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Wachsende Aufgaben in schwierigen Zeiten

47. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin eröffnet

(BPtK) Mit Grußworten der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und der Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages Dr. Tanja Machalet ist heute der 47. Deutsche Psychotherapeutentag in Berlin gestartet.

In ihrer Eröffnungsrede verwies Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), auf die wachsenden Aufgaben für die Psychotherapeutenschaft in Deutschland.

»Die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist ein brennendes Thema. Der Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung vor allem bei Kindern und Jugendlichen nimmt weiter deutlich zu. Junge Menschen warten durchschnittlich 28 lange Wochen auf einen Therapieplatz – diese Unterversorgung ist ein strukturelles Versagen. Nötig ist eine gezielte, separate Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche.”

Angesichts der Herausforderungen im Gesundheitssystem betonte Benecke: „Der finanzielle Spielraum für die Gesundheitspolitik war nie schwieriger als heute. Gemeinsam mit der Politik wollen wir den wachsenden Aufgaben gerecht werden, die Ressourcen optimal nutzen und das Beste für die Patient*innen erreichen.”

Als wegweisenden Erfolg bezeichnete Benecke die Entscheidung des Bundestags zum Datenschutz in der elektronischen Patientenakte (ePA). Auf gesetzlicher Basis bestehe nun keine Pflicht zur Befüllung der ePA, wenn dem gewichtige Gründe entgegenstehen, wie die Rechte Dritter, therapeutische Erwägungen oder gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bei unter 15-Jährigen. Diese Regelung sei ein Meilenstein für den digitalen Datenschutz von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen.

Mit Blick auf die Weiterbildung ergebe sich seit dem letzten Deutschen Psychotherapeutentag im Mai in Leipzig kein gutes Bild, so Benecke. Zwar sei die gesetzliche Verankerung der teilweisen Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung für die Weiterbildungsambulanzen zu würdigen. Das aber reiche bei Weitem nicht aus, so Benecke. Die Profession werde weiterhin dafür kämpfen, dass die Finanzierung der Weiterbildung in Ambulanzen, Praxen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Kliniken gesichert wird.

Zu den wichtigsten Themen, die im Verlauf des 47. Deutschen Psychotherapeutentages diskutiert werden, gehört die Digitale Agenda 2030. Dabei stehen vor allem die rasante Entwicklung der KI und deren ethische Einordnung im Fokus. Vor diesem Hintergrund referiert Prof. Dr. Susanne Schreiber von der Humboldt-Universität zu Berlin und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates über „Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen aus ethischer Sicht“.

Weitere Themen sind die Präventionsstrategie der BPtK, die psychotherapeutische Weiterbildung, der Haushalt 2024 und 2026 sowie Berichte aus den Gremien, Satzungsfragen und Resolutionen.

Das Parlament der Psychotherapeut*innen tagt am 14. und 15. November in Berlin.

Patient*innen in der Psychiatrie brauchen mehr Psychotherapie

BPtK-Studie fordert höhere Mindestpersonalvorgaben und Bürokratieabbau

(BPtK) Obwohl die Mehrheit der psychiatrischen Kliniken die Mindestvorgaben der Personalausstattung für Psychotherapeut*innen erfüllt oder sogar übererfüllt, erhalten Patient*innen in der Erwachsenenpsychiatrie im Durchschnitt nur die Hälfte der vorgesehenen Einzelpsychotherapie pro Woche. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), in der die BPtK die öffentlich verfügbaren Routinedaten zur Personalausstattung und zum Leistungsgeschehen in der Psychiatrie ausgewertet hat. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sieht das Bild insgesamt besser aus: Doch auch hier werden mit durchschnittlich 90 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche die mindestens vorgesehenen 100 Minuten Einzeltherapie nicht erreicht.

»Mit 25 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche bleibt die stationäre Versorgung in der Erwachsenenpsychiatrie weit hinter der ambulanten Versorgung und dem Ziel der PPP-Richtlinie von mindestens 50 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche zurück“, konstatiert BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. „Psychotherapie ist zentrales und unverzichtbares Behandlungsmittel bei psychischen Erkrankungen und muss in der stationären Versorgung deutlich intensiver sein. Neben ungeplanten Kurzkontakten und anderen Therapien kommt der Einzelpsychotherapie aufgrund der Akuität und Schwere der Erkrankungen, die stationär behandelt werden, ein besonders hoher Stellenwert zu“, so Benecke.

Lichtblicke und Schattenseiten

BPtK zur Verabschiedung des BEEP im Bundestag

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) wertet die mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP) getroffenen neuen Regelungen für einen besseren Datenschutz in der elektronischen Patientenakte (ePA) als großen gesundheitspolitischen Fortschritt. Die Regelungen zur Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung sind ein erster wichtiger Baustein, der aber auf keinen Fall ausreichend ist.

Mit Blick auf die Regelungen zur ePA begrüßt die BPtK ausdrücklich, dass mit dem BEEP der Datenschutz in der ePA deutlich verbessert wird. „Zwei wichtige Regelungen wurden beschlossen, mit denen Datenschutzlücken in der ePA behoben werden“, sagt BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. „Erstens besteht keine Verpflichtung zur Befüllung der ePA, wenn erhebliche therapeutische Gründe oder Rechte Dritter oder der Schutz des Kindeswohls dem entgegenstehen. Zweitens sollen nur die Versicherten selbst Zugriff auf die automatisch eingestellten Abrechnungsdaten haben. Das gewährleistet die informationelle Selbstbestimmung der Versicherten und stärkt ihr Vertrauen in die ePA.“

Ziel der BPtK bleibt, den Datenschutz in der ePA kontinuierlich fortzuentwickeln. Dies betrifft insbesondere ein differenziertes Berechtigungsmanagement auf Einzel-Dokumentenebene sowie die Prüfung der Nichtübermittlung von Abrechnungsdaten bei Kindern und Jugendlichen bis 15 Jahren.

Die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung wurde mit dem BEEP hingegen nur partiell verbessert. „Bundesregierung und Bundestag haben den dringenden Handlungsbedarf bei der Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung zwar erkannt“, so Benecke. „Die Weiterbildungsambulanzen haben nun eine rechtliche Grundlage, um alle mit den Patientenbehandlungen durch Weiterbildungsteilnehmer*innen verbundenen Kosten in die Vergütungsverhandlungen mit den Verbänden der Krankenkassen einbringen zu können. Leider aber wurde die Finanzierung der Weiterbildung in den Ambulanzen nur unzureichend geregelt und der Finanzierungsbedarf in Praxen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Kliniken, die Psychotherapeut*innen weiterbilden möchten, gar nicht berücksichtigt. Damit ist auch weiterhin mit einem erheblichen Mangel an Weiterbildungsplätzen und in der Folge mit absehbarem Nachwuchsmangel zu rechnen.“

Deutscher Suchtkongress 2025: Stigmatisierung beenden, Versorgung erleichtern

BPtK fordert evidenzbasierte Suchtpolitik und niedrigschwelligen Zugang für Betroffene

(BPtK) Anlässlich des heutigen Deutschen Suchtkongresses 2025 in Berlin fordert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) mehr Engagement gegen die Stigmatisierung von Menschen mit Suchterkrankungen und eine konsequent evidenzbasierte Suchtpolitik.

»Suchterkrankungen sind keine Charakterschwäche, sondern komplexe Krankheiten. Die Stigmatisierung von Suchterkrankungen stellt eine der größten Barrieren beim Zugang zu einer wissenschaftlich fundierten Versorgung dar“, betont Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der BPtK, zum Auftakt der Veranstaltung.

»Viele suchen aus Scham oder Angst vor Ausgrenzung keine Hilfe. Die Stigmatisierung von Suchterkrankungen ist stärker ausgeprägt als bei anderen psychischen Erkrankungen und weit verbreitet“, so die BPtK-Präsidentin. „Nur wenn wir sie überwinden, können wir Betroffene möglichst frühzeitig erreichen.“

Mit der von führenden Verbänden getragenen Entstigmatisierungskampagne „Open Hearts – Open Minds“ wird dieses Thema in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte gerückt. Die Kampagne fordert unter anderem einen vorurteilsfreien Umgang mit suchtkranken Menschen, eine faire mediale Darstellung des Themas Sucht und die Sichtbarkeit von Genesungsgeschichten.

»Zugleich müssen weiterhin bestehende Hürden in der psychotherapeutischen Versorgung dringend abgebaut werden“, fordert Dr. Benecke. Die Psychotherapie-Richtlinie verlangt bei Abhängigkeitserkrankungen nach wie vor den Nachweis von Abstinenz innerhalb einer bestimmten Frist. „Diese starre Regelung widerspricht dem Stand der Forschung und schließt insbesondere die Patient*innen von einer angemessenen Versorgung aus, die besonders schwer erkrankt sind. Stattdessen brauchen wir Regelungen, die einen niedrigschwelligen Zugang zur Versorgung ermöglichen und sich an individuellen Lebenslagen orientieren“, fordert Dr. Benecke.

Dass Psychotherapie bei Suchterkrankungen wirkt, ist wissenschaftlich gut belegt. Eine psychotherapeutische Behandlung reduziert das Risiko für Rückfälle, verbessert die Krankheitsbewältigung und steigert die Lebensqualität Betroffener nachhaltig.

Damit dies gelingt, müssen aber ausreichende Ressourcen bereitgestellt und die bisherige Suchtpolitik neu aufgestellt werden: mit einer effektiven Regulierung von Suchtstoffen, mit der Behebung vorhandener Hürden in der psychotherapeutischen Versorgung und mit einer konsequenten Entstigmatisierung von Suchterkrankungen in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Aufbau von Netzverbünden für die Versorgung schwer psychisch kranker Menschen wird erleichtert

BPtK begrüßt Änderungen der Richtlinie zur ambulanten Komplexbehandlung

(BPtK) „Psychotherapeut*innen mit reduziertem Versorgungsauftrag können künftig gleichberechtigt an der ambulanten Versorgung von schwer psychisch erkrankten Patient*innen mitwirken“, konstatiert Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), angesichts der gestrigen Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). „Mit den beschlossenen Änderungen der KSVPsych-Richtlinie räumt der G-BA einige Barrieren beiseite, die bislang den Aufbau von Netzverbünden und die Entwicklung des neuen Versorgungsangebots der ambulanten Komplexbehandlung ausgebremst haben.“ Rund zwei Drittel der Vertragspsychotherapeut*innen verfügen über einen hälftigen Versorgungsauftrag und durften bislang für ihre Patient*innen nicht die Aufgaben der Bezugspsychotherapeut*in übernehmen, die die gesamte Behandlung plant und koordiniert.

Darüber hinaus können Psychotherapeut*innen künftig bei allen Patientengruppen die Aufgaben als Bezugspsychotherapeut*in übernehmen, auch für Patient*innen, die wegen somatischer Komorbiditäten einer kontinuierlichen fachärztlichen Behandlung oder Überwachung bedürfen oder deren psychopharmakologische Behandlung regelmäßigen Anpassungen unterliegt. Voraussetzung dafür ist die regelmäßige Einbeziehung der geeigneten Fachärzt*in in die Behandlung. „Dies stärkt sowohl die Patientenautonomie bei der Wahl der Bezugspsychotherapeut*in bzw. -ärztin als auch die gleichberechtigte Kooperation zwischen Fachärzt*innen und Psychotherapeut*innen“, erläutert BPtK-Präsidentin Benecke.

Eine weitere Erleichterung betrifft die herabgesetzte Mindestgröße von Netzverbünden. Künftig sind nur noch sechs statt bisher zehn Psychotherapeut*innen oder Fachärzt*innen vorgeschrieben. Auch die Anforderungen an die Kooperation mit Krankenhäusern wurden flexibilisiert, insbesondere für den Fall, dass sich kein pflichtversorgendes Krankenhaus zur Kooperation bereitfindet. In Ausnahmefällen kann künftig ein Netzverbund auch ohne kooperierendes Krankenhaus eine auf zwei Jahre befristete Genehmigung erhalten.

»Die beschlossenen Änderungen können einen Beitrag dazu leisten, dass der Aufbau dieses neuen Versorgungsangebotes für schwer psychisch erkrankte Patient*innen an Fahrt aufnimmt und auch in ländlicheren Regionen ermöglicht wird“, so Benecke. „Unverständlich dagegen ist, dass die Rolle der Psychotherapeut*innen bei der differenzialdiagnostischen Abklärung weiterhin nicht adäquat abgebildet wird“, kritisiert Benecke. „Diese Aufgabe allein den fachärztlichen Kolleg*innen zuzuordnen, ignoriert die fachlichen Kompetenzen der Psychotherapeut*innen, führt zu Doppeluntersuchungen und untergräbt die gebotene interprofessionelle Kooperation auf Augenhöhe. Hier sollte der G-BA dringend nachbessern.“

Direktzugang zur Psychotherapie statt eines starren Primärarztmodells

BPtK setzt auf Patientensteuerung durch die psychotherapeutische Sprechstunde

(BPtK) Hilfe bei psychischen Leiden verpflichtend erst nach einem Hausarzttermin? Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) lehnt dies ab und begründet in einem heute veröffentlichten Positionspapier, warum für Menschen mit psychischen Erkrankungen der Direktzugang zur psychotherapeutischen Sprechstunde erhalten bleiben muss.

»Mit Einführung der psychotherapeutischen Sprechstunde im April 2017 ist es gelungen, für Patient*innen einen niedrigschwelligen Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung zu schaffen und sie nach Dringlichkeit und Schwere in die geeigneten Versorgungsangebote zu steuern“, konstatiert BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. „Ein obligatorisch vorgeschalteter Hausarztbesuch, wie er derzeit im Gespräch ist, würde sowohl unnötige Doppelstrukturen schaffen, Wartezeiten verlängern und zusätzliche Kosten verursachen als auch die bewährte Steuerung durch die psychotherapeutische Sprechstunde aushebeln.“

Die psychotherapeutische Sprechstunde sichert eine effiziente, niedrigschwellige und patientenorientierte Abklärung der psychischen Beschwerden und eine Vermittlung in das passende Versorgungsangebot – von Beratungs- und Präventionsangeboten, über Akutbehandlung, Einzel- und Gruppenpsychotherapie, ärztliche Mitbehandlung, Verordnung ergänzender Behandlungen, wie zum Beispiel Ergotherapie, Soziotherapie oder Digitale Gesundheitsanwendungen, bis hin zu Reha und Krankenhausbehandlung.

Aus Sicht der BPtK sprechen zehn Gründe für die Beibehaltung des Direktzugangs zur Psychotherapie:

  1. Hilfesuchende nutzen den Direktzugang in die psychotherapeutische Sprechstunde.
  2. Ein starres Primärarztmodell erschwert für viele Menschen mit psychischen Erkrankungen den Weg in die Psychotherapie und erhöht Wartezeiten.
  3. Die psychotherapeutische Sprechstunde zur Patientensteuerung funktioniert heute passgenau.
  4. Ein Primärarztmodell kann die Effizienz in der Psychotherapie nicht erhöhen.
  5. Ein Primärarztsystem hat zum Ziel, dass mehr Fälle hausärztlich versorgt werden. Aber: Das kann die Psychotherapie regulär nicht umfassen.
  6. Gerade Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen brauchen einen niedrigschwelligen und schnellen Zugang zu psychotherapeutischer Hilfe.
  7. Ein starres Primärarztmodell würde die Qualität der Patientensteuerung in die Psychotherapie verschlechtern.
  8. Die Option des Direktzugangs in die psychotherapeutische Sprechstunde unterstützt eine sozial faire Versorgung.
  9. Wir wollen die erfolgreiche psychotherapeutische Steuerung weiterentwickeln.
  10. Psychotherapeutische Praxen arbeiten schon heute gut und patientenorientiert mit hausärztlichen- und kinderärztlichen Praxen zusammen. Um diese Kooperation weiter zu verbessern, sind Schnittstellen zu optimieren.

Die ausführlichen Begründungen können unten im Positionspapier nachgelesen werden.

Rigide Vorgabe der Suchtmittelfreiheit in der Psychotherapie streichen!

BPtK: G-BA-Beschluss bleibt hinter Leitlinienempfehlungen zurück

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) kritisiert den jüngsten Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der Patient*innen mit Abhängigkeitserkrankungen mit 24 statt bisher 10 Behandlungsstunden künftig ein längeres Zeitfenster einräumt, um im Verlauf ihrer Psychotherapie Suchtmittelfreiheit zu erreichen.

»Die starre Forderung nach Abstinenz als Voraussetzung für eine psychotherapeutische Behandlung muss grundsätzlich abgeschafft werden“, sagt BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. „Sie entspricht seit Langem nicht mehr dem Stand der Wissenschaft und blockiert gerade für Patient*innen mit schweren Abhängigkeitserkrankungen den Zugang zu dringend notwendiger Hilfe.“

Gemäß internationalen wie nationalen Leitlinien für die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen sind neben einer vollständigen Abstinenz auch kontrollierter Konsum und Harm-Reduction-Ansätze geeignete Behandlungsziele. „Die Versorgungsrealität zeigt, dass viele Betroffene sich zunächst nicht für die Abstinenz entscheiden können oder wollen. Ihnen deshalb eine Psychotherapie zu verwehren, ist fachlich nicht haltbar“, betont BPtK-Vorstandsmitglied Wolfgang Schreck.

Die bestehende Abstinenzregel führt seit Jahren dazu, dass Patient*innen mit Abhängigkeitserkrankungen, die ohnehin unter erheblichen Zugangsbarrieren leiden, systematisch von der Versorgung ausgeschlossen werden. „Menschen mit Suchterkrankungen erleben oft Scham, Stigmatisierung und vielfältige soziale Probleme“, so Benecke. „Gerade diese Menschen brauchen einen unkomplizierten Zugang zu psychotherapeutischer Hilfe.“

Die strikte Abstinenzregel konterkariert die Bestrebungen des Gesetzgebers, für schwer psychisch erkrankte Patient*innen ein ambulant-intensives, multiprofessionelles Versorgungsangebot auf den Weg zu bringen. Die Richtlinie zur koordinierten und strukturierten Versorgung psychisch kranker Menschen (KSVPsych-RL) soll eine ambulante Komplexbehandlung auch für schwer abhängigkeitserkrankte Patient*innen ermöglichen. Auch die seit Februar geltende neue Ermächtigungsregel in der Ärzte-Zulassungsverordnung soll erweiterte Möglichkeiten der Versorgung von Patient*innen mit schweren Abhängigkeitserkrankungen schaffen. Die psychotherapeutische Mitbehandlung wird durch die fortbestehenden Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie jedoch massiv eingeschränkt. „Wenn der G-BA in diesen Strukturen weiter an der Abstinenz festhält, sabotiert er die Reformen des Gesetzgebers“, so Schreck.

Patient*innen mit Suchterkrankungen brauchen vor allem einen niedrigschwelligen Zugang zur Psychotherapie. „Wir benötigen flexible, individuelle Behandlungsziele, die sich an den Lebenslagen und Krankheitsphasen der Patient*innen orientieren, und somit eine vollständige Streichung der Abstinenzregel“, betont Benecke. „Nur so schaffen wir eine Versorgung, die Vertrauen schafft, statt Barrieren zu errichten.“

Koalitionsvertrag gibt psychischer Gesundheit neuen Stellenwert

BPtK-Präsidentin: „Ambitionierte neue Agenda muss gelingen“

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) würdigt die von CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag verankerten Maßnahmen für eine bessere psychotherapeutische Versorgung.

»Der Koalitionsvertrag zeigt den Willen der neuen Bundesregierung, psychische Gesundheit umfassend zu stärken – von der Prävention und Früherkennung über die Versorgung erkrankter Menschen bis hin zum Zivil- und Katastrophenschutz. Der Vertrag nimmt sowohl die einzelnen Betroffenen als auch die Gesellschaft insgesamt in den Fokus. Diese neue Priorisierung von Mental Health unterstützen wir“, erklärt BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. „Die psychotherapeutische Versorgung insbesondere für betroffene Kinder und Jugendliche sowie für Menschen auf dem Land zu verbessern, ist eine Kernaufgabe der Politik“, so Benecke. „Der Koalitionsvertrag gibt der psychischen Gesundheit einen neuen Stellenwert. Die Regierungskoalition hat eine ambitionierte Agenda für eine starke psychische Gesundheit vorgelegt. Diese Agenda muss gelingen. Dafür muss sie vor allem eins sein: verbindlich. Wir stehen bereit, die wichtigen Aufgaben in gemeinsamer Verantwortung schnell und lösungsorientiert anzugehen.“

Die im Vertrag festgelegte neue Strategie „Mentale Gesundheit für junge Menschen“ ist ein zukunftsweisendes Programm. Richtigerweise will die Bundesregierung die Finanzierung der Weiterbildung in der Psychotherapie sichern, um einem Fachkräftemangel vorzubeugen. Auch die gezielte, unterstützende Integration digitaler Lösungen in Prävention und Behandlung ist der richtige Weg. Darüber hinaus will die Koalition den gesetzlichen Rahmen für einen resilienten gesundheitlichen Bevölkerungsschutz schaffen. Zugleich appelliert die BPtK an die neue Bundesregierung, die Basis für die erfolgreiche Umsetzung des Vertrags im Blick zu behalten: eine bürokratiearme, effektive und adäquat finanzierte Versorgungsstruktur.

Ein erster Schritt für ambulante Weiterbildung in Praxen ist gemacht

Bundesrat beschließt höheren Praxisumfang bei Anstellung von Weiterbildungsassistent*innen

(BPtK) Der Bundesrat hat am Freitag beschlossen, die Beschäftigung von Weiterbildungsassistent*innen in psychotherapeutischen Praxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zu erleichtern. Die Regelung sieht vor, dass der Praxisumfang bei Anstellung von Psychotherapeut*innen in Weiterbildung deutlich erweitert werden kann.  

Die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Dr. Andrea Benecke betrachtet die Regelung als einen ersten wichtigen Schritt, um die psychotherapeutische Weiterbildung in Praxen und MVZ umsetzen zu können: „Mit der künftig zulässigen Ausweitung des Praxisumfangs wird eine wichtige Voraussetzung geschaffen, dass die ambulante psychotherapeutische Weiterbildung in Praxen und MVZ möglich wird. Die Psychotherapeut*innen in Weiterbildung können dadurch in dem erforderlichen Umfang eigene Versorgungsleistungen erbringen. Das schafft Rechtssicherheit für niedergelassene Psychotherapeut*innen: Sie können Weiterbildungsassistent*innen in Vollzeit beschäftigen, die Behandlungen durchführen, und gleichzeitig ihre eigene psychotherapeutische Tätigkeit in der Praxis fortführen. Damit wird eine wichtige Rahmenbedingung geschaffen, dass künftig Psychotherapeut*innen in Weiterbildung auch in Praxen beschäftigt werden können.“

Eine Änderung der bisherigen Regelung ist notwendig geworden, um Rechtssicherheit für die Beschäftigung von Weiterbildungsassistent*innen zu schaffen. Beschäftigt eine niedergelassene Psychotherapeut*in eine Weiterbildungsassistent*in, so behandelt diese neu hinzukommende Patient*innen. Die bisherige Regelung hätte schnell zu einer unzulässigen Vergrößerung des Praxisumfangs führen können. Niedergelassene Psychotherapeut*innen hätten fürchten müssen, Honoraransprüche gekürzt zu bekommen. Mit der Änderung der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) wird diese Rechtsunsicherheit beseitigt und die erforderliche Vergrößerung des Praxisumfangs ermöglicht.

In Zukunft können Praxen bei Beschäftigung einer Weiterbildungsassistent*in ihren Praxisumfang auf das 1,5-fache der Vollauslastung einer psychotherapeutischen Praxis erweitern. Dies entspricht durchschnittlich 54 Stunden Richtlinienpsychotherapie pro Woche plus psychotherapeutischer Nebenleistungen. Für Praxen mit einem hälftigen Versorgungsauftrag ist eine Erhöhung auf das 1,0-fache der Vollauslastung (36 Stunden) zulässig.

Psychotherapeutische Versorgung schwer psychisch kranker Menschen verbessert

Bundesrat beschließt Ermächtigungen für vulnerable Gruppen

(BPtK) Mit der heutigen Zustimmung des Bundesrats wird die psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen, Suchterkrankungen sowie intellektuellen Beeinträchtigungen wesentlich verbessert.

BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke wertet dies als großen Fortschritt: „Die Ermächtigungen kommen gezielt den schwer psychisch erkrankten Patient*innen zugute, die auf besondere Unterstützung angewiesen sind. Es ist gut, dass die besonders vulnerablen Patientengruppen mit dieser Regelung einen leichteren Zugang zur psychotherapeutischen Behandlung erhalten.”

»Durch die vorgegebenen Kooperationen wird die Vernetzung von Psychotherapeut*innen zum Beispiel mit Einrichtungen der Eingliederungshilfe, der Suchthilfe oder mit gemeindepsychiatrischen Verbünden gestärkt”, erläutert Dr. Benecke. „Damit wird der Zugang zu einer multiprofessionellen Versorgung einschließlich Behandlungsangebote in den Lebenswelten der Patient*innen erheblich verbessert.” Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen finden derzeit angesichts langer Wartezeiten oft nur schwer Zugang zu den erforderlichen Versorgungsleistungen.

Diese Regelung zu den Ermächtigungen war ursprünglich im Entwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) enthalten und konnte nicht mehr rechtzeitig vor Ende der Wahlperiode verabschiedet werden. Das Bundesministerium für Gesundheit beschloss daher, den Ermächtigungstatbestand mit einer Änderung der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte auf den Weg zu bringen.