Schlagwortarchiv für: Stellungnahme

Psychische Erkrankungen sind Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts

BPtK: Präventionsgesetz ignoriert psychotherapeutischen Sachverstand

(BPtK) Psychische Erkrankungen gehören zu den Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts. Sie verursachen großes persönliches Leid sowie hohe Kosten für Wirtschaft und Sozialversicherung. „Ein Präventionsgesetz muss psychische Erkrankungen zu einem wesentlichen gesundheitspolitischen Thema machen“, fordert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Vollkommen unverständlich ist, dass das Präventionsgesetz psychotherapeutischen Sachverstand nicht nutzt und die Expertise eines ganzen Berufsstands ignoriert.“ In Deutschland arbeiten rund 40.000 Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten, die auf das Erkennen und Behandeln von psychischen Erkrankungen spezialisiert sind.

Das Präventionsgesetz schließt Psychotherapeuten von Gesundheitsuntersuchungen und präventiven Empfehlungen aus. Dabei sollte Prävention zu den essenziellen Leistungen einer psychotherapeutischen Sprechstunde gehören, wie sie die Bundesregierung im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz plant. „Psychische Beschwerden sind nicht immer behandlungsbedürftig“, erläutert BPtK-Präsident Richter. „Stellt ein Psychotherapeut jedoch Symptome einer psychischen Überforderung fest, die zu einer psychischen Erkrankung führen kann, sollte er präventive Maßnahmen empfehlen können.“ Dies gilt auch für Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen. Zeigen Kinder und Jugendliche Auffälligkeiten, sollten diese in der Sprechstunde von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten abgeklärt werden. Bei Risiken für die psychische Gesundheit, die sich noch nicht zu behandlungsbedürftigen Erkrankung entwickelt haben, sollte der Psychotherapeut unmittelbar eine Präventionsempfehlung geben können.

„Psychotherapeuten dürfen auch bei der Festlegung von Handlungsfeldern der Prävention und Gesundheitsförderung nicht außen vor bleiben“, kritisiert BPtK-Präsident Richter weiter. Die Veränderung gesundheitsschädigenden Verhaltens und die Realisierung einer gesundheitsförderlichen Lebensweise (z. B. zur Prävention von Diabetes mellitus Typ 2 oder Adipositas bei Kindern und Jugendlichen) sind von einer Reihe emotionaler, motivationaler und sozialer Faktoren abhängig. Hier verfügen Psychotherapeuten über die fundierteste Expertise. „Bei der Festlegung von Handlungsfeldern und Kriterien für Leistungen, die gesundheitsbezogenes Verhalten ändern wollen, und bei der Förderung der psychischen Gesundheit verfügen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten über Kompetenzen, auf die ein modernes Präventionsgesetz nicht verzichten sollte.“

Psychische Erkrankungen auch in der letzten Lebensphase versorgen

BPtK zum Referentenentwurf für ein Hospiz- und Palliativgesetz

(BPtK) Schwerkranke und sterbende Menschen müssen nach den Zielen der Bundesregierung „die bestmögliche menschliche Zuwendung, Versorgung, Pflege und Betreuung erhalten“. Bis zu 50 Prozent der psychischen Erkrankungen in Palliativ- oder Hospizeinrichtungen werden jedoch nicht erkannt bzw. nicht ausreichend oder angemessen (35 Prozent) behandelt, auch weil die Patienten es häufig scheuen, ihre emotionale und psychische Belastung von sich aus anzusprechen. „In der letzten Lebensphase werden psychische Erkrankungen häufig vernachlässigt“, kritisiert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Bei dem flächendeckenden Auf- und Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung muss deshalb auch die unzureichende psychotherapeutische Versorgung dringend verbessert werden.“

Bis zu einem Drittel der Patienten in Palliativ- und Hospizeinrichtungen leidet unter einer behandlungsbedürftigen affektiven Störung. Zudem treten bei schwerkranken und sterbenden Patienten häufig kognitive Störungen auf. Die Schätzungen hierfür liegen zwischen 25 und 85 Prozent. Die Überlappung von körperlichen und psychischen Symptomen bei sterbenden Patienten erschweren die Differenzialdiagnostik und Erfassung des psychologischen Unterstützungsbedarfs dieser Patienten. Psychotherapeutischer oder fachärztlicher Sachverstand sollte deshalb regelhaft in der Palliativversorgung aber auch in Pflegeinrichtungen, in denen viele Menschen die letzte Lebensphase verbringen, verfügbar sein, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Patienten zu gewährleisten.

Am 13. April 2015 fand im Bundesministerium für Gesundheit die Anhörung zum Referentenentwurf statt. Der Beginn der parlamentarischen Beratungen ist für Ende April 2015 geplant.

Kürzere Wartezeiten beim Psychotherapeuten

BPtK zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz

(BPtK) Termine beim Psychotherapeuten könnten viel schneller möglich sein. Dafür ist eine psychotherapeutische Sprechstunde notwendig, durch die ein Ratsuchender mit psychischen Beschwerden, kurzfristig einen Termin erhält. Bisher wartet ein psychisch kranker Mensch durchschnittlich mehr als drei Monate auf einen ersten Termin beim niedergelassenen Psychotherapeuten.

„Der Gesetzgeber muss im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sicherstellen, dass jemand, der aufgrund psychischer Beschwerden Beratung oder Hilfe benötigt, schnell eine qualifizierte Auskunft erhält“, fordert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Einem Ratsuchenden kann aber nur weitergeholfen werden, wenn überhaupt klar ist, ob und woran er leidet. Eine psychotherapeutische Sprechstunde ohne fachgerechte Diagnostik gefährdet den Patienten. Beratung setzt Diagnostik voraus, ansonsten müssten Psychotherapeuten ihre Sorgfaltspflichten verletzen. Der Gemeinsame Bundesausschuss braucht deshalb durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz einen klareren Auftrag als derzeit im Gesetzentwurf vorgesehen.“

In der Warteschlange beim Psychotherapeuten befinden sich Ratsuchende mit sehr unterschiedlichen Fragen, Beschwerden oder Erkrankungen. Manchen wäre schon mit wenigen Gesprächen geholfen. Dies zeigt sich auch an der Anzahl derjenigen, die nach den ersten Gesprächen keine psychotherapeutische Behandlung beginnen. Fast 40 Prozent nutzen nicht mehr als die probatorischen Sitzungen (siehe Grafik 1). Andere brauchen schnellstmöglich einen Therapieplatz oder eine Einweisung ins Krankenhaus. Alle Anfrager warten jedoch die gleiche Zeit auf einen ersten Termin. Alle könnten schneller wissen, was ihnen fehlt und wie ihnen geholfen werden kann, wenn Psychotherapeuten eine Sprechstunde anbieten könnten.

Durch eine psychotherapeutische Sprechstunde sollten Menschen mit psychischen Beschwerden innerhalb einer Woche einen ersten Termin erhalten. Patienten mit leichten Beschwerden könnten z. B. auf wirksame therapeutengestützte Selbsthilfeangebote oder Angebote von Beratungsstellen verwiesen werden. Schwer psychisch kranken Menschen könnte gezielter ein komplexes ambulantes und, wenn notwendig, auch stationäres Behandlungs- oder Rehabilitationsangebote gemacht werden.

Psychotherapeuten müssen dafür durch weitere Anpassungen im SGB V in die Lage versetzt werden, ihren Patienten ein breiteres Spektrum an Hilfen anzubieten bzw. auf solche Angebote verweisen zu können, einschließlich:

  • präventiver Beratung,
  • regelmäßigem Monitoring bei psychotherapeutisch begleiteter Selbsthilfe,
  • mediengestützter Interventionen,
  • psychoedukativer (Gruppen-)Angebote,
  • Akutversorgung und Kriseninterventionen,
  • komplexer ambulanter Behandlungsangebote, die auch längere Behandlungen bei einer Kombination von Einzel- und Gruppenpsychotherapie umfassen,
  • aufsuchender Behandlung, z. B. in der Wohnung des Patienten,
  • der Möglichkeit, in dringenden Notlagen ins Krankenhaus einzuweisen,
  • der Verordnung von Rehabilitation,
  • der Verordnung von Heilmitteln für Kinder und Jugendliche, Ergotherapie in der neuropsychologischen Therapie sowie Soziotherapie.

Das Kapazitätsproblem in der Psychotherapie wird sich nicht durch eine weitere Ausweitung der Kurzzeittherapie lösen lassen, wie der aktuelle Entwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes noch suggeriert. Psychotherapeuten behandeln ihre Patienten schon heute nur so lange und so intensiv, wie es für eine erfolgreiche Therapie erforderlich ist. Der Anteil der Kurzzeittherapie liegt bei rund 70 Prozent, etwa ein Viertel der Behandlungen dauert sogar nur bis zu zehn Stunden (siehe Grafik 2). Das Ausmaß an Kurzzeittherapie stößt damit bereits an fachliche Grenzen, die nicht mehr zu unterschreiten sind. Die aktuellen Daten zu den Therapiedauern unterstreichen zudem, dass die bewilligten Behandlungskontingente von Patienten und Psychotherapeuten nicht ausgeschöpft werden.

Downloads