Gesundheitssysteme anpassen, um Flüchtlinge ausreichend zu versorgen

European Health Forum Gastein 2015

(BPtK) Das Europäische Gesundheitsforum in Gastein in Österreich diskutierte intensiv die unzureichende medizinische und insbesondere psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen. Vor allem ging es um die für eine Verbesserung notwendigen Anpassungen der europäischen Gesundheitssysteme.

„Kurzfristig geht es um medizinische Erstversorgung, mittelfristig um die Behandlung posttraumatischer Störungen, insbesondere bei Kindern, und langfristig um die Anpassung der Gesundheitssysteme an zunehmende Migration“, betonte Prof. Helmut Brand, Präsident des Europäischen Gesundheitsforums. Dr. Nikolaus Melcop, Vizepräsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), forderte, dass die europäischen Gesundheitssysteme zukünftig keinen Unterschied zwischen Nicht-Flüchtlingen und Flüchtlingen machen dürfen: „Flüchtlinge sind keine Patienten zweiter Klasse.“ Auch Vytenis Andriukaitis, Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, bestätigte den zentralen Stellenwert, den die EU-Kommission einer angemessenen Behandlung der psychischen Erkrankungen der Flüchtlinge zumisst. Im Rahmen des Kongresses fand auch die Preisverleihung des European Health Award statt, bei der als diesjähriger Preisträger das Projekt MiMi (Gesundheit mit Migranten für Migranten) ausgewählt wurde.

Das Forum diskutierte auch die Rolle neuer Technologien, insbesondere E-Health, die dabei helfen sollen, ressourceneffizient zu arbeiten. Dabei sei – so eine häufig vorgebrachte und von der BPtK geteilte Position – der Datenschutz auf höchstem Niveau sicher zu stellen. In Beiträgen wurde auch die Forderung aufgestellt, dass in der Zukunft jede Bürgerin und jeder Bürger Besitz, Kontrolle und Weitergabe der eigenen Gesundheitsdaten in der eigenen Hand haben sollte.

Das European Health Forum fand vom 30. September bis 2. Oktober 2015 in Gastein in Österreich statt. Dr. Nikolaus Melcop nahm für die BPtK und das Network for Psychotherapeutic Care in Europe teil.

Qualität familiengerichtlicher Gutachten sichern

BPtK und Fachverbände formulieren Mindeststandards

(BPtK) Die Qualität von familiengerichtlichen Urteilen soll nach den Plänen der Bundesregierung besser werden. Dazu hat die Bundesregierung am 16. September 2015 einen Gesetzentwurf unter anderem zum Sachverständigenrecht an Familiengerichten beschlossen. Gleichzeitig hat das Bundesjustizministerium in den vergangenen Monaten zusammen mit Experten fachübergreifende Qualitätsstandards für Gutachten im Familienrecht erarbeitet. Die Bundespsychotherapeutenkammer hat sich jetzt zusammen mit juristischen, psychologischen und medizinischen Fachverbänden sowie der Bundesrechtsanwaltskammer auf Mindestanforderungen an Gutachten im Kindschaftsrecht verständigt.

Die Empfehlungen richten sich an Sachverständige, die Gutachten für Familiengerichte erstellen, aber auch an die beteiligten Juristen. Sie sollen den Sachverständigen die fachgerechte Vorgehensweise und Ausarbeitung von Gutachten erleichtern. Außerdem sollen dadurch die Begutachteten und andere Beteiligte das Vorgehen der Sachverständigen vor Familiengerichten besser nachvollziehen können.

Neben gesetzlichen Vorgaben zur Erstellung eines Gutachtens werden Mindestanforderungen an die Sachkunde von Sachverständigen und einzelne Schritte einer Begutachtung in den Empfehlungen dargelegt. Es werden Zusatzqualifikationen für Sachverständige empfohlen, die den Erwerb fundierter theoretischer, auch rechtlicher Kenntnisse sowie Praxiserfahrung umfassen. Außerdem wird eine kontrollierte Fortbildungsverpflichtung empfohlen. Für die Erstellung eines den Mindestanforderungen genügenden Gutachtens müssen die qualifizierten Sachverständigen in ihren Gutachten unter anderem für alle nachvollziehbar darstellen, wie lange sie mit welchen Beteiligten gesprochen haben, welche Untersuchungsmethoden eingesetzt wurden und auf welchen unterschiedlichen Quellen ihre Empfehlungen beruhen.

Die Mindestanforderungen sollen für die Gutachtenerstellung einen Standard vorgeben. Sie sind ein erster, wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung. Darüber hinaus wird eine verbesserte und spezifische Aus-, Fort- und Weiterbildung von Sachverständigen, Rechtsanwälten und Richtern notwendig sein.

Beteiligte Fachverbände und Kammern sind: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), Bundesarbeitsgemeinschaft Leitender Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BAG KJPP), Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP), Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Deutscher Anwaltverein (DAV), Der Deutsche Familiengerichtstag (DFGT), Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Deutscher Juristinnenbund (djb), Deutscher Richterbund (DRB), Fachverband Systemisch-Lösungsorientierter Sachverständiger im Familienrecht (FSLS), Neue Richtervereinigung (NRV).

Neuvergabe der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland

Entscheidung für den privaten Anbieter Sanvartis umstritten

(BPtK) Ab 2016 betreibt das Duisburger Unternehmen Sanvartis die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD). Bis Ende 2022 trägt der private Anbieter damit die Verantwortung für ein gesetzlich vorgeschriebenes Informations- und Beratungsangebot für Verbraucher und Patienten (§ 65b SGB V). Staatssekretär Karl-Josef Laumann, Patientenbeauftragter der Bundesregierung, betonte, dass es ihm persönlich ein wichtiges Anliegen sei, dass die Patientenberatung auch zukünftig neutral und unabhängig sei. Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, stellte fest, dass Sanvartis „das überzeugendste Konzept für eine unabhängige und neutrale Beratung“ vorgelegt habe.

Für das Beratungsangebot stellen die gesetzlichen Krankenkassen insgesamt rund 62 Millionen Euro aus den Beiträgen ihrer Versicherten bereit. Hinzu kommen weitere Mittel der privaten Krankenversicherung in Höhe von 630.000 Euro jährlich. Dafür sollen über eine kostenlose bundesweite Hotline (0800-0117722) montags bis freitags von 08:00 bis 22:00 Uhr und samstags von 08:00 bis 18:00 Uhr rund 120 Mitarbeiter Verbraucher und Patienten „auf der Grundlage evidenzbasierter, aktueller Informationen“ in Gesundheitsfragen beraten. Sanvartis sagte zu, dass 90 Prozent der Anrufer im ersten Versuch einen Ansprechpartner erreichen werden. Außerdem sollen 80 Prozent der Anrufe innerhalb von 20 Sekunden angenommen werden. „Bisher benötigten Ratsuchende im Durchschnitt mehr als drei Anrufversuche, bis sie ihr Anliegen vortragen konnten“, erläuterte der Patientenbeauftragte Laumann.

Die Entscheidung für den neuen Träger war umstritten. Aus Protest traten in dieser Woche zwei Gesundheitswissenschaftler aus dem UPD-Beirat aus: Prof. Dr. Marie-Luise Dierks von der Medizinischen Hochschule Hannover und Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands. Kritik an der Vergabe an ein privatwirtschaftliches Unternehmen wurde auch von der Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkammer und weiteren Organisationen des Versorgungssystems geäußert.

Sanvartis hatte nach einer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag bekommen. Das Vergabeverfahren wurde von der Vergabekammer des Bundes überprüft, die am 3. September 2015 zu dem Ergebnis kam, dass es keine Anhaltspunkte für Manipulationen zugunsten der Sanvartis GmbH gegeben habe. Als zentrale Aspekte zur Sicherung der Unabhängigkeit führte GKV-Vorstand Kiefer aus: Sanvartis gründe für die Patientenberatung eine neue gemeinnützige Gesellschaft. Alle Mitarbeiter seien bei dieser neuen Gesellschaft angestellt und würden nicht gleichzeitig für andere Anbieter tätig sein. Auch der Geschäftsführer arbeite ausschließlich für diese neue Gesellschaft. Die neue UPD werde über ein eigenes IT-System verfügen, ein Zugriff durch den Mutterkonzern sei nicht möglich. Ein unabhängiger Auditor werde im Auftrag des UPD-Beirats kontinuierlich die Geschäftsprozesse überwachen.

Gesetzliche Regelungen zur Anpassung psychotherapeutischer Honorare notwendig

BPtK kritisiert Honorarbeschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer hält die Entscheidung des Erweiterten Bewertungsausschusses am 22. September 2015 zur Erhöhung der psychotherapeutischen Honorare für äußerst unbefriedigend. Die Kriterien für die Anpassung der psychotherapeutischen Honorare an die Entwicklung der ärztlichen Honorare sind aus Sicht der BPtK an vielen Stellen nicht nachvollziehbar und willkürlich. „Für die regelmäßige Anpassung der psychotherapeutischen Honorare ist deshalb eine gesetzliche Präzisierung der Regelungen im SGB V notwendig“, fordert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz.

Nach mehrjährigen Beratungen hat der Erweiterte Bewertungsausschuss in der vergangenen Woche endlich eine Anhebung der Vergütung genehmigungspflichtiger Leistungen rückwirkend ab 2012 beschlossen. Danach steigt die Vergütung der genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistung um knapp 2,7 Prozent. Zudem wird ein Zuschlag auf genehmigungspflichtige Leistungen eingeführt, mit dem die Finanzierung des Praxispersonals unterstützt werden soll. Dieser Zuschlag ist allerdings von einer bestimmten Auslastung der Praxis abhängig.

Bei der Überprüfung der Honorare für psychotherapeutische Leistungen haben die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen die „angemessene Höhe der Vergütung“ systematisch nach unten gerechnet. Für die Anpassung der psychotherapeutischen Honorare werden diese mit ärztlichen Honoraren verglichen. Dabei wurden jedoch nicht mehr die besser verdienenden Facharztgruppen der Augenärzte und Orthopäden berücksichtigt. Weiterhin wurden den Berechnungen veraltete Daten aus der Kostenstrukturanalyse von 2007 zugrunde gelegt, obwohl bereits Mitte 2013 die entsprechenden Daten des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2011 vorlagen und im Ergebnis zu einer besseren Vergütung für psychotherapeutische Leistungen geführt hätten.

Darüber hinaus erfolgen die Nachzahlungen lediglich für den Zeitraum ab 2012, obwohl laut Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom Dezember 2013 überprüft werden sollte, ob die seit 1. Januar 2009 gültige Bewertung der antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen eine angemessene Vergütung psychotherapeutischer Leistungen sicherstellt. Deshalb wäre auch für die Jahre 2010 und 2011 eine Korrektur erforderlich gewesen.

Weiterhin wurde der Zuschlag für genehmigungspflichtige Leistungen so konstruiert, dass er nur für besonders stark ausgelastete Praxen zum Tragen kommt. Der Zuschlag wird nur für Praxen gezahlt, die allein durch genehmigungspflichtige Leistungen einen Praxisumfang erreichen, der oberhalb von 50 Prozent einer nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an der Belastungsgrenze arbeitenden Praxis liegt (36 genehmigungspflichtige Psychotherapiesitzungen). Bei Praxen mit einem halben Versorgungsauftrag liegt diese Grenze bei 25 Prozent der „voll ausgelasteten“ Praxis. Der Zuschlag erhöht sich dann proportional zum Gesamtumsatz an genehmigungspflichtigen Leistungen. „Nicht-genehmigungspflichtige Leistungen bleiben hierbei vollständig unberücksichtigt“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. Dabei ist es für eine volle Auslastung und die damit assoziierten Praxiskosten unerheblich, zu welchem Teil diese über genehmigungspflichtige oder nicht-genehmigungspflichte zeitgebundene Leistungen erreicht wird. „Alle zeitgebundenen psychotherapeutischen Leistungen müssen bei der Konstruktion eines solchen Zuschlags gleichermaßen berücksichtigt werden, auch um künftig die richtigen Anreize für eine bessere, niederschwellige psychotherapeutische Versorgung zu setzen“, fordert Munz.

Kritisch zu bewerten ist schließlich, dass nur jene Psychotherapeuten Nachvergütungen erhalten, die Widerspruch gegen ihre Honorarbescheide eingelegt haben. „Das ist für eine Entscheidung, mit der allgemein die psychotherapeutischen an ärztliche Honorare angepasst werden sollen, nicht akzeptabel“, stellt der BPtK-Präsident fest.

Der strittige Beschluss und sein außerordentlich langer Vorlauf zeigen, dass nur präzisere gesetzliche Vorgaben eine angemessene Vergütung der zeitgebundenen psychotherapeutischen Leistungen sicherstellen können. „Der Bewertungsausschuss muss Vorgaben bekommen, wann und nach welchen Kriterien er die Entwicklung der psychotherapeutischen Honorare überprüfen und anpassen muss“, fordert BPtK-Präsident Munz. „Sonst ist keine Honorargerechtigkeit möglich und eine permanente Rechtsunsicherheit für Psychotherapeuten die Folge.“

Psychisch kranke Flüchtlinge bleiben unzureichend versorgt

BPtK fordert Nachbesserungen bei Asylgesetzreform

(BPtK) Psychisch kranke Flüchtlinge haben auch zukünftig nach dem Asylbewerberleistungsgesetz keinen Anspruch auf eine angemessene Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen. Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert deshalb Nachbesserungen bei den geplanten Änderungen. „Von den Sozialbehörden werden psychische Erkrankungen meist als nicht akut behandlungsbedürftig beurteilt“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK, fest. „Das ist fachlich falsch. Flüchtlinge, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkranken, sind oft suizidal. 40 Prozent von ihnen hatten bereits Pläne, sich das Leben zu nehmen oder haben sogar schon versucht, sich zu töten. Sie sind deshalb dringend behandlungsbedürftig. Das muss durch die Reform deutlich gemacht werden.“

AsylbLG: Besonderen gesundheitlichen Bedarf anerkennen

Die BPtK fordert im Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) eine Klarstellung, dass psychisch kranke Flüchtlinge als besonders schutzbedürftige Personen auch in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts einen Anspruch auf eine ausreichende Versorgung, in aller Regel Psychotherapie, haben. Das sind z. B. Menschen, die aufgrund von erlittener Folter und Kriegsgewalt oder während ihrer Flucht unter psychischen Erkrankungen, einschließlich Traumatisierungen, leiden. Dazu zählen aber auch psychisch kranke Flüchtlingskinder und -jugendliche, die z. B. Augenzeuge von Folter und Kriegsgewalt wurden oder die Rückkehr von gefolterten und schwer misshandelten Eltern erleben mussten. Auch bei Flüchtlingskindern in Deutschland sind Erkrankungen aufgrund traumatischer Erlebnisse besonders häufig. Jedes fünfte von ihnen ist an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt. „Mit der Anerkennung der “besonderen Bedarfe“ auch von psychisch kranken Flüchtlingskindern könnte der EU-Aufnahmerichtlinie Rechnung getragen werden“, erläutert BPtK-Präsident Munz.

Nach wissenschaftlichen Leitlinien ist Psychotherapie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung die empfohlene Behandlungsmethode. Die alleinige Behandlung mit Medikamenten ist nicht ausreichend und medizinisch in der Regel nicht zu verantworten. Nur rund vier Prozent der psychisch kranken Flüchtlinge erhalten bisher jedoch eine Psychotherapie.

Ausreichend Ermächtigungen für Flüchtlingszentren sicherstellen

Die BPtK hält es für eine entscheidende Verbesserung, dass die Bundesregierung die Zulassungsverordnung für Ärzte verändern will. Danach sollen sowohl einzelne Psychotherapeuten und Ärzte als auch Einrichtungen, die von Ärzten oder Psychotherapeuten geleitet werden, ermächtigt werden. Dadurch können sie Flüchtlinge vertragspsychotherapeutisch und -psychiatrisch versorgen. Die zuständigen Ausschüsse sollen demnach verpflichtet werden, die ambulante Versorgung von Flüchtlingen, die Folter, Vergewalti-gung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, sicherzustellen. Die BPtK fordert aber, den Personenkreis generell auf Flüchtlinge mit psychischen Erkrankungen auszuweiten, wie dies in der EU-Aufnahmerichtlinie vorgesehen ist. Eine solche Regelung ermöglicht eine angemessene Versorgung der Flüchtlinge, auch wenn sie länger als 15 Monate in Deutschland sind. Unverzichtbar ist ferner ein Anspruch auf Dolmetscherleistungen, die in aller Regel erst eine psychotherapeutische Behandlung ermöglichen.

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Psychische Erkrankungen auch am Lebensende behandeln

BPtK fordert bessere psychotherapeutische Versorgung in Hospizen und Pflegeheimen

(BPtK) „Auch am Lebensende haben schwer erkrankte Patienten mit komorbiden psychischen Erkrankungen Anspruch auf eine psychotherapeutische Versorgung“, mahnt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) anlässlich der heutigen Anhörung zum Hospiz- und Palliativgesetz (HPG). „Die psychotherapeutische Versorgung in der Hospiz- und Palliativversorgung muss dringend verbessert werden. Dies gilt auch für Pflegeheime, in denen viele Menschen ihre letzte Lebenszeit verbringen.“

Tödlich verlaufende körperliche Erkrankungen gehen häufig mit psychischen Erkrankungen einher. Studien zufolge leidet ungefähr ein Drittel der Patienten in Palliativeinrichtungen an einer affektiven Störung. Am häufigsten sind schwere (14 Prozent) oder weniger schwere depressive Erkrankungen (zehn Prozent). 15 Prozent der Patienten entwickeln eine Anpassungsstörung oder eine Angststörung (zehn Prozent). Weiterhin treten bei schwer und tödlich kranken Patienten kognitive Störungen auf, z. B. Einschränkungen des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit. Die Prävalenzraten hierfür liegen zwischen 25 und 85 Prozent.

Psychische Erkrankungen werden aber in der letzten Lebensphase viel zu selten erkannt und behandelt. Bis zu 50 Prozent der psychischen Erkrankungen werden in Palliativeinrichtungen nicht diagnostiziert oder nicht ausreichend bzw. inadäquat (35 Prozent) behandelt. Viele Patienten scheuen sich, ihre emotionale und psychische Belastung anzusprechen. Ähnlich ist die Situation in Pflegeheimen. 50 bis 90 Prozent der Pflegeheimbewohner leiden unter einer seelischen Erkrankung, nur fünf bis 19 Prozent werden psychotherapeutisch behandelt. Aber auch bei älteren Menschen ist nach evidenzbasierten Leitlinien Psychotherapie allein oder in Kombination mit einer Pharmakotherapie das Mittel der Wahl.

„Die hohen Prävalenzraten psychischer Erkrankungen in Hospiz- und Palliativeinrichtungen, aber auch in Pflegeheimen, erfordern die regelhafte Einbindung von Psychotherapeuten und Fachärzten für Psychiatrie bzw. Psychosomatik in Palliativteams. Ferner ist eine bessere Kooperation von Pflegeinrichtungen mit den niedergelassenen Fachärzten und Psychotherapeuten erforderlich“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Im HPG müssen die richtigen Weichen gestellt werden, damit dies zukünftig auch umgesetzt wird.“

Psychisch kranke Flüchtlinge: Ermächtigungen für Psychotherapeuten notwendig

BPtK veröffentlicht Ratgeber: Wie beantrage ich eine Ermächtigung?

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen auf, sich für die kurzfristige Ermächtigung von Psychotherapeuten zur Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge einzusetzen.

Mindestens jeder zweite Flüchtling ist psychisch krank. Bisher werden aber nicht mehr als vier Prozent der Flüchtlinge psychotherapeutisch versorgt. In der ambulanten Versorgung und in psychosozialen Flüchtlingszentren sind deutlich mehr Psychotherapeuten notwendig, um posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen behandeln zu können. Die BPtK schätzt, dass in diesem Jahr mindestens 40.000 psychisch kranke Flüchtlinge eine psychotherapeutische Behandlung brauchen. Bisher können pro Jahr aber nur rund 4.000 Flüchtlinge behandelt werden.

Für solche Ermächtigungen sind keine neuen gesetzlichen Regelungen notwendig. Ärzte und Psychotherapeuten können nach der Zulassungsverordnung der Vertragsärzte (§ 31 Absatz 1 Nr. 2 Ärzte-ZV) ermächtigt werden, vertragspsychotherapeutisch tätig zu werden, sofern dies notwendig ist, um einen begrenzten Personenkreis zu versorgen. Flüchtlinge sind ein solcher begrenzter Personenkreis, der zurzeit so gut wie nicht versorgt wird. Ermächtigungen sind zeitlich begrenzt, im Regelfall auf zwei Jahre.

Die psychotherapeutischen Leistungen für Flüchtlinge werden zwar über die Krankenkassen abgerechnet. Nach § 264 Absatz 7 SGB V werden den Kassen aber die Kosten von den zuständigen Sozialhilfeträgern vierteljährlich erstattet.

Eine Ermächtigung muss beim Zulassungsausschuss beantragt werden und ermächtigt zur Behandlung mittels eines Richtlinienverfahrens. Die BPtK hat eine Information für Psychotherapeuten erstellt, die eine Ermächtigung für die Versorgung von Flüchtlingen beantragen wollen. Wer eine solche Ermächtigung erhält, ist berechtigt, vertragspsychotherapeutische Leistungen für Flüchtlinge zu erbringen und diese auch mit den Krankenkassen abzurechnen.

Mindestens die Hälfte der Flüchtlinge ist psychisch krank

BPtK-Standpunkt „Psychische Erkrankungen bei Flüchtlingen“

(BPtK) Mindestens die Hälfte der Flüchtlinge in Deutschland ist psychisch krank. Meistens leiden sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (40 bis 50 Prozent) oder unter einer Depression (50 Prozent). Beide Erkrankungen kommen häufig gemeinsam vor. Flüchtlinge, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkranken, sind oft suizidal. 40 Prozent von ihnen hatten bereits Pläne, sich das Leben zu nehmen oder haben sogar schon versucht, sich zu töten. Auch bei Flüchtlingskindern in Deutschland sind Erkrankungen aufgrund traumatischer Erlebnisse besonders häufig. Jedes fünfte von ihnen ist an einer PTBS erkrankt. Das ist 15 Mal häufiger als bei Kindern, die in Deutschland geboren wurden. Dies sind die zentralen Inhalte des Standpunktes „Psychische Erkrankungen bei Flüchtlingen“, den die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) heute vorstellte.

Bei PTBS ist Psychotherapie die empfohlene Behandlungsmethode. Die alleinige Behandlung mit Medikamenten ist nicht ausreichend und medizinisch in der Regel nicht zu verantworten. Nur rund vier Prozent der psychisch kranken Flüchtlinge erhalten jedoch eine Psychotherapie. „Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Erkrankungen von Flüchtlingen. In aller Regel sind sie dringend behandlungsbedürftig“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. „Die ankommenden Flüchtlinge benötigen nicht nur eine Unterkunft und Lebensmittel, sondern auch eine medizinische Versorgung. Aber fast kein psychisch kranker Flüchtling erhält eine angemessene Versorgung. Die BPtK fordert deshalb dringend gesetzliche Änderungen sowie Ermächtigungen von Psychotherapeuten und Flüchtlingszentren, um eine leitliniengerechte Behandlung von psychisch kranken Flüchtlingen zu ermöglichen.“

Flucht und Trauma

Ereignisse, die als lebensbedrohlich oder als katastrophal erlebt werden und eine tiefe Verzweiflung verursachen, können zu einer schweren psychischen Erkrankung führen. PTBS tritt am häufigsten nach traumatischen Erlebnissen auf, die durch andere Menschen ausgelöst wurden („man-made-disaster“). Etwa die Hälfte der Menschen, die Opfer von Vergewaltigung, Krieg, Vertreibung und Folter wurden, leidet unter einer PTBS. Zu den häufigsten „man-made-disasters“, die von Flüchtlingen berichtet werden, gehören Beschuss mit Handfeuerwaffen und Granaten, Hunger und Durst (z. B. während einer Haft), Todesdrohungen und Scheinexekutionen, körperliche Folter, Stromschläge, sexuelle Erniedrigung und Vergewaltigung sowie auch das Miterleben von Hinrichtungen oder Vergewaltigungen.

Wer an einer PTBS erkrankt, erlebt die traumatische Situation immer wieder, meist als Alpträume oder als blitzartige Bilder oder filmartige Szenen (Flashbacks). Diese Erinnerungen werden so intensiv erlebt, als ob sich das Ereignis gerade tatsächlich wieder ereignete. Jesidische Frauen, die aus der Gefangenschaft des Islamischen Staates entkamen, erlebten während ihres Fluges nach Deutschland Flashbacks und Panikattacken mit Herzrasen, Atemnot, Schwindel und Todesängsten. Die Enge im Flugzeug löste Erinnerungen an die Gefangenschaft aus. PTBS-Kranke meiden deshalb Situationen, die Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse wachrufen können. Weitere Symptome einer PTBS sind eine starke Schreckhaftigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, emotionale Taubheit und Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen. „PTBS-Betroffene sind schwer psychisch krank“, erläutert BPtK-Präsident Munz. „Sie benötigen dringend eine Psychotherapie. Es ist beschämend, dass Menschen mit solch starken und schmerzenden psychischen Verletzungen fast nie eine angemessene Hilfe erhalten.“

Politische Forderungen

Nach der aktuellen EU-Aufnahme-Richtlinie muss Deutschland die spezielle Situation schutzbedürftiger Personen berücksichtigen. Zu diesen schutzbedürftigen Personen zählen auch Menschen mit psychischen Erkrankungen und Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Die Richtlinie hätte bis zum Juli dieses Jahres umgesetzt werden müssen. Tatsächlich ist die Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge in Deutschland weiterhin beschämend schlecht. Auch die Änderungen des Asylbewerberleistungsgesetzes im März 2015 haben für psychisch kranke Flüchtlinge keine Verbesserung gebracht. Die BPtK fordert deshalb dringend, die Versorgung von psychisch kranken Flüchtlingen zu verbessern. Dafür bedarf es insbesondere qualifizierter Gutachter in den Sozialämtern, einer Ermächtigung von Flüchtlingszentren und psychotherapeutischen Privatpraxen zur Behandlung von Flüchtlingen sowie die Finanzierung von Dolmetscherleistungen.

Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

Die Entscheidung, ob bei einem psychisch kranken Asylsuchenden in den ersten 15 Monaten seines Aufenthaltes in Deutschland eine Psychotherapie gewährt wird, dauert in den Sozialämtern häufig monatelang. Meist beurteilen Sachbearbeiter und Ärzte, die für psychische Erkrankungen weder aus- noch weitergebildet sind, ob eine Psychotherapie notwendig ist oder nicht. Dies führt häufig zu Fehleinschätzungen. Psychische Erkrankungen werden fälschlicherweise als nicht dringend behandlungsbedürftig beurteilt oder es wird eine medikamentöse Behandlung empfohlen, die nicht ausreicht. „Die Begutachtung und Gewährung von Psychotherapien nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist grob mangelhaft“, erklärt BPtK-Präsident Munz. „Ein Antrag auf Psychotherapie sollte zukünftig nur noch von qualifizierten Gutachtern geprüft werden.“ Aus Sicht der BPtK ist es außerdem nicht akzeptabel, dass Flüchtlingen eine medizinische Versorgung vorenthalten wird, die in Deutschland als notwendig erachtet wird, um kranke Menschen zu behandeln. Die Einschränkungen für Flüchtlinge im Asylbewerberleistungsgesetz sollten deshalb aufgehoben werden.

Ermächtigung von Flüchtlingszentren und Privatpraxen

Nach den ersten 15 Monaten können Flüchtlinge Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen. Damit haben psychisch erkrankte Flüchtlinge grundsätzlich Anspruch auf eine Psychotherapie. Ihre Behandlung findet zurzeit fast ausschließlich in Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer statt. Die dort tätigen Psychotherapeuten sind aber meist nicht berechtigt, mit der gesetzlichen Krankenversicherung abzurechnen. Dadurch bleiben Flüchtlinge auch nach den ersten 15 Monaten praktisch ohne Behandlung. Die BPtK fordert daher, Psychotherapeuten in Flüchtlingszentren und auch psychotherapeutische Privatpraxen zu ermächtigen, sodass sie die Behandlung von Flüchtlingen mit der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen können. Dies wäre aufgrund der Zulassungsverordnung für Ärzte möglich. „Die Behandlung von psychisch kranken Flüchtlingen wäre so schnell und unbürokratisch deutlich zu verbessern“, erläutert BPtK-Präsident Munz.  

Dolmetscher

Für Psychotherapien mit Flüchtlingen sind fast immer Dolmetscher notwendig. Bisher werden Dolmetscherleistungen selten von den Sozialämtern und überhaupt nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Die BPtK schlägt deshalb vor, das Asylbewerberleistungsgesetz so zu ändern, dass alle Flüchtlinge grundsätzlich Anspruch auf Dolmetscherleistungen haben, wenn diese für eine Krankenbehandlung notwendig sind.

PEPP-Entgeltkatalog 2016: Nur wenige Veränderungen

Analysen zur regionalen Versorgungsverpflichtung ohne Ergebnis

(BPtK) Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) hat am 4. September 2015 den Entgeltkatalog 2016 für das neue Pauschalierende Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) vorgestellt. Dabei gibt es nur wenige Veränderungen im Vergleich zu 2015. Diese betreffen vor allem eine Erhöhung der Pauschalen, wenn bestimmte Nebendiagnosen vorliegen.

Liegt z. B. zusätzlich zu einer anderen psychischen Erkrankung auch eine Magersucht vor oder wird z. B. neben einer Suchterkrankung auch noch eine Psychose festgestellt, kann das Krankenhaus höhere Pauschalen für den Behandlungsfall abrechnen. Auch eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen erhält zukünftig ein höheres Kostengewicht, als eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome. Bei Kindern und Jugendlichen führt eine Intelligenzminderung als Nebendiagnose zu höheren Entgelten. Zudem werden die Zeiten für Kriseninterventionen schon ab einer geringeren Schwelle berücksichtigt.

Eine wesentliche Kritik der psychiatrischen Krankenhäuser ist nach wie vor, dass die Kosten, die den psychiatrischen Einrichtungen durch ihre regionale Versorgungsverpflichtung entstehen, nicht im PEPP berücksichtigt werden. Das InEK hat deshalb verschiedene Vorschläge zur besseren Berücksichtigung dieser Kosten empirisch analysiert. Dabei konnte jedoch nicht belegt werden, dass den Häusern durch Patienten, die z. B. nachts oder am Wochenende als Notfall aufgenommen werden, höhere Kosten entstehen als durch die anderen Patienten.

Erschwert werden die Analysen dadurch, dass nahezu alle psychiatrischen Kalkulationskrankenhäuser (97,7 Prozent) eine regionale Versorgungsverpflichtung haben und dass die Definition der regionalen Versorgungsverpflichtung in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ist. Hier wird vom InEK nach weiteren Lösungen gesucht, z. B. durch die Abgrenzung einer spezifischen Kostenstelle für die regionale Versorgungsverpflichtung.

Der Entgeltkatalog 2016 gilt vorbehaltlich der Zustimmung der Selbstverwaltungspartner

G-BA soll klinische Neuropsychologie als Schwerpunktbezeichnung ausweisen

BPtK fordert das Bundesministerium für Gesundheit zur Beanstandung auf

(BPtK) Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Aufnahme der Qualifikation „klinische Neuropsychologie“ in die Bedarfsplanungsblätter abgelehnt. Die Bedarfsplanungsblätter, die die Schwerpunktbezeichnungen betreffen, umfassen die Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen sowie Zusatzweiterbildungen nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Ärzte. Der G-BA weigert sich aber, die neue Zusatzbezeichnung „klinische Neuropsychologie“ in die Anlage der Bedarfsplanungs-Richtlinie aufzunehmen. Damit entscheidet der G-BA willkürlich und nicht nachvollziehbar, wann er Schwerpunktkompetenzen oder Zusatzweiterbildungen in die Bedarfsplanungs-Richtlinie aufnimmt oder nicht. Fachlich unstrittig ist, dass die klinische Neuropsychologie bedarfsplanerisch relevant ist und sich deswegen auch in den Bedarfsplanungsblättern wiederfinden sollte. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert deshalb das Bundesministerium für Gesundheit auf, die Entscheidung des G-BA zu beanstanden.

Der G-BA regelt mit seinen Richtlinien die vertragspsychotherapeutische Versorgung. Hierzu gehört auch die Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung“. Darin wird ausdrücklich die Zusatzbezeichnung für klinische Neuropsychologie gemäß der Weiterbildungsordnungen der Landespsychotherapeutenkammern genannt. Der G-BA hat mit Beschluss vom 24. November 2011 die neuropsychologische Therapie als vertragsärztliche Leistung anerkannt. Danach sind zur neuropsychologischen Therapie nur die Fachärzte und Psychotherapeuten qualifiziert, die diese Weiterbildung klinische Neuropsychologie nachweisen können.