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Psychisch kranke Menschen nicht gegeneinander ausspielen!

Offener Brief der BPtK an Bundesgesundheitsminister Lauterbach

(BPtK) In einem Offenen Brief fordert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach auf, sich in der Diskussion um die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen an der Evidenz und der realen Versorgungssituation zu orientieren – und nicht Behauptungen aufzustellen, die unhaltbar sind. „Die Behauptung des Ministers, dass in der ambulanten Psychotherapie vor allem ‚leichte Fälle‘ versorgt werden, ist eine Unterstellung, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt“, sagt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer.

Am 8. Februar 2023 hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach sich anlässlich der Vorstellung des Abschlussberichts der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ (IMA) geäußert, zusätzliche Kassensitze für Psychotherapie zu schaffen, sei nicht sinnvoll, weil diese dann lieber „leichte Fälle über längere Zeit“ behandeln wollten.

„Ihre Aussage kommt einem Schlag ins Gesicht aller Patient*innen gleich, die Hilfe bei einer Psychotherapeut*in suchen“, heißt es im dem Offenen Brief. Und weiter: „Für viele Patient*innen ist es immer noch ein schwerer Schritt, sich wegen ihrer psychischen Erkrankung professionelle Hilfe zu suchen. Es ist völlig inakzeptabel, Patient*innen gegeneinander auszuspielen und zu suggerieren, dass einige Patient*innen den Therapieplatz für andere räumen sollten.“

„Es ist verheerend, wenn der Bundesgesundheitsminister an Patient*innen das Signal sendet, sich erst dann psychotherapeutische Hilfe holen zu dürfen, wenn sie besonders schwer erkrankt sind“, kritisiert BPtK-Präsident, Dr. Dietrich Munz. „Eine solche Perspektive ist zutiefst unethisch, aber auch medizinisch und gesundheitsökonomisch völlig widersinnig! Wir fordern Sie deshalb auf, die Versorgung von allen Patient*innen mit psychischen Erkrankungen in den Blick zu nehmen und ein Ausspielen der einzelnen Patientengruppen zu unterlassen.“

Im Offenen Brief widerlegt die BPtK die Behauptungen des Ministers. Sie führt hierzu Studien und Analysen auf der Grundlage von repräsentativen Versorgungsdaten an und bittet den Minister um eine evidenzorientierte Diskussion zur Verbesserung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung.

„Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, die langen Wartezeiten auf einen psychotherapeutischen Behandlungsplatz zu reduzieren, muss endlich umgesetzt werden“, fordert die BPtK. Die Vorschläge des Ministers, die fehlenden psychotherapeutischen Behandlungskapazitäten allein über Sonderbedarfszulassungen und Ermächtigungen lösen zu wollen, wirkten weder schnell noch flächendeckend.

Sozialkompetenz des Gesundheitssystems erhöhen

BPtK: Gesundheitskioske für psychisch kranke Menschen erproben

(BPtK) „Dem deutschen Gesundheitssystem fehlt Sozialkompetenz. Für Menschen mit geringen Einkommens- und Bildungsressourcen ist es häufig viel zu komplex und nicht selten undurchschaubar. Das Gesundheitssystem muss verständlicher und Barrieren, die ausgrenzen, müssen abgebaut werden“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fest. „Deshalb sollten Gesundheitskioske erprobt werden, auch für psychisch kranke Menschen. Gerade Menschen in Armut, mit geringer Bildung, in Arbeitslosigkeit und mit ungenügender sprachlicher oder gesellschaftlicher Teilhabe könnte entscheidend dabei geholfen werden, Angebote zur psychischen Gesundheit zu nutzen.“

Präventionsleistungen durch kooperierende oder angestellte Psychotherapeut*innen können zum Angebot der Gesundheitskioske zählen. Kitas oder Schulen könnten spezifische Gruppenangebote in Kooperation mit Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen anbieten. Viele psychisch kranke Menschen brauchen gleichzeitig eine Behandlung aber auch Beratung und Unterstützung, zum Beispiel durch die Jugendhilfe, die sozialpsychiatrischen Dienste, Drogen- und Sucht- oder auch Schuldnerberatung. Gesundheitskioske könnten psychisch kranken Menschen zur Seite stehen, Termine bei Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen zu bekommen und auch wahrzunehmen und so Behandlung überhaupt ermöglichen. Schließlich könnten Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen ihre Patient*innen zu Gesundheitskiosken überweisen, wenn aufgrund sozialer Bedürfnisse und Belastungen eine psychotherapeutische oder ärztliche Beratung und Behandlung nicht ausreicht oder erschwert ist (Konzept des „social prescribing“).

Gesundheitskioske müssen bestehende Strukturen ergänzen und nutzen. Damit sie funktionieren, müssen Kommunen und das Gesundheitssystem aber zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stellen und zur Kooperation miteinander bereit sein. „All das muss in Modellprojekten erprobten werden“, erklärt BPtK-Präsident Munz. „Mehr Sozialkompetenz wird es nicht zum Nulltarif geben.“

Möglichkeit eines Psychotherapeutenwechsels zentral für die Qualität

GKV-Spitzenverband setzt Desinformations-Kampagne fort

(BPtK) Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen setzt seine Desinformations-Kampagne auf Basis einer methodisch ungenügenden Befragung fort. Danach haben rund 37 Prozent der Patient*innen schon einmal die Psychotherapeut*in gewechselt. Dies ist nicht erstaunlich, da rund ein Viertel der Patient*innen, die innerhalb eines Jahres eine Psychotherapie beginnen, sich nach der Sprechstunde noch eine andere Psychotherapeut*in suchen müssen, weil ihre erste Ansprechpartner*in auf Monate keinen freien Behandlungsplätze anbieten kann. Erneut hat der GKV-Spitzenverband seine Befragten nicht ausreichend darüber informiert, was die Unterschiede zwischen telefonischem Erstkontakt, psychotherapeutischer Sprechstunde, probatorischen Sitzungen, Absprache des ersten Behandlungstermins und Beginn der psychotherapeutischen Behandlung sind. „Eine Qualitätssicherung brauchen nicht die Psychotherapeut*innen, sondern die Umfrageinstitute, die für den GKV-Spitzenverband Fragebögen erstellen“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Seine Befragungen erfüllen nicht einmal die grundlegenden methodischen Standards.“

Die bereits veröffentlichen Befragungsergebnisse hatten gezeigt, dass die Patient*innen hierbei nicht zwischen den probatorischen Sitzungen und der eigentlichen Behandlung unterschieden haben. Ein Großteil der Befragten hatte angegeben, dass sie die Therapie innerhalb weniger Tage nach dem Erstgespräch begonnen hätten – zu einem Zeitpunkt also, zu dem lediglich die vorgeschriebenen probatorischen Sitzungen durchgeführt, aber noch keine Behandlungen begonnen werden können. „Der GKV-Spitzenverband hatte hier bereits Daten veröffentlicht, von denen er wissen musste, dass sie nicht stimmen können“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. Auch in seiner jüngsten Veröffentlichung verschleiert der GKV-Spitzenverband, wie viele Patient*innen tatsächlich befragt wurden. Pro Jahr beginnt weniger als ein Prozent der GKV-Versicherten eine Psychotherapie bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten. Das wären für die angegebene Panel-Befragung insgesamt nicht einmal 20 Patient*innen.

Grundsätzlich kommt der GKV-Spitzenverband selbst nicht darum herum zu konstatieren, dass die Patient*innen mit ihren Psychotherapeut*innen überdurchschnittlich zufrieden sind. Rund 80 Prozent der Patient*innen sind danach mit ihrer aktuellen Psychotherapeut*in vollkommen oder sehr zufrieden, weitere 17 Prozent sind zufrieden und nur drei Prozent geben an, dass sie unzufrieden sind. „Das sind Zufriedenheitswerte, die in der Gesundheitsversorgung ihresgleichen suchen“, erklärt Munz.

Psychotherapeutische Sprechstunden und probatorische Sitzungen sind gerade dafür da, dass Patient*in und Psychotherapeut*in gemeinsam prüfen, ob die Chemie stimmt. Dies ist für den Erfolg einer Behandlung entscheidend. Eine vertrauensvolle Beziehung ist sehr wichtig, weil in einer Psychotherapie häufig schmerzhafte oder schambesetzte Erlebnisse und Erinnerungen besprochen werden müssen. „Deshalb haben Patient*innen auch die Möglichkeit, erste Gespräche bei verschiedenen Psychotherapeut*innen durchzuführen“, erläutert der BPtK-Präsident. „Die Möglichkeit, verschiedene Psychotherapeut*innen auszuprobieren, ist eine wichtige Grundlage für die Qualität der psychotherapeutischen Behandlung.“

Psychisch Kranke warten 142 Tage auf eine Psychotherapie

BPtK zur Befragung des GKV-Spitzenverbandes

(BPtK) Lange Wartezeiten auf den Beginn einer Psychotherapie sind für viele Patient*innen eine tagtägliche Realität. Die durchschnittliche Wartezeit vom Erstgespräch bis zum Therapiebeginn beträgt durchschnittlich 142,4 Tage. Das zeigen die objektiven Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu allen gesetzlich Krankenversicherten, die im 1. Quartal 2019 ihr Erstgespräch erhalten haben. Vierzig Prozent der Patient*innen, die im 1. Quartal ihr Erstgespräch hatten, konnten ihre Therapie frühestens im 3. Quartal 2019 beginnen, mehr als 10 Prozent sogar erst ein ganzes Jahr später (siehe Abbildung). „Die Daten des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) sind schlichtweg falsch“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

„Die Zeit vom Erstgespräch bis zum Therapiebeginn kann schon theoretisch nicht nur wenige Tage betragen, wie der GKV-SV behauptet“, erläutert BPtK-Präsident Munz. Durchschnittlich werden mit einer Patient*in zwei Sprechstundentermine durchgeführt, danach folgen mindestens zwei probatorische Sitzungen mit der Patient*in, ehe nach Antragstellung und Genehmigung durch die Krankenkasse eine Therapie begonnen werden kann. Bei Anträgen auf Kurzzeittherapie müssen die Krankenkassen innerhalb von drei Wochen über die Bewilligung entscheiden, bei der Langzeittherapie haben sie sogar bis zu fünf Wochen Zeit. „Der GKV-SV veröffentlicht hier Daten, von denen er wissen muss, dass sie nicht stimmen können“, stellt Munz fest.

Darüber hinaus ist die Datenbasis der Krankenkassen-Befragung viel zu klein. Weniger als ein Prozent der gesetzlich Krankenversicherten beginnt innerhalb eines Jahres eine psychotherapeutische Behandlung. Bei einer repräsentativen Befragung von 2.240 gesetzlich Versicherten wäre das lediglich bis zu 20 Patient*innen, die im letzten Jahr eine Psychotherapie begonnen haben. Eine solche Datenbasis erlaubt keine verlässlichen Aussagen.

Auch an anderen Stellen wird deutlich, dass es dem GKV-SV um Desinformation geht. So warten angeblich knapp 80 Prozent der Patient*innen, die eine Behandlung erhalten haben, weniger als vier Wochen auf ihr Erstgespräch. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, hat der GKV-SV aber die Zeit von der Terminvereinbarung bis zum Erstgespräch erheben lassen. Die lange Wartezeit der Patient*innen liegt jedoch schon vor der Terminvereinbarung. Die entscheidende Frage lautete: Wie lange dauert es von der ersten Anfrage bei einer Psychotherapeut*in bis zum ersten Gespräch in der Sprechstunde? Weil Psychotherapeut*innen häufig für längere Zeit keinen freien Therapieplatz haben, arbeiten sie mit Wartelisten. Wenn nach Monaten ein Therapieplatz frei wird, die Patient*innen auf der Liste nach oben gerutscht sind, meldet sich die Psychotherapeut*in bei der Patient*in, um einen Termin für ein Erstgespräch auszumachen. Dann beträgt der Zeitraum zwischen Terminvereinbarung und Erstgespräch vielleicht nur Tage, die reale Wartezeit aber mehrere Wochen.

Starke Interessenvertretung aller Psychotherapeut*innen

Diotima-Ehrenpreis 2022 an Dr. Christina Tophoven

(BPtK) Dr. Christina Tophoven erhält heute den Diotima-Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ehrt damit in diesem Jahr ihre langjährige Geschäftsführerin für ihr Engagement beim Aufbau und der Etablierung der Bundespsychotherapeutenkammer als starke Interessenvertretung aller Psychotherapeut*innen. Ihr besonderer Fokus galt dabei stets einer besseren Versorgung psychisch kranker Menschen.

„Mit der engagierten Unterstützung des Vorstands und der Leitung der Geschäftsstelle durch Dr. Christina Tophoven ist es gelungen, die Bundespsychotherapeutenkammer zu einer zentralen Stimme der Profession in der Berliner Gesundheitspolitik zu machen“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz in seiner Laudatio fest. Für sie sei es dabei immer handlungsleitend gewesen, die Bundespsychotherapeutenkammer zu einem Ansprechpartner aller zu machen, die sich um eine gleichwertige Versorgung von körperlich und psychisch kranken Menschen einsetzen. „Dabei ging es ihr stets um eine längerfristige Strategie und auch um die Kommunikation gesundheitspolitischer Erfordernisse in die Profession“, erklärt BPtK-Präsident Munz. „Frau Dr. Tophoven setzte immer wieder wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Versorgung psychisch kranker Menschen und bewies auch immer wieder Geschick in der Beratung des Vorstandes, die Profession im Haifischbecken der Berliner Gesundheitspolitik durchzusetzen. Wir sind ihr außerordentlich dankbar, für die herausragende Arbeit, die sie zusammen mit ihrem Team in all den Jahren geleistet hat.“

Die Bundespsychotherapeutenkammer wurde im Jahr 2003 gegründet. Zum 1. Januar 2004 nahm die Geschäftsstelle der Bundespsychotherapeutenkammer unter der Leitung von Dr. Christina Tophoven ihre Arbeit auf. Über fast zwei Jahrzehnte prägte sie in ihrer Funktion als Geschäftsführerin die Entwicklung der Bundespsychotherapeutenkammer als selbstbewusste Stimme aller Psychotherapeut*innen für eine bessere Versorgung psychisch kranker Menschen.

Der Diotima-Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft wird einmal im Jahr an Personen oder Organisationen verliehen, die sich in besonderem Maß um die Versorgung psychisch kranker Menschen verdient gemacht haben. Der Preis ist nach Diotima aus Mantinea benannt, einer mythischen Priesterin der Antike. Sie gilt als Lehrerin des Sokrates, die ihn dazu inspirierte, als erster Philosoph die Seele des Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens und Lehrens zu stellen.

Stationäre Weiterbildung von Psychotherapeut*innen fördern

BPtK zur heutigen Anhörung des Krankenhaus-Pflegeentlastungsgesetzes

(BPtK) Der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) ist unverständlich, warum die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung zur Finanzierung der stationären Weiterbildung von Psychotherapeut*innen nicht aufgreift. „Ohne eine geregelte Finanzierung wird es keine ausreichenden Stellen für Psychotherapeut*innen in Weiterbildung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken geben“, warnt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Die Kliniken konnten bisher die psychotherapeutische Versorgung ihrer Patient*innen nur sicherstellen, indem sie Psychotherapeut*innen in Ausbildung als Praktikant*innen beschäftigten. Die künftigen Psychotherapeut*innen in Weiterbildung haben jedoch Anspruch auf einen Tariflohn, der ihrer Qualifikation als approbierte Behandler*innen entspricht. Die Kliniken müssen jetzt wissen, wie sie diese Stellen refinanzieren können.“

Die Bundesregierung hat eine finanzielle Förderung der stationären Weiterbildung von Psychotherapeut*innen in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Krankenhaus-Pflegeentlastungsgesetzes abgelehnt (BT-Drs. 20/4232). Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages berät heute den Gesetzentwurf in einer öffentlichen Anhörung.

„Wenn die bestehenden Versorgungskapazitäten der Psychotherapeut*innen in Ausbildung nicht umfassend durch Psychotherapeut*innen in Weiterbildung ersetzt werden können, kann die psychotherapeutische Versorgung der Patient*innen in den Kliniken künftig nicht mehr sichergestellt werden“, betont BPtK-Präsident Munz. „Zur Absicherung der zusätzlichen Personalkosten ist eine Ergänzung im Pflegesatzrecht notwendig, die jetzt mit dem Krankenhaus-Pflegeentlastungsgesetz auf den Weg gebracht werden muss.“

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Cannabis-Legalisierung richtig, Gesundheitsschutz noch stärken

BPtK begrüßt Eckpunkte des Bundesgesundheitsministeriums

(BPtK) Cannabis ist nicht harmlos: Es kann, anders als früher angenommen, auch körperlich abhängig machen und birgt insbesondere das Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Die bisherige Verbotspolitik ist jedoch gescheitert. Mehr als jede vierte Deutsche* hat schon mindestens einmal im Leben Cannabis als Rauschmittel genutzt. Jede zweite junge Erwachsene* (46,4 %) und jede zehnte Jugendliche* (10,4 %) hat dieses Rauschmittel schon einmal ausprobiert. Der Gebrauch von Cannabis nimmt seit Jahrzehnten zu – trotz Verbot und Strafen. Deshalb begrüßt die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) die Eckpunkte des Bundesgesundheitsministeriums, nach denen Cannabisgebrauch ab dem 18. Lebensjahr legalisiert wird.

„Ein legaler Verkauf ist besser als ein unkontrollierter Schwarzmarkt und ermöglicht erst einen ausreichenden Gesundheits- und Jugendschutz“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Insbesondere ist ein Mindestalter von 18 Jahren unbedingt notwendig.“ Eine legale Abgabe von 20 bis 30 Gramm stellt einen guten Kompromiss dar, und verleitet nicht zum exzessiven Konsum. Ein Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen wird schwer zu kontrollieren sein. Eine Höchstgrenze für den THC-Gehalt, der stärksten psychoaktiven Substanz des Cannabis, ist notwendig. Ein Verbot synthetischer Cannabinoide ist sehr wichtig, da hier die Gesundheitsgefahren am größten sind. Ein Verbot von mit THC-versetzten Nahrungsmitteln muss gesetzlich geregelt werden. Die Erfahrungen aus USA und Kanada zeigen, dass es zum Beispiel durch THC-Gummibärchen vermehrt zu versehentlichen Vergiftungen und Cannabisnotfällen kommen kann.

BPtK: Gesundheitsschutz weiter stärken

Die BPtK plädiert aber dafür, den Gesundheitsschutz noch weiter zu stärken. Dazu gehören:

  • Aufklärungs- und Anti-Stigma-Kampagnen zu Suchterkrankungen,
  • verpflichtende Aufklärungsprogramme zu Drogen an Schulen ab der sechsten Jahrgangsstufe,
  • Screening zur besseren Früherkennung von Drogenmissbrauch,
  • Suchtberatung als verpflichtendes Leistungsangebot der Kommunen,
  • ambulante Psychotherapie bei Suchterkrankungen ohne Einschränkungen ermöglichen,
  • Rehabilitationseinrichtungen zur Behandlung von Suchterkrankungen besser finanzieren,
  • spezielle Behandlungsangebote für suchtkranke Kinder und Jugendliche schaffen,
  • Therapie- und Versorgungsforschung bei Suchterkrankungen ausbauen.

Reform abgewürgt – Selbst kleinste Verbesserungen zu viel

BPtK kritisiert G-BA-Beschluss zur PPP-Richtlinie

(BPtK) Die psychotherapeutische Versorgung in psychiatrischen Kliniken bleibt noch jahrelang mangelhaft. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat auch minimale Verbesserungen in der Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-Richtlinie) verweigert. „Selbst zehn Minuten mehr Psychotherapie pro Wochentag waren dem G-BA des Guten zu viel“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Damit hat der G-BA erneut eine dringend notwendige Reform der psychiatrischen Kliniken abgewürgt. Er ignoriert zum wiederholten Mal den ausdrücklichen Auftrag des Gesetzgebers, die psychotherapeutische Behandlung in den psychiatrischen Krankenhäusern zu verbessern.“ Die BPtK fordert deshalb das Bundesgesundheitsministerium auf, den G-BA-Beschluss zu beanstanden.

Der Gesetzgeber hatte bereits 2019 eine Reform angemahnt. Aber erst nach einer Präzisierung des Auftrags 2020 hatte der G-BA überhaupt angefangen zu beraten. Patientenvertretung im G-BA, Bundesärztekammer und BPtK hatten jetzt gemeinsam gefordert, dass Patient*innen künftig in psychiatrischen Krankenhäusern in der Regelbehandlung zehn Minuten mehr Psychotherapie pro Wochentag erhalten. Aktuell können Patent*innen maximal 50 Minuten Psychotherapie pro Woche erhalten. So viel bekommen sie allerdings meist bereits in einer ambulanten Behandlung. Aufgrund der Schwere der psychischen Erkrankungen reicht diese Menge an Psychotherapie in psychiatrischen Kliniken jedoch nicht aus (ausführlich siehe: BPtK-Standpunkt Psychiatrie).

Der G-BA will die Reform noch einmal um mindestens drei Jahre hinausschieben und die Ergebnisse weiterer Studien abwarten. Dabei war der G-BA bereits 2015 selbst zu dem Schluss gekommen, dass die Personalstandards für eine leitliniengerechte Behandlung nur auf der Basis von Expertenmeinungen festgelegt werden können. Nach breitem Expertenkonsens ist eine Verbesserung der Personalstandards längst überfällig. Weitere Studien können nur Daten dazu liefern, wie viel Personal in den Kliniken bereits eingesetzt wird oder wie viel Psychotherapie die Patient*innen erhalten, nicht aber, wie viel Personal notwendig ist, um nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu behandeln.

Straftäter*innen trotz fehlender Deutschkenntnisse behandeln

BPtK zum Entwurf des Sanktionenrechts-Überarbeitungsgesetzes

(BPtK) Im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts plant die Bundesregierung, Straftäter*innen bei fehlenden Deutschkenntnissen eine Suchtbehandlung zu verweigern. Unzureichende Sprachkenntnisse stünden dem Erfolg einer Behandlung entgegen und für den Einsatz von Sprachmittler*innen seien forensische Kliniken nicht geeignet.

„Suchterkrankungen sind schwere, häufig chronisch verlaufende psychische Erkrankungen, die dringend behandlungsbedürftig sind“, betont Dr. Dietrich Munz, Präsident Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Menschen eine Unterbringung in Entziehungsanstalten zu verwehren, weil sie die deutsche Sprache nicht sprechen, ist menschenverachtend und diskriminierend“, so Munz weiter.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Sprachmittlung bei notwendigen medizinischen Behandlungen gesetzlich verankert werden soll. Das muss auch für die Behandlung von Straftäter*innen mit Suchterkrankungen gelten.

Mit qualifizierten Sprachmittler*innen ist Psychotherapie auch bei mangelnden Deutschkenntnissen möglich und praktisch erprobt sowohl im Einzel- als auch im Gruppensetting. Mangelnde Sprachkenntnisse sind daher kein Argument dafür, suchtkranken Menschen eine notwendige Behandlung zu verweigern. Erst kürzlich hat die BPtK gemeinsam mit anderen Organisationen der psychotherapeutischen, psychiatrischen und psychosozialen Versorgung in einem Positionspapier gezeigt, dass Sprachmittlung Behandlungen ermöglicht und eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung werden sollte.

Verschlechterungen für psychisch kranke Menschen abwenden

BPtK setzt sich für Erhalt der Neupatientenregelung ein

(BPtK) Die bessere Vergütung für die Behandlung von Patient*innen, die eine Praxis zum ersten Mal oder nach längerer Unterbrechung erneut aufsuchen, hat es auch für psychisch kranke Menschen oft leichter gemacht, einen Termin bei einer Fachärzt*in zu finden. Zur Deckung der Finanzierungslücken in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) plant die Bundesregierung mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz nun die Abschaffung der Neupatientenregelung.

„Psychisch kranke Menschen haben von der Neupatientenregelung profitiert. So konnten sie parallel zur Psychotherapie anstehende Termine zum Beispiel bei Psychiater*innen oder zur somatischen Abklärung schneller erhalten“, erläutert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Der Wegfall der Neupatientenregelung gefährdet die notwendige und politisch gewünschte multiprofessionelle Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Mittel- und langfristig kann dies zu vermeidbaren Krankenhausaufenthalten und längeren Krankschreibungen führen und damit sogar zu Mehrausgaben.“

„Die BPtK fordert von der Bundesregierung, die Finanzierungslücke in der GKV dauerhaft zu schließen, ohne die Versorgung zu verschlechtern.“ Notwendig und sachgerecht ist es, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel abzusenken und kostendeckende Beiträge für ALG-II-Empfänger*innen an die GKV zu zahlen”, betont BPtK Präsident Munz. Die BPtK unterstützt die Initiative der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Erhalt der Neupatientenregelung.