse. In der Erziehungsberatung sollten vielmehr Fachkräfte verschiedener Fachrichtungen zusammenwirken, die mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen vertraut sind. In der Jugendhilfe gebe es aber nicht genügend KJP oder PP, die nicht nur über sehr gute klinische Qualifikationen verfügten, sondern auch familiäres Eingebundensein, lebensweltliche Gesichtspunkte oder weitere Hilfen in den Blick nehmen und einbinden könnten.

Erfahrungen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Stefan Heintz, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in der Soteria des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, schilderte seine Erfahrungen zur stationären Versorgung in der Transitionsphase. Das Altersspektrum auf der Adoleszentenstation gehe von 16 bis 24 Jahre. In Ausnahmefällen würden auch ältere Patient*innen behandelt. Der älteste Patient war bislang 27 Jahre alt. Der Behandlungsansatz der Station bestehe in einer gemeinsamen, möglichst reizreduzierten Alltagsgestaltung in einem WG-ähnlichen und überschaubaren sozialen Umfeld. Dazu gehöre eine individuelle Begleitung durch die psychotische Krise sowie ein reflektierter und behutsamer Einsatz von antipsychotischer Medikation. Auf der Station würde die Behandlung des gesamten Altersspektrums durch KJP erfolgen, auch die ambulante Weiterbehandlung von erwachsenen Patient*innen.

Zur Versorgung gehöre auch die Angehörigenarbeit, es sei denn, diese werde von den erwachsenen Patient*innen abgelehnt. Die Inhalte dieser Sitzungen würden mit den Patient*innen vorbesprochen und die Termine fänden in ihrem Beisein statt, wenn nicht anders gewünscht. Diese Adoleszentenstation weise große Schnittmengen mit Jugendlichenstationen auf. Therapieinhalte seien auch hier Verantwortungsübernahme, Entwicklung beruflicher Ziele, Mobbing, Probleme in der Partnerschaft, mangelnde Beziehungen zu Gleichaltrigen, übermäßiger Medienkonsum und schulisches Scheitern.

Die künftigen Fachgebietsgrenzen in der MWBO

Im dritten Teil des Fachgesprächs stand die Frage im Mittelpunkt, wie die zukünftigen Fachgebiete „Psychotherapie für Kinder und Jugendliche“ und „Psychotherapie für Erwachsene“ zugeschnitten sein sollten, um zu einer besseren Versorgung von Menschen im Transitionsalter beizutragen.

Sabine Maur erinnerte daran, dass künftig bereits im Studium Kenntnisse zu allen Altersbereichen verpflichtend seien. In der Weiterbildung müssten dann alle Psychotherapeut*innen so qualifiziert werden, dass sie unabhängig von ihrem Alters-Gebiet auch auf Transitionsstationen arbeiten könnten. In der Befugnis von KJP, Patient*innen bis 21 Jahre behandeln zu dürfen, sah sie eine gute Regelung in Deutschland, die zu deutlich weniger Behandlungsabbrüchen führe als im angloamerikanischen Raum.

Jörg Hermann problematisierte, dass im Bereich der Jugendhilfe die Herausforderung darin bestehe, überhaupt weitergebildete Psychotherapeut*innen beschäftigen zu können. Notwendig aus Jugendhilfesicht wäre die „eierlegende Wollmilchsau“ oder mehrere Psychotherapeut*innen mit unterschiedlichen Kompetenzen im multidisziplinären Team, damit Schwangere, Säuglinge in den Frühen Hilfen, Kinder aller Altersgruppen, Jugendliche, junge Erwachsene und psychisch erkrankte Eltern versorgt werden könnten. Dem nähere man sich durch ein leichtes Öffnen von Altersgrenzen nicht. Für Inhalt und Umfang der Weiterbildung sei es deshalb wichtig, dass für beide Alters-Gebiete die Möglichkeit der institutionellen Weiterbildung in der Jugendhilfe vorgesehen ist.

Dr. Schulze erläuterte, dass sie von den jungen Patient*innen gelernt habe, wie unterschiedlich die Herangehensweisen in beiden Gebieten der Psychiatrie bisher seien. Das müsse aufgezeigt werden. Daneben sei wichtig, über die Weiterbildung Interdisziplinarität zu fördern. Was den Transitionsprozess selbst angehe, müssten die Behandelnden die Kompetenz und die Versorgungssysteme die Flexibilität haben, dass die Patient*innen das Tempo des Übergangs selbst bestimmen und in die Entscheidungen der Behandelnden einbezogen werden können.

Stefan Heintz schilderte, dass er sich als KJP auf einer Adoleszentenstation bei der Arbeit mit Patient*innen von 16 bis 24 Jahren und auch darüber hinaus mit seinen Kompetenzen sehr wohl fühle. Die Arbeit erfordere aber zusätzliche Kompetenzen für KJP in den Bereichen Krankheitschronifizierung und Abbau kognitiver Leistungsfähigkeit. Spezifisch sei darüber hinaus ein durch das Altersspektrum bedingter vermehrter Aufwand an komplexer Schnittstellenarbeit mit anderen Systemen, für den spezifische Kompetenzen zu erwerben seien.

Dr. Ernst zeigte Verständnis für die Notwendigkeit der Definition von Standards bei den Alters-Gebieten. Dennoch sollte bei der Festlegung von Zuständigkeiten ausreichend Flexibilität bleiben, um die jeweiligen regionalen Versorgungsangebote und die individuelle Situation der jungen Patient*innen berücksichtigen zu können. So müsse etwa sichergestellt werden, dass Versorger*innen beider Alters-Gebiete verfügbar seien.

Ariadne Sartorius befürwortete als Sprecherin des KJP-Ausschusses der BPtK die Erweiterung der Gebietsgrenzen über das 21. Lebensjahr hinaus, um dem Transitionsaspekt Rechnung zu tragen. Derzeit werde von einer Mehrheit der Ausschussmitglieder ein Altersspektrum von 18 bis 27 Jahren präferiert. Eine Erweiterung des Altersbereichs über das 21. Lebensjahr hinaus sei aus entwicklungspsychologischer Sicht erforderlich, um Patient*innen auch bei „verzögertem Erwachsenwerden“ angemessen zu versorgen. Aus der Versorgungssicht müsse es ferner möglich sein, auch bei jungen Erwachsenen im Transitionsalter Bezugspersonen einbeziehen zu können, wie dies Teil der KJP-Behandlung ist. Auch könnten so die über eine KJP-Praxis kennengelernten Netzwerke weiter genutzt werden.

Langzeitbehandlungen, in denen der Therapieprozess im Jugendalter begonnen wurde, hätten nur dann einen nachhaltigen Erfolg, wenn die Patient*in bis ins junge Erwachsenenalter bei der gleichen Behandler*in blieben. Bereits behandelte Jugendliche suchten bei erneut auftretenden Problemen häufig den Kontakt zur damaligen vertrauten Behandler*in. Häufig scheuten Jugendliche und junge Erwachsene auch den Weg zur Erwachsenenpsychotherapeut*in. Fachpsychotherapeut*innen benötigten dafür umfangreiche allgemeine und lebensweltbezogene Kenntnisse über Jugendhilfeangebote und andere Hilfeeinrichtungen. Eine Behandlung Jugendlicher ab 16 Jahren von Fachpsychotherapeut*innen für das Gebiet Erwachsene werde dagegen eher kritisch gesehen, da dies umfassende Kenntnisse sowie Erfahrungen in diesem Bereich voraussetzen würde, die in der Ausbildung zum PP bislang nicht vermittelt wurden.

Ullrich Böttinger sprach sich für den BPtK-Ausschuss „Psychotherapie in Institutionen“ dafür aus, das Transitionsalter zum Inhalt beider Alters-Gebiete der Weiterbildung zu machen, damit systembedingte Brüche zugunsten verbesserter Versorgung weitestmöglich ausgeräumt werden könnten. Dabei sei eine möglichst gute Abstimmung wie zum Beispiel mit der Jugendhilfe anzustreben. Das Transitionsalter umfasse einen breiteren Bereich als den bisherigen Überlappungsbereich von 18 bis 21 Jahren. Gleichzeitig müsse eine zu lange „Infantilisierung“ von Erwachsenen vermieden werden. Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen wie zum Beispiel Menschen mit einer geistigen Behinderung werden fachlich, menschlich und politisch für nicht akzeptabel gehalten. Kriterium könne nur die individuelle Entwicklung und die Eignung der verfügbaren Methoden im Einzelfall sein.

In allen Weiterbildungsstationen sollten deshalb auch Fälle aus dem Transitionsalter gesehen werden. In der stationären und der weiteren institutionellen Weiterbildung (Jugendhilfe, Sozialpsychiatrie, Behindertenhilfe, Sucht) würden sich gute Möglichkeiten ergeben, die erforderlichen Vernetzungen und die notwendigen Kooperationen auch systemübergreifend kennenzulernen. Weil familiäre Bezüge in dieser Altersgruppe oftmals unterschätzt würden, sollten systemische Ansätze für diesen Altersbereich besonders stark in die Weiterbildung eingebracht werden. Auf eine genaue Definition der Grenzen der Alters-Gebiete habe sich der PTI-Ausschuss noch nicht verständigen können.

Konzept für die Versorgung im Transitionsalter

In der Diskussion wurde kritisiert, dass mit der Definition von Altersgrenzen das Pferd von hinten aufgezäumt werde. Zunächst werde ein gemeinsames Konzeptpapier zur Versorgung im Transitionsalter gebraucht. Wer in der Versorgung tätig werden dürfe, müsse es auch können. Die notwendigen Kompetenzen müsse die Weiterbildung auch in der Berufspraxis vermitteln. Wenn die Altersüberlappung sehr groß sei, käme man am Ende eventuell doch zu einem einzigen Fachgebiet mit einer möglicherweise deutlich längeren Weiterbildung und weiteren Weiterbildungsstationen. Diese Vorstellung löste Widerspruch bei denen aus, die die Kernaufgaben nicht im Transitionsalter sehen, sondern in den spezifischen Kompetenzen für den Kinder- und Jugendbereich einerseits und den Erwachsenenbereich andererseits.

Beide Alters-Gebiete für das Transitionsalter qualifizieren

Erörtert wurde auch, ob tatsächlich alle Fachpsychotherapeut*innen die Fachkompetenz zur Behandlung der gesamten Altersspanne des Transitionsalters brauchen. Die Herausforderung sei doch vielmehr, entwicklungspsychopathologische Kompetenzen zu vermitteln, um den Versorgungsbedarf ermitteln und einen guten Übergang gestalten zu können. Wichtig sei, dass dabei das Alters-Gebiet Kinder und Jugendliche erhalten bleibe, weil für die unteren Altersgruppen spezifische Kompetenzen erworben werden müssten. Gleichzeitig würden Ausnahmetatbestände gebraucht, um im Einzelfall passgenaue Lösungen zu finden.

Definition der Gebietsgrenzen über Altersangaben

In der Diskussion wurde die Frage vertieft, ob für die Definition der Alters-Gebiete überhaupt bestimmte Lebensjahre als Grenzen erforderlich seien. Die Fachgebietsdefinition der Ärzt*innen verzichte doch auch auf solche Festlegungen. Die Definition der Gebietsgrenze falle in die Kompetenz der Kammern. Die Psychotherapeutenkammern könnten deshalb ebenfalls auf Altersangaben verzichten. Dennoch müsste es Hinweise geben, denn das rechtliche System habe an anderen Stellen Altersfestlegungen. Die Kammern müssten also erklären können, an welche Altersgruppen etwa bei „Heranwachsenden“ gedacht werde, sonst legten andere die Grenzen zum Beispiel im Sozialrecht fest.

Darüber hinaus bliebe aber auch bei der Definition von Altersgrenzen in den Weiterbildungsordnungen offen, inwieweit diese von anderen übernommen würden. So bezweifelte Prof. Stellpflug, dass eine hohe Altersgrenze für das Gebiet Kinder und Jugendliche ins SGB V übernommen werde. Die SGB V-Gremien hätten dazu vermutlich andere Vorstellungen als die Psychotherapeut*innen. Anderes könne bei Ausnahmetatbeständen gelten, die nach dem Urteil des Bundessozialgerichts durchaus gerechtfertigt sein können. In diesem Zusammenhang wurde auch klargestellt, dass sich die künftigen Gebietsgrenzen nur auf Fachpsychotherapeut*innen beziehen und nicht auf KJP und PP. Die Psychotherapeutenschaft habe dazu zwar schon früh Übergangsvorschriften gefordert, sich im Gesetzgebungsverfahren aber nicht durchgesetzt.

Gebiete und Bereiche

Gefragt wurde auch, ob die Qualifizierung für die unterschiedlichen Altersgruppen nicht auch über eine Bereichsweiterbildung möglich sei. Bei einer Bereichsweiterbildung wäre der Aufwand für beide Altersspezialisierungen deutlich geringer als in der Gebietsweiterbildung. Hier wurde daran erinnert, dass die Alters-Gebietsgrenzen gesetzlich bereits als Voraussetzungen für den Arztregistereintrag geregelt seien. Gleichzeitig würde die Spezialisierung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder Erwachsenen damit quasi zu einem Zusatztitel wie die spezielle Psychotherapie bei Diabetes oder Schmerz auf Basis eines Fachgebietes, das die Fachpsychotherapeutenkompetenz zur Behandlung aller Altersgruppen umfassen müsse.

BPtK-Präsident Munz hielt am Ende der Veranstaltung fest, dass das Transitionsalter eine große Bedeutung für die psychotherapeutische Versorgung habe und sowohl von den heutigen KJP als auch von den PP viele Erfahrungen für Verbesserungen eingebracht würden. Es sei deutlich geworden, dass unabhängig von den noch zu bestimmenden Gebietsgrenzen die unterschiedlichen Kompetenzen aus beiden Alters-Gebieten gebraucht würden. Für die weiteren Beratungen und anstehenden Entscheidungen habe das Fachgespräch wichtige Impulse gegeben.

Corona Sonderregelungen für Privatversicherte verlängert

Videobehandlung und Abrechnung der Hygienepauschale weiter möglich

(BPtK) Versicherte der privaten Krankenversicherung können während der Corona Pandemie weiterhin unbürokratisch per Videotelefonat psychotherapeutisch behandelt werden. Darauf hatten sich Bundesärztekammer, Bundespsychotherapeutenkammer, Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) und Beihilfe in einer gemeinsamen Abrechnungsempfehlung verständigt. Diese Sonderregelung wurde nun bis zum 30. September 2020 verlängert.

Auch die Abrechnungsempfehlung für die Erfüllung aufwändiger Hygienemaßnahmen während der Corona-Pandemie wurde bis zum 30. September 2020 verlängert. Die Berechnung der Analoggebühr Nr. 245 GOÄ ist auch für Psychotherapeut*innen einmal je Sitzung zum 2,3-fachen Satz möglich. Voraussetzung hierfür ist der unmittelbare, persönliche Psychotherapeut*in-Patient*in-Kontakt.

Systemische Therapie kann ab dem 1. Juli ambulant abgerechnet werden

BPtK: Für Patient*innen eine wichtige Behandlungsalternative

(BPtK) Ab dem 1. Juli kann die Systemische Therapie zur Behandlung erwachsener Patient*innen auch in der ambulanten Versorgung abgerechnet werden. Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat dazu am 10. Juni 2020 die erforderlichen Gebührenpositionen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab beschlossen. Die Systemische Therapie wird danach wie alle anderen psychotherapeutischen Verfahren vergütet.

„Die Systemische Therapie ist eine wichtige Ergänzung der psychotherapeutischen Versorgung“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, fest. „Damit steht den Patient*innen künftig eine wichtige Behandlungsalternative zur Verfügung.“

Corona-Sonderregelungen: Videobehandlung verlängert

Telefonische Beratung nicht mehr möglich

(BPtK) Psychotherapeut*innen können Videobehandlungen weiter unbegrenzt anbieten. Auch im dritten Quartal gelten die Sonderregelungen während der Coronakrise. Danach können grundsätzlich Einzelsitzungen und in begründeten Fällen auch psychotherapeutische Sprechstunden und probatorische Sitzungen per Videotelefonat durchgeführt werden, und zwar ohne Grenzen bei der Anzahl der Patient*innen und Leistungsmenge. Darauf haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen geeinigt.

Dagegen ist telefonische Unterstützung von Patient*innen, die bereits in psychotherapeutischer Behandlung sind, nicht mehr abrechenbar. Aufgrund der zunächst rückläufigen Infektionszahlen und den Lockerungen bei den Kontaktbeschränkungen hat der Bewertungsausschuss nun beschlossen, diese Sonderregelung nicht über den 30. Juni hinaus zu verlängern.

Akutbehandlung und Gruppenpsychotherapie können weiterhin nicht per Video erbracht werden. Genehmigte Leistungen einer Gruppenpsychotherapie können jedoch ohne weiteren bürokratischen Aufwand in Einzelsitzungen umgewandelt werden. Dafür muss kein Antrag bei der Krankenkasse oder ein Bericht an den Gutachter erfolgen. Dies gilt vorerst bis zum 30. September 2020.

BPtK-Zukunft: Prüfsteine für eine moderne Psychiatrie

Mitgliederinformation zu den Personalvorgaben für die Psychiatrie

(BPtK) Unter dem Titel „BPtK-Prüfsteine für eine moderne Psychiatrie“ hat die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) eine Information für Psychotherapeut*innen in den Kliniken veröffentlicht. Wie sollte die psychiatrische Klinik der Zukunft aussehen und welchen Stellenwert muss in ihr die Psychotherapie haben? Wie sollten dort künftig Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten für Psychotherapeut*innen aussehen? Aus Sicht der BPtK sollte die Psychiatrie der Zukunft folgende Anforderungen erfüllen:

  • Patient*innen müssen mindestes 100 Minuten Einzelpsychotherapie und 180 Minuten Gruppenpsychotherapie in der Woche erhalten, wobei Umfang und Frequenz der einzelnen Interventionen an den individuellen Patientenbedarf angepasst werden müssen.
  • Ermittlung des Behandlungsbedarfs für verschiedene Patientengruppen anhand objektiver, nachvollziehbarer und überprüfbarer Merkmale. Es muss klar sein, nach welchen Merkmalen, z. B. Diagnose, psychosoziale Einschränkungen, somatische Komorbiditäten, Patient*innen klassifiziert werden und welcher Leistungsanspruch für sie damit verbunden ist.
  • Definition eines neuen, modernen Aufgaben- und Kompetenzprofils für die Berufsgruppe der Psychotherapeut*innen. Dazu gehören die Integration der Psychotherapeut*innen auf Augenhöhe mit den Ärzt*innen in Leitungsfunktionen und Behandlungsverantwortung.
  • Überprüfung der Personalausstattung der Kliniken und Ausschluss von Quersubventionierung anderer Krankenhausbereiche oder Finanzierung von Krankenhausinvestitionen, wie sie in Psych-PV-Zeiten praktiziert wurden. Sanktionen bei Unterschreitung der Mindeststandards.

Die Publikation, die in der neuen Reihe „BPtK-Zukunft“ erschienen ist, kann jetzt heruntergeladen werden:

Mehr Personal für Psychiatrie und Psychosomatik

Öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestags

(BPtK) Politiker*innen des Deutschen Bundestages befassen sich heute noch einmal mit dem unzureichenden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-Richtlinie). „Es ist gut, dass der gravierende Personalmangel insbesondere in psychiatrischen Krankenhäusern und Stationen noch einmal öffentlich Thema wird“, betont Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Entgegen der einhelligen Meinung von Expert*innen hat der G-BA die Personalausstattung in den Kliniken nicht bedarfsgerecht angepasst.“

Eine Petition des Bundesverbands der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) hatte im Dezember das notwendige Quorum von mehr als 50.0000 Unterschriften für eine öffentliche Anhörung vor dem Petitionsausschuss erreicht. Die Petentin fordert den Bundestag auf, kurzfristig geeignete Maßnahmen zur Korrektur der PPP-Richtlinie zu treffen. Nur so könne erreicht werden, dass in den psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken flächendeckend und in allen Altersgruppen ausreichend Personal und genügend Zeit für eine gute Behandlung zur Verfügung stehen. In Bezug auf die Psychotherapie hat der Gesetzgeber bereits reagiert. Die PPP-Richtlinie soll bis zum 30. September 2020 um Vorgaben zur Anzahl von Psychotherapeut*innen je Krankenhausbett ergänzt werden. Dieser Auftrag muss nun fristgerecht erledigt werden.

Neue psychotherapeutische Telefonberatung für die Pflegeberufe

Bundesweite kostenfreie Terminvermittlung: www.psych4nurses.de

(BPtK) Für die beruflich Pflegenden gibt es ein neues psychotherapeutisches Beratungsangebot. Während der Corona-Pandemie bieten Psychotherapeut*innen ab heute eine kostenfreie Telefonberatung für alle Pflegeberufe an. Die professionelle Unterstützung ist insbesondere gedacht für Pflegefachpersonen in den Kliniken sowie in Altenpflegeheimen und in der häuslichen Versorgung. Wenn sie sich durch die aktuellen beruflichen Herausforderungen belastet fühlen, können sie über die Internetplattform www.psych4nurses.de kurzfristig und bundesweit 30-minütige Beratungstermine buchen. Dieses Angebot ist ein gemeinsames Hilfsangebot des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe und der Bundespsychotherapeutenkammer. Die Schirmherrschaft haben die Bundespflegekammer und der Deutschen Pflegerat übernommen.

„Beruflich Pflegende sind während der aktuellen Corona-Pandemie vielfach ganz besonderen psychischen Belastungen ausgesetzt“, erläutert Prof. Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK). „Obwohl fast überall eine Überlastung vorhandener Ressourcen bisher insgesamt erfolgreich vermieden werden konnte, durchlebten viele beruflich Pflegende in ambulanten Diensten, Heimen und Krankenhäusern Extremsituationen psychischer Belastung – und tun dies nach wie vor. Ich danke unserem Regionalverband DBfK Nordwest für seine Initiative und den Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten für ihr großzügiges Angebot.“

„Mit der neuen bundesweiten Telefonberatung wollen wir beruflich Pflegenden während der Coronakrise kurzfristig und professionell unterstützen, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Die Beratung, die die Psychotherapeut*innen anbieten, ist ehrenamtlich.“ „Es zeugt von einem großen Engagement der beteiligten Berufsgruppen, wie sie sich gegenseitig in Krisenzeiten unterstützen“, betont Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats und Sprecher der Bundespflegekammer.

Unbürokratische telefonische Beratung und Behandlung per Videotelefonat

Sonderregeln für Privatversicherte während der Corona-Pandemie

(BPtK) Versicherte der privaten Krankenversicherung können während der Corona-Pandemie unbürokratischer per Videotelefonat psychotherapeutisch behandelt werden. Darauf haben sich Bundesärztekammer, Bundespsychotherapeutenkammer, Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) und Beihilfe in einer gemeinsamen Abrechnungsempfehlung verständigt. Diese Sonderregelung ist zunächst bis zum 30. Juni 2020 befristet. Versicherte, die in ihren Verträgen auch psychotherapeutische Leistungen vereinbart haben, können aufgrund dieser Regelung darauf verzichten, vorab die Genehmigung ihrer Krankenkasse einzuholen.

Außerdem sind darüber hinaus längere telefonische Beratungen möglich. Innerhalb eines Kalendermonats können bis zu viermal 40-minütige telefonische Beratungen erstattet werden. Diese Regelung basiert auf einer Empfehlung der Bundesärztekammer, der die private Krankenversicherung allerdings bereits zugestimmt hat. Sie ist zunächst befristet bis zum 31. Juli 2020.

Für Privatversicherte gab es bisher keine einheitlichen Regelungen zur Fernbehandlung. Die meisten PKV-Verträge sehen zwar keine Einschränkung zur Videosprechstunde und -behandlung vor. Die Versicherten mussten jedoch in jedem Einzelfall mit ihrer Versicherung klären, ob diese psychotherapeutischen Leistungen erstattet werden. Dies ist nun nach der gemeinsamen Abrechnungsempfehlung für die meisten diagnostischen und einzelpsychotherapeutischen Leistungen nicht mehr erforderlich.