Weltflüchtlingstag: Traumatisierte schlecht versorgt

BPtK fordert, Flüchtlingszentren zur Behandlung zu ermächtigen

(BPtK) Das deutsche Gesundheitssystem versorgt psychisch kranke Flüchtlinge sehr unzureichend. Rund 40 Prozent der Asylsuchenden in Deutschland leiden aufgrund extrem belastender Erlebnisse in ihren Heimatländern und auf der Flucht unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Von den rund 200.000 Menschen, die 2014 in Deutschland Asyl suchten, benötigen deshalb rund 80.000 eine Behandlung. Von ihnen erhalten jedoch tatsächlich nur circa fünf Prozent eine Psychotherapie. Und das, obwohl Psychotherapie für PTBS nach Leitlinien die empfohlene Behandlungsmethode ist. „Die Versorgung von psychisch kranken Flüchtlingen muss sich umgehend verbessern“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni 2015. „Flüchtlinge sind besonders schutzbedürftig. Sie dürfen nicht wie Patienten zweiter Klasse behandelt werden.“

Flüchtlinge können die Angebote des deutschen Gesundheitssystems nur sehr eingeschränkt nutzen. Für psychisch kranke Flüchtlinge hat daran auch die Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes, die seit 1. März 2015 in Kraft ist, kaum etwas geändert. Die Behandlung von psychisch kranken Flüchtlingen übernehmen im Wesentlichen die psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. Sie führen rund 3.600 Psychotherapien pro Jahr durch. Die Zentren finanzieren sich jedoch bisher nicht über die gesetzliche Krankenversicherung, sondern über andere, häufig befristete öffentliche Mittel. „Die Flüchtlingszentren sollten in ausreichendem Umfang Psychotherapie für Flüchtlinge anbieten können“, fordert BPtK-Präsident Munz. „Dafür sollten die Psychotherapeuten, die in diesen Zentren arbeiten, ermächtigt werden, mit der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen.“

Die Zulassungsausschüsse der Länder können nach § 31 der Zulassungsverordnung für Ärzte auch angestellte Psychotherapeuten in Einrichtungen berechtigen, wie ihre niedergelassenen Kollegen mit der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen, wenn dies notwendig ist, um eine begrenzte Personengruppe zu versorgen.

Niedergelassene Psychotherapeuten können nur begrenzt zur Versorgung von psychisch kranken Asylsuchenden beitragen. Bei ihnen bestehen Wartezeiten auf ein erstes Gespräch von durchschnittlich drei Monaten. Außerdem finanziert die gesetzliche Krankenversicherung keine Dolmetscher, ohne die eine Psychotherapie bei Flüchtlingen meist nicht möglich ist.

Psychotherapeutischer Sachverstand zukünftig gefragt

BPtK zum Präventionsgesetz

(BPtK) Die Chance, gesundheitsschädigendes Verhalten zu ändern und eine gesundheitsförderliche Lebensweise zu erreichen, ist von einer Reihe emotionaler, motivationaler und sozialer Faktoren abhängig. Die Prävention von Diabetes mellitus Typ 2 oder Adipositas bei Kindern und Jugendlichen beispielsweise erfordert schwierige Einstellungs- und Verhaltensänderungen, für die Psychotherapeuten über die fundierteste Expertise verfügen. „Es ist gut, dass Prävention in Deutschland endlich eine breite gesetzliche Grundlage bekommt und zukünftig psychotherapeutischer Sachverstand einzubeziehen ist, wenn Handlungsfelder und Kriterien für Leistungen zur primären Prävention festgelegt werden“, erläutert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) anlässlich des heute verabschiedeten Präventionsgesetzes. „Wir sind froh, dass dies im Gesetzgebungsverfahren noch ergänzt wurde.“

Bei der psychischen Gesundheit greift das Gesetz dennoch zu kurz. „Obwohl psychische Erkrankungen zu den Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts gehören, sollen Psychotherapeuten weder Gesundheitsuntersuchungen durchführen noch Präventionsempfehlungen ausstellen“, kritisiert Dr. Munz. Dabei arbeiten in Deutschland rund 40.000 Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten, die auf das Erkennen und Behandeln von psychischen Erkrankungen spezialisiert sind. „Hier wird ein großes Potenzial verschenkt, denn Prävention gehört zu den essenziellen Leistungen einer psychotherapeutischen Sprechstunde, wie sie mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz eingeführt wird.“

Psychische Beschwerden sind nicht immer behandlungsbedürftig. „Stellt ein Psychotherapeut Symptome einer psychischen Überforderung fest, die zu einer psychischen Erkrankung führen können, sollte er präventive Maßnahmen empfehlen können“, so Munz. „Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass diese Leistungen nur von Ärzten erbracht werden sollen.“ Dies gilt auch für Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen. Zeigen Kinder und Jugendliche psychische Auffälligkeiten, sollten diese in der Sprechstunde von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten abgeklärt werden. Bei Risiken für die psychische Gesundheit, aus denen sich noch keine behandlungsbedürftigen Erkrankungen entwickelt haben, sollte der Psychotherapeut unmittelbar eine Präventionsempfehlung geben können.

Schwerstkranke und sterbende Menschen psychotherapeutisch versorgen

Bundestag befasst sich in erster Lesung mit dem Hospiz- und Palliativgesetz

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer begrüßt die Pläne der Bundesregierung, die Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen in Deutschland zu verbessern. „Bei einer umfassenden Versorgung von Menschen an ihrem Lebensende sollten auch psychische Erkrankungen berücksichtigt und behandelt werden“, fordert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz anlässlich der ersten Lesung des Hospiz- und Palliativgesetzes im Bundestag. „Hier gibt es erhebliche Versorgungsdefizite. Aktuell wird nur ungefähr die Hälfte der psychischen Erkrankungen in Palliativ- oder Hospizeinrichtungen erkannt und nur etwas mehr als ein Drittel behandelt.“

Bis zu einem Drittel der Patienten in Palliativ- und Hospizeinrichtungen leidet unter einer behandlungsbedürftigen affektiven Störung. Zudem treten bei schwerkranken und sterbenden Patienten häufig kognitive Störungen auf. Die Schätzungen hierfür liegen zwischen 25 und 85 Prozent. Die Überlappung von körperlichen und psychischen Symptomen bei sterbenden Patienten erschweren die Differenzialdiagnostik und Erfassung des psychologischen Unterstützungsbedarfs. Psychotherapeutischer oder fachärztlicher Sachverstand sollte deshalb regelhaft in der Palliativversorgung aber auch in Pflegeeinrichtungen, in denen viele Menschen die letzte Lebensphase verbringen, verfügbar sein.

Neben einer Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung in Hospiz- und Palliativeinrichtungen bietet das Gesetz auch die Chance, die psychotherapeutische Versorgung in stationären Pflegeheimen zu verbessern. „Hier sind die Versorgungsdefizite bei psychischen Erkrankungen noch größer“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. Mehr als die Hälfte der Pflegeheimbewohner leiden unter einer psychischen Erkrankung, nur fünf bis maximal 20 Prozent von ihnen erhalten eine psychotherapeutische Behandlung. „Ziel muss es sein, durch Kooperationsverträge mit den vertragsärztlichen Leistungserbringern psychotherapeutischen oder fachärztlichen Sachverstand regelhaft in Heimen verfügbar zu machen.“ Der Gesetzentwurf geht aus Sicht der BPtK hier nicht weit genug.

Zukünftig mehr Psychotherapien durch Jobsharing

GKV-VSG ermöglicht Flexibilisierung der Versorgungsaufträge

(BPtK) Die Bundesregierung ermöglicht Psychotherapeuten durch Jobsharing zukünftig mehr Behandlungsstunden anzubieten. „Dadurch können mehr Patienten schneller eine Psychotherapie erhalten“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, das heute im Bundestag verabschiedet wird. „Dies ist aber auch für unsere jungen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die Familie und Beruf miteinander in Einklang bringen müssen, und für unsere erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die Supervision und Selbsterfahrung im Rahmen der Psychotherapieausbildung anbieten, ein großer Fortschritt. Ein Psychotherapeut, der seine Behandlungsstunden z. B. aufgrund familiärer Verpflichtungen oder wegen seines Engagements in der Ausbildung angehender Psychotherapeuten verringern musste, kann zukünftig das Jobsharing nutzen, um seine Praxis auszulasten.“

Beim Jobsharing teilen sich zwei Psychotherapeuten einen Praxissitz. Dabei handelt es sich entweder um eine Anstellung oder um eine Berufsausübungsgemeinschaft mit einem Senior- und einem Juniorpartner. Bisher durfte der Umfang dieser neuen Gemeinschaftspraxis allerdings nicht wesentlich höher sein als der Umfang der vorherigen Einzelpraxis. Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sieht jetzt vor, dass psychotherapeutische Praxen, die bisher nur wenige Therapiestunden anbieten können, durch Jobsharing mehr Behandlungsstunden erbringen können als eine psychotherapeutische Durchschnittspraxis. Wo genau die Obergrenze liegen soll, das soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) festlegen.

Das Bundessozialgericht sieht die Maximalauslastung einer psychotherapeutischen Praxis bei 36 Psychotherapiesitzungen pro Woche. Dies entspricht einer wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 51 Stunden. Die zusätzliche Arbeitszeit wird für Dokumentation, Anträge, Abrechnung, Praxismanagement, Inter- und Supervision sowie Fortbildung benötigt. „Daran sollte sich auch der G-BA orientieren, der jetzt angemessene Kapazitätsgrenzen beim Jobsharing definieren muss“, fordert BPtK-Präsident Munz.

Psychotherapeuten erbringen im Durchschnitt rund 22 bis 27 Psychotherapiestunden pro Woche. Für eine höhere Auslastung von psychotherapeutischen Praxen gibt es grundsätzlich eine Vielzahl von rechtlichen Hindernissen. Ein Psychotherapeut kann sich – anders als andere Arztgruppen – bei Krankheit, Urlaub oder Fortbildung nicht vertreten lassen. Er muss seine Praxis in diesen Zeiten schließen. Außerdem sind Psychotherapeuten im Gegensatz zu anderen Arztgruppen bisher nicht befugt, Untersuchungen und Behandlung an andere zu delegieren. Bei den Ärzten gelten auch delegierte Leistungen, wie z. B. Blutabnahmen durch einen Praxishelfer, als „ärztliche“ Arbeitszeit. Dadurch liegt die durchschnittliche Arbeitszeit von Psychotherapeuten selbst dann unter der durchschnittlichen Arbeitszeit von Ärzten, wenn sie persönlich gleich lange gearbeitet haben.

Verbindliche Personalausstattung und Zuschläge für Psychiatrie und Psychosomatik

BPtK zum Krankenhaus-Strukturgesetz

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert, das Krankenhaus-Strukturgesetz (KHSG) zu nutzen, um die Versorgungsqualität in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen zu sichern. Die Kliniken sollten mit verbindlichen Mindestanforderungen für die Personalausstattung planen können, die von den Krankenkassen zu finanzieren sind. Außerdem sollten sie für ihre regionale Versorgungsverpflichtung individuelle Zuschläge erhalten. Dies sind wichtige Ergänzungen des pauschalierenden Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP).

„Die verbindliche Einführung des PEPP ist um zwei Jahre verschoben worden. Dies muss jetzt auch genutzt werden, um das neuen Entgeltsystems substanziell weiterzuentwickeln“, erläutert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Die Behandlungsqualität in Krankenhäusern für psychisch kranke Menschen ist in erster Linie von einer ausreichenden und qualifizierten Personalausstattung abhängig. Um zukünftig einen ruinösen Wettbewerb durch Personalabbau zu verhindern, sind verbindliche Strukturanforderungen und eine ausreichende Finanzierung unerlässlich. Dies muss jetzt im KHSG festgelegt werden.“

Zudem entstehen psychiatrischen Krankenhäusern aufgrund ihrer regionalen Versorgungsverpflichtung unterschiedliche Kosten. Psychiatrische Einrichtungen sind – im Unterschied zu somatischen Häusern – verpflichtet, alle Patienten, die aus einem festgelegten Einzugsbereich zu ihnen kommen, zu behandeln. Der Aufwand dafür ist je nach Einwohner- und Sozialstruktur erheblich. „Diese unterschiedlich hohen Mehrkosten für den ärztlichen Bereitschaftsdienst, die pflegerischen Nachtwachen und die Bereitschaftsbetten werden im PEPP nicht ausreichend berücksichtigt“, erklärt der BPtK-Präsident. „Der Gesetzgeber sollte deshalb den Krankenhäusern ermöglichen, Zuschläge für regionale Versorgungsverpflichtung zu verhandeln. Dies könnte nach bundeseinheitlich festgelegten Kriterien erfolgen.“ Das KHSG sieht bei der Notfallversorgung bereits Zuschläge vor. Diese Regelung sollte für die psychiatrischen Krankenhäuser um Zuschläge für die regionale Versorgungsverpflichtung ergänzt werden.

Sprechstunde möglich, Praxisabbau begrenzt, Befugnisse erweitert

BPtK: GKV-Versorgungsstärkungsgesetz enthält wichtige Verbesserungen

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer begrüßt die mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz geplanten Veränderungen in der ambulanten Versorgung: Die Bundesregierung will eine psychotherapeutische Sprechstunde einführen, sie halbiert annähernd den bisher geplanten Abbau psychotherapeutischer Praxen und sie erweitert die Befugnisse von Psychotherapeuten.

„Die ambulante Versorgung könnte sich durch die psychotherapeutische Sprechstunde deutlich verbessern“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Zukünftig könnten Psychotherapeuten schneller Termine für ein erstes Gespräch anbieten. Ratsuchende erhielten dadurch viel früher als bisher eine fachliche Beratung darüber, ob sie psychisch krank sind oder nicht und was sie benötigen. Akut Behandlungsbedürftige bekämen rascher professionelle Hilfe. Andere könnten an Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen weitergeleitet werden.“

Allerdings könnte dieser Fortschritt teilweise wieder zunichte gemacht werden. „Nach dem Gesetzentwurf sollen weiterhin fast 5.000 psychotherapeutische Praxen abgebaut werden, obwohl sie für die Versorgung dringend notwendig sind“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. Immerhin habe der Gesetzgeber einen stärkeren Kahlschlag vermieden. Ursprünglich sollten sogar über 7.400 psychotherapeutische Praxen nicht mehr an einen Nachfolger übergeben werden können. „Vom Praxisabbau sind aber immer noch vor allem Psychotherapeuten betroffen, obwohl gerade hier die bisherige Bedarfsplanung besonders mangelhaft ist“, stellt Munz fest. Die BPtK fordert deshalb, den Abbau von psychotherapeutischen Praxen so lange auszusetzen, bis eine neue Bedarfsplanung vorliegt.

Nach dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz soll bis zum 1. Januar 2017 die Bedarfsplanungs-Richtlinie grundlegend überarbeitet werden. Insbesondere sollen zukünftig sowohl die demographische Entwicklung als auch die Sozial- und Morbiditätsstruktur berücksichtigt werden. „Falls zukünftig tatsächlich die Häufigkeit psychischer Erkrankungen berücksichtigt wird, wäre dies ein wesentlicher Fortschritt. Bis 2017 sollte es gelingen, wenigstens die systematischen Fehler der bisherigen Bedarfsplanung für Psychotherapeuten zu beseitigen“, erläutert der BPtK-Präsident.

Schließlich hebt der Gesetzgeber wichtige Einschränkungen von Psychotherapeuten auf, die für Ärzte nicht bestehen. Zukünftig sollen Psychotherapeuten eine Krankenhausbehandlung und auch den dafür notwendigen Krankentransport verordnen können. „Ist ein Patient schwer krank und benötigt dringend eine stationäre Behandlung, dann muss ein Psychotherapeut auch dafür sorgen können, dass er sie umgehend erhält“, erklärt Munz. „Die bisherige Regelung gefährdete eine unmittelbar notwendige Behandlung.“ Ferner sollen Psychotherapeuten zukünftig Soziotherapie und medizinische Reha-Leistungen verordnen können. „Vielen schwer psychisch Kranken ist es nur mit soziotherapeutischer Unterstützung möglich, sich ambulant psychotherapeutisch behandeln zu lassen“, erläutert der BPtK-Präsident. Soziotherapie verhindere Krankenhausaufenthalte und hohe stationäre Behandlungskosten. „Dass auch Psychotherapeuten Soziotherapie verordnen können, ist längst überfällig.“

G-BA auf gesundheitspolitischem Irrweg

BPtK fordert Therapie für abhängige Raucher

(BPtK) Rund jeder zehnte Erwachsene in Deutschland ist nikotinabhängig. Tabak ist die verbreitetste und tödlichste Droge in Deutschland. Jährlich sterben rund 110.000 Menschen vorzeitig, weil sie rauchen. Trotzdem ist bis heute nicht sichergestellt, dass Menschen mit Nikotinabhängigkeit eine Therapie in Anspruch nehmen können, kritisiert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) anlässlich des Weltnichtrauchertages am 31. Mai.

Die aktuelle S3-Leitlinie empfiehlt mit höchster Evidenz Psychotherapie, um Tabakabstinenz zu erreichen. Trotzdem plant der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Psychotherapie-Richtlinie ausdrücklich festzuschreiben, dass Tabakabhängigkeit keine Indikation für eine ambulante Psychotherapie ist.

„Statt seine Richtlinie an den wissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten, begibt sich der G-BA auf einen gesundheitspolitischen Irrweg“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Das ist Politik gegen kranke Menschen. Insbesondere bei Nikotinsüchtigen mit schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen, wie z. B. nach Herzinfarkt oder einem Krebsleiden, ist es nicht nachvollziehbar, dass der G-BA diesen Menschen eine nachweislich wirksame Behandlung vorenthalten will.“

Nach den aktuellen Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie sind die substanzbezogenen Störungen insgesamt eine Indikation für eine ambulante Psychotherapie. Hierzu zählt auch die Tabakabhängigkeit.

Die BPtK fordert, dass der G-BA klarstellt, dass Nikotinabhängigen eine psychotherapeutische Behandlung angeboten werden kann.

Alkohol und Tabak bleiben die verbreitetsten und tödlichsten Drogen

Bundesregierung legt Drogen- und Suchtbericht 2015 vor

(BPtK) Alkohol und Tabak bleiben die beiden verbreitetsten und tödlichsten Drogen in Deutschland. Das geht aus dem Drogen- und Suchtbericht 2015 hervor, den Marlene Mortler, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, vorgelegt hat.

Jedes Jahr sterben 74.000 Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum. Etwa 1,8 Millionen Deutsche im Alter von 18 bis 64 Jahren sind alkoholabhängig, bei circa 1,6 Millionen Menschen liegt ein Alkoholmissbrauch vor. 2013 wurden 338.204 Menschen mit Alkoholerkrankungen in einem Krankenhaus behandelt. Nur 3,6 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren hat noch nie Alkohol getrunken. Der jährliche Konsum beträgt weiterhin durchschnittlich rund zehn Liter reinen Alkohol pro Person (2014: 9,6 Liter, 1995: 11,1 Liter).

Erfolge meldete Mortler beim Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund von Alkoholvergiftungen ging bei den zehn bis 20-Jährigen zurück: 2012 waren noch 336 Kinder und Jugendliche bezogen auf 100.000 Einwohner ins Krankenhaus eingeliefert worden, 2013 waren es 296. Das entspricht einem Rückgang von 12,1 Prozent. Besonderen Aufklärungsbedarf sah die Drogenbeauftragte jedoch beim Alkoholtrinken während der Schwangerschaft. 56 Prozent der Deutschen wussten in einer Befragung nicht, dass Alkoholkonsum einer schwangeren Frau zu lebenslangen schweren Behinderungen des Kindes führen kann.

Tabakrauchen sei das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland, stellte Mortler fest. Es führe zu jährlich rund 110.000 vorzeitigen Todesfällen und verkürze das Leben um durchschnittlich zehn Jahre. 2014 lag jedoch die Raucherquote bei Kindern und Jugendlichen erstmals unter zehn Prozent (Erwachsene: 24,5 Prozent). Die Drogenbeauftragte sprach sich allerdings dafür aus, den Verkauf von E-Zigaretten an Kinder und Jugendliche ab 2016 zu verbieten.

Mortler kritisierte, dass Cannabis viel zu häufig verharmlost werde. 2012 gebrauchten 5,6 Prozent der zwölf bis 17-Jährigen Cannabis. Der Beratungs- und Behandlungsbedarf aufgrund von Cannabisgebrauch nehme zu. Cannabis sei bei den unter 25-Jährigen mittlerweile bei Problemen mit illegalen Drogen der Hauptgrund für eine ambulante und stationäre Behandlung sowie in Suchthilfeeinrichtungen. Die Drogenbeauftragte sprach sich gegen eine allgemeine Legalisierung von Cannabis, aber für eine Nutzung als medizinisches Präparat, das auch von den Krankenkassen bezahlt wird, aus.

Insgesamt hat rund ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland Erfahrung mit illegalen Drogen. Die Zahl der drogenbedingten Todesfälle stieg 2014 leicht auf 1.032 an (2013: 1.002). Die Zahl der Konsumenten harter Drogen, die erstmals auffielen, stieg 2014 um fünf Prozent auf insgesamt 20.120 an. Der größte Anstieg (42 Prozent) war bei Ecstasy zu verzeichnen, gefolgt von Crystal Meth. Die größte Zahl der erstmals Auffälligen entfiel erneut auf neue Konsumenten von Amphetaminen. Rückläufig waren die Zahlen bei Heroin und Kokain.

Einen deutlichen Rückgang meldete die Drogenbeauftragte beim Glückspiel. Um zufällige Geldgewinne spielten 2013 noch 40,2 Prozent der Deutschen (2011: 50,7 Prozent). Entgegen diesem Trend hat das Glücksspiel an Automaten aber erheblich zugenommen. Besonders stark war der Anstieg bei 18 bis 20-jährigen Männern. Seit 2007 hat sich ihre Spielprävalenz vervierfacht, von 5,8 auf 23,5 Prozent.

Kinder und Eltern in Beratungsstellen häufiger psychisch krank

Psychotherapie in der Jugendhilfe unverzichtbar

(BPtK) Kinder und Eltern, die Leistungen der Jugendhilfe erhalten, sind häufiger psychisch krank als Kinder und Eltern, die keine Leistungen der Jugendhilfe benötigen. Dies ist ein Ergebnis einer neuen Studie „Psychotherapeuten in der Jugendhilfe, einschließlich Erziehungsberatung“ der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Nach Einschätzung der befragten Psychotherapeuten leiden rund 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die in Beratungsstellen Hilfe suchen, unter einer psychischen Erkrankung. Dieser Anteil verdoppelt sich in stationären Jugendhilfeeinrichtungen auf fast 75 Prozent. Auch die Eltern der Kinder und Jugendlichen, die Leistungen der Jugendhilfe erhalten, sind nach Einschätzung der Befragten überdurchschnittlich häufig psychisch krank (Beratungsstellen 30 Prozent, stationäre Einrichtungen 53 Prozent).

„Psychotherapeutische Kompetenz wird in der Jugendhilfe dringend benötigt“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. „Psychotherapeutische Leistungen sind deshalb in der Kinder- und Jugendhilfe unverzichtbar. Dazu gehören die spezifische Diagnostik psychischer Störungen, die Indikationsstellung und fachgerechte Beratung, sowie psychotherapeutische Einzel- und Gruppengespräche über mehrere Sitzungen. Ohne die Kompetenzen von approbierten Psychotherapeuten ist dies qualifiziert nicht zu leisten.“

Psychotherapeuten sind in vielen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Das größte Tätigkeitsfeld ist die Erziehungsberatung, in der rund die Hälfte der in der Jugendhilfe arbeitenden Psychotherapeuten beschäftigt ist. Über die Hälfte der Befragten übernehmen dabei formal oder informell Leitungs- und Führungsaufgaben. Nach dem Statistischen Bundesamt waren 2010 438 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJP) und 809 Psychologische Psychotherapeuten (PP) in der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Dies entspricht ungefähr 10 Prozent aller angestellten Psychotherapeuten. Zu den Einrichtungen der Jugendhilfe zählen ambulante, vor allem Erziehungsberatungsstellen und stationäre Angebote wie Heime.

Die Ergebnisse der Befragung zeigen auch, dass ein großer und wachsender Nachwuchsbedarf besteht. Der Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen in der Jugendhilfe nehme zu. Zudem gebe es einen hohen Anteil älterer PP und KJP. Allerdings werde nur der kleinere Teil frei werdender PP- oder KJP-Stellen gezielt mit denselben Qualifikationen wiederbesetzt. „Deshalb ist es auch Aufgabe der Profession, den psychotherapeutischen Nachwuchs für eine Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe zu gewinnen“, stellt BPtK-Präsident Munz fest.

Gegen Verbote und Abstinenzgebote

2. Alternativer Drogen- und Suchtbericht: BtMG grundlegend erneuern

(BPtK) Der 2. Alternative Drogen- und Suchtbericht 2015 fordert das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) grundlegend zu erneuern. Das Gesetz verfehle sein Ziel, Menschen und die Gesellschaft vor den Folgen der Sucht zu schützen, und richte massive Schäden an. Die Experten aus Wissenschaft und Drogenhilfe, die den alternativen Bericht veröffentlichten, verlangen auch eine staatlich kontrollierte Produktion und Distribution von Cannabis-Produkten.

Strafverfolgung und Repression, wie im BtMG verankert, seien Mittel einer längst gescheiterten Drogenpolitik. Dies sei in Fachkreisen mittlerweile Konsens. Strafrechtliche Drogenprohibition:

  • dränge Suchtkranke in die Illegalität,
  • mache sie für Hilfsangebote schwer erreichbar,
  • erzeuge Beschaffungskriminalität,
  • verschwende enorme Steuergelder in der Strafverfolgung,
  • gefährde Menschen durch mafiösen Straßenhandel, gestreckte Substanzen und Haft ohne saubere Spritzen.

Es sei Zeit für einen Paradigmenwechsel: weg vom erfolglosen Verbot, hin zu einer wirkungsvollen Regulierung von Drogen. Was nachweislich wirke sei:

  • Sucht zu akzeptieren und Hilfe anzubieten,
  • Pragmatismus statt Ideologie,
  • Suchtkranke an der Lösung zu beteiligen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe verwies auf 30 Jahre erfolgreiche HIV-Prävention. Nicht Zwang und Strafe führe zu gesundheitsbewusstem Verhalten, sondern Unterstützung und Respekt. Das bundesweite Netzwerk von Junkies, Ehemaligen und Substituierten (JES Bundesverband e. V.) stellte fest: Verfolgung habe noch niemanden geholfen, sondern treibe nur ins Elend und in die Kriminalität. Notwendig seien individuelle, suchtakzeptierende Hilfsangebote, die Drogen gebrauchende Menschen nicht schwach, sondern stark machen.