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Hilfe für Menschen mit Behinderungen nicht ausreichend

BPtK kritisiert Bundesteilhabegesetz

(BPtK) Das Bundesteilhabegesetz, das der Bundestag letzte Woche in Erster Lesung beraten hat, sollte erheblich nachgebessert werden, fordert die Bundespsychotherapeutenkammer. „Menschen mit seelischen Behinderungen können bereits Eingliederungshilfen benötigen, wenn sie in einzelnen Lebensbereichen schwerwiegend beeinträchtigt sind. Der Gesetzgeber hat hier zu hohe Hürden eingebaut“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Das Gesetz ist eine große Chance für Menschen mit Behinderungen auf mehr Selbstbestimmung und Mitwirkung in der Gesellschaft. Deshalb müssen die Leistungsansprüche, die das Gesetz neu fasst, ausreichend und fachlich gut begründet sein“.

Die BPtK hält es für notwendig, das Recht zur gleichberechtigten, selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention weiterzuentwickeln. Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit sind in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF bzw. für Kinder und Jugendliche ICF-CY) aufgeschlüsselt. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention orientiert sich daran. Die BPtK schlägt vor, die verwendeten Begrifflichkeiten im Gesetzentwurf deutlicher und konsequenter an der ICF bzw. ICF-CY zu orientieren. Insbesondere bei der Ermittlung des Leistungsanspruchs für Eingliederungshilfe (§ 99 SGB IX – E) ist dies noch nicht ausreichend gelungen.

Der Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/9522 ) definiert, dass eine Teilhabe in einer bestimmten Anzahl von Lebensbereichen erheblich beeinträchtigt sein muss, damit ein Mensch mit Behinderung einen Anspruch auf Leistungen hat. Diese Mindestanzahl von Lebensbereichen ist fachlich nicht nachzuvollziehen. Für eine Leistung sollte allein gelten, ob ein Mensch in seiner Teilhabe an der Gesellschaft so eingeschränkt ist, dass er Leistungen der Eingliederungshilfe benötigt. Die im Gesetzentwurf definierte Anzahl von Lebensbereichen darf darum keine Voraussetzung für einen Leistungsanspruch sein.

Personal für eine leitlinienorientierte Versorgung in Psychiatrie und Psychosomatik

Erste Lesung des PsychVVG im Bundestag

(BPtK) Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung psychiatrischer und psychosomatischer Leistungen (PsychVVG, BT-Drs. 18/9528) stellt die Weichen für eine bessere Versorgungsqualität in Psychiatrie und Psychosomatik, erklärt die Bundespsychotherapeutenkammer anlässlich der heutigen 1. Lesung des Gesetzes im Bundestag. Dafür soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis zum 01.01.2020 verbindliche Personalvorgaben für eine leitlinienorientierte Versorgung von psychisch kranken Menschen in Kliniken und Abteilungen beschließen. Zudem werden die Einrichtungen verpflichtet jährlich nachzuweisen, inwieweit sie die Personalvorgaben einhalten.

Damit die neuen Personalvorgaben umgesetzt werden können, stellt der Gesetzgeber zusätzliche finanzielle Mittel bereit. Ob diese Mittel ausreichen, ist derzeit offen. Vor allem muss jedoch überprüft werden, ob die verhandelten Mittel von den Kliniken auch für die Personalausstattung verwendet werden und ein leitlinienorientiertes Versorgungsangebot entsteht. Aufgrund der ungeklärten Investitionsfinanzierung durch die Länder könnten die Krankenhäuser weiterhin Mittel für notwendige Investitionen zweckentfremden.

„Verhältnisse, wie wir sie zurzeit mit der Psych-PV haben, dürfen sich nicht wiederholen“, mahnt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. Der Erfüllungsgrad der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) liegt im bundesweiten Durchschnitt nur bei 90 Prozent mit erheblichen Schwankungen zwischen den Kliniken und Abteilungen sowie Berufsgruppen. Besonders gravierend ist die Unterversorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und im Pflegebereich.

„Der Nachweis der Personalausstattung muss so ausgestaltet werden, dass aus ihm nicht nur hervorgeht, wieviel Personal eine Klinik hat, sondern auch, in welchen Bereichen sie dieses Personal einsetzt“, fordert der BPtK-Präsident. Gerade in den Bereichen, in denen die am wenigsten beschwerdefähigen Patienten behandelt würden, nämlich in der Gerontopsychiatrie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie, sei es in der Vergangenheit am häufigsten zu Personalabbau und -verschiebungen gekommen. Die BPtK spricht sich deshalb für mehr Transparenz auf der Basis von Routinedaten aus. Hierfür sei auch eine Überarbeitung des Operationen- und Prozedurenschlüssels für die Leistungsdokumentation in den Krankenhäusern erforderlich.

Bundesregierung plant, neue psychoaktive Stoffe zu verbieten

BPtK sieht Chancen für eine neue Drogenpolitik

(BPtK) Die Bundesregierung will Erwerb, Besitz und Handel von psychoaktiven Substanzen verbieten. Dazu hat sie einen Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/8579) vorgelegt, zu dem am 6. Juli 2016 eine Anhörung im Gesundheitsausschuss stattfand. Die BPtK begrüßt den Ansatz, neue psychoaktive Substanzen als gesundheitsgefährdende Stoffe einzuordnen sowie eine Kriminalisierung der Konsumenten zu vermeiden.

Zu den psychoaktiven Substanzen, die auch verharmlosend als „Legal Highs“ bezeichnet werden, gehören Kräutermischungen, Badesalze, Dünger oder Raumlufterfrischer, deren Einnahme mit schweren und tödlichen Gesundheitsrisiken verbunden sein kann. Sie unterliegen weder dem Arzneimittel- noch dem Betäubungsmittelgesetz, weil ihre chemische Struktur geringfügig so verändert wurde, dass die neu entwickelten Präparate keinen gesetzlichen Regelungen mehr unterliegen. Die Regierung will mit dem Gesetzentwurf dieses „Katz-und-Maus-Spiel“ mit den Herstellern beenden und erfasst deshalb erstmal auch gesamte Stoffgruppen. Chemisch handelt es sich beispielsweise um synthetische Cannabinoide, Phenethylamine und Cathinone.

Aus Sicht der BPtK wäre über diese neuen gesetzlichen Regelungen zu psychoaktiven Substanzen hinaus eine einheitliche Sucht- und Drogenpolitik erforderlich, die neben Präventionsstrategien auch verstärkt Maßnahmen der Schadensminimierung beinhaltet und die Konsumenten nicht kriminalisiert. Gegen Händler und Produzenten sollten dagegen wirksame Strategien eingesetzt werden, die die wirtschaftlichen und rechtlichen Anreize für die Herstellung und das Inverkehrbringen von Suchtstoffen verringern. Dazu gehört auch eine gesetzliche Gleichbehandlung von neuen psychoaktiven Substanzen und anderen Suchtstoffen, die einerseits Konsumenten, egal welcher Suchtstoffe, nicht kriminalisiert und andererseits einheitliche Strafrahmen für das Herstellen und Inverkehrbringen von Suchtmitteln vorsieht.

Gemeinsam arbeiten und mehr Behandlungen anbieten

G-BA erleichtert Jobsharing und Anstellung in psychotherapeutischen Praxen

(BPtK) Psychotherapeutische Praxen können künftig ihren Patienten mehr Behandlungen dadurch anbieten, dass sie sich leichter einen Praxissitz teilen (Jobsharing) oder einen Psychotherapeuten anstellen können. Künftig können Psychotherapeuten mit diesen Mitteln die Anzahl ihrer Behandlungsstunden („Praxisumfang“) auf 125 Prozent des Durchschnitts ihrer Berufsgruppe („Fachgruppendurchschnitt“) steigern. Dadurch können zusätzliche Behandlungsplätze in der ambulanten Psychotherapie geschaffen und Wartezeiten verringert werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss am 16. Juni 2016 die dafür notwendige Änderung der Bedarfsplanungs-Richtlinie.

„Dies ist vor allem eine sinnvolle Option für Psychotherapeuten, die ihre Praxen nicht voll auslasten können, aber auch für junge Kollegen, die ambulant tätig werden möchten“, erläutert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Dadurch entstehen erstmals Beschäftigungsmöglichkeiten, die tatsächlich sowohl für Praxisinhaber als auch die nächste Generation der Psychotherapeuten interessant sind.“ Bisher war der Praxisumfang bei Jobsharing und Anstellung auf die Anzahl der Behandlungsstunden begrenzt, die eine Praxis in den vergangenen vier Quartalen geleistet hat (plus drei Prozent des Fachgruppendurchschnitts).

Die neue Regelung gilt allerdings nur für Praxen, die bisher unterdurchschnittlich viele Behandlungsstunden angeboten haben. Für Praxen, die über dem Durchschnitt der Berufsgruppe liegen, besteht die bisherige Obergrenze fort. Psychotherapeuten dürfen, wenn sie sich z. B. eine Praxis teilen, nicht mehr Stunden anbieten, als der alleinige Inhaber bislang abgerechnet hat. Der neue Spielraum entsteht also ausschließlich für Praxen mit vergleichsweise wenigen Behandlungen im Vorjahr. Eine Praxis, die beispielsweise im letzten Jahr 20 Behandlungsstunden pro Woche geleistet hat, kann künftig durch Jobsharing oder Anstellung eines Psychotherapeuten ihr Angebot auf rund 30 Therapiestunden ausweiten (bei einem Durchschnitt der Berufsgruppe von circa 24 Stunden pro Woche).

„Psychotherapeuten können dadurch auch die gestiegenen Anforderungen an die psychotherapeutische Versorgung mit dem Angebot von Sprechstunden, Akutbehandlung, mehr Gruppenpsychotherapie, einem differenzierteren psychotherapeutischen Leistungsangebot und stärkere Vernetzung der psychotherapeutischen Praxis besser erfüllen“, erklärt BPtK-Präsident Munz.

Der G-BA hat damit den Auftrag des Versorgungsstärkungsgesetzes umgesetzt, den Psychotherapeuten zu ermöglichen, über Jobsharing und Anstellung mehr Behandlungsplätze anzubieten, um so die psychotherapeutische Versorgung zu verbessern.

Schwer psychisch kranke Menschen besser versorgen

BPtK fordert erhebliche Nachbesserungen am PsychVVG

(BPtK) Schwer psychisch Kranke, die in ihrem Alltag stark eingeschränkt sind, müssen zu oft ins Krankenhaus. „Patienten mit einer Schizophrenie oder einer chronischen Depression müssen in akuten Krankheitsphasen oder Krisen zu häufig nur deshalb stationär behandelt werden, weil ausreichend intensive ambulante Versorgungsangebote fehlen“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Die Pläne der Bundesregierung, ein neues aufsuchendes Versorgungsangebot für schwer psychisch Kranke einzuführen, sind jedoch noch unausgereift und setzen einseitig auf die Leistungen von Krankenhäusern.“ Die BPtK fordert deshalb erhebliche Nachbesserungen am Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG), zu dem heute im Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Anhörung zum Referentenentwurf stattfindet.

Das BMG will mit dem PsychVVG eine neue „stationsäquivalente Behandlung“ (§ 115d SGB V) einführen. Ist ein Patient „stationär behandlungsbedürftig“, soll das Krankenhaus seine Leistungen, die es auf Station erbringt, zukünftig auch ambulant im häuslichen Umfeld des Patienten einsetzen. „Die Einführung einer stationsäquivalenten Behandlung ist nicht geeignet, die Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung für schwer psychisch Kranke zu schließen“, stellt BPtK-Präsident Munz fest.

Die BPtK kritisiert dabei folgende Punkte:

  • Der Ansatz, die Versorgung schwer psychisch Kranker davon abhängig zu machen, ob sie stationär behandlungsbedürftig sind, ist viel zu ungenau und grundlegend falsch. Viele psychisch Kranke sind nur deshalb im Krankenhaus, weil ausreichend intensive ambulante Angebote fehlen.
  • Statt einer „Krankenhausbehandlung“ in ihrer Wohnung benötigen diese Patienten in akuten Krankheitsphasen eine aufeinander abgestimmte ambulante Behandlung durch ein multiprofessionelles Team.
  • Die Behandlung zu Hause macht dabei nur einen Teil des benötigten Leistungsspektrums aus. Entscheidend ist vielmehr, dass der psychisch Kranke auf ein breites Spektrum an Hilfen zurückgreifen kann und dass die verschiedenen Behandlungselemente koordiniert und „aus einer Hand“ erfolgen.

Die BPtK fordert deshalb, statt einer „stationsäquivalenten Behandlung“ eine „ambulante Komplexleistung für schwer psychisch Kranke“ einzuführen, die nicht von Krankenhäusern, sondern von psychiatrischen Institutsambulanzen und ambulanten Netzen erbracht werden. Zu diesen Teams sollten Ärzte, Psychotherapeuten, psychiatrische Krankenpflege und Soziotherapeuten gehören. Die ambulante Komplexleistung sollte in akuten Krankheitsphasen eine drohende stationäre Behandlung abwenden. Sie sollte insbesondere sichern, dass der psychisch Kranke in seiner Wohnung bleiben, seinen Alltag bewältigen und ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen fortsetzen kann.

Psychotherapeutische Sprechstunde eine positive Neuerung

Wartezeiten beim Psychotherapeuten werden erheblich verkürzt

(BPtK) Ab dem 1. April 2017 können Psychotherapeuten ihren Patienten eine Sprechstunde anbieten. „Mit der psychotherapeutischen Sprechstunde lassen sich die bisherigen monatelangen Wartezeiten auf ein erstes Gespräch beim Psychotherapeuten erheblich verringern“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, anlässlich der Änderung der Psychotherapie-Richtlinie, die heute der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen hat. „Dieser erste schnelle Kontakt zu einem Experten für psychische Erkrankungen ist eine positive Neuerung. Ratsuchende bekommen damit kurzfristig eine erste Auskunft, wodurch ihre Beschwerden bedingt sind und welche Hilfen sie dafür bekommen können.“

Als Sprechstunde müssen mindestens zwei Stunden in der Woche angeboten werden. Ein erwachsener Patient kann bis zu 6 x 25-minütige Termine erhalten – Kinder, Jugendliche und deren Eltern bis zu 10 x 25-minütige Termine. Eltern können auch ohne ihre Kinder Termine in der Sprechstunde wahrnehmen. Ein Psychotherapeut muss feste Zeiten für die Sprechstunden vorhalten und veröffentlichen. Ein Psychotherapeut kann eine Sprechstunde einrichten, muss dies aber nicht.

In der Sprechstunde erfährt der Patient: Wie sind seine psychischen Beschwerden einzuschätzen? Müssen sie behandelt werden oder reichen Selbsthilfe- und Beratungsangebote? Welche Selbsthilfe- und Beratungsangebote gibt es? Besteht eine psychische Erkrankung mit Behandlungsbedarf, wird der Patient über die Diagnose und die mögliche Behandlung (Psychotherapie, Einzel- oder Gruppenpsychotherapie, unterschiedliche psychotherapeutische Verfahren, weitere Behandlungsmöglichkeiten inklusive Psychopharmaka) informiert? Wenn möglich, erhält der Patient einen Behandlungsplatz bei dem Psychotherapeuten, in dessen Sprechstunde er war. Sonst wird versucht, ihn an einen anderen Psychotherapeuten weiterzuvermitteln. Bei fehlenden freien Behandlungsplätzen wird er auf die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen hingewiesen. Die Servicestellen müssen innerhalb von vier Wochen einen freien Behandlungsplatz bei einem Psychotherapeuten finden oder sonst eine ambulante Behandlung in einem Krankenhaus vermitteln.

Akutbehandlung Eine weitere wichtige Verbesserung ist die Möglichkeit, psychisch Kranken mit sofortigem Behandlungsbedarf unmittelbar zu helfen. Diese neue Akutbehandlung ist gedacht für Patienten, die rasch Hilfe brauchen und ohne diese möglicherweise schwerer erkranken würden, nicht mehr arbeiten könnten oder in ein Krankenhaus eingewiesen werden müssten. Diese kurzfristige Intervention besteht aus bis zu 24 Gesprächseinheiten à 25 Minuten, die sehr rasch nach der Sprechstunde beginnen können. Diese Leistungen müssen auch nicht bei der Krankenkasse beantragt werden. „Eine solche Akutbehandlung ist eine wichtige Ergänzung des bisherigen psychotherapeutischen Leistungsangebots“, sagt BPtK-Präsident Munz.

Probatorik Vor Beginn einer klassischen Einzel- oder Gruppenpsychotherapie finden auch in Zukunft probatorische Gespräche von mindestens zwei und höchstens vier Stunden statt. Diese Gespräche können Eltern eines Kindes auch alleine nutzen. Dabei sind in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen zwei zusätzliche Termine möglich. In der Probatorik planen Psychotherapeut und Patient gemeinsam die konkrete Behandlung. Der Patient erfährt, wie konkret mit dem jeweiligen psychotherapeutischen Verfahren seine psychischen Beschwerden und ihre Ursachen bearbeitet werden können. Der Psychotherapeut klärt, ob eine ausreichende Therapiemotivation besteht und ein stabiles Arbeitsbündnis mit dem Patienten aufgebaut werden kann. „Die Probatorik ist eine sensible Phase, die wesentlich über den Erfolg einer Psychotherapie mitentscheidet“, erläutert BPtK-Präsident Munz. „Der G-BA lässt hier wenig patientenindividuelle Spielräume, da er immer mindestens zwei und höchstens vier probatorische Stunden vorschreibt. Das ist eine Überregulierung im Detail, die nicht notwendig war.“

Kurzzeittherapie Schon jetzt sind rund 70 Prozent der Psychotherapien kurze Behandlungen bis zu 25 Stunden. Zukünftig muss diese Kurzzeittherapie in zwei Abschnitte à 12 Stunden unterteilt werden. Jeder Abschnitt ist antragspflichtig. Die Krankenkassen haben drei Wochen Zeit, einen Antrag auf Kurzeittherapie zu beantworten. „Dadurch entstehen neue Wartezeiten“, kritisiert der BPtK-Präsident. Die Genehmigung kann aber auch dadurch erfolgen, dass diese Frist verstreicht. „Das ist ein Schildbürgerstreich erster Klasse“, urteilt Munz. „Der G-BA schafft neue Antragsverfahren, die er aber selbst so wenig ernst nimmt, dass er gar keine Prüfung der Anträge vorschreibt, sondern eine Genehmigung dadurch erfolgt, dass sich die Krankenkassen die Antwort sparen können.“

Langzeittherapie Auch zukünftig ist es möglich, direkt nach den probatorischen Gesprächen mit einer Langzeittherapie von mehr als 24 Stunden zu beginnen. Wie bisher muss allerdings ein Gutachter prüfen, ob eine Einzel- oder Gruppenpsychotherapie notwendig und erfolgsversprechend ist. Dabei bleibt es bei den bisherigen Höchststundenzahlen, die je nach psychotherapeutischem Verfahren variieren. Bei Erwachsenen kann eine analytische Psychotherapie bis zu 160 Stunden, in besonderen Fällen bis zu maximal 300 Stunden, umfassen. Die tiefenpsychologische Therapie umfasst im ersten Schritt 60 Stunden, in besonderen Fällen kann sie auf 100 Stunden ausgedehnt werden. Wer sich für eine Verhaltenstherapie entscheidet, kann zunächst 60 Stunden lang therapeutische Unterstützung und dann noch einmal 20 Stunden erhalten.

Rezidivprophylaxe Als Abschluss einer Langzeittherapie kann künftig eine Rezidivprophylaxe durchgeführt werden, mit der ein Behandlungserfolg gesichert und einem Rückfall vorgebeugt werden soll. Dabei soll bereits im Antrag einer Langzeittherapie angegeben werden, ob und in welchem Umfang eine Rezidivprophylaxe eingesetzt werden soll. Bei Behandlungen von Erwachsenen können bis zu 8 von 60 Therapiestunden, bei Behandlungen über 60 Stunden bis zu 16 Therapiestunden als Rezidivprophylaxe verwendet werden. Bei Kindern und Jugendlichen sind dies 10 beziehungsweise 20 Therapiestunden. Die Verlängerung einer Behandlung ausschließlich zur Rezidivprophylaxe ist nicht zulässig. Die Rezidivprophylaxe kann über einen Zeitraum von zwei Jahren nach Abschluss der Behandlung durchgeführt werden.

„Der G-BA hatte eigentlich den Auftrag, für die Rezidivprophylaxe einen eigenen Leistungsbereich zu schaffen, um erneute Erkrankungen besser zu verhindern“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Dafür wäre für chronisch und schwer kranke Patienten auch ein flexibles Behandlungsangebot nach Abschluss einer Psychotherapie sinnvoll gewesen. Leider hat der G-BA diesen Auftrag nicht erfüllt. Die Beschränkung auf die Langzeittherapie ist fachlich nicht nachvollziehbar. Auch nach einer Behandlung mit bis zu 25 Stunden kann es notwendig sein, Rückfällen vorzubeugen.“

Standarddokumentation Schließlich hat der G-BA eine Standarddokumentation für die ambulante Psychotherapie eingeführt. Zu Beginn und am Ende einer Behandlung müssen von Patient und Psychotherapeut gemeinsam Fragebögen ausgefüllt werden. Dazu gehört auch die verpflichtende Verwendung von psychometrischen Testverfahren für alle Patienten. Bei Kindern und Jugendlichen wird darüber hinaus grundsätzlich die differenzierte Erfassung der Intelligenz verlangt, unabhängig davon, ob dies bei der jeweiligen psychischen Erkrankung überhaupt erforderlich ist. Diese Intelligenzmessung muss entweder als aufwendiger Test durchgeführt werden, kann aber auch als grobe Schätzung des IQ erfolgen. „Das heißt, der G-BA schreibt bei Kindern und Jugendlichen grundsätzlich einen Intelligenztest vor, auch wenn er gar nicht notwendig ist. Außerdem muss die Intelligenz dann entweder übertrieben aufwendig getestet oder fahrlässig ungenau geschätzt werden“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Dem G-BA ist völlig aus dem Blick geraten, welchen Zwecken die Standarddokumentation dienen soll.“

Die vorgeschriebenen Fragen und Antwortmöglichkeiten sind außerdem in einer zum Teil verletzenden und stigmatisierenden Sprache verfasst. Als Faktoren, die eine Erkrankung gefördert haben, müssen Eltern gemeinsam mit dem Psychotherapeuten zum Beispiel „abnorme Erziehungsbedingungen“ ankreuzen oder „abnorme intrafamiliäre Beziehungen“ angeben. „Solche herabwürdigenden Bezeichnungen sind für die Gespräche mit Patienten völlig ungeeignet“, stellt Munz fest. „Der G-BA hätte diese Dokumentationsbögen sprachlich unbedingt anpassen müssen.“

Insgesamt ist diese verpflichtende Dokumentation für alle Patienten in psychotherapeutischer Behandlung weder patienten- noch nutzenorientiert, noch evidenzbasiert. „Die Testverfahren sind zum Teil ungeeignet, um die Diagnostik psychischer Erkrankungen zu unterstützen“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. „Gerade bei Kindern und Jugendlichen bilden sie den Behandlungserfolg nicht ab. Die Dokumentation ermöglicht auch keine Sicherung der Behandlungsqualität.“ Dabei hat der G-BA Qualitätssicherungskonzepte ignoriert, die er selbst 2014 in Auftrag gegeben hat.

Neue Anforderungen zur Unterbringung psychisch kranker Straftäter

BPtK fordert bundeseinheitliche Regelungen und Behandlungsstandards

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer begrüßt die Novellierung des Unterbringungsrechts von psychisch kranken Straftätern, die am 29. April 2016 vom Bundestag beschlossen wurde.

Das Gesetz präzisiert die Voraussetzungen, nach denen ein psychisch kranker Straftäter in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden kann. Unterbringungen über zehn Jahre sollen zudem nur noch möglich sein, wenn Taten drohen, durch die die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt würden. Die Gefahr rein wirtschaftlicher Schäden reicht in der Regel nicht mehr aus. Das Gesetz verkürzt auch die zeitlichen Abstände, in denen externe Gutachten eingeholt werden müssen. Außerdem besteht die Pflicht, den externen Gutachter zu wechseln. Schließlich dürfen zukünftig nur noch solche ärztlichen und psychologischen Gutachter beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde verfügen.

„Dies sind wichtige konkrete Schritte, um zu einer angemessenen Entscheidung über die Unterbringung psychisch kranker Straftäter zu kommen, die das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. „Die Unterbringung in einem forensischen Krankenhaus ist jedoch etwas grundlegend anderes als im Strafvollzug. Die kranken Straftäter haben einen Anspruch auf eine angemessene Behandlungsqualität und -dauer. Dafür sind bundeseinheitliche Regelungen im Maßregelvollzug notwendig.“

Die BPtK fordert, einheitliche Behandlungsstandards und die hierfür erforderliche Strukturqualität in den forensischen Kliniken zu sichern. Die unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern bei Sicherungsmaßnahmen und Vollzugslockerungen sind für die Rechtssicherheit der untergebrachten Personen problematisch und beeinflussen die Behandlungsqualität sowie den -verlauf und damit die Dauer der Unterbringung insgesamt. Zu einer umfassenden Reform des Maßregelvollzugs gehört aus BPtK-Sicht außerdem ein Ausbau der Nachsorge, z. B. durch eine bessere Integration von Nachsorgeeinrichtungen des Strafvollzugs.

Die BPtK hatte in ihrer Stellungnahme schließlich auch gefordert, zukünftig ausschließlich Psychotherapeuten und Fachärzte als externe Gutachter zuzulassen. Heilkundliches Wissen ist eine unabdingbare Voraussetzung, um beurteilen zu können, ob eine psychische Erkrankung vorliegt und inwieweit diese Auswirkungen auf die Entwicklung einer Person und ihre delinquenten Verhaltensweisen hat. Bei Rechtspsychologen kann dieses Wissen nicht vorausgesetzt werden.

Keine Beschränkung der Personalstandards auf einzelne Patientengruppen

BPtK-Forderungen zur Weiterentwicklung des Psych-Entgeltsystems

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert, dass bei der Weiterentwicklung des Psych-Entgeltsystems Personalstandards für alle Patientengruppen in den psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern und Abteilungen festgelegt werden. Dies sollte im gesetzlichen Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eindeutig formuliert werden, so die BPtK in ihrer Stellungnahme zu den Eckpunkten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).

Die Formulierung in den BMG-Eckpunkten, dass die Personalanforderungen zunächst bei den Indikationen definiert werden sollen, für die es bereits S3-Leitlinien gibt, ist missverständlich. Die Mindestanforderungen an das Personal in den psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken sollten nicht nur für einen Teil der Indikationen und Diagnosegruppen festgelegt werden. Ansonsten sind unerwünschte Personalverschiebungen zulasten von Patientengruppen zu erwarten, die von den Anforderungen an die Strukturqualität nicht erfasst werden.

Zwar sind die meisten evidenzbasierten Leitlinien diagnosebezogen formuliert. Daneben haben aber weitere Patientenmerkmale wesentlichen Einfluss auf den konkreten Behandlungs- und den daraus resultierenden Personalbedarf. Dazu gehören: Akuität der Erkrankung, komorbide psychische und körperliche Erkrankungen oder aus der Erkrankung resultierende psychosoziale Beeinträchtigungen.

Weitere Forderungen der BPtK für die gesetzliche Umsetzung der Eckpunkte betreffen die Finanzierung verbindlicher Personalanforderungen und die Überprüfung ihrer Einhaltung sowie gesetzliche Vorgaben für eine sachgerechte Weiterentwicklung der Leistungsdokumentation über den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS).

Entkriminalisierung von Cannabis

BPtK-Stellungnahme zum Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer begrüßt die Diskussion über eine weitere Entkriminalisierung von Cannabis. Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN plädiert für eine staatlich kontrollierte Abgabe an Erwachsene bis zu 30 Gramm über spezielle Verkaufsstellen. Der Verkauf an Minderjährige soll weiter verboten bleiben. Die BPtK fordert, die präventiven Wirkungen dieser Regelungen sowohl für die Bevölkerung insgesamt als auch für die Cannabisnutzer z. B. in Modellregionen zu überprüfen. Auf jeden Fall sollte es bundeseinheitlich geregelt werden, wann es zu einer Strafverfolgung kommt, wenn bei einer Person geringe Cannabismengen für den Eigenkonsum gefunden werden.

Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz war das zentrale Thema einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages am 16. März 2016. Mehrere Juristen und Vertreter der Drogenhilfe begrüßten die Gesetzesinitiative und wiesen insbesondere auf die Unverhältnismäßigkeit der Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten hin. In einer Resolution an den Deutschen Bundestag hatten sich unlängst 122 Strafrechtsprofessoren für eine entsprechende Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ausgesprochen. Die gegenwärtigen Bestimmungen hätten eine Kriminalisierung von gelegentlichem Cannabiskonsum zur Folge, der sozial verträglich und unauffällig sei. Die Prohibitionspolitik bei Cannabis sei nach ihrer Einschätzung gescheitert und verursache mehr Schaden als dass sie den Cannabiskonsums in der Bevölkerung eindämme.

Einhellige Kritik gab es dabei an der sehr unterschiedlichen Auslegung der Regelungen im Betäubungsmittelgesetz in den Bundesländern, wann die Strafverfolgung bei einer geringen Menge Cannabisbesitz eingestellt wird. Diese Regelungen sollen die Kriminalisierung von Konsumenten vermeiden oder zumindest verringern. Hierbei handelt es jedoch um eine Kann-Bestimmung, die sowohl durch die landesrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Menge des straffreien persönlichen Besitzes zum Eigenkonsum als auch durch die Praxis der Strafverfolgung sehr unterschiedlich umgesetzt wird.

In der Anhörung betonten mehrere Sachverständige die gesundheitlichen Risiken des regelmäßigen Cannabiskonsums, insbesondere bei Beginn der Adoleszenz. Hierzu zählten insbesondere eine mögliche Abhängigkeitsentwicklung, die Zunahme komorbider psychischer Störungen und negative Effekte auf die Reifungsprozesse, einschließlich der schulischen und beruflichen Bildung.

BPtK kritisiert DMP Diabetes mellitus Typ 2

G-BA vernachlässigt psychosoziale Einflussfaktoren

(BPtK) Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das Disease-Management-Programm (DMP) für Diabetes mellitus Typ 2 nicht fachgerecht aktualisiert. Er erkennt zwar grundsätzlich die Bedeutung psychischer Erkrankungen für den Krankheitsverlauf und den Behandlungserfolg der Stoffwechselerkrankung an. Es fehlen aber die bei einem DMP sonst klaren Vorgaben über Therapieziele, Behandlungsabläufe und Qualitätsziele.

Während bei körperlichen Symptomen und Folgeerkrankungen, wie Unter- und Überzuckerung oder dem diabetischen Fuß, genaue Therapieziele, Überweisungsroutinen und Qualitätsziele vereinbart werden, fehlen diese konkreten Vorgaben für psychische Erkrankungen. Die Verringerung des Risikos, psychisch zu erkranken, wird nicht explizit als DMP-Therapieziel genannt. Weiterhin wird nicht klargestellt, dass der Arzt den Patienten an einen Psychotherapeuten oder einen entsprechend qualifizierten Facharzt überweisen muss, wenn er unter einer psychischen Erkrankung leidet oder der Verdacht darauf besteht. Problematisch ist weiterhin, dass die Qualitätsziele des Behandlungsprogramms keine psychosozialen Erfolgsparameter enthalten. Diese könnten beispielsweise ein hoher Anteil von psychisch kranken Patienten sein, die eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung erhalten.

Bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 ist das Risiko, an einer psychischen Erkrankung – vor allem an einer Depression – zu leiden, erhöht. Psychosoziale Belastungsfaktoren und psychische Krankheiten haben einen wesentlichen negativen Einfluss auf den Krankheitsverlauf sowie die Lebensqualität von Menschen, die unter Diabetes mellitus leiden.