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Grundlegendes Reformprojekt für schwer psychisch Erkrankte gelungen

G-BA schafft neue ambulante Komplexversorgung

(BPtK) „Eines der großen Reformprojekte für schwer psychisch kranke Menschen dieser Legislaturperiode ist kurz vor ihrem Ende noch gelungen“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), angesichts der gestrigen Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Komplexversorgung fest. „Der Gemeinsame Bundesausschuss schafft damit die Grundlage für tragfähige ambulante Netzwerke für schwer psychisch kranke Menschen, mit denen Krisen aufgefangen und Krankenhauseinweisungen vermieden werden können.“

„Künftig kann dadurch den oft chronisch kranken Patient*innen mit wiederkehrenden psychischen Krisen ein intensivtherapeutisches Angebot gemacht werden. Durch Koordination, Multiprofessionalität und kontinuierliche Unterstützung und Behandlung der Patient*innen kann die ambulante Versorgung schwer psychisch kranken Menschen zu einem stabileren und selbstständigeren Leben verhelfen. Die Initiative des Gesetzgebers war ein ganz wichtiger Schritt, ein jahrzehntealtes Strukturdefizit zu beheben.“

In diesen Netzen können Patient*innen eine Psychotherapeut*in oder Ärzt*in als zentrale Ansprechpartner*in wählen, die für sie die gesamte Behandlung plant („Bezugspsychotherapeut*in, -ärzt*in“). Sie sorgen dafür, dass alle Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, häusliche psychiatrische Krankenpflege, Soziotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen und auch Krankenhäuser koordiniert zusammenarbeiten. Auch weitere Unterstützungsangebote wie Eingliederungshilfe, psychosoziale Beratungsstellen und sozialpsychiatrische Dienste können einbezogen werden.

Raster-Psychotherapie „abgeräumt“

Jens Spahn zieht zurück

(BPtK) „Es ist sachlich die einzig richtige Entscheidung, den geplanten Änderungsantrag zur Raster-Psychotherapie zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) ersatzlos zu streichen“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), zur Entscheidung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, diesen Änderungsantrag zurückzuziehen. „Weiterhin bleibt es aber dringend erforderlich, in ländlichen und strukturschwachen Gebieten die Anzahl der zugelassenen psychotherapeutischen Praxen und damit die Behandlungsmöglichkeiten für psychisch kranke Menschen zu erhöhen.“

Bärbel Bas, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, hatte gestern über die Absprachen innerhalb der Regierungskoalition zum GVWG berichtet. Der Vorschlag des Bundesgesundheitsministers zur Raster-Psychotherapie sei als nicht zielführend „abgeräumt“ worden. Rund 40 Prozent der psychisch kranken Menschen warten mindestens drei bis neun Monate auf den Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung. „Der Versuch, angesichts solch massiver Mängel in der Versorgung, das Angebot an ambulanter Psychotherapie durch holzschnittartige Vorschriften beschneiden zu wollen, war grotesk und hat auch zu einem berechtigten Protest vieler Patient*innen und Psychotherapeut*innen geführt“, stellt BPtK-Präsident Munz fest (Instagram #gesichtgegenrasterpsychotherapie; Twitter #RasterPsychotherapie #keinerasterpsychotherapie).

„Es ist wichtig, zu beruhigen und Hilfe anzubieten“

BPtK-Empfehlungen: Erste Hilfe für Menschen in schweren psychischen Notsituationen

(BPtK) Psychische Hochs und Tiefs kennt fast jede*. Auch psychische Erkrankungen sind häufig. Mehr als jede vierte Erwachsene* in Deutschland (27,8 Prozent) ist jedes Jahr an einer psychischen Störung erkrankt. Im Laufe eines Lebens erkrankt fast jede zweite Deutsche* an einer psychischen Störung (42,6 Prozent). Rund ein bis zwei Prozent der deutschen Bevölkerung ist schwer psychisch krank. Das sind zum Beispiel häufig psychotisch kranke Menschen. Sie können in Krisen unter außerordentlichen Ängsten leiden oder den Kontakt zur Realität verlieren. Psychotisch kranke Menschen können sich dann bedroht und verfolgt fühlen und sind in einem seelischen Notzustand. Es ist dann sehr wichtig, sie zu beruhigen und Hilfe anzubieten.

„Die allermeisten Menschen mit psychischen Erkrankungen sind friedfertig“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fest. „Entscheidend ist, auf Menschen in psychischen Notlagen richtig zu reagieren.“ Erste Hilfe ist auch bei schweren psychischen Notsituationen möglich. Insbesondere Polizei und Einsatzkräfte sollten in der richtigen Gesprächsführung mit psychisch kranken Menschen geschult sein. Psychosoziale Krisendienste können Familien, die nicht mehr allein zurechtkommen, schnell und qualifiziert helfen. Aber auch jede einzelne Bürger*in kann durch richtiges Verhalten dazu beitragen, dass Menschen in psychischen Notlagen Hilfe bekommen und Krisensituationen nicht eskalieren.

Erste-Hilfe-Empfehlungen für Menschen in schweren psychischen Notsituationen

Die Bundespsychotherapeutenkammer empfiehlt folgende Regeln, um Menschen in schweren psychischen Krisen, insbesondere mit Angst- und Wahnvorstellungen, unmittelbar zu unterstützen.

Professionelle Hilfe rufen

  • Wenn Sie den Eindruck haben, dass die Person sich selbst oder andere gefährdet, rufen Sie die Polizei oder den Rettungsdienst an – oder noch besser einen psychosozialen Krisendienst. Nicht in jeder Region gibt es einen Krisendienst. Sie können dies aber herausfinden, indem sie den Namen der Stadt zusammen mit dem Stichwort „Krisendienst“ googeln. Schildern Sie, dass eine Person aufgrund einer psychischen Notlage dringend Hilfe braucht. Fragen Sie bei der Polizei nach Beamt*innen, die mit Menschen in psychischen Notlagen Erfahrung haben.

Vorsichtig ein Gespräch anbieten, abwarten und beruhigen

  • Überlegen Sie, ob eine Kontaktaufnahme möglich ist. Bedenken Sie, dass die Person sich möglicherweise bedroht oder verfolgt fühlt und deshalb auch eine Annäherung als Bedrohung erleben kann.

  • Wenn Ihnen die Situation nicht geheuer ist, halten Sie Abstand und warten ab, bis professionelle Hilfe da ist.

  • Nähern Sie sich nicht, ohne zu fragen, ob dies der Person recht ist. Reagiert Ihr Gegenüber verängstigt oder aggressiv, ziehen Sie sich wieder zurück. Verstellen Sie der Person keine „Fluchtwege“, zum Beispiel Ausgänge. Auch das könnte sie als Bedrohung erleben.

  • Drängen Sie nicht. Lassen Sie Ihrem Gegenüber Zeit, sich zu beruhigen und zu antworten. Allein Ihre Anwesenheit kann beruhigen.

  • Wenn andere Menschen da sind, sorgen Sie dafür, dass immer nur eine Person spricht. Kreisen Sie die Person nicht ein.

  • Erkundigen Sie sich, ob Sie Familie, Freund*innen oder eine behandelnde Ärzt*in oder Psychotherapeut*in benachrichtigen können. Warten Sie ab, ob Ihr Gegenüber Hilfe annehmen kann. Hilfe zu holen, ist das Beste, was Sie tun können.

  • Wenn die Person Ihnen Dinge schildert, dass sie zum Beispiel von Außerirdischen verfolgt wird, eine große Katastrophe droht oder sie „Jesus Christus“ ist, nehmen Sie die Schilderungen ernst. Solche bizarren oder ungewöhnlichen Vorstellungen sind für die Person real. Versuchen Sie, die Person nicht zu beruhigen, indem Sie sagen, dass Sie gar keine Außerirdischen sehen können. Hören Sie einfach zu. Bieten Sie an, bei ihr zu bleiben, bis Hilfe kommt. Lassen Sie zu, wenn sich die Person zurückzieht.

  • Lenken Sie das Gespräch auf andere Themen. Fragen Sie zum Beispiel nach, ob Ihr Gegenüber Durst hat oder etwas trinken möchte.

  • Bewegen Sie sich nicht plötzlich oder schnell. Kündigen Sie an, was Sie machen. Fragen Sie zum Beispiel nach, ob es in Ordnung ist, wenn Sie jetzt versuchen, Angehörige anzurufen.

  • Gefährden Sie sich nicht selbst. Sorgen Sie stets für Ihre eigene Sicherheit oder die Sicherheit anderer in der Situation. Achten Sie darauf, dass auch Ihnen ein Fluchtweg bleibt.

Pressehintergrund: Psychische Erkrankungen und Gewalt

Es ist sehr viel wahrscheinlicher, von einem psychisch gesunden als von einem psychisch kranken Menschen verletzt zu werden. Das allgemeine Risiko in Deutschland, durch ein Gewaltverbrechen zu sterben, lag im Jahr 2019 bei ungefähr eins zu 160.000. Das Risiko, durch die Gewalttat eines psychisch kranken Menschen zu sterben, liegt dagegen nur bei etwa eins zu eineinhalb Millionen und ist damit verschwindend gering.

„Bei der Berichterstattung über einzelne psychisch kranke Gewalttäter*innen entsteht schnell der Eindruck, dass alle psychisch kranken Menschen gefährlich sind“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Dies führt aber dazu, dass insbesondere schwer psychisch kranke Menschen scheuen, sich Hilfe bei Psychotherapeut*innen oder Ärzt*innen zu suchen, weil sie befürchten, sonst für Gewalttäter*innen oder, wie es eine Patientin formulierte, für ‚Monster‘ gehalten zu werden. Der wirksamste Schutz vor Gewalt ist aber das frühe Erkennen und Behandeln von schweren psychischen Erkrankungen. Eine rechtzeitige und ausreichende Behandlung senkt das Gewaltrisiko drastisch.“ Die BPtK hat deshalb einen Pressehintergrund „Psychische Erkrankungen und Gewalt“ zusammengestellt. Damit lassen sich insbesondere die Risiken besser einschätzen, die psychisch kranke Menschen für andere darstellen.

Keine Raster-Behandlung in der Psychotherapie

BPtK lehnt geplante Eingriffe in die Therapiehoheit im GVWG ab

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer kritisiert scharf die geplanten Eingriffe in die Therapiehoheit in der Psychotherapie. An die Stelle von individueller Diagnose und Behandlung soll künftig in der Psychotherapie eine Versorgung nach groben Rastern treten, die festlegen, wie lange eine Patient*in je nach Erkrankung behandelt werden darf. „Das ist holzschnittartige Psychotherapie, oberflächlich und lückenhaft“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die geplanten Eingriffe in die Therapieentscheidungen von Psychotherapeut*innen, die in letzter Minute in das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) eingefügt wurden. Danach soll der Gemeinsame Bundesausschuss prüfen, wie die psychotherapeutische Versorgung „schweregradorientiert und bedarfsgerecht“ mit bürokratischen Vorschriften beschnitten werden kann. Der Gesundheitsausschuss im Deutschen Bundestag berät am 19. Mai 2021 abschließend über das GVWG und die Änderungsanträge.

„Solche Raster-Psychotherapie ist das Ende qualitativ hochwertiger und an der einzelnen Patient*in orientierte Versorgung. Es ist zu befürchten, dass künftig mit einem rigiden Raster festlegt wird, wie schwer Patient*innen erkrankt sein müssen, um eine Behandlung zu erhalten und wie viele Therapiestunden ihnen zustehen. Ob, wie intensiv und wie lange eine Behandlung erforderlich ist, müssen Psychotherapeut*innen aber nach sorgfältiger Diagnostik und unter Berücksichtigung des bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlaufs gemeinsam mit ihren Patient*innen festlegen“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Gesundheitspolitik gegen psychisch kranke Menschen in letzter Minute in ein Gesetz einzufügen, das bereits im Bundestag und Gesundheitsausschuss beraten wurde, zeugt außerdem von einem zweifelhaften Verständnis demokratischer Prozesse.

Psychotherapeutische Akutbehandlung künftig per Video möglich

Bundestag beschließt notwendige Flexibilität in akuten Krisen

(BPtK) Psychotherapeut*innen können künftig Behandlungen in akuten Krisen auch per Video anbieten. Das hat der Deutschen Bundestag heute in der 2./3. Lesung des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) beschlossen. „Damit hat der Gesetzgeber eine unverständliche Beschränkung für schnelle und flexible Hilfe in akuten psychischen Notlagen beseitigt“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Gerade Menschen, die kurzfristig professionelle Unterstützung benötigen, damit sie nicht ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen, kann künftig auch per Videogespräch geholfen werden.“

Die Akutbehandlung besteht aus bis zu 24 Gesprächseinheiten à 25 Minuten. Ein einzelner Behandlungstermin kann aus mehreren solcher Einheiten bestehen, zum Beispiel viermal 25 Minuten. Die Akutbehandlung muss nicht bei der Krankenkasse beantragt werden.

BPtK-Standpunkt Psychiatrie „Mehr Zeit für Psychotherapie“

BPtK fordert substanzielle Verbesserungen in der Psychiatrie

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert substanzielle Veränderungen in den psychiatrischen Krankenhäusern. „Die Behandlung in psychiatrischen Krankenhäusern ist zu häufig nicht leitliniengerecht“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. „In psychiatrischen Kliniken werden Patient*innen zu oft einseitig pharmakologisch behandelt. Psychotherapie kommt zu häufig zu kurz, ist nicht ausreichend dosiert, fällt nicht selten aus und wird nicht spezifisch nach psychischer Erkrankung eingesetzt.“

Die BPtK fordert deshalb in ihrem Standpunkt „Psychiatrie – Mehr Zeit für Psychotherapie“ eine grundlegende Verbesserung der Behandlung in den psychiatrischen Krankenhäusern. Die Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-Richtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sollte dies sicherstellen. Die Behandlung von schwer psychisch kranken Menschen in psychiatrischen Krankenhäusern hat sich damit aber kaum verbessert. Die PPP-Richtlinie übernahm mit wenigen Änderungen die alten Vorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung, die noch auf den pharmako-orientierten Therapiekonzepten der 1980er-Jahre beruhen.

Auch der Gesetzgeber hielt die PPP-Richtlinie nicht für ausreichend. Er hat den G-BA beauftragt, sie bis zum 1. Januar 2022 um Mindestvorgaben für Psychotherapeut*innen zu ergänzen. Denn Patient*innen haben ein Anrecht auf eine wirksame Behandlung nach dem allgemein anerkannten wissenschaftlichen Stand (§ 2 Absatz 1 SGB V). Hierzu gehört insbesondere auch Psychotherapie, ausreichend dosiert und spezifisch je nach psychischer Erkrankung eingesetzt. Krankenkassen müssen den Krankenhäusern das dafür notwendige Personal finanzieren. Die Kassen sollten im Gegenzug kontrollieren dürfen, ob die Mittel tatsächlich dafür eingesetzt wurden.

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Politik für Menschen mit psychischen Erkrankungen 2021 bis 2025

BPtK-Wahlprüfsteine für die Gesundheitspolitik

(BPtK) Die Rolle der Psychotherapeut*innen als zentrale Ansprechpartner*innen für Menschen mit psychischen Erkrankungen muss weiter gestärkt werden. Sie ist unverzichtbar, insbesondere um die Behandlung von schweren und chronischen psychischen Erkrankungen mit Patient*innen abzustimmen und mit anderen Professionen zu koordinieren. Das fordert die Bundespsychotherapeutenkammer in ihren Wahlprüfsteinen für die Gesundheitspolitik 2021 bis 2025.

Der direkte Weg zur Psychotherapeut*in hat sich als essenziell für eine frühzeitige Diagnose und rechtzeitige Versorgung erwiesen. Eine rechtzeitige Behandlung von psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter beugt psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter vor. Sie sichert eine gesunde schulische und berufliche Entwicklung sowie später die Arbeitsfähigkeit und soziale Teilhabe der Menschen. Körperliche und psychische Gesundheit bedingen einander.

Die Psychotherapeut*innen fordern insbesondere ausreichend Behandlungsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen. In Deutschland bestehen immer noch erhebliche soziale und regionale Unterschiede in der psychotherapeutischen Versorgung. Menschen in sozial schwierigen Lebenslagen und strukturschwachen Gebieten, Kinder und Jugendliche sowie ältere und pflegebedürftige Menschen brauchen mehr Behandlungsangebote. Die unzureichende Versorgung dieser Menschen darf kein Grund mehr sein, dass diese ihre Lebenschancen nicht nutzen können.

Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeut*innen beschlossen

Spezialisierung nach dem Studium für alle Facetten des Berufes

(BPtK) Der 38. Deutsche Psychotherapeutentag hat mit großer Mehrheit eine Muster-Weiterbildungsordnung für Psychotherapeut*innen beschlossen. „Mit diesem wegweisenden Beschluss nimmt die zweite Säule der im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Reform der Psychotherapeutenausbildung Gestalt an“, erläutert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zur Reform des Psychotherapeutengesetzes auf dem 38. Deutschen Psychotherapeutentag:

„Durch das Gesetz und die Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist die Ausbildung künftig breit und modern aufgestellt. Das universitäre Masterstudium trägt dazu bei, dass der Nachwuchs beständig auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse gebracht werden kann. Hinzu kommt für die Absolventinnen und Absolventen die Ausrichtung ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit auf eine bestimmte Altersgruppe und außerdem ihre fachliche Spezialisierung durch Weiterbildung auf Grundlage eines wissenschaftlich geprüften und anerkannten Verfahrens.“

Absolvent*innen des neuen Studiengangs können sich nach Studium und Approbation in einer mindestens fünfjährigen Weiterbildung zu Fachpsychotherapeut*innen qualifizieren. Dabei können sie sich für die Versorgung in den Gebieten Kinder und Jugendliche, Erwachsene oder Neuropsychologische Psychotherapie spezialisieren. Diese Weiterbildung ist künftig die Voraussetzung, um Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln. „Wer mit der Weiterbildung beginnt, ist approbierte Psychotherapeut*in und hat einen Anspruch auf ein angemessenes Gehalt in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“, stellt Munz fest.

Die Musterordnung stellt sicher, dass Fachpsychotherapeut*innen für alle Facetten des Berufes qualifiziert werden. Dabei sind mindestens zwei Jahre Weiterbildung in einem Krankenhaus und mindestens zwei Jahre in einer Ambulanz oder Praxis zu absolvieren. „Die Weiterbildung ist ein weiterer Beitrag dazu, die psychotherapeutische Versorgung im stationären Bereich qualitativ und quantitativ zu verbessern“, bewertete der BPtK-Präsident die Neuerung. Darüber hinaus ist auch eine Qualifizierung für psychotherapeutische Tätigkeiten in institutionellen Bereichen wie der Jugendhilfe oder somatischen Rehabilitation möglich.

Die Muster-Weiterbildungsordnung berücksichtigt die modernen Anforderungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Wir wollen, dass Weiterbildung in Teilzeit nicht länger als Ausnahme bestenfalls toleriert wird“, stellt Munz fest. „Unsere neue Weiterbildung ist sowohl in Vollzeit- als auch in Teilzeit möglich.“

Mit dem Beschluss des Deutschen Psychotherapeutentags ist der Startschuss für die weitere Umsetzung der Weiterbildung gefallen. Parallel werden bis zum Herbst noch die Details zur Weiterbildung in den Psychotherapieverfahren erarbeitet. Spätestens Ende 2022 wird es erste Absolvent*innen der neuen Studiengänge geben. Bis dahin müssen die Psychotherapeutenkammern die ersten Weiterbildungsstätten anerkannt haben.

Keine Zwangs-Psychotherapie bei Transsexuellen

BPtK fordert Rücknahme der Krankenkassen-Richtlinie

(BPtK) Transsexuelle Menschen sollen sich grundsätzlich psychotherapeutisch behandeln lassen, wenn sie ihren Körper z. B. durch eine Operation an ihr empfundenes Geschlecht angleichen wollen. Das sieht eine neue Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes vor. Der Medizinische Dienst soll einer Geschlechtsangleichung bei Transsexuellen nur zustimmen, wenn sie sich vorher mindestens sechs Monate und mindestens zwölf Sitzungen à 50 Minuten psychotherapeutisch behandeln lassen.

„Menschen mit der Selbsteinschätzung, im falschen Körper zu leben, grundsätzlich als psychisch krank zu betrachten und sie zu einer psychotherapeutischen Behandlung zu zwingen, ist fachlich unverantwortlich und diskriminierend“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Die neue Krankenkassen-Richtlinie widerspricht wesentlichen wissenschaftlichen Empfehlungen zur Beratung und Behandlung von transsexuellen Menschen. Sie verletzt deren Recht auf Selbstbestimmung und den Grundsatz partizipativer Entscheidung vor einer Behandlung.“ Die BPtK fordert deshalb, dass der GKV-Spitzenverband seine Begutachtungsanleitung „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus“ zurückzieht und neu mit wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Vertreter*innen der Transsexuellen berät.

Die Entwicklung einer Geschlechtsidentität ist ein komplexer Prozess. Bei manchen Menschen stimmen die Ausprägung körperlicher Merkmale und das empfundene Geschlecht nicht überein. Bei ihnen kann das Gefühl entstehen, im falschen Körper zu leben. Wie sie diesen Widerspruch erleben und ob sie darunter leiden, ist sehr verschieden. Die Unterstützung durch Eltern und auch die Beratung durch Psychotherapeut*innen ist dabei wichtig. Einige Menschen entwickeln eine Akzeptanz des eigenen Körpers, andere aber leiden schwer unter der Diskrepanz zwischen körperlichen Merkmalen und empfundenem Geschlecht. Sie entscheiden sich manchmal für eine geschlechtsangleichende Behandlung, z. B. eine Hormontherapie oder eine Operation an Penis oder Vagina.

Ambulante Komplexversorgung für Kinder und Jugendliche überfällig

BPtK fordert Frist im GVWG

(BPtK) Schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche brauchen ein intensiv-ambulantes Versorgungsangebot. Mindestens 100.000 Kinder und Jugendliche sind so schwer krank, dass sie neben einer psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung zusätzliche spezielle Hilfen und Unterstützungsangebote benötigen. Der Gesetzgeber hat 2019 beschlossen, ein intensiv-ambulantes, multiprofessionelles Versorgungsangebot zu schaffen, das von Psychotherapeut*innen oder Psychiater*innen koordiniert wird. Damit die Komplexversorgung auch für schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche zügig erarbeitet wird, muss im Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) eine Frist bis zum 30. Juni 2022 gesetzt werden.

„Die ambulante Komplexversorgung für Kinder und Jugendliche ist überfällig. Schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche brauchen endlich ein ambulantes Versorgungsangebot, das auf ihre spezifischen Versorgungsbedürfnisse zugeschnitten ist und stationäre Aufenthalte vermeiden hilft“, fordert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung zum GVWG im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages.

Für die umfassende Koordination der ambulanten Komplexversorgung für schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche sollten Psychotherapeut*innen auch die notwendigen ergänzenden Behandlungen und Unterstützungsangebote veranlassen und verordnen können. Hierfür müssen sie die Befugnis erhalten, psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen im Rahmen des SGB V verordnen zu können.