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Neues intensiv-psychotherapeutisches Behandlungsangebot

G-BA mit Richtlinie zur Versorgung schwer psychisch Kranker beauftragt

(BPtK) Schwer psychisch Kranke sollen künftig ein neues intensiv-ambulantes Versorgungsangebot erhalten können. Dabei handelt es sich insbesondere um intensiv-psychotherapeutische Leistungen aus Einzel- und Gruppentherapie, medikamentöser Behandlung, Soziotherapie, häuslicher psychiatrische Krankenpflege und Ergotherapie. Dieses komplexe Leistungsangebot soll durch Psychotherapeuten oder Psychiater koordiniert werden. Psychotherapeuten sollen dazu auch die Befugnis erhalten, psychiatrische Krankenpflege und Ergotherapie zu verordnen. Um nach Entlassung aus dem Krankenhaus eine nahtlose ambulante Weiterbehandlung zu erleichtern, wird es den niedergelassenen Psychotherapeuten zudem ermöglicht, noch während der stationären Behandlung diagnostische Termine (Probatorik) im Krankenhaus durchzuführen.

Der Gesetzgeber beauftragt den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) damit, bis zum 31. Dezember 2020 ein solches intensives ambulantes Versorgungsangebot in einer eigenen Richtlinie zu konzipieren. Der Auftrag wurde mit den letzten Änderungsanträgen zum Gesetz der Reform der Psychotherapeutenausbildung nochmals deutlich angepasst und konkretisiert.

Schwer psychisch kranke Patientinnen und Patienten bedürfen häufig einer intensiven und multiprofessionellen Versorgung. Eine solche Unterstützung und Behandlung durch Psychotherapeuten, Ärzte, Krankenpfleger, Soziotherapeuten und Ergotherapeuten erhöht für die chronisch Kranken erheblich die Chance, möglichst stabil und ohne krisenhafte Krankenhauseinweisungen in einer eigenen Wohnung leben zu können. Bislang gab es weder ambulant noch stationär ein solches Versorgungsangebot. „Damit kann eine große Lücke zwischen der multiprofessionellen, stationären Behandlung im Krankenhaus und der ambulanten Regelversorgung geschlossen werden“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, fest. „Die kontroversen Beratungen zur Versorgung schwer psychisch Kranker haben damit zu einem guten Ergebnis geführt.“

Mit den neuen Regelungen werden auch Vorschläge des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen aufgegriffen, intensive multimodale Angebote im ambulanten Bereich zu fördern. Dieser hatte zudem moniert, dass entgegen den Erwartungen die Psychotherapie im Krankenhaus meist nicht intensiver ausfällt als in der ambulanten Versorgung. Auch nach Auffassung des Sachverständigenrates könnten stationäre Behandlungen vermieden werden, wenn es ambulant gut aufeinander abgestimmte intensivere Versorgungsangebote gäbe.

Weiterhin psychotherapeutische Mangelversorgung in der Psychiatrie

BPtK: G-BA-Reform ist patientenmissachtend

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) kritisiert die Entscheidung zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik als patientenmissachtend. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) scheitert an einer Reform, die dringend notwendig war, um die Patienten in den Krankenhäusern für psychisch kranke Menschen nach modernen Standards ausreichend und sachgerecht zu versorgen. „Der G-BA nimmt in Kauf, dass Patienten nicht die Behandlung bekommen, die sie benötigen“, kritisiert Dr. Dietrich Munz. „Auf den Stationen wird es weiter zu vermeidbarer Gewalt und Zwangsmaßnahmen kommen, da Patienten in psychischen Krisen nicht angemessen behandelt und ausreichend betreut werden können. Das Ergebnis der G-BA-Beratung ist angesichts dieser seit Jahren bekannten Personalmängel und Behandlungsdefizite beschämend.“ Die BPtK fordert deshalb von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, den G-BA-Beschluss zu beanstanden.

Nach fast fünfjähriger Beratungszeit hat der G-BA heute Mindestanforderungen an die Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik beschlossen. Er schreibt damit aber nur die Regelungen der fast 30 Jahre alten Psychiatrie-Personalverordnung fort. Eine nachhaltige Erhöhung des Personals, insbesondere mehr Pflegende und mehr Psychotherapeuten, wird es nicht geben. „Die Fortsetzung der psychotherapeutischen Mangelversorgung der Patienten vor allem in der Psychiatrie ist unverantwortlich“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. „Der G-BA ist an seinem gesetzlichen Auftrag, eine leitlinienorientierte Versorgung in Krankenhäusern für psychisch kranke Menschen umzusetzen, kläglich gescheitert.“

Die Standards der überholten Psychiatrie-Personalverordnung führen inzwischen zu Fehlbehandlungen, weil Patienten keine fachgerechte Psychotherapie erhalten. Patienten der Allgemeinpsychiatrie erhalten danach in der Regel- und Intensivbehandlung nur maximal eine halbe Stunde Einzelpsychotherapie pro Woche. Das betrifft 73 Prozent der Patienten, die in der Psychiatrie behandelt werden. In anderen Bereichen, z. B. der Gerontopsychiatrie, erhalten sie noch weniger Psychotherapie. Mit den neuen Personalvorgaben bekommen Patienten künftig 50 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche. „Schwer kranke Menschen erhalten allerdings bereits in der ambulanten Versorgung mehrere Stunden Einzeltherapie“, erklärt BPtK-Präsident Munz. „In den psychiatrischen Krankenhäusern, die gerade eine intensivere Behandlung von psychisch kranken Menschen ermöglichen sollen, bleibt damit die Versorgung mehr als mangelhaft.“ Die BPtK fordert mindestens 100 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche für alle Patientengruppen in allen Behandlungsbereichen.

Die BPtK kritisiert seit Langem, dass in der Psychiatrie keine leitliniengerechte Versorgung der Patienten möglich ist. Dafür muss ein grundsätzlich neues Modell zur Berechnung der Personalausstattung in diesen Kliniken entwickelt werden. Maßgeblich ist, dass der Behandlungsbedarf verschiedener Patientengruppen anhand objektiver, nachvollziehbarer und überprüfbarer Kriterien festgelegt wird. Es muss klar sein, nach welchen Kriterien, z. B. Diagnose, psychosoziale Einschränkungen, somatische Komorbiditäten, Patienten klassifiziert werden und welcher Leistungsanspruch für sie damit verbunden ist. Die Krankenhäuser müssen die Kosten für das so berechnete Personal in den Budgetverhandlungen verbindlich berücksichtigen können. Im Gegenzug sollten die Krankenhäuser verpflichtet werden, Transparenz darüber herzustellen, welche Behandlungsleistungen mit dem vereinbarten Personal realisiert wurden. Die BPtK spricht sich dafür aus, dass der G-BA dazu gesetzlich verpflichtet wird, ein solches Modell zu entwickeln.

Personalmangel in der Psychiatrie führt zu mehr Zwangsmaßnahmen

Ver.di veröffentlicht Versorgungsbarometer Psychiatrie 2019

(BPtK) Zu wenig Personal führt in psychiatrischen Krankenhäusern zu mehr Zwangsmaßnahmen. Das ist ein zentrales Ergebnis des „Versorgungsbarometers Psychiatrie 2019“. Dafür befragte ver.di über 2.000 Beschäftigte aus knapp 170 Krankenhäusern. Drei von vier Beschäftigten hatten in den letzten vier Wochen mindestens eine Zwangsmaßnahme miterlebt, die Hälfte mindestens wöchentlich. 60 Prozent der Befragten glauben, dass „ungefähr die Hälfte“ oder „fast alle“ dieser Zwangsmaßnahmen mit einer besseren Personalausstattung vermeidbar gewesen wären.

Die personellen Defizite in der Psychiatrie führen auch dazu, dass es vermehrt zu Übergriffen von Patienten auf Personal kommt. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, in den vier Wochen vor der Befragung körperliche Übergriffe gegen sich selbst erlebt zu haben.

Auch die psychotherapeutische Versorgung kann aufgrund des Personalnotstands nicht ausreichend qualifiziert sichergestellt werden. Die psychotherapeutische Versorgung wird vor allem von den Psychotherapeuten im Praktikum ermöglicht. So gibt eine Befragte an: „Die Patienten bekommen bei uns maximal 25 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche. Diese Therapie wird größtenteils von Psychotherapeuten im Praktikum durchgeführt. Sonst hätten viele Patienten gar keine Psychotherapie.“

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) soll am 19. September 2019 über neue Personalvorgaben in der Psychiatrie entscheiden. Viele Experten fürchten jedoch ein Desaster, weil der G-BA sich erneut nicht zu einer sachgerechten Reform in der Lage sieht. Es ist zu befürchten, dass er nur minimale Verbesserungen beschließt, die nicht dazu führen, dass sich die Zwangsmaßnahmen in den psychiatrischen Kliniken verringern.

Neues Disease-Management-Programm für Patienten mit chronischen Depressionen

G-BA schließt Psychotherapeuten als Koordinatoren der Behandlung aus

(BPtK) Patienten mit chronischen oder wiederkehrenden Depressionen können sich künftig im Rahmen eines strukturierten Behandlungsprogramms (Disease-Management-Programm – DMP) behandeln lassen. Die inhaltlichen Anforderungen für das neue DMP hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seiner Sitzung am 15. August 2019 beschlossen und hat damit einen gesetzlichen Auftrag aus dem Jahr 2015 umgesetzt. Das DMP richtet sich an Patienten mit chronischer Depression oder wiederholt auftretenden depressiven Episoden mit mittlerer bis schwerer Ausprägung.

Zentrale Bausteine des Behandlungsprogramms sind eine leitlinienorientierte Behandlung mit Psychotherapie und medikamentöser Therapie. Die konkreten Therapieempfehlungen richten sich insbesondere nach Verlauf und Schweregrad der Depression unter Berücksichtigung komorbider körperlicher und psychischer Erkrankungen. Auch das Vorgehen bei Suizidalität und Maßnahmen des Krisenmanagements werden im DMP adressiert. Jeder Patientin und jedem Patienten soll zudem – sofern sie aus ärztlicher oder psychotherapeutischer Sicht davon profitieren können – ein evaluiertes digitales Selbstmanagementprogramm unter qualifizierter Begleitung angeboten werden. Alternativ können auch evaluierte Präsenzschulungen angeboten werden.

Die Langzeitbetreuung und Koordination der Behandlung soll im DMP grundsätzlich durch den Hausarzt erfolgen. In Ausnahmefällen können dies auch spezialisierte Leistungserbringer wie beispielsweise Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie übernehmen. Dagegen können sich Patienten nicht bei ihrem Psychotherapeuten in das DMP einschreiben lassen. „Damit werden für Patienten, die bereits beim Psychotherapeuten in Behandlung sind, völlig unnötige Hürden für die Teilnahme am DMP aufgebaut“, bemängelt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Patienten sollten die Wahl haben, dass der Arzt oder Psychotherapeut die Koordination ihrer Versorgung übernehmen kann, der am besten mit ihrer Erkrankung vertraut und für sie der wichtigste Ansprechpartner ist. Der zentralen Rolle der Psychotherapie in der Versorgung depressiver Erkrankungen muss hier stärker Rechnung getragen werden.“

Sinnvoll erscheint dagegen, dass das DMP eine systematische Einbindung der Psychotherapeuten und Fachärzte im Behandlungsverlauf vorsieht. Eine Grundlage hierfür bilden die regelmäßigen Verlaufskontrollen, bei denen der koordinierende Arzt insbesondere die Symptomausprägung und -veränderung, das psychosoziale Funktionsniveau und Behandlungseffekte beurteilt. Wenn nach sechs Wochen hausärztlicher Behandlung noch keine ausreichende Besserung erzielt wurde, ist von ihm die Überweisung zum Psychotherapeuten oder entsprechend qualifizierten Facharzt zu prüfen. Eine stärkere Kooperation zwischen Hausärzten und Psychotherapeuten kann so zu einer leitlinienorientierten Behandlung beitragen.

Willkürliche Berechnung und formaler Fehler

BPtK fordert, den G-BA-Beschluss zur Bedarfsplanung zu beanstanden

(BPtK) Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 16. Mai 2019 die Bedarfsplanungs-Richtlinie geändert. Er hat damit den gesetzlichen Auftrag zur Anpassung und Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung, der ihm 2015 erteilt wurde, nicht ausreichend umgesetzt. Zum einen unterschätzt die Richtlinie massiv den wissenschaftlich und fachlich festgestellten Bedarf. Zum anderen hat der G-BA statt eines tatsächlichen Morbiditätsfaktors lediglich einen zusätzlichen Demografiefaktor eingeführt. „Im Ergebnis hat der G-BA eine Reform der Bedarfsplanung beschlossen, die willkürlich unter der Zahl der erforderlichen psychotherapeutischen Praxissitze bleibt, und mit dem Demografiefaktor einen Automatismus geschaffen, der künftig kontinuierlich zu einer schlechteren Versorgung psychisch kranker Menschen führt“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Die für die Psychotherapie besonders nachteilige Einführung des neuen Demografiefaktors erfolgte außerdem erst nach dem Stellungnahmeverfahren im G-BA. Die BPtK sieht darin einen formalen Fehler, der allein schon zur Beanstandung der beschlossenen Bedarfsplanungs-Richtlinie durch das Bundesgesundheitsministerium führen muss.

Ein vom G-BA in Auftrag gegebenes Gutachten hatte festgestellt, dass rund 2.400 zusätzliche psychotherapeutische Praxissitze notwendig sind, um eine bedarfsgerechte Versorgung psychisch kranker Menschen zu ermöglichen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Patientenvertretern und den Ländern ca. 1.900 zusätzliche Psychotherapeutensitze insbesondere in ländlichen Regionen für erforderlich gehalten. Dieser wissenschaftlich und fachlich unstrittige Bedarf wurde jedoch vom GKV-Spitzenverband ignoriert. Er war mit einer politisch-strategischen Positionierung in die G-BA-Gespräche gegangen, generell keine zusätzlichen Praxissitze zu planen. Durch diesen Boykott einer fachlichen Auseinandersetzung war der G-BA nicht mehr in der Lage, eine sachgerechte Reform der Bedarfsplanung zu beschließen und seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.

Die Veröffentlichung des Beschlusses zeigt, dass der G-BA, anders als noch im Stellungnahmeverfahren vorgesehen, die Berechnung für die geplanten Praxissitze willkürlich und ohne eine nachvollziehbare fachlich-konzeptionelle Begründung geändert hat. Dadurch sank die Zahl der zusätzlichen psychotherapeutischen Praxissitze auf unter 800. Das ist weniger als ein Drittel des im wissenschaftlichen Gutachten festgestellten Bedarfs.

Hinzu kommt, dass der G-BA beschlossen hat, die Veränderung des Versorgungsbedarfs über einen Demografiefaktor, statt einen Morbiditätsfaktor zu erfassen. Damit lassen sich die Praxissitze aber nur an der sich verändernden Geschlechts- und Altersstruktur der Bevölkerung ausrichten und gerade nicht am wachsenden psychotherapeutischen Versorgungsbedarf. Schon hierbei wären Besonderheiten von psychischen Erkrankungen zu berücksichtigen gewesen. Psychische Erkrankungen treten, anders als die meisten körperlichen Erkrankungen, erstmals deutlich früher, in jüngeren Lebensjahren, auf. Auch die Häufigkeit psychischer Erkrankungen ist im Gegensatz zu körperlichen Erkrankungen bei älteren Menschen geringer. Insbesondere die über 75-Jährigen nehmen seltener psychotherapeutische Versorgung in Anspruch.

Der neue Demografiefaktor ist aber insbesondere nicht geeignet, eine veränderte Morbidität und einen wachsenden Bedarf an Psychotherapie zu erfassen. Er berücksichtigt ausschließlich die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung und den über- oder unterdurchschnittlichen Leistungsbedarf der einzelnen Bevölkerungsgruppen. Er rechnet nicht ein, dass sich der Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdoppelt hat. Aufgrund der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen nutzen immer mehr Patienten professionelle Hilfe und Psychotherapie. Psychotherapie ist für fast alle psychischen Erkrankungen, allein oder in Kombination mit Pharmakotherapie, die leitliniengerechte Behandlung.

„Damit hat der G-BA die Bedarfsplanung gegen Veränderungen der Morbidität und des Behandlungsbedarfs immunisiert“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. „Der fachlich falsche neue Demografiefaktor führt dazu, dass Jahr für Jahr die Zahl der psychotherapeutischen Praxissitze sinkt.“ Bereits in diesem Jahr sinkt dadurch die Zahl der rund 1.000 zusätzlichen Praxissitze auf 776 Sitze.

Krankenkassen blockieren sachgerechte Reform der Bedarfsplanung

BPtK: Ländliche Regionen weiterhin massiv benachteiligt

(BPtK) Psychisch kranke Patienten werden in vielen Regionen auch in Zukunft unzumutbar lange auf einen Psychotherapieplatz warten müssen. Die Reform der Bedarfsplanung, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf seiner heutigen Sitzung beschlossen hat, bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. „Die Krankenkassen sperrten sich von Anfang an gegen auch nur einen zusätzlichen Praxissitz“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Mit dieser destruktiven Strategie blockierten sie den G-BA und verhinderten eine sachgerechte Lösung.“

Nach der heutigen G-BA-Entscheidung kommt es zu einer völlig unzureichenden Erhöhung der Anzahl der psychotherapeutischen Praxen um voraussichtlich knapp 800 Sitze. Nach den Empfehlungen des G-BA-Gutachtens zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung wären über 2.400 zusätzliche Sitze notwendig gewesen. Nach dem Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der auch von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Patientenvertretern und den Ländervertretern mitgetragen wurde, wären immerhin knapp 2.000 Sitze in den am schlechtesten versorgten Regionen geschaffen worden. „Durch die grundsätzliche Verweigerung einer sachgerechten Bedarfsplanungsreform konnten die Krankenkassen die Zahl psychotherapeutischer Praxen, die zusätzlich geschaffen werden können, mehr als halbieren. Das ist Politik zulasten von Versicherten, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung kaum in der Lage sind, sich zu wehren.“

Epidemiologische Studien zeigen, dass sich der Bedarf an Psychotherapie in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdoppelt hat. Gleichzeitig konnte belegt werden, dass die Menschen auf dem Land in etwa genauso häufig erkranken wie in den Großstädten. Deshalb sind auf dem Land grundsätzlich genauso viele psychotherapeutische Praxen notwendig wie in großstädtischen Zentren. Die BPtK konnte mit ihrer Wartezeiten-Studie 2018 zeigen, dass Menschen außerhalb von Ballungsräumen im Durchschnitt fünf bis sechs Monate auf den Beginn einer Psychotherapie warten. Die Wartezeit in Großstädten liegt bei durchschnittlich vier Monaten. Die besonders langen Wartezeiten auf dem Land sind darauf zurückzuführen, dass dort deutlich weniger Psychotherapeuten vorgesehen sind als in den Großstädten. „Daran ändert die jetzige Bedarfsplanungsreform zu wenig“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Während in Großstädten künftig rund 35 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner zur Verfügung stehen, sind es in ländlichen Regionen zwischen 17 und 21 Psychotherapeuten – also rund die Hälfte. „Damit benachteiligen die Krankenkassen auf lange Zeit psychisch kranke Menschen in ländlichen Regionen.“

Sonderregion Ruhrgebiet: Ein Spezialfall in der Bedarfsplanung ist das Ruhrgebiet. Obwohl die Region zwischen Rhein und Ruhr ein großstädtischer Ballungsraum ist, können sich dort entgegen der allgemeinen Systematik der Bedarfsplanung deutlich weniger Psychotherapeuten niederlassen als in anderen Großstädten. Darum sind zwischen Duisburg und Dortmund die Wartezeiten auf eine ambulante Psychotherapie sogar noch länger als auf dem Land. Sie betragen dort mehr als sieben Monate. „Das Ruhrgebiet wird seit jeher ohne sachlichen Grund aus der allgemeinen Systematik der Bedarfsplanung herausgenommen“, erläutert Munz. „Der G-BA hätte die Versorgung von psychisch kranken Menschen hier dringend verbessern müssen. Unverständlicherweise wird es mit der jetzigen Reform jedoch kaum zusätzliche Sitze geben. So bleibt diese Region auch in Zukunft das Schlusslicht der Republik mit den längsten Wartezeiten.“

Koordinierte Behandlung bei chronischen Rückenschmerzen

G-BA beschließt DMP Chronischer Rückenschmerz

(BPtK) Um die Versorgung von Menschen mit chronischen Rückenschmerzen zu verbessern, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seiner Sitzung im April die inhaltlichen Anforderungen an ein strukturiertes Behandlungsprogramm (Disease-Management-Programm, DMP) beschlossen.

Zentrale Bausteine einer solchen Behandlung sind körperliche Aktivierung und Lebensstiländerungen. Bei jedem Patienten soll zudem geprüft werden, ob er hierbei von einer multimodalen Schulung, die mindestens aus einem somatisch und einem psychisch orientierten Modul bestehen soll, profitieren kann. Damit erhalten Patienten eine Behandlung, wie sie auch von der Nationalen Versorgungsleitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz als wesentliche und wirksamste Behandlung bei chronischen Rückenschmerzen empfohlen wird.

Multimodale Behandlungsprogramme stehen bisher meistens nur als hochintensives Angebot in der teilstationären und stationären Krankenhausbehandlung oder medizinischen Rehabilitation zur Verfügung. Mit dem DMP Chronischer Rückenschmerz können diese Behandlungen auch in der ambulanten Versorgung gefördert werden. Abzuwarten bleibt jedoch, wie viele DMP-Verträge von den Krankenkassen abgeschlossen werden und wie vielen Patienten eine solche evidenzbasierte Versorgung angeboten wird.

Grundsätzlich könnten sich Patientinnen und Patienten mit chronischen – das heißt länger als zwölf Wochen andauernden – Schmerzen im Kreuzbereich des Rückens, deutlichen Aktivitätseinschränkungen und einem fortbestehenden Therapiebedarf in das DMP einschreiben. Liegen spezifische Ursachen für den Kreuzschmerz vor, beispielsweise Wirbelkörperfrakturen, rheumatische Erkrankungen oder ein Tumor im Bereich der Wirbelsäule, ist ein Einschreiben in das DMP nicht möglich, da hier die Behandlung der ursächlichen Erkrankung im Vordergrund steht.

Scharfe Kritik am Terminservice- und Versorgungsgesetz

33. Deutscher Psychotherapeutentag in Berlin

(BPtK) Der 33. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) am 17. November 2018 in Berlin kritisierte das geplante Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (TSVG). Durch das Gesetz dürfe es nicht zu weiteren bürokratischen Hürden beim Zugang zur Psychotherapie kommen. Vielmehr sei es unerlässlich, die unzumutbar langen Wartezeiten auf eine Richtlinienpsychotherapie abzubauen und mit einer Reform der Bedarfsplanung dafür zu sorgen, dass mehr Psychotherapeuten jenseits der Großstädte für die Versorgung psychisch kranker Menschen zur Verfügung stehen. Außerdem stellte der DPT die Weichen für eine psychotherapeutische Fernbehandlung, bei der die Qualitätsstandards der psychotherapeutischen Versorgung sichergestellt werden. Zentral sei dabei die Einschränkung, dass die Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung weiterhin die Anwesenheit der Patienten erfordert.

Wirksamkeit der Systemischen Therapie anerkannt

G-BA: Nutzen in fünf Störungsbereichen ausreichend belegt

(BPtK) Der Nutzen der Systemischen Therapie ist für die Behandlung von Erwachsenen ausreichend belegt. Dies ist das zentrale Ergebnis der Nutzenbewertung der Systemischen Therapie, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) heute in seiner Sitzung beschlossen hat. Das Bewertungsergebnis beruht auf einer Prüfung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das seinen entsprechenden Abschlussbericht im Juli 2017 veröffentlicht hat. „Die Systemische Therapie ist eine wichtige und sehr wirksame Behandlungsmöglichkeit in der Versorgung von psychisch Kranken“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest.

Die Wirksamkeit der Systemischen Therapie ist dabei für fünf Störungsbereiche nachgewiesen, insbesondere für die sehr versorgungsrelevanten Anwendungsbereiche Angst- und Zwangsstörungen sowie unipolare depressive Störungen. Aber auch bei Schizophrenie, Substanzkonsumstörungen und Essstörungen ist die Systemische Therapie nachweislich wirksam. „Die Systemische Therapie erfüllt damit die Kriterien, um als neues Psychotherapieverfahren zugelassen zu werden“, so Munz. „Die Zulassung sollte jetzt möglichst schnell erfolgen, damit den Patientinnen und Patienten die Systemische Therapie endlich zur Verfügung steht.“

Die positive Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist der erste Schritt auf dem Weg der sozialrechtlichen Zulassung der Systemischen Therapie als neues Psychotherapieverfahren in der Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten. Im nächsten Schritt sind noch die sektorspezifische Bewertung der medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit durch den G-BA und danach die Aufnahme der Systemischen Therapie als Behandlungsverfahren in die Psychotherapie-Richtlinie erforderlich. Dem Bundesministerium für Gesundheit hatte der G-BA zuletzt eine Entscheidung bis März nächsten Jahres zugesichert.

Bereits 2008 hatte der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie in seinem Gutachten die wissenschaftliche Anerkennung der Systemischen Therapie sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen festgestellt. Seither kann die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Systemischer Therapie als Vertiefungsverfahren erfolgen und führt zur Approbation. Nach nunmehr zehn Jahren hat der G-BA dieses Ergebnis zumindest für die Behandlung von Erwachsenen in einem ersten Schritt nachvollzogen.

Die Wirksamkeit der Systemischen Therapie ist damit jedoch erst bei Erwachsenen anerkannt. Damit auch Kinder und Jugendliche in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung mit Systemischer Therapie behandelt werden können, ist ein weiteres Bewertungsverfahren durch den G-BA erforderlich. „Dieses Prüfverfahren sollte der G-BA nun schnell beauftragen“, fordert Munz. Schon heute wird die Systemische Therapie u. a. im Krankenhaus, in der Rehabilitation, in der Jugendhilfe und im sozialpsychiatrischen Bereich erfolgreich angewandt. Auch Kinder und Jugendliche profitieren nachweislich von der Behandlung mit Systemischer Therapie. Dies ist für eine Reihe von psychischen Erkrankungen empirisch nachgewiesen.

Bessere psychotherapeutische Versorgung für Menschen mit geistiger Behinderung

G-BA ändert Psychotherapie-Richtlinie

(BPtK) Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 18. Oktober 2018 eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung beschlossen. Künftig können erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung – wie bereits Kinder und Jugendliche – bis zu zehn Einheiten der psychotherapeutischen Sprechstunde, statt bisher sechs, erhalten. Auch für die probatorischen Sitzungen und in der Rezidivprophylaxe wurden die möglichen Therapieeinheiten analog zu den Regelungen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen erweitert.

Die entsprechende Änderung der Psychotherapie-Richtlinie trägt dem erhöhten Zeitbedarf bei diesen Patientinnen und Patienten während der Diagnostik und Behandlung Rechnung. Hierbei können auch relevante Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld – wie z. B. Betreuer, Eltern, Geschwister – intensiver einbezogen werden. Einschränkungen und Besonderheiten im Sprachverständnis und den verbalen und non-verbalen Ausdrucksmöglichkeiten können die Kommunikation erschweren und in der Phase der diagnostischen Abklärung, der Indikationsstellung und des Aufbaus einer therapeutischen Beziehung einen besonders hohen zeitlichen Aufwand erforderlich machen. Anregungen der Bundespsychotherapeutenkammer, diese zusätzlichen Zeiten auch für die Akutbehandlung vorzusehen und die Rezidivprophylaxe als eigenen zusätzlichen Leistungsbereich für diese Patientinnen und Patienten bereitzustellen, hat der G-BA bei dem aktuellen Beschluss noch nicht aufgegriffen.

Insgesamt ist die Änderung der Psychotherapie-Richtlinie ein erster wichtiger Baustein, die psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit einer geistigen Behinderung zu verbessern. Sie sind häufiger psychisch belastet und haben ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten. Die psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit einer geistigen Behinderung ist in Deutschland jedoch häufig noch sehr unzureichend. Trotz aller Fortschritte in der Diagnostik psychischer Erkrankungen und der Anpassung der psychotherapeutischen Verfahren für diese Patientinnen und Patienten bestehen noch immer erhebliche Barrieren in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung. Dabei konnten verschiedene Studien zeigen, dass die psychotherapeutische Behandlung auch bei Menschen mit geistiger Behinderung wirksam ist.