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Patientendaten in der gesetzlichen Unfallversicherung

Verfahrenserleichterung für Psychotherapeuten

(BPtK) Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die an der Heilbehandlung eines Versicherten der gesetzlichen Unfallversicherung beteiligt sind, brauchen zukünftig keine schriftliche Einverständniserklärung mehr, um der Unfallversicherung Auskünfte über die Behandlung zu erteilen. Dazu gehören personenbezogene Daten über die Heilbehandlung, soweit sie für die Prüfung der Leistungsvoraussetzungen und die Abrechnung erforderlich sind.

Diese Verfahrenserleichterung gilt mit dem Inkrafttreten des 6. SGB IV-Änderungsgesetzes am 17. November 2016 (BT-Drs. 18/8487). Damit ist eine wichtige Gleichstellung der Psychotherapeuten mit den anderen Heilberufen vollzogen. Bisher waren die Psychotherapeuten nicht ausdrücklich in § 201 SGB VII genannt.

Die Psychotherapeuten sind dazu verpflichtet, ihre Patienten über den Zweck der Erhebung dieser Daten und über die Pflicht zur Auskunft nach § 201 SGB VII zu informieren sowie darüber aufzuklären, dass der Patient vom Unfallversicherungsträger die Unterrichtung über die übermittelten Daten verlangen kann.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hatte in einem Schreiben an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Änderung in § 201 Absatz 1 SGB VII zur Gleichstellung der Psychotherapeuten notwendig ist.

Keine Änderung der Schweigepflicht notwendig

BPtK begrüßt Gesprächsbereitschaft von Bundesinnenminister De Maizière

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer hält es nicht für notwendig, die Regelungen zur psychotherapeutischen Schweigepflicht zu ändern, um Amokläufe und Terroranschläge besser verhindern zu können. Sie begrüßt deshalb, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière sich zunächst mit Ärzten und Psychotherapeuten beraten will, ob die beiden Heilberufe weitergehende Regelungen für notwendig halten.

„Psychotherapeuten können psychisch kranke Menschen, die sich oder andere zu gefährden drohen, meist wirksam behandeln und von ihren Plänen abbringen. Dafür brauchen sie aber das uneingeschränkte Vertrauen ihrer Patienten, damit diese überhaupt von ihren Vorhaben berichten“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. Psychisch kranke Menschen sollten keine Angst davor haben müssen, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Aus BPtK-Sicht reichen die geltenden Regelungen in der Berufsordnung der Psychotherapeuten und im Strafgesetzbuch aus. Psychotherapeuten sind bereits jetzt von der Schweigepflicht entbunden, wenn ein Patient eine Gefahr für das Leben anderer Menschen darstellt. Wenn eine konkrete Gefahr droht, können Psychotherapeuten die Behörden informieren. Bei schweren Straftaten wie Mord, Totschlag oder Geiselnahme, besteht sogar die Pflicht, die Polizei zu benachrichtigen.

Verfassungsrichter fordern präziseren Schutz von Berufsgeheimnisträgern

Engere Grenzen für staatliche Überwachung notwendig

(BPtK) Das Bundesverfassungsgericht hat am 20. April 2016 entschieden, dass die Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) zur Abwehr des internationalen Terrorismus teilweise verfassungswidrig sind und einen präziseren Schutz von Berufgeheimnisträgern gefordert (Az.: 1 BvR 966/09).

Gegen das Bundeskriminalamtgesetz (BKAG), das am 12. November 2008 mit der Mehrheit der Stimmen von CDU/CSU und SPD im Bundestag verabschiedet wurde, hatte neben Journalisten, Rechtsanwälten, einem Arzt und Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch der Psychotherapeut und ehemalige Präsident der Psychotherapeutenkammer Hessen, Jürgen Hardt, Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Mit dem Gesetz erhielt das BKA weitreichende Befugnisse zur Überwachung von Wohnraum und Telekommunikation. Diese Befugnisse greifen weit in die Privatsphäre des Bürgers ein. Deshalb unterliegen sie nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hohen Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit. So müsse es besondere Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sowie einen hinreichenden Schutz von Berufsgeheimnisträgern geben. Mit seinem Urteil stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das BKAG diesen Anforderungen zum Teil nicht genügt. Es forderte flankierende rechtsstaatliche Absicherungen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.

Das BKAG sieht nur vor, dass eine Überwachung, die sich gegen Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete richtet, in keinem Fall zulässig ist. Für alle anderen Berufsgeheimnisträger, z. B. für Psychotherapeuten und Ärzte, fehlt ein solch absoluter Schutz. Bei ihnen kann das Bundeskriminalamt im Einzelfall abwägen.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist schon der einseitige Schutz von Strafverteidigern und nicht von allen Rechtsanwälten verfassungswidrig. Das Gericht betont ferner, dass Gespräche, in denen es Einzelnen gerade ermöglicht werden soll, ein Fehlverhalten einzugestehen oder sich auf dessen Folgen einzurichten, in die höchstpersönliche Privatsphäre fallen und damit dem Staat absolut entzogen sind. Dazu gehörten vertrauliche Gespräche mit einem Strafverteidiger, aber auch mit einem Psychotherapeuten. Das Gericht fordert diesen Schutz wirksamer und „normenklar zu gewährleisten“.

Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert, dass in dem nun notwendigen Gesetzgebungsverfahren allen Berufsgeheimnisträgern, insbesondere den Psychotherapeuten, der absolute Schutz zugestanden wird. Die Möglichkeit, das psychotherapeutische Gespräche durch das BKA überwacht werden, gefährdet das grundlegende Vertrauensverhältnis zwischen Psychotherapeut und Patient. Psychotherapeutische Gespräche gehören in die höchstpersönliche Privatsphäre, stellt die BPtK fest. Ein absoluter Schutz vor Überwachung sei deshalb auch für Psychotherapeuten als Berufsgeheimnisträger notwendig.

BPtK: Schweigepflicht nicht weiter durchbrechen

Mehr Sicherheit durch eine grundsätzliche Meldepflicht nicht möglich

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer warnt davor, die Schweigepflicht für Psychotherapeuten und Ärzte einzuschränken. „Das größte Risiko wäre, dass sich psychisch kranke Menschen nicht mehr behandeln lassen, weil sie befürchten, dass Arbeitgeber oder Behörden von ihrer Erkrankung erfahren“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK. „Erst das offene Gespräch mit einem Psychotherapeuten oder Arzt macht es möglich, eine psychische Krankheit zu behandeln und mögliche Suizide zu verhindern.“

Die BPtK-Musterberufsordnung regelt bereits eindeutig, dass Psychotherapeuten bei Patienten, die sich selbst oder andere gefährden, von der Schweigepflicht entbunden sind. Psychotherapeuten müssen zwischen dem Schutz der Patienten, dem Schutz von Dritten sowie dem Allgemeinwohl abwägen und gegebenenfalls tätig werden. „Diese Abwägung muss sehr sorgfältig getroffen werden“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Dazu gehöre, dass man sich im Zweifel bei einem Kollegen fachlich rückversichert. Drohe, dass ein Patient sich selbst oder andere gefährde, müsse notfalls auch eine Zwangseinweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgen. Im Fall des schwer depressiven Germanwings-Copiloten, der vor einem Jahr ein Flugzeug mit 150 Menschen abstürzen ließ, mussten die behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten auf Grundlage der ihnen bekannten Befunde eine solche Abwägung vornehmen und begründen. Dies können Gerichte überprüfen.

„Die Entscheidung, ob ein Patient sich oder andere gefährdet, muss eine Entscheidung des behandelnden Psychotherapeuten oder Arztes bleiben“, fordert Munz. „Grundsätzliche gesetzliche Meldepflichten vergrößern dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass sich psychisch kranke Menschen nicht mehr in Behandlung begeben. Die Behandlung eines psychisch kranken Menschen verringert seine Leiden und kann eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindern. In den seltenen Fällen, wo psychisch kranke Menschen befürchten, dass sie sich oder andere Menschen gefährden könnten, ist eine Behandlung auch der beste Schutz für die Allgemeinheit.“

LPK-Fachtag zu Rechtsfragen in der Kinder- und Jugendlichensychotherapie

Berufsrecht – eine Herausforderung von Fällen und Fallen in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, 25. Juli 2015

(LPK BW) Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen steht in einem besonderen rechtlichen Spannungsfeld zwischen der Beziehung von Therapeut und Kind und der Beziehung von Therapeut und Eltern. Daraus können Konflikte im Arbeitsbündnis entstehen mit vielfältigen Fragestellungen.

Der LPK-Fachtag zu berufsrechtlichen Themen in der Kinder und Jugendlichenpsychotherapie war am 25. Juli in Stuttgart war mit ca. 150 Teilnehmern sehr gut besucht. U.a. Folgende Themenkomplexe stehen im Fokus:

  • Aufklärung des Patienten
  • Anforderungen aus dem Patientenrechtegesetz: Dokumentationspflicht, Einsichtsrecht des Patienten
  • Umgang mit Sorgerechtskonstellationen
  • Schweigepflicht: u.a. Auskunftsverlangen von Dritten
  • Krisensituationen: Suizidalität, Kindeswohlgefährdung
  • Versicherungsrechtliche Fragen

Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen steht in einem besonderen rechtlichen Spannungsfeld zwischen der Beziehung von Therapeut/Kind sowie Therapeut/Beziehungspersonen bzw. Eltern. Diese Problematik hatten LPK-Vorstandsmitglied Kristiane Göpel und der Ausschuss für KJP-Versorgung während dieses Fachtages sowohl theoretisch in Vorträgen von Prof. Dr. Stellpflug, Justitiar der BPtK, und Kammeranwalt Seeburger, als auch praktisch in der Vorstellung von Fällen aus der Behandlungspraxis geschickt miteinander verzahnt. In den beiden Vorträgen wurde die Vielfältigkeit der Rechtsprechung sichtbar. Es wurden Vergleiche der unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen herangezogen, Entscheidungen und Gerichtsurteile erläutert und das Patientenrechtegesetz in seinen relevanten Passagen erklärt. Die von den Ausschussmitgliedern vorgetragenen Fallbeispiele wurden in ausführlicher berufsrechtlicher Erläuterung von LPK-Rechtsreferentin Stephanie Tessmer beantwortet. Die Vorträge und Fallbeispiele sollen den Anfang einer fortlaufenden Diskussion über Rechtsfragen eröffnen, die künftig auf www.lpk-bw.de zu finden sein werden.

Gemeinsame Initiative der Heilberufekammern

BPtK kritisiert geplante Vorratsdatenspeicherung

(LPK BW) Die Bundesärztekammer, Bundeszahnärztekammer, Bundesapothekerkammer und die Bundespsychotherapeutenkammer haben eine gemeinsame Initiative gegen die von der Bundesregierung geplante Vorratsdatenspeicherung gestartet. In einem gemeinsamen Schreiben an die Abgeordneten im Rechts- und Gesundheitsausschuss fordern diese sie auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, Verkehrsdaten für zehn Wochen und Standortdaten für vier Wochen zu speichern. Von der Speicherpflicht ausgenommen werden lediglich Verkehrsdaten von Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen, die grundsätzlich anonym bleibenden Anrufern telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten. In diese Ausnahmeregelungen nicht einbezogen sind Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Zahnärzte, Apotheker oder Psychotherapeuten. Für diese Berufsgeheimnisträger soll lediglich ein Verwertungsverbot der Verkehrsdaten durch die Strafverfolgungsbehörden gelten.

Die in diesem Gesetz vorgesehenen Regelungen untergraben die besondere Schutzbedürftigkeit von Gesprächen zwischen Arzt, Zahnarzt, Apotheker oder Psychotherapeuten und ihren Patienten. Die Patienten brauchen die Sicherheit, sich jederzeit auch telefonisch, vor allem in Krisensituationen, an den Arzt oder Psychotherapeuten wenden zu können und auf die uneingeschränkte Gewährleistung der absoluten Vertraulichkeit ihrer Gespräche vertrauen zu können. Wenn die Daten erst einmal erhoben sind, bietet die Strafprozessordnung keinen ausreichenden Schutz mehr vor einer weiteren Verwendung. Die Heilberufekammern fordern daher, dass Verkehrsdaten von Berufsgeheimnisträgern generell nicht von der Vorratsdatenspeicherung erfasst werden.

Korrektur der Bedarfsplanung

Gespräch mit MdB Bilger

(LPK BW) Der LPK-Vorstand hat Anfang des Jahres alle Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg angeschrieben und darauf hingewiesen, dass die im Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) geplante Verschärfung der Vorschrift zur Prüfung der Versorgungsnotwendigkeit bei Weitergabe einer Praxis in den nach der Bedarfsplanung überversorgt ausgewiesenen Planungsbezirken die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen schlechter werden lässt. Steffen Bilger, Bundestagsabgeordneter im Kreis Ludwigsburg, hat in seiner Antwort um ein erläuterndes Gespräch gebeten. In der letzten Legislaturperiode war er stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags.

Kammerpräsident Dr. Dietrich Munz und Vizepräsident Martin Klett sowie LPK-Geschäftsführer Christian Dietrich erläuterten die Probleme der Bedarfsplanung in der Arztgruppe Psychotherapie, nach der der Bedarf auf den 1999 bestehenden Bestand festgelegt wurde. Die mehrfach erhobenen Wartezeiten auf ein Erstgespräch und auf eine psychotherapeutische Behandlung verdeutlichen, dass die psychotherapeutische Versorgung unzureichend ist. Erörtert wurde in dem Gespräch auch die im GKV-VSG vorgesehene Einführung einer Sprechstunde bei Psychotherapeuten, die eine Verkürzung der Wartezeit auf ein Erstgespräch und zeitnahe Beratung der Patienten erwarten lässt. Die dargestellten Mängel der Behandlungskapazitäten können hierdurch jedoch nicht behoben werden. Steffen Bilger sicherte zu, die besprochenen Themen zum GKV-VSG mit anderen Gesundheitspolitikern weiter zu erörtern.

Da sich wenige Tage vor dem Gespräch der tragische Flugzeugabsturz in den französischen Alpen ereignet hatte, war in den Medien diskutiert worden, die Schweigepflicht für Ärzte und Psychotherapeuten zu lockern. Hierzu erklärten Dietrich Munz und Martin Klett, dass eine Aufweichung der Schweigepflicht für Psychotherapeuten angesichts der schon bestehenden Rechtslage mit Offenbarungspflicht bei akuter Gefahr für Menschenleben nicht zu einer höheren Sicherheit führen werde, sondern dass zu erwarten sei, dass sich dann Piloten oder bspw. auch Berufskraftfahrer mit psychischen Problemen weniger an Psychotherapeuten wenden würden und somit die Gefahr akuter psychischer Krisen eher zunehmen würde. Diese Meinung wurde von MdB Bilger geteilt

Neuwahl des Vorstands und Ausbildungsreform

26. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin

(BPtK) Am 25. April 2015 fand der 26. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) in Berlin statt. Künftig spricht Dr. Dietrich Munz für die deutschen Psychotherapeuten. Der 63-jährige angestellte Psychotherapeut wurde mit deutlicher Mehrheit zum neuen Präsidenten der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) gewählt. Munz löst damit Prof. Dr. Rainer Richter ab, der zehn Jahre lang für die Interessen der Psychotherapeuten eintrat. Der DPT wählte außerdem mit großen Mehrheiten als neue Vizepräsidenten Dr. Nikolaus Melcop und Peter Lehndorfer sowie als Beisitzer Dr. Andrea Benecke und Wolfgang Schreck.

„Psychische Erkrankungen müssen vertraulich bleiben“

BPtK gegen neue Regelungen zur Schweigepflicht oder ein Berufsverbot

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer hält neue Regelungen zur Schweigepflicht oder gar ein Berufsverbot bei psychischen Erkrankungen für schädlich. „Jeder Arzt und Psychotherapeut ist schon jetzt nicht an seine Schweigepflicht gebunden, wenn ein Patient sich selbst oder Leib und Leben anderer bedroht“, stellt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter klar. „Der wirksamste Schutz für alle ist jedoch ein psychisch kranker Mensch, der in Behandlung ist und dort offen über seine Gedanken und Gefühle sprechen kann. Er sollte vor allem in Krisen keine Scheu haben müssen, sich anderen anzuvertrauen und professionelle Hilfe zu suchen.“

Psychotherapeuten haben in ihrer Berufsordnung bereits Ausnahmen zur Schweigepflicht insbesondere deshalb vorgesehen, um ihre Patienten davor bewahren zu können, sich selbst oder andere zu gefährden. Ein psychisch kranker Mensch hat vor allem ein höheres Risiko, sich selbst das Leben zu nehmen. „Viele Menschen behalten diese Gedanken an einen Suizid für sich und erzählen niemandem davon, teilweise nicht einmal ihrem Therapeuten“, erläutert BPtK-Präsident Richter. „Nur ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Patient und Psychotherapeut bietet die Chance, rechtzeitig von einem Suizidgedanken zu erfahren und therapeutisch entgegenzuwirken. Dazu kann auch eine Behandlung in einem Krankenhaus gehören, notfalls sogar gegen den Willen des Patienten.“

Die bestehenden Vorschriften zur Schweigepflicht sind deshalb angemessen und sollten nicht geändert werden. „Die öffentliche Debatte über neue Regelungen zur Schweigepflicht oder gar ein Berufsverbot ist dagegen äußerst schädlich und kann sich schnell zu einer Hetzjagd auf psychisch kranke Menschen auswachsen“, kritisiert BPtK-Präsident Richter. „Wenn psychisch Kranke nicht darauf vertrauen können, dass ihre Erkrankung vertraulich bleibt, dann suchen sie dafür einfach keine professionelle Hilfe mehr. Das bedeutete für Millionen Patienten großes individuelles Leid. Die Drohung mit einem Berufsverbot, wie es der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Prof. Dr. Karl Lauterbach, fordern, würde diese Entwicklung noch massiv verstärken.“

In Deutschland erkranken jährlich knapp 18 Millionen Menschen an einer psychischen Störung. Rund sechs Millionen leiden an einer Depression, davon drei Viertel an einer mittleren oder schweren Depression. Bisher erhält gerade einmal gut die Hälfte der depressiv kranken Menschen eine professionelle Behandlung. „Diese viel zu niedrige Behandlungsrate ist darauf zurückzuführen, dass psychische Erkrankungen immer noch stark stigmatisiert sind“, erklärt der BPtK-Präsident. „Es ist deshalb völlig inakzeptabel, jetzt so viele Menschen unter einen pauschalen Verdacht zu stellen, für andere gefährlich zu sein.“

Depressive Menschen gefährden vor allem sich selbst. Schwer psychisch kranke Menschen, die suizidgefährdet sind, sind außerdem meist gar nicht arbeitsfähig und häufig in stationärer Behandlung. Dass sie andere Menschen gefährden, ist die absolute Ausnahme. Ein bekanntes, aber äußerst seltenes Beispiel sind schwer depressiv erkrankte Mütter, die ihre kleinen Kinder mit in den Tod nehmen. Viel häufiger sind dagegen Männer, die ihre ehemaligen Partnerinnen töten und sich danach selbst umbringen. Dabei ist allerdings häufig strittig, inwieweit eine psychische Erkrankung dafür der entscheidende Grund war. Auch bei dem Piloten des Germanwings-Absturzes ist bisher nicht klar, ob die psychische Erkrankung eine ursächliche Rolle bei der Tat gespielt hat.

Professor Richter zur Schweigepflicht

Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vom 30. März 2015

(BPtK) Hintergrund des Interviews ist der Flugzeugabsturz in den französischen Alpen.

Rechtfertigt ein solcher Fall eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht, wenn also Leib und Leben anderer Menschen gefährdet sind?

Die Schweigepflicht ist in Fällen, in denen Patienten andere Personen gefährden, nicht das Problem. Schon jetzt sind Ärzte und Psychotherapeuten befugt, die Schweigepflicht zu durchbrechen, wenn sie dadurch die Schädigung Dritter verhindern können. In Fällen, in denen es um Leben und Tod geht, sind sie dazu sogar verpflichtet.

Könnte eine Lockerung für bestimmte Berufe mit hohem Berufsrisiko wie den Piloten derartige Katastrophen verhindern?

Nein, denn das Problem ist nicht die Schweigepflicht, sondern die grundsätzliche Schwierigkeit, bei einem Menschen die Absicht, sich und insbesondere Dritte zu schädigen, verlässlich zu erkennen und die Ernsthaftigkeit einzuschätzen. Die höchste Kompetenz hierzu haben Psychotherapeuten und entsprechende Fachärzte, aber auch die können sich irren. Ich halte die aktuelle Diskussion über eine mögliche Lockerung der Schweigepflicht deshalb für voreilig und irreführend. Wer sollten außerdem solche Berufe mit „hohem Berufsrisiko“ sein? Wir müssen davon ausgehen, dass pro Jahr mehrere hundert Kfz-Unfälle in suizidaler Absicht herbeigeführt werden. Wo wäre da die Grenze zu ziehen?

Auch die offensichtliche Tatsache einer Jahre zurückliegenden Behandlung einer Depression lässt eine Vorhersage einer späteren Suizidgefährdung nicht zu – und schon gar nicht einer Fremdgefährdung, ohne weitere Erkenntnisse über die Lebensgeschichte zu haben.

Wenn der Mann suizidgefährdet ist, kann man überhaupt erkennen, welche Art des Suizids er wählt?

Nein, es sei denn, er hätte mit jemandem, z. B. seinem Arzt, über seinen Plan gesprochen. Auch hier rate ich zur Besonnenheit: Derzeit nehmen wir an, dass Herr L. in suizidaler Absicht gehandelt hat, aber wir wissen es ebenso wenig, wie wir wissen, ob der Suizid – wenn es denn einer war – im Zusammenhang mit einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung, z. B. einer Psychose, zu sehen ist.