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Wachsende Aufgaben in schwierigen Zeiten

47. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin eröffnet

(BPtK) Mit Grußworten der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und der Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages Dr. Tanja Machalet ist heute der 47. Deutsche Psychotherapeutentag in Berlin gestartet.

In ihrer Eröffnungsrede verwies Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), auf die wachsenden Aufgaben für die Psychotherapeutenschaft in Deutschland.

»Die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist ein brennendes Thema. Der Bedarf an psychotherapeutischer Behandlung vor allem bei Kindern und Jugendlichen nimmt weiter deutlich zu. Junge Menschen warten durchschnittlich 28 lange Wochen auf einen Therapieplatz – diese Unterversorgung ist ein strukturelles Versagen. Nötig ist eine gezielte, separate Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche.”

Angesichts der Herausforderungen im Gesundheitssystem betonte Benecke: „Der finanzielle Spielraum für die Gesundheitspolitik war nie schwieriger als heute. Gemeinsam mit der Politik wollen wir den wachsenden Aufgaben gerecht werden, die Ressourcen optimal nutzen und das Beste für die Patient*innen erreichen.”

Als wegweisenden Erfolg bezeichnete Benecke die Entscheidung des Bundestags zum Datenschutz in der elektronischen Patientenakte (ePA). Auf gesetzlicher Basis bestehe nun keine Pflicht zur Befüllung der ePA, wenn dem gewichtige Gründe entgegenstehen, wie die Rechte Dritter, therapeutische Erwägungen oder gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bei unter 15-Jährigen. Diese Regelung sei ein Meilenstein für den digitalen Datenschutz von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen.

Mit Blick auf die Weiterbildung ergebe sich seit dem letzten Deutschen Psychotherapeutentag im Mai in Leipzig kein gutes Bild, so Benecke. Zwar sei die gesetzliche Verankerung der teilweisen Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung für die Weiterbildungsambulanzen zu würdigen. Das aber reiche bei Weitem nicht aus, so Benecke. Die Profession werde weiterhin dafür kämpfen, dass die Finanzierung der Weiterbildung in Ambulanzen, Praxen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Kliniken gesichert wird.

Zu den wichtigsten Themen, die im Verlauf des 47. Deutschen Psychotherapeutentages diskutiert werden, gehört die Digitale Agenda 2030. Dabei stehen vor allem die rasante Entwicklung der KI und deren ethische Einordnung im Fokus. Vor diesem Hintergrund referiert Prof. Dr. Susanne Schreiber von der Humboldt-Universität zu Berlin und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates über „Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen aus ethischer Sicht“.

Weitere Themen sind die Präventionsstrategie der BPtK, die psychotherapeutische Weiterbildung, der Haushalt 2024 und 2026 sowie Berichte aus den Gremien, Satzungsfragen und Resolutionen.

Das Parlament der Psychotherapeut*innen tagt am 14. und 15. November in Berlin.

Psychisch stark in die Zukunft!

BPtK zur Woche der Seelischen Gesundheit und zum Welttag für psychische Gesundheit

(BPtK) Zum Auftakt der Woche der Seelischen Gesundheit und heutigen Welttag für psychische Gesundheit erklärt die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) Dr. Andrea Benecke: „Immer mehr Kinder und Jugendliche sind – gerade auch angesichts großer globaler Krisen – verstärkt von psychischen Belastungen und Erkrankungen betroffen. Wege zu gezielter Prävention und Versorgung zu ebnen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der alle Akteur*innen aus dem Gesundheits- und Bildungswesen sowie der Familien- und Jugendhilfe auf kommunaler, nationaler und internationaler Ebene mitwirken müssen.“

Als Mitglied des gleichnamigen Aktionsbündnisses und seiner Steuerungsgruppe unterstützt die BPtK die Woche der Seelischen Gesundheit, die in diesem Jahr unter dem Motto „Lass Zuversicht wachsen – Psychisch stark in die Zukunft“ und unter der Schirmherrschaft von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken steht. Verbände der Selbsthilfe, psychosoziale Einrichtungen und Initiativen organisieren in über 100 Regionen und Städten mehr als 900 Veranstaltungen, die über niedrigschwellige Hilfs- und Beratungsangebote und Empfehlungen zur Selbstfürsorge insbesondere für Kinder und Jugendliche und ihre Eltern und Betreuer*innen informieren.

Der von der World Federation for Mental Health (WFMH) und der World Health Organisation (WHO) initiierte Welttag der psychischen Gesundheit thematisiert in diesem Jahr die psychische Gesundheit von Menschen in humanitären Notfällen. „Die Unterstützung von Menschen in humanitären Krisen ist wichtig, sogar überlebenswichtig“, mahnt BPtK-Präsidentin Benecke. „Deshalb muss die psychosoziale Notfallversorgung im Zivil- und Katastrophenschutz konsequent mitgedacht werden. Dieser Aufgabe muss sich die internationale Gemeinschaft stärker widmen und sie in ihre Krisenpläne integrieren.“

ePA-Befüllungspflicht soll bei Vorliegen erheblicher therapeutischer Gründe und Kindeswohlgefährdung entfallen

Gesetzentwurf sieht neue Ausnahmeregelung vor

(BPtK) Im Gesetzesentwurf zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege, der am 6. August das Bundeskabinett passiert hat, ist auch eine Neuregelung zur elektronischen Patientenakte (ePA) vorgesehen: Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen, Krankenhäuser und Apotheken sollen ab Oktober 2025 zwar verpflichtet werden, die ePA zu befüllen. Die Befüllungspflicht soll aber entfallen, wenn bei Patient*innen erhebliche therapeutische Gründe oder Rechte Dritter gegen die Befüllung sprechen oder gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls bei unter 15-Jährigen vorliegen und die Befüllung der ePA den Schutz des Kindes infrage stellen würde. Leistungserbringer*innen sollen in diesen Fällen die Gründe für eine Nichtbefüllung nachprüfbar in ihrer Behandlungsdokumentation protokollieren.

Bereits im April hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Richtlinie erlassen, der zufolge die Nichtbefüllung der ePA von Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren nicht gegen vertragsärztliche Pflichten verstößt, wenn erhebliche therapeutische Gründe oder das Kindeswohl dem entgegenstehen.

Die Bundespsychotherapeutenkammer begrüßt die geplante Regelung. Gleichzeitig hält sie es für erforderlich, dass der Schutz der Patient*innen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, vollständig umgesetzt wird. Aus Sicht der BPtK muss eine Lösung für die von der Krankenkasse in die ePA eingestellten Abrechnungsdaten gefunden werden. Denn auch über die Abrechnungsdaten können beispielsweise Maßnahmen bezüglich einer möglichen Kindeswohlgefährdung erkennbar sein.

Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im digitalen Zeitalter stärken

EU-Rat setzt wichtiges Signal

(BPtK) Zu den heute vom Rat der Europäischen Union verabschiedeten Schlussfolgerungen zum Schutz und zur Förderung der psychischen Gesundheit junger Menschen im digitalen Zeitalter erklärt Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK):

»Damit setzen die EU-Gesundheits- und Sozialminister*innen ein klares Zeichen für eine gesundheitsförderliche Gestaltung der digitalen Welt. Entscheidend wird nun sein, die formulierten Ziele in konkrete und nachhaltige Maßnahmen auf europäischer sowie nationaler Ebene zu überführen. Der Schutz der psychischen Gesundheit junger Menschen im digitalen Raum bleibt eine zentrale Aufgabe unserer Gesellschaft.“

»Medienkompetenz und eine digitale Umgebung mit klaren Kinderschutzregelungen ist für die Prävention unerlässlich. Wir brauchen gemeinsame europäische Standards für den Schutz junger Menschen im digitalen Raum. Eine enge Zusammenarbeit von Politik, Wissenschaft und Praxis hilft, dieses Ziel gemeinsam zu erreichen“, so Dr. Nikolaus Melcop, BPtK-Vizepräsident und EU-Beauftragter.

In seinem Dokument würdigt der Rat die Potenziale digitaler Medien, etwa zur Förderung von Gesundheitskompetenz oder zur niedrigschwelligen Ansprache junger Menschen. Gleichzeitig nimmt er auch die Risiken in den Blick: Exzessive Bildschirmzeiten, suchtfördernde Mechanismen in Apps und gefährliche Inhalte bedrohen die psychisch gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Europa.

Der EU-Rat fordert die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Aktivitäten zu intensivieren und auszubauen, einen sicheren digitalen Raum für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Seine Forderungen: Forschungsförderung, verstärkte Aufklärung junger Menschen über psychische Risiken im Netz, Ausbau von Präventions- und Beratungsangeboten und Bereitstellung von Behandlungsangeboten, aber auch die Bekämpfung von Gewalt im Internet. Ebenso wichtig sind attraktive Alternativangebote für Kinder und Jugendliche, wie sie ihre Freizeit auch ohne Smartphone oder Laptop gestalten können. Eine Schlüsselaufgabe: Kindern und Jugendlichen müssen digitale Kompetenzen vermittelt werden, damit sie sich der Risiken bewusst werden, eigene Schutzstrategien entwickeln und einen kritischen Umgang mit digitalen Inhalten erlernen. Auch Plattformbetreiber sollen ihrer Verantwortung stärker nachkommen, ihre Apps und Einstellungen so auszugestalten, dass der Kinderschutz gewährleistet wird.

Die Initiative des Rates geht auf die polnische EU-Ratspräsidentschaft zurück, die sich einen verbesserten Schutz von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum zum Ziel gesetzt hatte.

Keine ePA-Befüllungspflicht bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren

BPtK bietet Psychotherapeut*innen und Patient*innen vielfältige Informationen zur ePA an

(BPtK) Nachdem die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) kürzlich Informationsblätter zur ePA für Erwachsene, Sorgeberechtigte und Jugendliche ab 15 Jahren herausgegeben hat, bietet sie Psychotherapeut*innen nun auch Druckvorlagen für ergänzende Plakate und Handzettel mit QR-Codes an, die in ausgedruckter Form in den Praxisräumen präsentiert werden können.

Außerdem steht auf der BPtK-Website die Praxis-Info „Elektronische Patientenakte“ ab sofort in aktualisierter Fassung zum Download zur Verfügung.

Die Aktualisierung war notwendig geworden, nachdem die Kassenärztliche Bundesvereinigung  am 16. April 2025 eine Richtlinie veröffentlicht hat, aus der Folgendes hervorgeht:

„Das Unterlassen der Übermittlung und Speicherung von Daten in der elektronischen Patientenakte bei Kindern und Jugendlichen unterhalb der Vollendung des 15. Lebensjahres entgegen den Vorgaben des § 347 SGB V verstößt nicht gegen vertragsärztliche Pflichten, sofern dem erhebliche therapeutische Gründe entgegenstehen. Gleiches gilt, soweit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohles eines Kindes oder eines Jugendlichen vorliegen und die Befüllung der elektronischen Patientenakte den wirksamen Schutz des Kindes oder Jugendlichen in Frage stellen würde.“

Die BPtK hatte sich im Vorfeld dafür eingesetzt, dass bestehende datenschutzrelevante Probleme bei Kindern und Jugendlichen gelöst werden. Daraufhin hatte das Bundesgesundheitsministerium klargestellt, dass bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren von der Befüllungspflicht abgewichen werden kann, wenn therapeutische Gründe dagegensprechen oder wenn gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen und die Befüllung der ePA den wirksamen Schutz des Kindes oder der Jugendlichen* infrage stellen würde.

Grundsätzlich gilt: Psychotherapeut*innen können die ePA ihrer Patient*innen bis zum 1. Oktober 2025 auf freiwilliger Basis nutzen, anschließend gilt – nun mit Ausnahmen – eine gesetzliche Befüllungspflicht.

Im Zeichen politischen Aufbruchs und aktueller gesellschaftlicher Verantwortung

Der 46. Deutsche Psychotherapeutentag fand vom 16. bis 17. Mai 2025 in Leipzig statt.

(BPtK) Am 16. und 17. Mai 2025 trat das Parlament der Psychotherapeutenschaft in Leipzig zu seiner 46. Bundesdelegiertenversammlung zusammen. Der 46. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) stand im Zeichen des politischen Aufbruchs und der aktuellen gesellschaftlichen Verantwortung.

Psychiatrische und psychotherapeutische Komplexversorgung für Kinder und Jugendliche

Online-Infoveranstaltung Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut*innen zum neuen Versorgungskonzept

(LPK BW) Am 10. April 2025 von 19:30 Uhr bis 21:00 Uhr veranstaltet die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) in Zusammenarbeit mit der Landespsychotherapeutenkammer und der Ärztekammer eine Online-Informationsveranstaltung zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Komplexversorgung von Kindern und Jugendlichen.

Für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche steht ein breites Leistungsspektrum ganz unterschiedlicher Hilfesysteme zur Verfügung. Das Potenzial dieser Behandlungs- und Unterstützungsoptionen kann jedoch oftmals nicht vollständig ausgeschöpft werden, da ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen fehlt. Diese Lücke hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über eine Richtlinie mit einem neuen Versorgungskonzept geschlossen (KJ-KSVPsych-RL). Zum 1. April 2025 werden die Leistungen nach dieser Richtlinie für Ärztinnen und Ärzte sowie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vergütet.

Im Rahmen der Online-Fortbildung der KVBW am 10.04.2025 erhalten Sie Informationen zu den Inhalten der neuen Richtlinie, den Zugangsmöglichkeiten und der Vergütung. Außerdem werden die Chancen und Herausforderungen in der Umsetzung aus fachärztlicher und psychotherapeutischer Sicht betrachtet.

Die Veranstaltung richtet sich an Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie sowie an weitere Fachärztinnen und Fachärzte, die Erfahrung in der psychiatrischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen erworben haben. In gleicher Weise richtet sie sich an Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutinnen und -Psychotherapeuten sowie an Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die neben der Behandlung von Erwachsenen auch zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen berechtigt sind.

Schwerpunkte:

  • Vorstellung der KJ-KSVPsych-RL

  • Vergütung im Rahmen der Komplexversorgung

  • Teilnahmevoraussetzungen

  • Patientengruppe und Abgrenzung zur Behandlung im Rahmen der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung

  • Möglichkeiten und Herausforderungen für die kinder- und jugendpsychotherapeutische Praxis

 

Die Veranstaltung ist kostenfrei und wird mit 2 Fortbildungspunkten akkreditiert. 

Weitere Informationen zum Online-Fortbildung sowie den Link zur Anmeldung finden Sie hier.

Ambulante Komplexbehandlung für Kinder und Jugendliche startet am 1. April

Bewertungsausschuss hat Vergütung neuer Leistungen beschlossen

(BPtK) Das neue multiprofessionelle Versorgungsangebot für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche nach der Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung schwer psychisch kranker Kinder und Jugendlicher (KJ-KSVPsych-RL) kann am 1. April 2025 starten.

Der ergänzte Bewertungsausschuss hat auf seiner 111. Sitzung die nötigen Änderungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) beschlossen, mit denen die neuen psychotherapeutischen Leistungen dieses Versorgungsangebots in den EBM aufgenommen und deren Vergütung geregelt wurden. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, dass die ambulante Komplexbehandlung nun auch für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche in die Praxis umgesetzt werden kann.

Die KJ-KSVPsych-Richtlinie war am 21. März 2024 vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossen worden und am 9. Juli 2024 in Kraft getreten. Mit dieser Richtlinie wurden die Grundlagen für eine teambasierte, multiprofessionelle Versorgung schwer psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher geschaffen, bei der bedarfsabhängig auch eine bessere Zusammenarbeit und Koordination der Leistungen an der Schnittstelle zum Beispiel zur Jugendhilfe, zu Schule und Kita oder zur Eingliederungshilfe organisiert werden kann. In den Teams arbeiten stets eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in und eine Kinder- und Jugendpsychiater*in systematisch zusammen. Die Patient*innen bzw. die Sorgeberechtigten wählen eine Psychotherapeut*in oder Ärzt*in als zentrale Ansprechpartner*in, die für sie die gesamte Behandlung plant und die Zusammenarbeit koordiniert („Bezugspsychotherapeut*in/-ärzt*in“). Teil des sogenannten „Zentralen Teams“ ist darüber hinaus eine nichtärztliche koordinierende Person, die bestimmte Koordinationsaufgaben übernehmen soll. Zudem können weitere Leistungserbringer*innen wie Krankenhäuser, Ergotherapeut*innen, Eingliederungshilfe oder Jugendämter mit einbezogen werden, um eine individuell angepasste Behandlung zu gewährleisten.

Diese Vernetzungsarbeit kostet Zeit und ist künftig im Rahmen der ambulanten Komplexbehandlung abrechenbar. Dafür wurden auch Leistungen wie das Aufsuchen der Patient*innen im häuslichen Umfeld, Fallbesprechungen und die Teilnahme an SGB-übergreifenden Hilfeplangesprächen in einem neuen Abschnitt 37.6 in den EBM aufgenommen.

Was sind die Ziele der ambulanten Komplexbehandlung?

  • Verbesserung der Versorgungssituation schwer psychisch kranker Kinder und Jugendlicher
  • Stärkung der Koordination und interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Leistungserbringer*innen
  • Frühzeitige und kontinuierliche Behandlung zur Reduktion von Chronifizierungen
  • Schließen von Versorgungslücken zwischen ambulanter, stationärer und sozialer Betreuung

Wer kann die ambulante Komplexbehandlung erhalten?

Die KJ-KSVPsych-RL ist für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche bestimmt, die aufgrund der Komplexität ihrer Symptomatik und des hohen Behandlungsbedarfs eine koordinierte und strukturierte multiprofessionelle Versorgung benötigen.

Kriterien für die Aufnahme in das Versorgungsprogramm:

  • Diagnosen nach ICD-10 GM: F1 bis F6, F84, F9 oder F7x.1 des ICD-10 GM
  • Beeinträchtigungsschwere: mindestens ein psychosozialer Umstand (5. Achse MAS) und ernsthafte soziale Beeinträchtigung (6. Achse MAS, Stufe 4 – 8)
  • Komplexer Behandlungsbedarf: mindestens zwei Maßnahmen der Krankenbehandlung durch Leistungserbringer*innen unterschiedlicher Disziplinen pro Quartal

Was sind die Kernelemente des Versorgungsangebots?

Die multiprofessionelle Versorgung der Patient*innen wird maßgeblich über die patientenindividuellen „Zentralen Teams“ organisiert, die Vertreter*innen zumindest der folgenden Berufsgruppen umfassen:

  • eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in (inklusive Psychologische Psychotherapeut*innen mit Fachkunde Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie),
  • eine Kinder- und Jugendpsychiater*in,
  • eine nichtärztliche koordinierende Person für bestimmte Koordinationsaufgaben.

Für die nichtärztliche koordinierende Person sieht § 6 Absatz 2 der KJ-KSVPsych-Richtlinie eine spezifische berufliche Qualifikation vor (u. a. Ergotherapeut*in, MFA, Soziotherapeut*in, Sozialarbeiter*in, Sozialpädagog*in, Psycholog*in, Heilpädagog*in, Heilerziehungspfleger*in, MFA). Dabei ist auch eine fachspezifische Zusatzqualifikation, die Kenntnisse im Umgang mit psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen belegt, oder eine zweijährige Berufserfahrung (inklusive Ausbildungszeiten) in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen erforderlich.

Je nach Versorgungsbedarf können weitere Leistungserbringer*innen in die Versorgung einbezogen und bei der Zusammenarbeit im „Erweiterten Team“ berücksichtigt werden.

Weitere wesentliche Elemente des Versorgungsangebots:

  • eine Bezugsarzt/-ärztin oder Bezugspsychotherapeut*in, die als zentrale koordinierende Instanz fungiert. Sie sorgt dafür, dass alle beteiligten Leistungserbringer*innen koordiniert zusammenarbeiten und bedarfsabhängig zum Beispiel auch Einrichtungen der Jugendhilfe, der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste oder der Eingliederungshilfe in die Versorgung eingebunden werden
  • individueller Gesamtbehandlungsplan, der auf die Patient*in abgestimmt und kontinuierlich fortgeschrieben wird
  • regelmäßige Fallbesprechungen zur Evaluierung und Anpassung der Behandlung
  • SGB-übergreifende Hilfekonferenzen, um Zusammenarbeit mit Jugendhilfe, Schule und anderen relevanten Institutionen sicherzustellen
  • Zusammenarbeit mit weiteren (nicht zur Teilnahme nach der Richtlinie berechtigte) Akteur*innen: u. a. Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste, Eingliederungshilfe, Einrichtungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Jugendämter, ÖGD, Jugendhilfe, Schulen und Kitas, schulpsychologische Dienste, Pflegeeinrichtungen, psychosoziale Beratungsstellen, Traumaambulanzen (§ 31 SGB XIV), Selbsthilfeorganisationen, psychosoziale Einrichtungen zur Versorgung von Geflüchteten, Rehabilitationseinrichtungen

Forschung zur Verbesserung der Lebensbedingungen junger Menschen

Deutscher Psychologie Preis 2025 für Silvia Schneider und Gerhard Reese

(LPK BW) Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) und das Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) würdigen mit dem Deutschen Psychologie Preis 2025 zwei herausragende Forschende, die mit ihrer Arbeit maßgeblich zur Verbesserung der Lebensbedingungen junger Menschen beitragen. 

Sie setzen sich sowohl für den Zugang zu psychologischer und psychotherapeutischer Gesundheitsversorgung als auch für eine nachhaltige und sozial gerechte Umwelt ein. Prof. Dr. Silvia Schneider von der Ruhr-Universität Bochum wird für ihre Pionierarbeit in der Erforschung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen geehrt. Prof. Dr. Gerhard Reese von der RPTU Kaiserslautern-Landau erhält die Auszeichnung für seine wegweisende umweltpsychologische Forschung zur Förderung nachhaltigen Handelns und gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Die sich rasant wandelnde Welt stellt junge Menschen vor große Herausforderungen – sei es durch globale Krisen wie Kriege oder Klimawandel, steigenden Leistungsdruck in Schule und Ausbildung oder Unsicherheiten über die eigene Zukunft. „Wir müssen diese Herausforderungen ernst nehmen und die Bedürfnisse der jungen Generationen stärker in den Fokus rücken“, betont Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs).

 „Daher freuen wir uns besonders, den Deutschen Psychologie Preis in diesem Jahr an zwei Forschende zu verleihen, die mit ihrer exzellenten Arbeit maßgeblich dazu beitragen, jungen Menschen eine gesündere und nachhaltigere Zukunft zu ermöglichen. Psychische Gesundheit und Umweltschutz sind zwei zentrale Bausteine für eine lebenswerte Zukunft junger Generationen – und beide erfordern unsere gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit.“

Psychische Gesundheit und eine gesunde Umwelt als Basis für eine lebenswerte Zukunft

Silvia Schneider erforscht die Entstehung und Behandlung psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, entwickelt darauf basierend wirksame Therapieansätze und setzt sich besonders für den Zugang benachteiligter junger Menschen zu psychologischer Hilfe ein.

Gerhard Reese untersucht die psychologischen Mechanismen, die nachhaltiges Verhalten fördern, und zeigt, wie soziale Identität, gesellschaftliche Normen und politische Rahmenbedingungen Umweltengagement beeinflussen und mit dem Wohlbefinden der Menschen zusammenhängen.

Junge Menschen aktiv bei der Gestaltung ihrer Zukunft einzubeziehen, ist für Silvia Schneider und Gerhard Reese ein zentraler Ansatzpunkt für bessere Lebensbedingungen zukünftiger Generationen. Psychische Gesundheit und Klima- und Umweltschutz verdienen zum Wohle von jungen Menschen besondere gesellschaftliche Aufmerksamkeit: Bei Fragen der (psychischen) Gesundheit wird jungen Menschen häufig wenig Aufmerksamkeit geschenkt. 

Damit sie psychisch gesund aufwachsen können, muss die Gesellschaft ihre Bedürfnisse ernst nehmen und ihre psychologische und psychotherapeutische Gesundheitsversorgung verbessern. Umweltschutz ist essentiell dafür, dass die heutigen jungen Menschen Gerechtigkeit erfahren und zukünftig in einer gesunden Umwelt leben können.

 „Hier zeichnen sich Silvia Schneider und Gerhard Reese durch ihr außergewöhnliches Engagement aus, wissenschaftliche Erkenntnisse in praxisnahe Lösungen zu überführen – und damit drängende gesellschaftliche Herausforderungen auf fundierte und wirksame Weise anzugehen“, fasst DGPs-Präsidentin Eva-Lotta Brakemeier die Entscheidung der Jury zusammen.

EMDR bei Kindern und Jugendlichen keine wissenschaftlich anerkannte Psychotherapiemethode

Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie veröffentlicht Gutachten

(BPtK) Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) wird nach wie vor nicht als wissenschaftliche Psychotherapiemethode zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) anerkannt. Zu diesem Ergebnis kommt der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP) in seinem Gutachten, das er in seiner Sitzung am 10. März 2025 beschlossen hat.

Im Vergleich zum Gutachten des WBP zur EMDR-Methode bei Kindern und Jugendlichen vom 1. Dezember 2014 hat sich die Evidenzlage zwar mit insgesamt zwei Studien, die als Wirksamkeitsbeleg anerkannt wurden, deutlich verbessert. Für eine wissenschaftliche Anerkennung fehlte jedoch insbesondere eine methodisch adäquate Studie, die die nachhaltige Wirksamkeit der EMDR auch mindestens sechs Monate nach Therapieende belegt. Damit konnte das Kriterium für die wissenschaftliche Anerkennung als Psychotherapiemethode für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit PTBS insgesamt nicht erfüllt werden.

EMDR gilt seit dem Gutachten des WBP vom 6. Juli 2006 als wissenschaftlich anerkannte Psychotherapiemethode für die Behandlung von Erwachsenen mit PTBS. Die sozialrechtliche Anerkennung folgte mit Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 16. Oktober 2014. Seit 2015 kann EMDR bei gesetzlich krankenversicherten Erwachsenen als Psychotherapiemethode im Rahmen der Behandlung mit einem Psychotherapieverfahren gemäß Psychotherapie-Richtlinie angewandt werden.

Das Verfahren einer erneuten Begutachtung der EMDR-Methode bei Kindern und Jugendlichen mit PTBS erfolgte auf Antrag von EMDRIA e.V. Deutschland und war vom WBP mit Beschluss vom 5. Juni 2023 eingeleitet worden.