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Ambulante Komplexbehandlung für schwer psychisch kranke Menschen geregelt

G-BA beschließt Richtlinie für Versorgung in multiprofessionellen Netzverbünden

(BPtK) Für Erwachsene mit schweren psychischen Erkrankungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine neue ambulant-intensive Komplexbehandlung geregelt. Die neue Richtlinie soll eine aufeinander abgestimmte multiprofessionelle Behandlung und Betreuung sicherstellen. Künftig kann dadurch den oft chronisch kranken Patient*innen mit wiederkehrenden psychischen Krisen ein intensivtherapeutisches Angebot gemacht und ein stabileres und selbstständigeres Leben unterstützt werden, sodass stationäre Behandlungen möglichst vermieden werden. Dafür schließen sich Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen in regionale Netzverbünden zusammen, die enge Kooperationen mit Krankenhäusern, ambulanter psychiatrischer Pflege, Soziotherapeut*innen und Ergotherapeut*innen vereinbaren. Die Patient*innen können eine Psychotherapeut*in oder Ärzt*in als zentrale Ansprechpartner*in wählen, die für sie die gesamte Behandlung plant („Bezugspsychotherapeut*in, -ärzt*in“).

Welche Patient*innen können teilnehmen?

Das neue Versorgungsangebot richtet sich an Erwachsene mit der Diagnose einer schweren psychischen Erkrankung (F1 bis F9 nach ICD-10 und GAF-Wert ≤ 50), die durch mindestens zwei verschiedene Berufsgruppen behandelt werden müssen. Die GAF-Skala ist eine international wissenschaftlich anerkannte Klassifikation zur Beschreibung der psychischen, sozialen und beruflichen Einschränkungen von psychisch erkrankten Menschen.

Netzverbünde organisieren die Versorgung

Für einen regionalen Netzverbund müssen vor Ort mindestens zehn Psychotherapeut*innen und Fachärzt*innen einen Vertrag schließen, mit dem sie eine ambulante Komplexbehandlung vereinbaren. Davon müssen jeweils mindestens vier Psychiater*innen oder Psychosomatiker*innen und vier Psychotherapeut*innen sein. Der Verbund muss außerdem Kooperationsverträge mit mindestens einem psychiatrischen Krankenhaus (mit regionaler Versorgungsverpflichtung) und mit mindestens einer zugelassenen Soziotherapeut*in, Ergotherapeut*in oder ambulanten psychiatrischen Pflegekraft abschließen. Netzverbund- und Kooperationsverträge sind den Kassenärztlichen Vereinigungen zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen. Für Patient*innen und Zuweiser*innen veröffentlichen die Kassenärztlichen Vereinigungen ein öffentliches Verzeichnis der Netzverbünde und deren Mitglieder.

An wen können sich die Patient*innen wenden?

Patient*innen können sich direkt an eine Netz-Psychotherapeut*in oder Netz-Psychiater*in wenden. Sie können auch von einer niedergelassenen Ärzt*in oder Psychotherapeut*in an sie überwiesen oder von einem Krankenhaus oder dem Sozialpsychiatrischen Dienst empfohlen worden sein. Sie sollen dann innerhalb von sieben Werktagen einen Sprechstunden-Termin erhalten. In dieser „Eingangssprechstunde“ wird abgeklärt, ob die Voraussetzungen für eine Komplexbehandlung vorliegen. Bei Psychotherapeut*innen geschieht dies in der regulären psychotherapeutischen Sprechstunde. Diese schließt zwar bereits eine differenzialdiagnostische Abklärung mit ein. Nicht zuletzt zur somatischen Abklärung soll jedoch zusätzlich eine vollständige differenzialdiagnostische Abklärung bei einer Psychiater*in oder Psychosomatiker*in durchgeführt werden. Diese differenzialdiagnostische Abklärung soll innerhalb von weiteren sieben Werktagen erfolgen.

Damit müssen nicht immer sowohl eine Psychotherapeut*in als auch eine Psychiater*in als „Behandlungsteam“ zusammenarbeiten, wie es die Kassenärztliche Bundesvereinigung vorgeschlagen hatte. In der Praxis dürften die Behandlungsbedarfe jedoch solche Teams in der Regel notwendig machen.

Bezugspsychotherapeut*in und Gesamtbehandlungsplan

Die Bezugspsychotherapeut*in oder Bezugsärzt*in erstellt auf der Basis der Eingangs- und Differenzialdiagnostik einen „Gesamtbehandlungsplan“. Der Plan beschreibt die erforderlichen psychotherapeutischen, ärztlichen und medikamentösen Leistungen, aber auch die Leistungen anderer Gesundheitsberufe und Einrichtungen sowie Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe. Er wird zu Behandlungsbeginn mit allen beteiligten Personen und Einrichtungen abgestimmt. Dazu gehört stets auch ein „Kriseninterventionsplan“.

Die Patient*in entscheidet zu Beginn der Behandlung, wer ihre zentrale Ansprechperson sein soll. Die Verantwortung für den Gesamtbehandlungsplan muss jedoch bei einer Bezugsärzt*in liegen, wenn somatische Hauptdiagnosen im Vordergrund der Behandlung stehen und einer kontinuierlichen Überwachung bedürfen oder wenn die psychopharmakologische Behandlung regelmäßige Dosisanpassungen erfordert. Bereits begonnene Behandlungen bei Ärzt*innen oder Psychotherapeut*innen, die nicht zum Netzverbund gehören, können fortgesetzt werden. Dafür müssen sie dem Gesamtbehandlungsplan zustimmen und an den Fallbesprechungen teilnehmen. In den Fallbesprechungen soll regelmäßig geprüft werden, ob die Therapieziele erreicht werden, weitere Leistungen notwendig sind oder der Gesamtbehandlungsplan angepasst werden muss.

Eine Bezugsärzt*in oder -psychotherapeut*in kann allerdings nur Netzmitglied werden, wenn sie über einen vollen Versorgungsauftrag verfügt. Angesichts der häufigen Teilung von Versorgungsaufträgen könnte dies zu erheblichen Engpässen beim Aufbau der ambulanten Komplexbehandlung führen. In manchen Kassenärztlichen Vereinigungen verfügen bis zwei Drittel der Vertragspsychotherapeut*innen über einen halben Versorgungsauftrag. Diese Bedingung wurde insbesondere damit begründet, dass die zentrale Ansprechpartner*in der Patient*in ausreichend erreichbar sein sollte. Berufsausübungsgemeinschaften, aber auch Praxisgemeinschaften erfüllen in der Regel diese Voraussetzungen.

Unterstützung der Patient*innen während der Versorgung

Die konkrete Koordination der Leistungen, die eine Patient*in erhalten soll, muss vollständig an eine „nichtärztliche Person“ delegiert werden. Diese soll Termine vereinbaren, den Informationsaustausch im Behandlungsteam organisieren, ein Rückmeldesystem zur Termineinhaltung einrichten, aber auch die Patient*in aufsuchen. Dies kann beispielsweise eine zugelassene Soziotherapeut*in oder ambulant tätige psychiatrische Krankenpflegekraft übernehmen oder Personal, das in einer Praxis oder vom Netzverbund angestellt ist und über eine fachspezifische Qualifikation in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen verfügt.

Die verpflichtende Delegation der Koordinationsaufgaben widerspricht den Grundsätzen der medizinischen Versorgung. Bei Bedarf und fachlicher Notwendigkeit müssen Bezugspsychotherapeut*innen und -ärzt*innen Koordinationsaufgaben auch selbst übernehmen können. Fachlich unsinnig ist es ferner, nicht auch Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen eine aufsuchende Behandlung zu ermöglichen, um zum Beispiel eine drohende Krankenhausbehandlung abzuwenden. Deshalb ist ein solches Home-Treatment durch Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen auch bei der stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung aus dem Krankenhaus heraus vorgesehen. Der Ausschluss der Heilberufler*innen ignoriert auch, dass in manchen Regionen sozio- und ergotherapeutische Angebote bei psychischen Erkrankungen und ambulante psychiatrische Pflege nur sehr eingeschränkt existieren. Gerade in strukturschwachen und ländlichen Regionen könnte so der Aufbau einer wohnortnahen, ambulanten Komplexbehandlung unnötig erschwert sein oder unmöglich gemacht werden.

Gesetzlicher Hintergrund und Ausblick

Der G-BA war mit der gesetzlichen Reform der Psychotherapeutenausbildung am 15. November 2019 beauftragt worden, eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf zu regeln.

Die Richtlinie zur ambulanten Komplexversorgung wird nun innerhalb von zwei Monaten vom Bundesgesundheitsministerium rechtlich geprüft. Die BPtK fordert, dass das Bundesgesundheitsministerium im Zuge seiner Rechtsaufsicht über Auflagen die kritischen Punkte korrigiert, die eine ausreichende Umsetzung der ambulanten Komplexbehandlung zu verhindern drohen. Nach einer Genehmigung hat der Bewertungsausschuss sechs Monate Zeit, den Einheitlichen Bewertungsmaßstab anzupassen und die Vergütung für die neuen Leistungen zu regeln. Danach könnten in der zweiten Jahreshälfte 2022 die ersten Netzverbünde ihre Arbeit aufnehmen.

Darüber hinaus wird der G-BA demnächst die Beratungen für eine Regelung für die ambulante Komplexbehandlung von Kindern und Jugendlichen mit schweren psychischen Erkrankungen aufnehmen.

Weiter großer Mangel an Psychotherapie in psychiatrischen Kliniken

G-BA missachtet mit neuer PPP-Richtlinie gesetzlichen Auftrag

(BPtK) Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) missachtet mit der neuen Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-Richtlinie) den gesetzlichen Auftrag, die Psychotherapie in den Krankenhäusern für psychisch kranke Menschen zu stärken. „Psychiatrische Kliniken haben seit Langem zu wenige Psychotherapeut*innen, um ihre Patient*innen leitlinienorientiert zu versorgen“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Im Kern ging es bei der Reform der psychiatrischen Krankenhäuser um mehr Zeit für die Patient*innen: mehr Zeit für Gespräche, mehr Zeit für den Aufbau von tragfähigen und vertrauensvollen Beziehungen, mehr Zeit für Kriseninterventionen.“ Nach der PPP-Richtlinie kann eine Patient*in zum Beispiel durchschnittlich 50 Minuten Einzeltherapie pro Woche erhalten. Dagegen liegt das intensivtherapeutische Angebot in ambulanten Praxen schon bei drei Stunden Einzeltherapie je Woche. „Die G-BA-Entscheidung ist aufgrund der chronischen psychotherapeutischen Unterversorgung in den psychiatrischen Kliniken unverantwortlich“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Der G-BA hat einen fachlichen Spielraum gesetzliche Vorgaben auszufüllen, aber gar nichts zu tun, verstößt eindeutig gegen den gesetzlichen Auftrag.“

Auch ein Kompromissvorschlag des unparteiischen Vorsitzenden Prof. Josef Hecken in letzter Minute dokumentiert Hilflosigkeit angesichts des Unwillens der Krankenhäuser und der Krankenkassen, den gesetzlichen Auftrag umzusetzen. Er will sicherstellen, dass Anfang 2022 Daten zur Personalsituation in den Kliniken vorliegen. „Auch wenn wir wissen, über wie viel Personal die Kliniken verfügen, sagt das noch nichts darüber aus, wie viel Psychotherapie bei den Patient*innen ankommt, und vor allem nichts darüber, wie viel es denn sein sollte“, erklärt BPtK-Präsident Munz fest. „Diese Fragen lassen sich mit Daten zum Ist-Zustand nicht beantworten.“

Die BPtK fordert deshalb das Bundesgesundheitsministerium auf, den Beschluss nur mit der Auflage zu genehmigen, dass der G-BA kurzfristig die Minutenwerte für Psychotherapie erhöht. Die BPtK hatte zusammen mit der Bundesärztekammer und der Patientenvertretung im G-BA eine Erhöhung der Minuten für Einzelpsychotherapie auf mindestens 75 bis 100 Minuten gefordert.

Rückblick: Das Scheitern der Reform der psychiatrischen Krankenhäuser

  • 2012 erhält der G-BA den Auftrag, Empfehlungen für die Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik bis 2017 zu erarbeiten (§ 137d Psychiatrie-Entgeltgesetz): Die Empfehlungen sollen die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) ablösen. Mit den überholten Standards der 20 Jahre alten Psych-PV ist eine Versorgung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft schon lange nicht mehr möglich.
  • 2014 nimmt der G-BA die Beratungen auf.
  • 2016: Der G-BA legt keine Personalempfehlungen vor. Der Gesetzgeber präzisiert seinen Auftrag und verlangt verbindliche Mindestvorgaben für die Ausstattung mit therapeutischem Personal bis 2020 (§136a Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen)
  • 2019: Der G-BA verabschiedet eine Erstfassung der PPP-Richtlinie und erhöht die Minutenwerte für Einzeltherapie von 29 Minuten je Woche auf 50 Minuten. Das entspricht der durchschnittlichen Versorgung von psychisch kranken Menschen in psychotherapeutischen Praxen. Deren intensivtherapeutisches Angebot liegt jedoch bei drei Stunden je Woche. Durch die gestiegenen Anforderungen z. B. an Dokumentation und Qualitätssicherung ist nicht einmal sichergestellt, dass die 50 Minuten in der Klinik auch bei den Patient*innen ankommen.
  • 2019: Dem Gesetzgeber reicht die verabschiedete G-BA-Richtlinie nicht aus. Er erteilt umgehend den Auftrag, die Richtlinie bis zum 1. Januar 2021 um Mindestvorgaben für Psychotherapeut*innen zu ergänzen (Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung).
  • 2020: Der G-BA hält die Frist nicht ein. Der Gesetzgeber gewährt eine Fristverlängerung bis 2022 (Krankenhauszukunftsgesetz).
  • September 2021: Der G-BA verabschiedet eine PPP-Richtlinie und erhöht nicht die Mindestvorgaben für Psychotherapie. Die BPtK hatte zusammen mit der Bundesärztekammer und der Patientenvertretung im G-BA eine Erhöhung der Minuten für Einzelpsychotherapie auf mindestens 75 bis 100 Minuten gefordert.

Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken

BPtK-Forderungen an die nächste Bundesregierung

(BPtK) Die nächste Bundesregierung muss die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken und die Früherkennung von psychischen Erkrankungen verbessern. „Wir erwarten mehr als Lippenbekenntnisse,“ erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Wir brauchen insbesondere bei den Corona-Schutzmaßnahmen im kommenden Herbst und Winter verlässliche und gemeinsame Lösungsstrategien der Länder.“

  • Schulen und Kitas auch bei steigenden Infektionsraten möglichst offenhalten: Home-Schooling und Kita-Schließungen gefährden die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Die Politik muss eine umfassende Strategie und passgenaue Hygienekonzepte vorlegen, die Schul- und Kitaschließungen auch bei steigenden Inzidenzen möglichst verhindert.
  • Psychische Gesundheit in Kita und Schule fest verankert. Pädagog*innen brauchen mehr Zeit und fachliche Unterstützung für jedes einzelne Kind, damit sie noch frühzeitiger psychische Probleme erkennen und darauf reagieren können. Schulpsychologie und Schul- und Jugendsozialarbeit müssen ausgebaut werden.
  • Psychosoziale Unterstützungsangebote ausbauen: Bund, Länder und Kommunen müssen mehr psychosoziale Beratungs- und Unterstützungsangebote sowie gesundheitsfördernde Angebote im Alltag der Kinder finanzieren.
  • Psychotherapeutische Behandlungsplätze erhöhen: Kinder und Jugendliche warten monatelang auf einen psychotherapeutischen Behandlungsplatz. Deshalb müssen insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen mehr Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen zugelassen werden.
  • Multiprofessionelle Versorgung für schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche: Die Versorgung von schwer psychisch kranken Kindern und Jugendlichen muss verbessert werden. Für Kinder und Jugendliche mit vorrangig psychotherapeutischem Behandlungsbedarf muss bei der geplanten „Komplexversorgung“ gesetzlich geregelt werden, dass ein Anspruch auf heilpädagogische, psychologische und psychosoziale Maßnahmen („nicht-ärztliche sozialpädiatrische Leistungen“) besteht. Diese vernetzte und multiprofessionelle Versorgung sollte sowohl unter ärztlicher als auch psychotherapeutischer Verantwortung erbracht werden können.
  • Wirksamen Kinderschutz sicherstellen: Politik und Gesellschaft müssen Kinder und Jugendliche vor Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung zuverlässig schützen. Hierfür müssen flächendeckende Kinderschutz-Angebote ausgebaut und dauerhaft finanziert werden.

 

Neue BPtK-Studie zur ambulanten Psychotherapie

Psychotherapeut*innen für Online-Befragungen gesucht

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) führt ab sofort bis zum 30. November eine Studie zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung durch. Damit sollen aktuelle Daten dazu erhoben werden, wer in eine psychotherapeutische Sprechstunde kommt, ob und welcher Behandlungsbedarf besteht und wie lange die Wartezeiten sind. Mit der Studie soll der Politik vermittelt werden, wie zentral die Psychotherapie für die Versorgung von psychisch kranken Menschen ist und wie bestehende Defizite behoben werden können.

Die geplante BPtK-Studie umfasst zwei Befragungen. Für die eine allgemeine Befragung zur ambulanten Versorgung werden Psychologische Psychotherapeut*innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen, die in Praxen oder Medizinischen Versorgungszentren arbeiten, um ihre Unterstützung gebeten. Die Beantwortung des gesamten Fragebogens dauert circa 10 bis 25 Minuten. Dabei werden keine Daten zur Person und keine IP-Adressen gespeichert, sodass die Teilnehmer*innen anonym bleiben. Der Online-Fragebogen lässt sich über folgenden Link aufrufen: https://www.soscisurvey.de/ambulantePT2021/

Für eine zweite Befragung werden Patient*innen sowie Eltern oder Sorgeberechtigte gesucht, die kürzlich in einer psychotherapeutischen Sprechstunde waren. Dafür werden ausschließlich Vertragspsychotherapeut*innen um ihre Unterstützung gebeten. Am Ende der Sprechstunde sollen sie ihren Patient*innen, den Eltern oder Sorgeberechtigten ein Informationsblatt zur BPtK-Studie aushändigen, in der sich ein Link zu der BPtK-Befragung befindet. Auch bei dieser Befragung werden keine Daten zur Person oder kontaktierten Praxis erhoben. Die Ethikkommission der Psychologischen Hochschule Berlin hat die Befragung positiv bewertet.

Um die Informationsblätter zu erhalten, können sich Psychotherapeut*innen an info@bptk.de wenden. Ebenso bei Rückfragen zur BPtK-Studie.

Grundlegendes Reformprojekt für schwer psychisch Erkrankte gelungen

G-BA schafft neue ambulante Komplexversorgung

(BPtK) „Eines der großen Reformprojekte für schwer psychisch kranke Menschen dieser Legislaturperiode ist kurz vor ihrem Ende noch gelungen“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), angesichts der gestrigen Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Komplexversorgung fest. „Der Gemeinsame Bundesausschuss schafft damit die Grundlage für tragfähige ambulante Netzwerke für schwer psychisch kranke Menschen, mit denen Krisen aufgefangen und Krankenhauseinweisungen vermieden werden können.“

„Künftig kann dadurch den oft chronisch kranken Patient*innen mit wiederkehrenden psychischen Krisen ein intensivtherapeutisches Angebot gemacht werden. Durch Koordination, Multiprofessionalität und kontinuierliche Unterstützung und Behandlung der Patient*innen kann die ambulante Versorgung schwer psychisch kranken Menschen zu einem stabileren und selbstständigeren Leben verhelfen. Die Initiative des Gesetzgebers war ein ganz wichtiger Schritt, ein jahrzehntealtes Strukturdefizit zu beheben.“

In diesen Netzen können Patient*innen eine Psychotherapeut*in oder Ärzt*in als zentrale Ansprechpartner*in wählen, die für sie die gesamte Behandlung plant („Bezugspsychotherapeut*in, -ärzt*in“). Sie sorgen dafür, dass alle Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, häusliche psychiatrische Krankenpflege, Soziotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen und auch Krankenhäuser koordiniert zusammenarbeiten. Auch weitere Unterstützungsangebote wie Eingliederungshilfe, psychosoziale Beratungsstellen und sozialpsychiatrische Dienste können einbezogen werden.

Probatorische Sitzungen im Krankenhaus ab 1. Oktober möglich

Bewertungsausschuss beschließt zusätzliche Vergütung

(BPtK) Probatorische Sitzungen können ab dem 1. Oktober noch während einer stationären Behandlung in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden. Dies hat der Bewertungsausschuss auf seiner Sitzung am 4. August 2021 beschlossen. Hierdurch soll der Übergang von der stationären zur ambulanten Versorgung erleichtert werden. Bei psychischen Erkrankungen ist das Rückfallrisiko in den Wochen nach der Entlassung besonders hoch. Eine ambulante Weiterbehandlung, die sich ohne Unterbrechung an die Krankenhausbehandlung anschließt, kann dieses Risiko erheblich verringern. Die Regelung geht auf einen gesetzlichen Auftrag aus dem Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz zurück, den der Gemeinsame Bundesausschuss mit Beschluss vom 20. November 2020 in der Psychotherapie-Richtlinie umgesetzt hatte.

Für den Mehraufwand können Psychotherapeut*innen künftig zusätzlich zu den probatorischen Sitzungen auch die Besuchsziffern (01410 „Besuch eines Kranken“ bzw. 01413 „Besuch eines weiteren Kranken“) abrechnen. Die Besuchsziffern werden in diesen Fällen extrabudgetär in Höhe von 23,58 € bzw. 11,79 € vergütet.

Damit können während einer Krankenhausbehandlung noch keine probatorischen Sitzungen in psychotherapeutischen Praxen durchgeführt werden. Gerade dies könnte für viele Patient*innen jedoch zusätzliche Sicherheit schaffen, weil sie bereits im Krankenhaus ihre weiterbehandelnde Psychotherapeut*in und ihre Praxisräumlichkeiten kennenlernen können. Auch Probesitzungen zur Gruppenpsychotherapie sind nur in der psychotherapeutischen Praxis umsetzbar. Die BPtK hatte sich daher gemeinsam mit den Verbänden für eine rechtliche Klarstellung durch den Gesetzgeber eingesetzt. Diese erfolgte mit dem am 11. Juni 2021 verabschiedeten Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. Der Gemeinsame Bundesausschuss wurde darin beauftragt, per Richtlinie zu regeln, dass probatorische Sitzungen während der Krankenhausbehandlung auch in der psychotherapeutischen Praxis durchgeführt werden können.

Änderung Pflichtversorgungsgebiet Kinder-/Jugendpsychiatrie Freiburg

(LPK BW) Das Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter bittet darum, folgende Mitteilung bekannt zu machen: „Seit Juli 2021 hat sich das Pflichtversorgungsgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie Freiburg verändert und mehrere Gemeinden aus unserem Bereich sind an die Luisen-Klinik übergegangen. Es handelt sich dabei um folgende Gemeinden: Löffingen, Friedenweiler, Eisenbach, Titisee Neustadt, Lenzkirch und Schluchsee.“

Wir bitten die Kolleg*innen bei Patient*innen aus den genannten Gemeinden um freundliche Beachtung.

Landespsychiatrietag „Gemeinsam Gesund“ mit LPK-Beteiligung

(LPK BW) Der 6. Landespsychiatrietag, geplant und durchgeführt unter Beteiligung von Psychiatrie-Erfahrenen, Angehörigen, Bürgerhelfern und professionellen Helfern fand dieses Mal als Hybridveranstaltung am 24. Juli 2021 in Stuttgart (und im Internet) statt. Seit einigen Jahren beteiligt sich die LPK Baden-Württemberg aktiv an der Planung und Gestaltung dieser Veranstaltung, insbesondere zu Themen in den Nachmittags-Foren. Die Tagung unter dem Motto „Gemeinsam-Gesund“ bot wieder Gelegenheit zum direkten Austausch. Das Motto wurde bewusst gewählt, um auf das gesellschaftliche Problem der wieder deutlich zunehmenden Stigmatisierung psychisch Kranker aufmerksam zu machen.

Im Hauptvortrag erläuterte PD Dr. Nicolas Rüsch (Psychiatrie II Univ. Ulm) Formen und Folgen von Stigma (öffentliche Stigmatisierung, Selbststigma, Strukturelle Diskriminierung) und erläuterte deren psychische Auswirkungen v.a. bei jungen Menschen mit erhöhtem Psychoserisiko. Er wies darauf hin, dass gerade bei Psychosen Metaanalysen zeigten, dass gesellschaftliche Stigmatisierung in den letzten Jahren zugenommen hat und forderte auf, Menschen mit psychischen Erkrankungen stärker in Antistigma-Arbeit einzubeziehen. In der Podiumsdiskussion mit Betroffenen, Angehörigen, kommunalen Einrichtungen und professionell Tätigen wurde nochmals eindrucksvoll anhand der offenen Schilderungen deutlich, wie stark öffentliche Stigmatisierung und strukturelle Diskriminierung ständig das Leben und den Alltag belasten.

Behandlungsangebote für Opfer sexuellen Missbrauchs schaffen

BPtK: Psychotherapeut*innen beim Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch registrieren

(BPtK) Psychotherapeut*innen, die Hilfe für Opfer sexuellen Missbrauchs anbieten möchten, können sich auf dem Hilfe-Portal des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung registrieren. „Wir möchten alle Psychotherapeut*innen, die Opfer sexuellen Missbrauchs behandeln möchten, aufrufen, sich auf diesem Internetportal zu registrieren“, sagte Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. Das Hilfe-Portal Missbrauch wurde grundlegend erneuert. Deshalb ist es notwendig, dass sich auch Psychotherapeut*innen, die sich schon gemeldet hatten, erneut registrieren. Der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung bittet insbesondere Psychotherapeut*innen um Unterstützung, die traumaspezifisch arbeiten oder sich fortgebildet haben.

Unter www.hilfe-portal-missbrauch.de finden Opfer, Angehörige und Fachkräfte Informationen sowie Hilfe- und Beratungsangebote zum Thema sexuelle Gewalt in Kindheit und Jugend. Auch Menschen, die sich Sorgen um ein Kind machen, erhalten hier Unterstützung. Mit dem Relaunch bündelt der Unabhängige Beauftragte seine Angebote: Ratsuchende können per Telefon oder online direkt Kontakt aufnehmen und in einer umfangreichen Datenbank nach Hilfeangebot vor Ort suchen.

Vergütung für neue Gruppenangebote geregelt

Ambulante Kurzgruppe sowie Probatorik in der Gruppe

(BPtK) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband haben im Bewertungsausschuss die Vergütung für neue Gruppenangebote in der ambulanten Psychotherapie festgelegt. Diese können damit ab dem 1. Oktober (4. Quartal) abgerechnet werden.

Psychotherapeutische Kurzgruppe

Neu ist eine psychotherapeutische Kurzgruppe („gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung“). Sie kann mit drei bis neun Teilnehmer*innen durchgeführt werden und zur Vorbereitung auf eine Gruppen-Psychotherapie, aber auch zur Beratung und ersten Behandlung der Erkrankung angeboten werden. Sie umfasst vier Sitzungen à 100 Minuten oder acht Sitzungen à 50 Minuten. Bei Kindern und Jugendlichen und Menschen mit geistiger Behinderung können zusätzlich weitere 100 Minuten durchgeführt werden, wenn Bezugspersonen einbezogen werden. Die Sitzungen werden nicht auf das Behandlungskontingent einer sich anschließenden Richtlinien-Psychotherapie angerechnet. Psychotherapeut*innen erhalten dafür abhängig von der Gruppengröße zwischen 101,90 Euro und 59,18 Euro je Teilnehmer*in und Therapiestunde. Dies entspricht der Vergütung für die Richtlinien-Gruppenpsychotherapie. Um die psychotherapeutische Kurzgruppe anbieten zu können, ist die Abrechnungsgenehmigung für die Durchführung von Gruppen-Psychotherapie erforderlich.

Probatorik in der Gruppe

Außerdem können ab Oktober auch probatorische Sitzungen im Gruppensetting durchgeführt werden. Mindestens eine probatorische Sitzung muss jedoch weiterhin im Einzelsetting durchgeführt werden. Falls die Gruppen-Psychotherapeut*in bei der Patient*in keine Sprechstunde durchgeführt hat, sind sogar zwei probatorische Sitzungen im Einzelsetting vorgeschrieben. Die Vergütung variiert nach der Gruppengröße zwischen 78,32 Euro pro Patient*in bei drei und 45,50 Euro bei neun Teilnehmer*innen. Sie liegt damit rund ein Viertel niedriger als die Vergütung der Richtlinien-Gruppenpsychotherapie.

Gruppen-Psychotherapie mit zwei Psychotherapeut*innen

Als weitere Neuerung kann Gruppen-Psychotherapie künftig auch von zwei Psychotherapeut*innen gemeinsam durchgeführt werden. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) wurde hierfür entsprechend angepasst. In dem Fall kann die Gruppengröße auf bis zu 14 Teilnehmer*innen erweitert werden. Dabei erfolgt eine feste Zuordnung von Patient*innen zu der jeweils hauptverantwortlichen Psychotherapeut*in, die u. a. für die Behandlungsdokumentation und Antragsstellung zuständig ist.

Analytische Gruppenpsychotherapie

Schließlich wurde der EBM dahingehend angepasst, dass die analytische Gruppen-Psychotherapie zukünftig, wie bei den anderen Verfahren, auch in 50-Minuten-Einheiten angeboten werden kann.