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Landespsychotherapeutentag 2015

Ambulante psychotherapeutische Versorgung – aktueller Stand und Perspektiven

(LPK BW) Der Landespsychotherapeutentag fand dieses Jahr in der Alten Reithalle des Maritim-Hotels Stuttgart statt. Dr. Dietrich Munz, Kammerpräsident und seit Mai auch gewählter Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, konnte zahlreiche Mitglieder und Gäste zum Thema „Ambulante psychotherapeutische Versorgung – aktueller Stand und Perspektiven“ begrüßen. Wie er eingangs feststellte, habe Baden-Württemberg eine im bundesweiten Vergleich über dem Durchschnitt liegende Versorgung mit niedergelassenen Psychotherapeuten und auch mit stationären psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhausbetten. Eine Besonderheit im bundesweiten Vergleich bestehe in dem 2008 zwischen der AOK BW und dem Hausärzteverband sowie dem Medi-Verbund abgeschlossenen Hausarztvertrag, der 2012 um den sogenannten PNP-Vertrag zur selektivvertraglichen Versorgung in Psychotherapie, Neurologie und Psychiatrie erweitert wurde. Dies bedeute eine gewollte Konkurrenz zwischen dem System der Kollektivversorgung über die KV und dem Selektivvertragssystem. Diese Rahmenbedingungen für die psychotherapeutische Versorgung seien mit ein wesentlicher Teil der folgenden Referate und sicher auch der Diskussion.

Darüber hinaus ging Dr. Munz auf die Konsequenzen des jüngst im Bundestag verabschiedeten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) ein. Für die vertragsärztliche Versorgung seien damit einige Chancen für die Verbesserung der Versorgung für Menschen mit psychischen Erkrankungen innerhalb des GKV-Systems eröffnet worden. Die vorgesehene Sprechstunde für Psychotherapeuten ermögliche es, Patienten beim ersten Gespräch zu beraten, welches Hilfsangebot sinnvoll und notwendig sei. Dies könne neben der Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie die Empfehlung einer Präventionsmaßnahme oder einer Selbsthilfegruppe oder auch die Verordnung einer stationären Psychotherapie im Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung sein. Eine Verbesserung solle auch dadurch erreicht werden, dass künftig in psychotherapeutischen Praxen das Jobsharing erleichtert bzw. im Sinne der Versorgung verbessert werden solle. Gleichzeitig habe der Gesetzgeber, so Dr. Munz, jedoch die Regelung zur Nachbesetzung bei der Praxisübergabe verschärft, indem er fordere, in Regionen mit einem offiziellen Versorgungsgrad von mehr als 140 Prozent die Anträge auf Nachbesetzung abzulehnen. Davon wären dann bundesweit über 4.000 psychotherapeutische Praxen betroffen. In Baden-Württemberg wären dies ca. 600 der aktuell etwa 3.000 Psychotherapeutenpraxen, also knapp 20 %.

„Dies würde zu einer drastischen Verschlechterung der psychotherapeutischen Versorgung im Land führen, die verhindert werden muss“ mahnt Dr. Munz. Er sehe einen kleinen Lichtblick am Horizont, da der GB-A durch das Gesetz beauftragt sei, die Bedarfsplanungsrichtlinie bis Anfang 2017 grundlegend zu überarbeiten. Falls hierbei zukünftig tatsächlich die Häufigkeit psychischer Erkrankungen berücksichtigt werde, wäre dies ein wesentlicher Fortschritt. Die Bundespsychotherapeutenkammer fordere deshalb, den Abbau von psychotherapeutischen Praxen so lange auszusetzen, bis eine neue Bedarfsplanung vorliegt.

Das Ergänzende Hilfesystem (EHS)

Hilfen für Betroffene sexuellen Missbrauchs

(LPK BW) Für Menschen, die als Kinder und Jugendliche Betroffene von sexuellem Missbrauch wurden, bietet das Ergänzende Hilfesystem (EHS) bereits seit 01.05.2013 im familiären und institutionellen Bereich Hilfen zur Linderung der aus dem Missbrauch entstandenen Folgeschäden an. Betroffene können einen Antrag auf Kostenübernahme für bestimmte Sachleistungen, die heute noch existierende Folgen des sexuellen Missbrauchs in der Kindheit oder Jugend abzumildern bzw. auszugleichen sollen, bis zur Höhe von insgesamt 10.000 € stellen. Die durch das EHS zu gewährenden Leistungen sollen die Leistungen der gesetzlichen Hilfesysteme ergänzen und in den Regelsystemen bestehende Lücken schließen. Sie werden daher ergänzend gewährt, das heißt nur dann, wenn ein gesetzliches Leistungssystem (z.B. Krankenkasse, Jobcenter) die Leistung nicht oder nicht mehr finanziert.

Dazu gehören z.B. Therapien, aber auch finanzielle Unterstützung bei Weiterbildungs‐ und Qualifizierungsmaßnahmen, wenn aufgrund des Missbrauchs Brüche in der Bildungs‐ und/oder Erwerbsbiografie entstanden sind. Es können auch Kosten der individuellen Aufarbeitung des Missbrauchs, Beratungs‐ und Betreuungskosten sowie sonstige Unterstützung in besonderen Härtefällen übernommen werden.

Die Antragstellung ist noch bis zum 30. April 2016 möglich.

Weitere Informationen zum EHS finden Sie unten in den FAQs zum EHS sowie unter www.fonds-missbrauch.de. Zudem können mit dem online ausfüllbaren Bestellschein, den wir hier zur Verfügung stellen, Flyer und Informationskarten zur Auslage in Praxen bestellt werden.

Unabhängige Patientenberatung gefährdet

BPtK kritisiert, dass zukünftiger Dienstleister auch für Krankenkassen arbeitet

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer sieht die bisher unabhängige Patientenberatung gefährdet. Künftig soll ein neuer Dienstleister die unabhängige Information und Beratung der Patienten im deutschen Gesundheitssystem übernehmen und sich ihrer Beschwerden annehmen. Dieser Dienstleister arbeitet nach eigenen Angaben bereits für gesetzliche Krankenkassen, z. B. AOK Plus, AOK Sachsen-Anhalt und BARMER GEK. Auf seiner Internetseite beschreibt er auch den Geschäftsbereich „Versorgungsmanagement durch Patienten Coaching“. Ziel dieses Geschäftsbereich sei u. a. die „Vermeidung von Krankengeldzahlungen“, z. B. bei Depressionen. Gerade das Krankengeldmanagement war häufig Gegenstand der Patientenanfragen bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland.

„Zukünftig könnte es passieren, dass sich Versicherte bei einem Dienstleister über ihre Krankenkasse beschweren, für die dieser auch Patientencoaching durchführt“, kritisiert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz die geplante Entscheidung des GKV-Spitzenverbandes. „Ein unabhängiges Informations- und Beratungsangebot ist so nicht gewährleistet.“

Psychotherapie: Krankenkassen verzögern und informieren falsch

BPtK kritisiert bürokratische Tricks bei der Kostenerstattung

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer kritisiert, dass gesetzliche Krankenkassen ihre Versicherten falsch informieren, wenn sie sich in psychotherapeutischen Privatpraxen behandeln lassen wollen. „Manche Krankenkassen muten psychisch kranken Menschen immer höhere Hürden zu, wenn sie dringend eine Psychotherapie benötigen“, kritisiert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Sie lassen sich inzwischen eine Menge bürokratischer Tricks einfallen, um eine notwendige und unaufschiebbare Behandlung in einer psychotherapeutischen Privatpraxis und die Abrechnung über Kostenerstattung zu erschweren. Sie verzögern Anträge und geben falsche Auskünfte.“ Eine solche Behandlung ist aber für Patienten oft der einzige Weg, die unzumutbar langen Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung zu vermeiden.

„Krankenkassen bürden ihren Versicherten nicht nur ein aufwendiges Antragsverfahren auf, sondern ziehen das Verfahren zusätzlich in die Länge. Psychisch kranke Menschen sind damit meist überfordert“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Das ist ein zynisches Taktieren mit den Schwächen ihrer Versicherten.“ Versicherte, die ablehnende Bescheide bekommen, können sich beim Bundesversicherungsamt und beim Patientenbeauftragten der Bundesregierung über ihre gesetzliche Krankenkasse beschweren, was häufig auch zu empfehlen ist.

Versicherte bekommen Auskünfte, in denen die Krankenkasse mitteilt: „Wir zahlen grundsätzlich keine Therapie mehr im Kostenerstattungsverfahren.“ Oder für eine solche Psychotherapie sei „eine besondere Schwere“ der Erkrankung notwendig. Oder Wartezeiten von „sechs Monaten“ müssten hingenommen werden. Oder Versicherte bekommen freie Behandlungsplätze bei einem Psychotherapeuten genannt, der aber auf Nachfrage monatelange Wartezeiten hat. Oder Anträge werden grundsätzlich abgelehnt und erst bei Widerspruch genehmigt. Oder die Versicherten müssen immer mehr Anfragen bei Psychotherapeuten nachweisen, bei denen keine freien Behandlungsplätze verfügbar sind.

Die BPtK stellt klar: Grundsätzlich ist es Aufgabe der Krankenkassen, rechtzeitig für eine notwendige und unaufschiebbare Behandlung ihrer Versicherten zu sorgen. Ist die Krankenkasse dazu nicht in der Lage, kann der Versicherte sich eine Leistung selbst beschaffen und die Kasse muss die Ausgaben dafür erstatten. Eine solche Leistung kann eine psychotherapeutische Behandlung in einer Privatpraxis sein.

Die BPtK empfiehlt dringend, den Antrag auf eine Behandlung in einer psychotherapeutischen Privatpraxis und auf Kostenerstattung vor der Behandlung an die Krankenkasse einzureichen. Diesem Antrag sollte beigefügt werden:

  • die Bescheinigung eines Hausarztes, dass eine psychotherapeutische Behandlung notwendig und unaufschiebbar ist,
  • eine Liste mit den Namen von drei bis fünf Psychotherapeuten mit Kassenzulassung, die der Versicherte angerufen hat und die kurzfristig keine freien Behandlungsplätze haben (dazu die Wartezeiten notieren),
  • die Bescheinigung eines Psychotherapeuten in Privatpraxis, dass die Behandlung kurzfristig übernommen werden kann.

Zu den Fristen, die eine Krankenkasse einhalten muss:

  • Grundsätzlich hat eine Krankenkasse drei Wochen Zeit, um über einen Antrag zu entscheiden.
  • Hält sie eine gutachterliche Stellungnahme für notwendig, muss sie erst fünf Wochen nach Antragseingang entscheiden.
  • Gegen eine Ablehnung kann der Versicherte Widerspruch einlegen. Die Krankenkasse hat drei Monate Zeit, über einen Widerspruch zu entscheiden.
  • Danach bleibt nur noch die Klage beim Sozialgericht, die sich noch viel länger hinziehen kann

Zukünftig mehr Psychotherapien durch Jobsharing

GKV-VSG ermöglicht Flexibilisierung der Versorgungsaufträge

(BPtK) Die Bundesregierung ermöglicht Psychotherapeuten durch Jobsharing zukünftig mehr Behandlungsstunden anzubieten. „Dadurch können mehr Patienten schneller eine Psychotherapie erhalten“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das heute im Bundestag verabschiedet wird. „Dies ist aber auch für unsere jungen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die Familie und Beruf miteinander in Einklang bringen müssen, und für unsere erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die Supervision und Selbsterfahrung im Rahmen der Psychotherapieausbildung anbieten, ein großer Fortschritt. Ein Psychotherapeut, der seine Behandlungsstunden z. B. aufgrund familiärer Verpflichtungen oder wegen seines Engagements in der Ausbildung angehender Psychotherapeuten verringern musste, kann zukünftig das Jobsharing nutzen, um seine Praxis auszulasten.“

Beim Jobsharing teilen sich zwei Psychotherapeuten einen Praxissitz. Dabei handelt es sich entweder um eine Anstellung oder um eine Berufsausübungsgemeinschaft mit einem Senior- und einem Juniorpartner. Bisher durfte der Umfang dieser neuen Gemeinschaftspraxis allerdings nicht wesentlich höher sein als der Umfang der vorherigen Einzelpraxis. Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sieht jetzt vor, dass psychotherapeutische Praxen, die bisher nur wenige Therapiestunden anbieten können, durch Jobsharing mehr Behandlungsstunden erbringen können als eine psychotherapeutische Durchschnittspraxis. Wo genau die Obergrenze liegen soll, das soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) festlegen.

Das Bundessozialgericht sieht die Maximalauslastung einer psychotherapeutischen Praxis bei 36 Psychotherapiesitzungen pro Woche. Dies entspricht einer wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 51 Stunden. Die zusätzliche Arbeitszeit wird für Dokumentation, Anträge, Abrechnung, Praxismanagement, Inter- und Supervision sowie Fortbildung benötigt. „Daran sollte sich auch der G-BA orientieren, der jetzt angemessene Kapazitätsgrenzen beim Jobsharing definieren muss“, fordert BPtK-Präsident Munz.

Psychotherapeuten erbringen im Durchschnitt rund 22 bis 27 Psychotherapiestunden pro Woche. Für eine höhere Auslastung von psychotherapeutischen Praxen gibt es grundsätzlich eine Vielzahl von rechtlichen Hindernissen. Ein Psychotherapeut kann sich – anders als andere Arztgruppen – bei Krankheit, Urlaub oder Fortbildung nicht vertreten lassen. Er muss seine Praxis in diesen Zeiten schließen. Außerdem sind Psychotherapeuten im Gegensatz zu anderen Arztgruppen bisher nicht befugt, Untersuchungen und Behandlung an andere zu delegieren. Bei den Ärzten gelten auch delegierte Leistungen, wie z. B. Blutabnahmen durch einen Praxishelfer, als „ärztliche“ Arbeitszeit. Dadurch liegt die durchschnittliche Arbeitszeit von Psychotherapeuten selbst dann unter der durchschnittlichen Arbeitszeit von Ärzten, wenn sie persönlich gleich lange gearbeitet haben.

Sprechstunde möglich, Praxisabbau begrenzt, Befugnisse erweitert

BPtK: GKV-Versorgungsstärkungsgesetz enthält wichtige Verbesserungen

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer begrüßt die mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz geplanten Veränderungen in der ambulanten Versorgung: Die Bundesregierung will eine psychotherapeutische Sprechstunde einführen, sie halbiert annähernd den bisher geplanten Abbau psychotherapeutischer Praxen und sie erweitert die Befugnisse von Psychotherapeuten.

„Die ambulante Versorgung könnte sich durch die psychotherapeutische Sprechstunde deutlich verbessern“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Zukünftig könnten Psychotherapeuten schneller Termine für ein erstes Gespräch anbieten. Ratsuchende erhielten dadurch viel früher als bisher eine fachliche Beratung darüber, ob sie psychisch krank sind oder nicht und was sie benötigen. Akut Behandlungsbedürftige bekämen rascher professionelle Hilfe. Andere könnten an Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen weitergeleitet werden.“

Allerdings könnte dieser Fortschritt teilweise wieder zunichte gemacht werden. „Nach dem Gesetzentwurf sollen weiterhin fast 5.000 psychotherapeutische Praxen abgebaut werden, obwohl sie für die Versorgung dringend notwendig sind“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. Immerhin habe der Gesetzgeber einen stärkeren Kahlschlag vermieden. Ursprünglich sollten sogar über 7.400 psychotherapeutische Praxen nicht mehr an einen Nachfolger übergeben werden können. „Vom Praxisabbau sind aber immer noch vor allem Psychotherapeuten betroffen, obwohl gerade hier die bisherige Bedarfsplanung besonders mangelhaft ist“, stellt Munz fest. Die BPtK fordert deshalb, den Abbau von psychotherapeutischen Praxen so lange auszusetzen, bis eine neue Bedarfsplanung vorliegt.

Nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz soll bis zum 1. Januar 2017 die Bedarfsplanungs-Richtlinie grundlegend überarbeitet werden. Insbesondere sollen zukünftig sowohl die demographische Entwicklung als auch die Sozial- und Morbiditätsstruktur berücksichtigt werden. „Falls zukünftig tatsächlich die Häufigkeit psychischer Erkrankungen berücksichtigt wird, wäre dies ein wesentlicher Fortschritt. Bis 2017 sollte es gelingen, wenigstens die systematischen Fehler der bisherigen Bedarfsplanung für Psychotherapeuten zu beseitigen“, erläutert der BPtK-Präsident.

Schließlich hebt der Gesetzgeber wichtige Einschränkungen von Psychotherapeuten auf, die für Ärzte nicht bestehen. Zukünftig sollen Psychotherapeuten eine Krankenhausbehandlung und auch den dafür notwendigen Krankentransport verordnen können. „Ist ein Patient schwer krank und benötigt dringend eine stationäre Behandlung, dann muss ein Psychotherapeut auch dafür sorgen können, dass er sie umgehend erhält“, erklärt Munz. „Die bisherige Regelung gefährdete eine unmittelbar notwendige Behandlung.“ Ferner sollen Psychotherapeuten zukünftig Soziotherapie und medizinische Reha-Leistungen verordnen können. „Vielen schwer psychisch Kranken ist es nur mit soziotherapeutischer Unterstützung möglich, sich ambulant psychotherapeutisch behandeln zu lassen“, erläutert der BPtK-Präsident. Soziotherapie verhindere Krankenhausaufenthalte und hohe stationäre Behandlungskosten. „Dass auch Psychotherapeuten Soziotherapie verordnen können, ist längst überfällig.“

ADHS nicht mehr im Morbi-RSA berücksichtigt

(BPtK) Im Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen („morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich/Morbi-RSA“) werden im nächsten Jahr nicht mehr die häufigsten psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt. Dazu gehören die Diagnosen ADHS, Störungen des Sozialverhaltens sowie die Entwicklungsstörungen. „Damit sind Krankenkassen, die sich für eine gute Versorgung von psychischen Erkrankungen besonders bei Kindern und Jugendlichen einsetzen, benachteiligt“, kritisierte Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Der Grund für diese Entscheidung ist, dass nicht grundsätzlich alle Erkrankungen im Finanzausgleich der gesetzlichen Krankenkassen berücksichtigt werden, sondern nur die 80 häufigsten und kostenintensivsten Erkrankungen. Um im Morbi-RSA berücksichtigt zu werden, müssen zudem die durchschnittlichen Gesamtausgaben eines Versicherten mit einer solchen Diagnose mindestens das 1,5-Fache der durchschnittlichen Ausgaben aller Versicherten unabhängig vom Alter betragen. Dadurch sind Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen grundsätzlich benachteiligt. ADHS gehört zwar zu den häufigsten und kostenintensivsten Erkrankungen im deutschen Gesundheitssystem. Da sie aber fast ausschließlich bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert wird, die kaum andere chronische Erkrankungen haben, fällt sie aus dem Morbi-RSA heraus. Die hohe Multimorbidität älterer Versicherter verzerrt die durchschnittlichen Ausgaben aller Versicherten.

Die BPtK hatte in ihrer Stellungnahme an das Bundesversicherungsamt (BVA) bereits kritisiert, dass bei der Krankheitsauswahl im Morbi-RSA weder eine Altersadjustierung noch eine Kontrolle für Komorbiditäten erfolge. Dies könne zum Ausschluss kostenintensiver chronischer Erkrankungen führen, von denen vorwiegend Kinder und Jugendliche betroffen sind. Die BPtK fordert deshalb eine entsprechende Korrektur der Regelungen für die Krankheitsauswahl in der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (RSAV).

Auch der Wissenschaftliche Beirat beim BVA hatte bereits in seinem Gutachten 2007 kritisiert, dass im Morbi-RSA „Krankheiten, die einen Häufigkeitsgipfel in einem nach Alter abgegrenzten Lebensabschnitt aufweisen, beispielsweise im Kindesalter, systematisch unterbewertet“ werden. In den Erläuterungen zu den Festlegungen der Krankheitsauswahl für 2016 stellt der Wissenschaftliche Beirat beim BVA ebenso fest, dass die Kritik der BPtK inhaltlich nachvollzogen werden könne. Allerdings lasse der Wortlaut in § 31 RSAV keine andere Entscheidung zu. Dadurch sei für eine Berücksichtigung von Alter oder Komorbiditäten kein Raum, weder bei der Ermittlung der durchschnittlichen Leistungsausgaben der Versicherten mit einer Krankheit noch der Leistungsausgaben aller Versicherten. Dafür müsse das Bundesministerium für Gesundheit die Verordnung an dieser Stelle ändern.

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Arbeitsunfähige unter Druck der Krankenkassen

BPtK fordert Versichertenschutz im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz auszubauen

(LPK BW) Versicherte, die längere Zeit arbeitsunfähig sind und deshalb Krankengeld beziehen, sehen sich nicht selten von ihrer Krankenkasse unter Druck gesetzt. Sie erhalten nach Berichten der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) von ihren Kassen Anrufe, in denen sie dann zu hören bekommen: „Ach, im Hintergrund spielt das Radio – dann geht es Ihnen ja gar nicht so schlecht …“ oder „Jetzt stellen Sie sich doch nicht so an!“, „Gehen Sie wieder arbeiten!“. Einige Versicherte berichteten sogar, dass sie sich nicht mehr trauten, ans Telefon zu gehen, weil sie weitere Anrufe ihrer Krankenkasse befürchteten.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert deshalb strengere Regeln darüber, welche Fragen Krankenkassen ihren Versicherten stellen dürfen. „Die Versicherten wissen häufig nicht, welche Rechte sie haben und was sie ihrer Krankenkasse mitteilen müssen und was nicht“, stellt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter fest und fordert deshalb, den Versichertenschutz durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz auszubauen. Krankenkassen wenden sich insbesondere dann an ihre Versicherten, wenn sie lange arbeitsunfähig sind und deshalb Krankengeld beziehen. Unter diesen Versicherten sind besonders viele psychisch kranke Menschen. Jeder fünfte Versicherte, der länger als sechs Wochen krankgeschrieben ist, ist psychisch krank.

„Es muss durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz präzise und einheitlich geregelt werden, welche Daten Krankenkassen von ihren Versicherten, die lange krankgeschrieben sind, zusätzlich zu den Daten erfragen dürfen, die ihnen aus der Routineversorgung zur Verfügung stehen“, fordert BPtK-Präsident Richter. Vor allem sollte künftig verglichen werden, wie die Krankenkassen mit ihren Versicherten umgehen, die längerfristig arbeitsunfähig sind. Dazu sollte das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen regelmäßig über die Beratungen der Kassen bei arbeitsunfähigen Versicherten und die Art und Weise, wie sie diese unterstützen, berichten. Das Institut sollte hierzu auch Versicherte befragen. „So könnten Versicherte die Wahl ihrer Krankenkasse auch davon abhängig machen, wie hilfreich diese ist, wenn sie längerfristig arbeitsunfähig werden“, betont BPtK-Präsident Richter. Außerdem sollten die Krankenkassen gesetzlich verpflichtet werden, ihre Versicherten darüber zu informieren, dass ein Gespräch über ihre Arbeitsunfähigkeit absolut freiwillig ist und dass das Krankengeld nicht gekürzt oder gestrichen werden kann, wenn sie ein solches Gespräch ablehnen.

Grundsätzlich ist sinnvoll, psychisch kranke Menschen, die lange krank und arbeitsunfähig sind, über die ihnen zustehenden Leistungen des Gesundheitssystems zu informieren und ihnen dabei zu helfen, diese auch nutzen zu können, z. B. bei zu langen Wartezeiten auf eine Psychotherapie. Wesentliche Aufgabe der Krankenkassen ist es hierbei z. B. den Versicherten zu unterstützen, einen Behandlungsplatz zu finden oder den Übergang zwischen stationärer und ambulanter Behandlung möglichst reibungslos zu gestalten.

Aufgabe der Krankenkassen ist es dagegen nicht, in die Behandlung einzugreifen (z. B. durch Fragen zu Problemen am Arbeitsplatz, zu familiären Nöten und finanziellen Schwierigkeiten) oder kranken Versicherten zu raten, möglichst schnell an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Hat eine Kasse Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, kann sie zur Klärung den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einschalten. Sie selbst darf dies jedoch nicht eigenständig unter dem Vorwand der Beratung überprüfen. „Hier muss der Gesetzgeber einen Riegel vorschieben“, fordert BPtK-Präsident Richter.

Hintergrund Krankengeld: Unter dem Vorwand der „Beratung“ von lange arbeitsunfähigen Versicherten versuchen einige Kassen, ihre Ausgaben für Krankengeld kurzfristig zu verringern. Das Krankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, durch die ein Versicherter bei längerer Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (ab sechs Wochen) finanziell abgesichert werden soll. Die Dauer der Krankengeldzahlungen ist begrenzt. Der Versicherte erhält Lohnersatz für insgesamt maximal 78 Wochen für dieselbe Krankheit innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren. Bei Arbeitnehmern beträgt das Krankengeld 70 Prozent des Bruttolohns, jedoch nicht mehr als 90 Prozent des Nettolohns. Krankengeld ist bei den gesetzlichen Krankenkassen ein beträchtlicher finanzieller Posten. Die Ausgaben für Krankengeld betrugen im Jahr 2013 9,76 Milliarden Euro. Sie sind damit seit 2005 um zwei Drittel gestiegen (Abbildung 1).

Weitere Informationen zum Krankengeldmanagement der Krankenkassen finden sich in der BPtK-Studie zur Arbeitsunfähigkeit 2015.

Psychisch kranke Menschen in der Versorgung benachteiligt

Bundesrat fordert Überprüfung der Bedarfsplanung

(BPtK) Der Bundesrat fordert eine regelmäßige Überprüfung der sogenannten Bedarfsplanung, mit der festgelegt wird, wie viele Ärzte und Psychotherapeuten zur ambulanten Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen werden. Das geht aus der heute beschlossenen Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes hervor.

„Die BPtK begrüßt diese Forderung des Bundesrats“, betont Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Der Bundesrat hat erkannt, was diese „Bedarfsplanung“ für psychisch kranke Menschen bedeutet, die händeringend einen Behandlungsplatz suchen – oft vergeblich. Jetzt ist es aber auch Zeit, daraus Konsequenzen zu ziehen.“ Die BPtK fordert, mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz die in der Vergangenheit begangenen Fehler der Bedarfsplanung zu korrigieren.

Im Bereich der Psychotherapie ist die ambulante Versorgung mangelhaft. Psychisch kranke Menschen warten in Deutschland derzeit im Durchschnitt über drei Monate auf ein erstes Gespräch beim Psychotherapeuten. Der Bundesrat verweist in seiner Stellungnahme daher auch auf die deutliche Diskrepanz bei der psychotherapeutischen Versorgung zwischen der Bedarfsplanung, die rechnerisch eine Überversorgung aufweist, und der tatsächlichen Versorgungssituation mit langen Wartezeiten.

In seiner Stellungnahme fordert der Bundesrat außerdem, die mit dem Gesetzesentwurf geplante Regelung zum weiteren Abbau von Praxissitzen für Psychotherapeuten bis 2018 auszusetzen.

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