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EU plant, sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige stärker zu bekämpfen

BPtK-Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag der EU-Kommission

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt die Initiative der EU-Kommission, sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige auf EU-Ebene stärker zu bekämpfen. Gleichzeitig hält sie ein umfangreiches Maßnahmenpaket zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt für dringend notwendig. Mit einer Stellungnahme hat sie sich an die EU-Abgeordneten gewandt, um auf Anliegen der Psychotherapeutenschaft aufmerksam zu machen.

Die BPtK reagiert damit auf einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission, der unter anderem vorsieht, die strafrechtlichen Vorschriften und Definitionen von sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige in der Europäischen Union anzupassen. Zudem sollen die EU-Mitgliedstaaten verstärkt Maßnahmen zur Prävention von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ergreifen und Unterstützungsmaßnahmen für Opfer von sexualisierter Gewalt besser koordinieren. Auch die Kinderschutzkonzepte sollen weiterentwickelt werden. So sollen Organisationen bei Personaleinstellungen ein polizeiliches Führungszeugnis anfordern können und Straftaten sexualisierter Gewalt in einem Register gemeldet werden.  

Neben besserer Information und Aufklärung von Minderjährigen, Sorgeberechtigten und Fachkräften über die Gefahren sexualisierter Gewalt und Schutzmaßnahmen hält es die BPtK für erforderlich, auch grenzüberschreitende Kinderschutzkonzepte durch gesetzliche Vorgaben zu etablieren. Auch Bildinhalte mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder müssen verlässlich gelöscht werden. Ziel muss es sein, dass sexualisierte Gewalttaten oder der Versuch, sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige auszuüben, ganz unterbunden bzw. frühestmöglich identifiziert werden. Dabei muss der Schutz vor sexualisierter Gewalt immer auch im digitalen Raum gewährleistet sein. Wer sexualisierte Gewalt erlebt habt, kann Traumafolgestörungen entwickeln und benötigt Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung und psychosozialen Unterstützungsangeboten. Menschen mit Pädophilie sollten Hilfsangebote unterbreitet werden, damit sie nicht zu Täter*innen werden.

Kinder und Jugendliche besser vor sexueller Gewalt schützen

BPtK nimmt Stellung zum Referentenentwurf des Bundesfamilienministeriums

(BPtK) Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen kann ihre körperliche und psychische Gesundheit ein Leben lang schwerwiegend schädigen. Jegliche Form sexueller Gewalt gegen Minderjährige muss daher unterbunden oder möglichst frühzeitig aufgedeckt und effektiv verfolgt werden. Gelingt dies nicht, sollten die Betroffenen einen Anspruch auf individuelle Aufarbeitung haben. Das ist ihnen eine Gesellschaft schuldig, deren Institutionen bei der Verhinderung sexueller Gewalt versagt haben.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt daher nachdrücklich, dass das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) das 2010 ins Leben gerufene Amt der bzw. des Unabhängigen Beauftragten auf eine dauerhafte gesetzliche Grundlage stellen will. „Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind ein notwendiger erster Schritt, um Kinder – auch im digitalen Raum – besser vor sexueller Gewalt zu schützen und die betroffenen Menschen bei der individuellen Aufarbeitung zu unterstützen“, bewertet BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke den Referentenentwurf.

Die BPtK sieht Psychotherapeut*innen dabei in einer besonderen Verantwortung, frühzeitig sowohl Gefährdungen zu erkennen als auch die Betroffenen bei der Bewältigung zu unterstützen. „Psychotherapie ist das zentrale Mittel, um die Leiden der in Kindheit und Jugend von sexueller Gewalt betroffenen Menschen zu heilen oder zu lindern und sie zugleich in die Lage zu versetzen, sich mit dem erlittenen Unrecht auseinanderzusetzen und verbriefte Rechte einzufordern“, so Benecke.

Die BPtK kritisiert allerdings, dass das BMFSFJ in diesem Gesetzentwurf die Psychotherapeut*innen nicht als eigene Berufsgruppe angemessen berücksichtigt hat. „Psychotherapeut*innen können ihre Verantwortung nur wahrnehmen, wenn Patient*innen sich darauf verlassen können, dass das psychotherapeutische Gespräch unter besonderem Schutz steht“, stellt die Präsidentin der BPtK klar. „Das ist die Maxime, unter der Psychotherapeut*innen arbeiten.“ Dem sollten die Änderungen im Gesetz zu Kooperation und Information im Kinderschutz Rechnung tragen, wenn es darum geht, die Schnittstelle zum medizinischen Kinderschutz zu verbessern. Die BPtK fordert, dass der Gesetzgeber durch explizite Nennung von Psychotherapeut*innen deutlich macht, dass den Besonderheiten der Therapeut-Patient-Beziehungen in Psychotherapien Rechnung getragen wird.  

Zu einem besseren Schutz gehört auch, dass die von sexueller Gewalt betroffenen Kinder und Jugendlichen rechtzeitig psychotherapeutische Unterstützung und Behandlung erhalten können. Die BPtK fordert deshalb dazu auf, mit den neu geschaffenen, gesetzlich verankerten Strukturen ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, das Prävention, Aufarbeitung und individuelle Hilfen einschließt. Hierzu gehört insbesondere eine bedarfsgerechte psychotherapeutische Versorgung. Die geplante forschungsbasierte Berichtspflicht zur Identifizierung von Lücken und Bedarfen für wirkungsvolle Ansätze zu Prävention, Intervention und Hilfen sowie zu Forschung und Aufarbeitung kann dabei eine Schlüsselrolle spielen.

Finanzierung der Weiterbildung, Antidiskriminierung und Qualitätssicherung

Der 44. Deutsche Psychotherapeutentag fand vom 12. bis 13. April 2024 in Würzburg statt

(BPtK) In Würzburg, einem historisch bedeutsamen Ort für die neuzeitliche Psychotherapie, begrüßte am 12. und 13. April 2024 die Versammlungsleitung die Delegierten des 44. Deutschen Psychotherapeutentages (DPT). Dr. Bruno Waldvogel, Vizepräsident der Psychotherapeutenkammer Bayern, zeichnete nach, wie in Würzburg seit dem 20. Jahrhundert bedeutende Vertreter*innen der Profession die Psychotherapie und die psychotherapeutische Versorgung vorangetrieben und weiterentwickelt haben. In der NS-Diktatur unterstützten Professionsangehörige, die zuvor bei bedeutenden Psychotherapeut*innen auch jüdischen Glaubens gelernt hatten, die menschenverachtende Politik Adolf Hitlers. „Nie wieder!“ – das muss für die deutschen Parlamente gelten. „Nie wieder!“ – das ist auch die Haltung der Profession.

Selbstbestimmte Änderung des Namens- und Personenstands für trans* Personen endlich möglich

Selbstbestimmungsgesetz positiv für psychische Gesundheit

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) befürwortet den Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG – BT-Drs. 20/9049), der am 12. April 2024 im Deutschen Bundestag zur abschließenden Beratung aufgesetzt ist.

»In der eigenen Geschlechtsidentität anerkannt und mit dem präferierten Vornamen angesprochen zu werden, ist für die psychische Gesundheit wesentlich“, erklärt BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. „Dass die diskriminierende und pathologisierende Begutachtung vor einer Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen zukünftig abgeschafft wird, ist ein überfälliger Schritt, um trans*, intergeschlechtliche und non-binäre Personen in ihrer Selbstbestimmung zu stärken“, so die BPtK-Präsidentin weiter.

Neu ist, dass eine Änderung des Geschlechtseintrags bei Minderjährigen zukünftig die Erklärung über eine Beratung unter anderem bei einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in oder im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe erfordert. „Notwendig sind weiterhin der Ausbau und die verlässliche Finanzierung kostenloser Beratungsangebote für trans*, intergeschlechtliche und non-binäre Personen“, so Sabine Maur, Vizepräsidentin der BPtK.

Minderjährige ab dem 14. Lebensjahr sollen die Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen sowie über die Beratung eigenständig, aber mit Zustimmung der Sorgeberechtigten abgeben können. Bei Minderjährigen bis zum 14. Lebensjahr müssen die Sorgeberechtigten eine Erklärung über die Änderung und die Beratung abgeben. Die Bundespsychotherapeutenkammer und der Deutsche Psychotherapeutentag hatten sich in der Vergangenheit schon mehrfach in Stellungnahmen und Resolutionen für ein Selbstbestimmungsgesetz ausgesprochen.

Kinderschutz (nicht nur) in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Über 300 Teilnehmer*innen beim LPK-Online-Fachtag

(LPK BW) Am 21.03.2024 fand der vom Ausschuss Psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen initiierte und organisierte Online-Fachtag zum Thema „Kinderschutz (nicht nur) in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ mit ca. 330 Teilnehmern statt. Anliegen dieses Fachtages war es, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen und Psychotherapeut*innen für Kindeswohlgefährdungen und ihre Auswirkungen zu sensibilisieren und zur Sicherheit im Umgang damit beizutragen. Hierzu hatte der Ausschuss für die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen drei Themenschwerpunkte ausgewählt:

  • Ein „Update“ über die Auswirkungen von Kindeswohlgefährdung auf die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. 
  • Emotionale Formen der Kindesmisshandlung und Vernachlässigung, Schwierigkeiten der Grenzziehung und Interventionsmöglichkeiten in rechtlicher und psychotherapeutischer Hinsicht.
  • Kinderschutz aus Sicht einer „Insoweit erfahrenen Fachkraft“ mit Hinweisen auf Methodik und Verfahrensschritte und Haltung.

Prof. Heinz Kindler, Psychologe und Leiter des Fachbereichs Familienhilfe und Kinderschutz am Deutschen Jugendinstitut München, gab einen Überblick zur Definition von Kindeswohlgefährdung als Rechtsbegriff bezogen auf die Situation von Kindern und Jugendlichen und als Oberbegriff für alle Arten von Gefährdung (körperliche und psychische Misshandlung, Vernachlässigung und sexueller Missbrauch). Er stellte Studien vor, in denen robuste Zusammenhänge zwischen erfahrener Gefährdung und psychischer Gesundheit gefunden wurden. In der derzeit größten Metaanalyse mit 11 Millionen einbezogenen Personen (Coughlan et al., 2022; Literaturangeben am Ende der Vortragsfolien) werden bei allen o.g. Gefährdungsformen und im gleichen Maße bei der oft übersehenen emotionalen Vernachlässigung in der frühen Kindheit Zusammenhänge zu externalisierenden und internalisierenden Störungen, zu Suizidalität, Suchtproblemen und anderen psychischen Problemen gefunden. Effekte finden sich auch im Bereich der somatischen Gesundheit (Norman et al., 2023 und „Nationale Kohorte“ Klinger-König et al., 2024). Schädigungen durch Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch zeigen sich v.a. in körperlichen Verletzungen, in einer allostatischen Last im Hinblick auf neuroanatomische Prozesse, d.h. das Gehirn braucht Energie für das Erkennen von Gefährdung, in der Beeinträchtigung selbstregulativer Fähigkeiten, in einem negativ verzerrten Selbstbild und negativen selbstevaluativen Gefühlen wie Scham, sowie in überlerntem, fehlangepasstem (Beziehungs-) Verhalten. Gefährdungserfahrungen haben Einfluss auf die Fähigkeit, sich Hilfe zu suchen. Es besteht ein erhöhtes Maß an Misstrauen nach Gefährdungserfahrungen. Im Hinblick auf die Versorgung gibt es v.a. für Kinder, die nach Gefährdung in Fremdbetreuung aufwachsen, eine gravierende therapeutische Unterversorgung, auch wenn auf der anderen Seite wichtige Fortschritte in den therapeutischen Behandlungsverfahren gemacht wurden. Prof. Kindler ging noch auf das gesetzlich vorgesehene Handeln bei aktuell gefährdeten Kindern und Jugendlichen ein (§4 KKG) und wies auf Möglichkeiten zum Einbringen therapeutischer Expertise in familiengerichtlichen Verfahren hin.

Mit einer Szene aus Kafkas Brief an den Vater leitete Prof. Miriam Rassenhofer, Dipl.-Psych. und KJP (VT) sowie Professorin im Bereich des Kinderschutzes an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm sowie am angegliederten Kompetenzzentrum Kinderschutz in der Medizin Baden-Württemberg, ihren Vortrag „Emotionale Formen der Kindesmisshandlung: Emotionale Vernachlässigung und psychische Misshandlung“ ein. Formen emotionaler Misshandlung können nach einer Definition der WHO (2022) sein, dem Kind/ Jugendlichen zu sagen, man wünsche, es sei nie geboren oder wäre tot, ihm zu sagen, es werde nicht geliebt oder verdiene nicht geliebt zu werden, ihm zu drohen es zu verletzen oder zu töten oder ihm zu sagen, es sei dumm oder nutzlos. Kategorien von emotionaler Misshandlung sind Ablehnung, Zurückweisung und verbale und nonverbale Entwertung, Ausnutzen und Bestechen, Terrorisieren, Isolieren, Missachten emotionaler Bedürfnisse und das Miterleben von Gewalt in der Familie. Statistisch wurden 2022 in Deutschland von 62 279 Fällen von Kindeswohlgefährdungen bei Mehrfachnennungen 59 % Vernachlässigung, 35 % Psychische Misshandlung, 27 % Körperliche Misshandlung und 5 % Sexuelle Gewalt erfasst (Statist. Bundesamt, 2024). Die Prävalenz von emotionaler Vernachlässigung wird im Dunkelfeld in Europa auf 18,6 % geschätzt. Prof. Rassenhofer erläuterte die Risikofaktoren für emotionale Misshandlung und Vernachlässigung auf der Ebene der Eltern, der Kinder und der Umwelt. Interessant ist der Befund, dass emotionale Misshandlung kein Schichtphänomen ist, Vernachlässigung jedoch mit niedrigem sozioökonomischen Status korreliert. Emotionale Misshandlung und Vernachlässigung haben nachteilige Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung und den Schulerfolg, negative Folgen auf sozialer und Verhaltensebene wie negative Auswirkungen auf Coping, mangelnde Emotionsregulierung und Umgang mit Emotionen, ein höheres Risiko für riskantes Sexualverhalten und ein höheres Risiko, im Erwachsenenalter Belästigung zu erleben (nicht Nein sagen können). Auch für körperliche Folgen werden erhöhte Risiken gesehen wie Asthma, Fehlgeburten, sexuell übertragbare Krankheiten, Übergewicht und Rauchen. Eine Vielzahl körperlicher Folgeprobleme zeigt sich erst im mittleren Erwachsenenalter. In psychischer Hinsicht findet sich eine Vielzahl an Folgen und Störungen, und hier sind die Risiken nach emotionaler Misshandlung höher als bei anderen Misshandlungsformen. Emotionale Misshandlung wird als starker Auslöser für psychiatrische Erkrankungen und ihre Symptomschwere gesehen. Auch im Kontext einer psychotherapeutischen Behandlung gilt das Primat der Sicherheit für das Kind. Interventionsmöglichkeiten ergeben sich aus dem abgestuften Vorgehen nach § 4 KKG bei gewichtigen Anhaltspunkten für Kindeswohlgefährdung: 1. Prüfung der eigenen fachlichen Mittel zu Gefährdungsabschätzung und -abwehr.  2. Hinwirken auf aktive Inanspruchnahme von Hilfen durch die Sorgeberechtigten. Hilfreich hier ggfs. die Beratung durch eine „Insoweit erfahrene Fachkraft oder durch die medizinische Kinderschutzhotline (0800 19 210 00). 3. Mitteilung an das Jugendamt, wenn Tätigwerden dringend erforderlich ist und/oder Personensorgeberechtigte nicht in der Lage sind, an der Gefährdungsabschätzung oder Gefährdungsabwendung mitzuwirken. Hinweise auf störungsspezifische Behandlungsansätze und weiterführende Literatur rundeten den dichten Vortrag ab.

Dass die Arbeit im Kinderschutz trotz aller Belastungen Freude machen kann, vermittelte Volker Schuld, Dipl.-Psychologe, systemischer Familientherapeut und Traumatherapeut, Leiter des Kinderschutz-Zentrums Heidelberg und Rhein-Neckar-Kreis in seinem Vortrag mit grundlegenden Gedanken zum Kinderschutz aus Sicht einer „insoweit erfahrenen Fachkraft“.  Da die Übergänge von Kindeswohl zu Kindeswohlgefährdung fließend sind, sollte die klassische Frage im Kinderschutz „Ab wann muss ich etwas tun?“ ersetzt werden durch die Frage: „Was kann ich tun?“. Dies bedeutet, dass in Fällen von Kindeswohlgefährdung zunächst häufig Unsicherheiten und Nichtwissen ausgehalten werden müssen. Auch wenn Volker Schuld seinen Folien mit grundlegenden Gedanken zum Kinderschutz die Warnung vorausschickte, dass sie nur mit einer begleitenden Erklärung des Referenten gelesen werden sollten, sollen sie hier in ihrer eindrücklichen Prägnanz wiedergegeben werden: „Kein Fall ist wie der andere“. „Kinderschutz gelingt nur in Kooperation (mit Kind/Jugendlichem, Eltern, Institutionen, einer „insofern erfahrenen Fachkraft…“).“ Folgende Haltungen sind neben Methoden und Kenntnissen Voraussetzung für einen gelingenden Kinderschutz: „Defizite und Gefährdungen wahrnehmen (nicht auf die Jagd gehen, aber wach sein), ebenso „Ressourcen und den Blick weit halten.“ „Kinder reden nicht mit Deppen! Es ist immer ein Kompliment und eine Ehre, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher mir etwas anvertraut. Diese vertrauensvolle Beziehung sollte das Ziel sein, daher sollte der Rahmen so gestaltet sein, dass Vertrauen möglich ist.“ „Plädoyer für das komische Bauchgefühl. Das Bauchgefühl als Summe aller diagnostischen Fähigkeiten ernst nehmen.“ „Fachberatung gerne frühzeitig in Anspruch nehmen“. „Dokumentation ist wichtig“. „Ziel eines Kinderschutzfalles ist nicht die Gefährdungsmeldung beim Jugendamt. Ziel ist die Abwendung von Kindeswohlgefährdung. Kinder sollen sicher sein.“ „Die Schweigepflicht ist ein hohes Gut. Ein vertraulicher Rahmen wichtige Basis. Aber es gibt Grenzen. Werden diese nach unserer Einschätzung überschritten, kann eine Gefährdungsmeldung notwendig sein. Den Patient*innen keine Verschwiegenheit versprechen.“ „Sagen was man denkt, Rahmen setzen, transparent sein. Kind/Jugendlichen einbeziehen: ‘Du erfährst, was passiert‘.“ „Metakommunikation als Möglichkeit im Kontakt mit Kind und Eltern.“

Im von Michaela Willhauck-Fojkar freundlich und umsichtig moderierten Chat hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit Fragen zu den inhaltlich dichten Vorträgen zu stellen. Aufgrund der begrenzten Zeit konnten diese nicht alle beantwortet werden. Daher wird sich der Ausschuss für die psychotherapeutische Versorgung weiter mit der Thematik befassen. Die erfreulich große Zahl der Teilnehmer*innen an der Fortbildung zeigte, dass die Thematik im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie immer stärkere Aufmerksamkeit erhält.

Neues Versorgungsangebot für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche

BPtK begrüßt G-BA-Richtlinie für eine teambasierte ambulante Komplexbehandlung

(BPtK) Das wichtige Reformvorhaben für eine koordinierte ambulante Versorgung von schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen ist endlich auf den Weg gebracht worden“, konstatiert Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), anlässlich der gestrigen Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur ambulanten Komplexversorgung für Kinder und Jugendliche. „Der Gemeinsame Bundesausschuss hat den Besonderheiten der Versorgung von Kindern und Jugendlichen Rechnung getragen und mit der neuen Richtlinie die Grundlage für eine teambasierte multiprofessionelle Versorgung geschaffen.“

In den Teams arbeiten stets eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in und eine Kinder- und Jugendpsychiater*in systematisch zusammen. Die Patient*innen bzw. die Sorgeberechtigten wählen eine Psychotherapeut*in oder Ärzt*in als zentrale Ansprechpartner*in, die für sie die gesamte Behandlung plant („Bezugspsychotherapeut*in/-ärzt*in“). Teil des sogenannten „Zentralen Teams“ ist darüber hinaus eine nichtärztliche koordinierende Person, die bestimmte Koordinationsaufgaben übernehmen soll. Die Bezugspsychotherapeut*in /-ärzt*in sorgt dafür, dass alle beteiligten Leistungserbringer*innen koordiniert zusammenarbeiten und bedarfsabhängig auch Einrichtungen der Jugendhilfe, der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste oder der Eingliederungshilfe in die Versorgung eingebunden werden.

»Schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche mit einem komplexen psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungsbedarf benötigen häufig auch Leistungen aus anderen Hilfesystemen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung“, erläutert Cornelia Metge, Vorstandsmitglied der BPtK. „Die Richtlinie bietet künftig den Rahmen für eine bessere Zusammenarbeit und Koordination der Leistungen an diesen Schnittstellen, zum Beispiel zur Jugendhilfe, zu Schule und Kita oder zur Eingliederungshilfe. Insbesondere die vorgesehenen regelmäßigen interdisziplinären Fallkonferenzen, die Teilnahme an SGB-übergreifenden Hilfekonferenzen und die verschiedenen Koordinationsleistungen können zum Gelingen einer gut abgestimmten multiprofessionellen Versorgung beitragen“, so Metge weiter.

»Der G-BA hat an vielen Stellen aus den Fehlern der Richtlinie für Erwachsene gelernt. Zentrale Hürden, wie Beschränkungen bei halben Versorgungsaufträgen, zu hohe Anforderungen an die Netzverbünde oder die Vorgabe von Doppeluntersuchungen, die aktuell noch die Entwicklung der ambulanten Komplexbehandlung bei Erwachsenen behindern, wurden bei der Richtlinie für Kinder und Jugendliche vermieden“, betont Dr. Benecke. „Problematisch ist allerdings die Vorgabe, dass stets eine nichtärztliche koordinierende Person Teil des Zentralen Teams sein muss, an die obligatorisch bestimmte Koordinationsleistungen von der Psychotherapeut*in bzw. Ärzt*in zu delegieren sind“, kritisiert die BPtK-Präsidentin. „Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen können selbst am besten beurteilen, in welchen Fällen und an wen eine Delegation von Koordinationsleistungen sinnvoll und effizient ist und auch bei Patient*innen und Kooperationspartner*innen Akzeptanz findet. Darüber hinaus bestehen auch bei den dafür vorgesehenen Gesundheitsberufen ein Fachkräftemangel bzw. lange Wartezeiten, sodass ein neues Nadelöhr entstehen könnte.“

Psychische Gesundheit in der EU fördern

BPtK-Positionen zur Europawahl 2024

(BPtK) Anlässlich der anstehenden Wahl zum Europäischen Parlament macht die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) mit einem Positionspapier auf Forderungen der Profession aufmerksam. In fünf Handlungsfeldern hat die BPtK festgehalten, welche Ziele und Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit auf EU-Ebene auf die politische Agenda gehören.

»Wir erwarten von der EU, die Prävention psychischer Erkrankungen, einen besseren Zugang zur Versorgung und die Integration psychisch kranker Menschen in den Arbeitsmarkt mit Nachdruck in den Blick zu nehmen“, fordert Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der BPtK. „Angesichts langer Arbeitsausfälle und einer hohen Anzahl an Frühberentungen infolge psychischer Erkrankungen, der daraus resultierenden hohen Kosten für die Gesundheits- und Sozialsysteme, sowie angesichts des fortschreitenden Fachkräftemangels muss die EU bei diesem Thema aktiv handeln. “

»Die EU-Kommission hat mit der EU Mental Health Strategy einen ersten, wichtigen Schritt unternommen, die psychische Gesundheit in der EU zu stärken. Damit diese Ansätze auch spürbare Wirkungen entfalten, sind mehr Verbindlichkeit, klare Zeitziele und ein Monitoring des Umsetzungsstands ebenso wie eine ausreichende Finanzierung dringend erforderlich“, so Dr. Nikolaus Melcop, Vizepräsident der BPtK.

Die BPtK fordert anlässlich der Europawahl 2024:

  • die psychische Gesundheit in der EU konsequent und wirkungsvoll zu fördern,
  • Kinder und Jugendliche vor psychischen Gefahren nachhaltig zu schützen,
  • die Menschenrechte als Fundament für die psychische Gesundheit zu achten,
  • Gesundheitsdaten zu schützen und die Patientensouveränität zu stärken,
  • das Subsidiaritätsprinzip und die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen zu wahren.

Basiswissen Kinderschutz Baden-Württemberg

Ein Projekt zur webbasierten Wissensvermittlung durch E-Learning im Kinderschutz: Interprofessionelles Grundlagenwissen zur Entwicklung einer gemeinsamen Sprache bei der Zusammenarbeit im Kinderschutz

(LPK BW) Im Rahmen des vom Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg geförderten Projekts „Basiswissen Kinderschutz Baden-Württemberg“ wird ein webbasiertes, interdisziplinäres Fortbildungsprogramm zum Thema interprofessioneller Kinderschutz entwickelt. Mehrere Online-Module geben eine Übersicht über den Umgang mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder, Vernachlässigung und Kindesmisshandlungen sowie Frühe Hilfen. Sie umfassen Informationen zur Epidemiologie und Diagnostik von Misshandlungsformen, zu Entwicklungspsychologie und Entwicklungspsychopathologie sowie rechtlichen Grundlagen zu Fällen von Kindesmisshandlung. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit im Kinderschutz thematisiert sowie die Sichtweisen der verschiedenen Professionen, die im Kinderschutzverfahren beteiligt sind, dargestellt.

Zielgruppen sind Fachkräfte aus der Justiz, aus der Jugendhilfe und der Gesundheitsversorgung. Des Weiteren sollen Angehörige der Polizei und der Bewährungshilfe sowie alle anderen Fachkräfte, die im Rahmen ihrer Tätigkeiten mit Fällen von Kindesmisshandlungen in Berührung kommen, adressiert werden. 

Interessierte können sich kostenfrei unter https://bw-basiswissen.elearning-kinderschutz.de/registrierung für die Online-Fortbildung registrieren. 

Weitere Informationen finden sich auf der Projekthomepage: https://bw-basiswissen.elearning-kinderschutz.de

Bei Rückfragen können Sie sich gerne an die folgende Kontaktadresse wenden: basiswissen@elearning-kinderschutz.de

BPtK begrüßt Zulassung der Systemischen Therapie bei Kindern und Jugendlichen

G-BA erweitert psychotherapeutisches Behandlungsangebot

(BPtK) »Mit der heute vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossenen Zulassung der Systemischen Therapie für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen wird die ambulante psychotherapeutische Versorgung von Heranwachsenden um eine ganz wichtige Behandlungsmöglichkeit erweitert“, erklärt die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Dr. Andrea Benecke.

»Die Systemische Therapie ist schon lange in der Erziehungsberatung, der stationären Jugendhilfe und den kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen der Krankenhäuser stark verbreitet und wird dort erfolgreich angewandt“, ergänzt Cornelia Metge, Vorstandsmitglied der BPtK. „Die Zulassung der Systemischen Therapie ist zudem eine wichtige Weichenstellung für die psychotherapeutische Weiterbildung und ermöglicht, dass künftig Psychotherapeut*innen in größerem Umfang Systemische Therapie in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen anbieten können“, so Metge weiter.

Grundlage der Entscheidung war die Prüfung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Dieses hat der Systemischen Therapie einen Nutzen insbesondere bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Angst- und Zwangsstörungen, Essstörungen, Hyperkinetischen Störungen und substanzbezogenen Störungen attestiert. „Auf dieser Basis wurde das komplexe Bewertungsverfahren zügig und mit positivem Ergebnis abgeschlossen. Der G-BA hat damit einen wichtigen Beitrag für die evidenzbasierte Weiterentwicklung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung geleistet“, erläutert BPtK-Präsidentin Benecke.

Die Systemische Therapie kann künftig als Kurzzeittherapie mit bis zu zweimal zwölf Therapiestunden und als Langzeittherapie mit bis zu 48 Stunden durchgeführt werden. Jetzt müssen noch Abrechnungsdetails geregelt werden, sodass die Systemische Therapie den Versicherten voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte 2024 zur Verfügung steht.

Die Systemische Therapie betont die Bedeutung der sozialen, insbesondere der familiären Beziehungen für die Entstehung und Behandlung von psychischen Erkrankungen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Systemischen Therapie ist es dabei, Stärken der Patient*in und des Bezugssystems zu nutzen und gemeinsam Lösungen für die Probleme und Konflikte zu entwickeln. Für einen möglichst unmittelbaren und nachhaltigen Therapieerfolg können dazu wichtige Bezugspersonen wie Eltern und Geschwister oder ganze (Patchwork-)Familien sowie weitere wichtige Personen aus den Lebensbereichen der Patient*in in die Therapie einbezogen werden. Um das besser zu ermöglichen, kann die Systemische Therapie auch in einem eigenen Setting, dem Mehr-Personen-Setting, durchgeführt werden.

Kinderschutz (nicht nur) in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Fachtag am 21. März 2024

(LPK BW) Am Donnerstag, 21.03.2024 von 09:00 – 12:00 Uhr findet der nächste KJP-Online-Fachtag der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg statt. Anliegen dieses Fachtages ist es, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen und Psychotherapeut*innen für Kindeswohlgefährdungen und ihre Auswirkungen zu sensibilisieren und zur Sicherheit im Umgang damit beizutragen

Freuen Sie sich auf folgende Vorträge mit jeweils anschließender Diskussion. 

  • „Auswirkungen von Kindeswohlgefährdung auf die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen: Ein „Update“ von Prof. Dr. Heinz Kindler, Dipl.-Psych. Deutsches Jugendinstitut München
  • „Emotionale Formen der Kindesmisshandlung: Emotionale Vernachlässigung und psychische Misshandlung“ von Jun. Prof. Dr. Miriam Rassenhofer; Kompetenzzentrum Kinderschutz am Universitätsklinikum Ulm
  • „Kinderschutz aus Sicht einer „Insoweit erfahrenen Fachkraft“ von Dipl.-Psych. Volker Schuld, Kinderschutzzentrum Heidelberg

Die Veranstaltung ist mit 4 Fortbildungspunkten akkreditiert

Den Programmflyer mit weiteren Informationen finden Sie unten.