Psychische Erkrankungen im frühen Kindesalter

Neue Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung

(BPtK) Rund acht Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren sind nach der KiGGS-Studie psychisch auffällig. Studien mit klinischen Interviews kommen sogar zu noch höheren Raten, um die zehn Prozent. Wie solche Erkrankungen zu diagnostizieren und zu behandeln sind, beschreibt die Leitlinie für psychische Erkrankungen bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern im Vorschulalter.

„In der Praxis sind psychische Erkrankungen bei Kindern im Vorschulalter sehr schwer von vorübergehenden Krisen auf dem Hintergrund von Entwicklungsschwierigkeiten zu unterscheiden und werden häufig übersehen und dann auch nicht behandelt“, stellt Peter Lehndorfer fest, der als Vorstandsmitglied der Bundespsychotherapeutenkammer an der Entwicklung der Leitlinie mitgewirkt hat. „Psychische Störungen und Erkrankungen im Kleinkind- und Kindesalter belasten Kinder und ihre Familien häufig stark. Wenn diese rechtzeitig behandelt werden, wird eine Grundlage für eine Entlastung aller Beteiligten gelegt, aber vor allem für eine gesunde Weiterentwicklung. So kann dazu beigetragen werden, dass psychische Erkrankungen nicht bis ins Erwachsenenalter persistieren.“

Ziel der Leitlinie ist es, die Diagnostik und Behandlung psychischer Störungen und Erkrankungen im frühen Kindesalter zu verbessern. Dazu gehören folgende Störungen: Fütterstörungen, Schlafstörungen, persistierendes exzessives Schreien, Regulationsstörungen, Ausscheidungsstörungen, depressive Störungen, Angststörungen, Anpassungsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Bindungsstörungen, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung) und Störungen des Sozialverhaltens mit oppositionellem Verhalten. Eine besondere Risikogruppe sind Kinder mit körperlichen Erkrankungen, geistigen Behinderungen oder Kinder, die starke Schwierigkeiten haben, Lesen, Schreiben oder Rechnen zu erlernen (Teilleistungsstörungen). Bei Ihnen ist das Risiko, dass sie psychisch erkranken, deutlich erhöht.

Die Leitlinie stellt fest, dass Kinder mit psychischen Auffälligkeiten und Störungen in der Regel in einem multi- und interdisziplinären Netzwerk versorgt und betreut werden sollen. Dabei sollen Ärzte, Psychotherapeuten und weitere Berufsgruppen ggf. sozialgesetzbuchübergreifend (z.B. Gesundheitssystem und Jugendhilfe) zusammenarbeiten. So können die Kompetenzen verschiedener Berufsgruppen nach störungsspezifischer, differentieller Indikationsstellung sinnvoll kombiniert und ergänzt werden. Die Leitlinie richtet sich an alle entsprechenden Berufs- und Fachgruppen. Sie enthält auch Hinweise auf die Qualifikation von einzelnen Berufsgruppen (z.B. in der Behandlung spezieller Störungen).

„Mit der konsensbasierten S2-Leitlinie stehen Experten nun wissenschaftlich fundierte und interdisziplinär abgestimmte Empfehlungen für die Diagnostik und Behandlung von psychischen Störungen im frühen Kindesalter zur Verfügung“, stellt BPtK-Vorstand Lehndorfer fest. „Psychotherapie ist die Hauptbehandlungsform einer leitliniengerechten Versorgung psychischer Erkrankungen im frühen Kindesalter. Dabei sind bei den Kindern dieser Altersgruppen psychotherapeutische Interventionen in der Regel pharmakologischen Therapien vorzuziehen.“

Bessere psychotherapeutische Versorgung in Pflegeheimen

Bundestag verabschiedet Hospiz- und Palliativgesetz

(BPtK) Stationäre Pflegeeinrichtungen sind zukünftig verpflichtet, mit niedergelassenen Psychotherapeuten und Ärzten Kooperationsverträge zur ambulanten Behandlung der Heimbewohner (§ 119b SGB V) zu schließen. Die Anforderungen an die kooperative und koordinierte Versorgung sollen dazu im Bundesmantelvertrag zwischen den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und dem GKV-Spitzenverband geregelt werden. Das ist eine der Neuerungen, die heute mit dem Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung vom Bundestag beschlossen wurden.

Hierdurch werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine bessere psychotherapeutische Versorgung von Pflegeheimbewohnern mit psychischen Erkrankungen geschaffen. Studien zufolge leiden 50 bis 90 Prozent der Pflegeheimbewohner unter einer psychischen Erkrankung, inklusive dementieller Erkrankungen. Psychotherapeutisch versorgt wird jedoch nur ein Bruchteil dieser Patienten, nämlich nur zwischen fünf und 19 Prozent.

Das Gesetz verbessert insbesondere die finanzielle Ausstattung von Hospiz- und Pflegeeinrichtungen und fördert die ambulante Palliativversorgung. Es tritt sofort in Kraft.

Mehr Geld für Personal in den Krankenhäusern

Bundestag verabschiedet Krankenhaus-Strukturgesetz

(BPtK) Die gesetzlichen Krankenkassen müssen zukünftig höhere Personalkosten, die Krankenhäusern aufgrund von Tariflohnsteigerungen entstehen, zur Hälfte finanzieren. Damit wird einem weiteren Personalabbau, der auch in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken in den letzten Jahren stattgefunden hat, entgegengewirkt. Das ist eine der wichtigen Neuerungen des Krankenhaus-Strukturgesetzes (KHSG), das heute im Bundestag verabschiedet wird.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt die neue Finanzierungsregelung im KHSG, weil damit auch die Beratungen im Gemeinsamen Bundesausschuss befördert werden können, deren Ziel angemessene und verbindliche Personalanforderungen für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen sind. Kliniken brauchen finanzielle Rahmenbedingungen, die die Umsetzung verbindlicher Personalanforderungen für eine leitliniengerechte Behandlung grundsätzlich ermöglichen.

Auch das Förderprogramm für mehr Pflegekräfte ist aus Sicht der BPtK ein wichtiger Schritt, die Personalsituation in den somatischen Krankenhäusern zu verbessern. Durch die Einführung eines Zuschlags, dessen Höhe sich an den Pflegepersonalkosten eines Krankenhauses bemisst, schafft das KHSG zusätzlich einen Anreiz für eine angemessene Pflegeausstattung in den Krankenhäusern, in denen es vor allem im Pflegebereich seit der Einführung der DRGs zu einem dramatischen Personalabbau gekommen ist.

Mit dem Gesetz wurde letztlich doch keine Regelung eingeführt, nach der die psychiatrischen Krankenhäuser künftig Mittel für regulär verhandelte Personalstellen nach der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) zurückzahlen müssen, wenn sie nicht nachweislich zweckentsprechend verwendet wurden. Damit gilt diese Regelung weiterhin nur für Stellen, die im Rahmen der Einführung des neuen Entgeltsystems nachverhandelt wurden. Die Streichung der ursprünglich vorgesehenen Neu-Regelung begründet der Gesetzgeber damit, dass zurzeit eine grundsätzliche Prüfung des Pauschalierenden Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) erfolge. Die damit verbundene Diskussion um verbindliche Personalanforderungen und deren Finanzierung sei noch nicht abgeschlossen. Die BPtK fordert, verbindliche Personalanforderungen festzulegen und damit auch eine Nachweispflicht über den Einsatz der Mittel für die Personalausstattung zu verbinden.

Das KHSG verbessert schließlich die stationäre Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen. Leistungen, die von den Krankenhäusern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erbracht werden, werden zukünftig extrabudgetär vergütet. Das gilt auch für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen. Die stationäre Behandlung von Flüchtlingen – auch bei psychischen Erkrankungen – wird dadurch erleichtert. Weitere neue Regelungen betreffen die Einführung befristeter krankenhausindividueller Zuschläge für Mehrkosten, die aufgrund von Qualitätssicherungs-Richtlinien entstehen und die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung von Patientenbefragungen als Instrument der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung. Das KHSG tritt am 1. Januar 2016 in Kraft.

Befristete Zulassung für die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge

BPtK aktualisiert Ratgeber: Wie beantrage ich eine Ermächtigung?

(BPtK) Für traumatisierte Flüchtlinge müssen zukünftig mehr Psychotherapeuten verfügbar sein. Dazu hat die Bundesregierung auf Initiative der Bundespsychotherapeutenkammer die Zulassungsverordnung für Ärzte geändert. Danach sind die Zulassungsausschüsse zukünftig verpflichtet, Psychotherapeuten, Ärzte und psychosoziale Einrichtungen zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung von Flüchtlingen zu ermächtigen.

Die BPtK hat deshalb ihren Ratgeber für Psychotherapeuten, die eine Ermächtigung für die Versorgung von Flüchtlingen beantragen wollen, aktualisiert.

G-BA streicht Behandlungen für schwer abhängige Raucher

Empfehlungen der S3-Leitlinie zur Tabakabhängigkeit missachtet

(BPtK) Schwer kranke Raucher haben zukünftig keinen Anspruch mehr auf eine nachweislich wirksame Suchtbehandlung. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) strich am 15. Oktober 2015 die psychotherapeutische Behandlung von schwer kranken Rauchern aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

„Das ist eine versorgungspolitische Fehlentscheidung“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Die aktuelle S3-Leitlinie zum schädlichen und abhängigen Tabakkonsum empfiehlt mit der höchsten Empfehlungsstärke eine verhaltenstherapeutische Behandlung von Rauchern. Gerade für schwer abhängige Raucher mit schweren körperlichen Erkrankungen, wie zum Beispiel onkologischen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, muss es deshalb weiter ein kassenfinanziertes Behandlungsangebot geben.“

Im Jahr 2011 hatte der G-BA noch völlig anders entschieden. Damals stellte er fest, dass der schädliche Gebrauch und die Abhängigkeit von Tabak als Teil der „psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ eine Indikation zur Anwendung von Psychotherapie seien. Schwer abhängige Raucher, die alleine nicht von der Sucht loskommen, konnten damit ein evidenzbasiertes ambulantes Behandlungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Der G-BA bezeichnet diese fachlich richtige Entscheidung heute als ein redaktionelles Versehen, das mit dem aktuellen Beschluss korrigiert werde. Damit übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung zukünftig weder psychotherapeutische Behandlungen noch niederschwellige Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung für schwer abhängige Raucher.

Circa 13 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland erfüllt die diagnostischen Kriterien für eine Tabakabhängigkeit. Tabakabhängigkeit zählt zu den psychischen Erkrankungen mit dem höchsten somatischen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Jährlich sterben rund 140.000 Menschen an den Folgen eines langjährigen Tabakkonsums. Jahrelanges Rauchen verkürzt das Leben um durchschnittlich zehn Jahre.

Asylrecht erlaubt keine angemessene medizinische Versorgung

BPtK-Symposium zur Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge

(BPtK) Viele der 800.000 Flüchtlinge, die voraussichtlich bis Ende des Jahres 2015 nach Deutschland kommen werden, sind psychisch krank. Studien zeigen, dass es 40 bis 50 Prozent sind. Ihre Versorgung ist mangelhaft. Kaum ein Flüchtling erhält eine psychotherapeutische Behandlung.

Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und darüber zu diskutieren, wie die Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge verbessert werden kann, veranstaltete die BPtK am 24. September in Berlin ein Symposium, zu dem Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik eingeladen waren.

BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz erläuterte in seiner Begrüßung, dass die rechtlichen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen in Deutschland völlig ungeeignet seien, um psychisch kranken Flüchtlingen schnell eine notwendige Psychotherapie anbieten zu können: „Das muss dringend geändert werden.“

Munz bedauerte, dass die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration der Bundesregierung, Staatsministerin Aydan Özoğuz, aufgrund kurzfristig anberaumter Beratungen im Vorfeld des heutigen Flüchtlingsgipfels der Bundesregierung verhindert sei und daher die Veranstaltung nicht – wie angekündigt – mit einem persönlichen Grußwort eröffnen könne.

Sozialpsychologie der Aggression

Prof. Dr. Barbara Krahé erhält den Deutschen Psychologie Preis 2015 für ihre sozialpsychologischen Analysen, wie Aggression und Gewalt entstehen.

(BPtK) „Nur wenn die Entstehungsmechanismen von Aggression und Gewalt bekannt sind, lassen sich erfolgversprechende Maßnahmen entwickeln, ihnen entgegen zu wirken“, erklärt die Preisträgerin 2015 Prof. Dr. Barbara Krahé. Für ihre Erkenntnisse auf dem Gebiet der Aggressionsforschung wird die Sozialpsychologin Prof. Dr. Barbara Krahé mit dem Deutschen Psychologie Preis 2015 am 20. Oktober 2015 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften geehrt.

Barbara Krahé forscht zu Risikofaktoren, Entwicklung und Folgen von Aggression und konzentriert sich auf drei Fragestellungen: Wie beeinflusst der Konsum gewalthaltiger Medien die Aggressionsbereitschaft? Wie sehen Verbreitungsgrad und Risikofaktoren sexueller Aggression unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus? Wie wirken Stereotype und Vergewaltigungsmythen auf die Beurteilung sexueller Gewaltdelikte im juristischen Kontext? Dabei verbindet sie Längsschnittstudien, Experimente und kulturvergleichende Analysen und entwickelte ein Präventionsprogramm zum Umgang mit Mediengewalt.

Der Deutsche Psychologie Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre verliehen. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Christoph-Dornier-Stiftung (CDS) und die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) würdigen mit diesem Preis herausragende Leistungen in der psychologischen Forschung, die sich durch hohe praktische Bedeutung auszeichnen.

Ein Foto der Preisträgerin steht bereits zur kostenfreien Verwendung unter der Quellenangabe „Fotostudio-Ludwig/www.fotostudio-ludwig.de“ zum Download zur Verfügung: www.deutscher-psychologie-preis.de/presse/foto-krahe.html

Weitere Informationen: www.deutscher-psychologie-preis.de

Ansprechpartner für die Presse:
Alenka Tschischka
presse@bdp-verband.de

Psychotherapie und Dolmetscher für psychisch kranke Flüchtlinge

BÄK und BPtK legen Konzept für Modellprojekt vor

(BPtK) Bundesärztekammer (BÄK) und Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordern eine bessere psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung von psychisch kranken Flüchtlingen. Ob ein Flüchtling eine Psychotherapie benötigt, muss von unabhängigen und qualifizierten Gutachtern geprüft werden. Bisher fällen solche Entscheidungen viel zu häufig Sachbearbeiter in den Sozialbehörden oder fachfremde Gutachter. Falls eine Psychotherapie indiziert ist, muss außerdem der Einsatz von Dolmetschern finanziert werden.

BÄK und BPtK schlagen deshalb gemeinsam ein Modellprojekt für die psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen vor, das aus Bundesmitteln finanziert werden soll. Beide Kammern greifen damit auch eine Forderung der Integrations- und der Gesundheitsministerkonferenz auf, die vorgeschlagen hatten, den Einsatz von Dolmetschern in der psychotherapeutischen Behandlung in einem Modellprojekt zu erproben. Eine solche Finanzierung von Dolmetschern ist in der Asylrechtsreform, die gestern vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, nicht vorgesehen.

Kern des Modellprojekts sind drei aufeinander abgestimmte Module. Das erste Modul sieht den Aufbau eines bundesweiten Dolmetscherpools vor. Dieser könnte von Anbietern geleistet werden, die bereits in der Sprachmittlung tätig sind. Eine Koordinierungsstelle würde die Sprachmittler qualifizieren und zertifizieren, an Ärzte und Psychotherapeuten vermitteln und auch deren Vergütung abwickeln.

Als zweites Modul schlagen BÄK und BPtK in jedem Bundesland eine Koordinierungsstelle für die psychotherapeutische Behandlung von Flüchtlingen vor. Diese soll für die Beantragung, Begutachtung, Genehmigung sowie Vergütung von Psychotherapien bei Flüchtlingen zuständig sein. Die Begutachtung, ob die beantragte Psychotherapie indiziert ist, soll durch einen unabhängigen und qualifizierten Gutachter erfolgen. Die Koordinierungsstelle entscheidet über die Psychotherapie auf Grundlage des Votums des Gutachters. Sie leistet auch die Vergütung der Ärzte und Psychotherapeuten und rechnet die Ausgaben mit der Behörde ab, die gesetzlich die Kosten übernehmen muss.

Ein drittes Modul stellt die erforderliche Qualifizierung der Ärzte und Psychotherapeuten sicher. Ärzte und Psychotherapeuten sollten über spezifische Kompetenzen bei der Versorgung von Flüchtlingen verfügen, zu denen zum Beispiel asylrechtliche Kenntnisse gehören. Solche Kompetenzen sollen durch entsprechende Fortbildungen der Landesärztekammern bzw. Landespsychotherapeutenkammern sichergestellt werden. Zudem sollte es möglich sein, dass sich nicht nur Vertragsärzte und -psychotherapeuten, sondern auch psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten, die in Privatpraxen, Flüchtlingszentren oder universitären Forschungs- und Hochschulambulanzen tätig sind, an dem Modellprojekt beteiligen können.

Hintergrund: Knapp die Hälfte der Flüchtlinge in Deutschland leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Psychotherapie ist bei posttraumatischen Belastungsstörungen die Behandlungsmethode der Wahl. Die alleinige Behandlung mit Medikamenten ist nicht ausreichend und medizinisch in der Regel nicht zu verantworten. Kaum ein psychisch kranker Flüchtling erhält bisher jedoch eine psychotherapeutische Behandlung.

Asylrecht: Medizinische Versorgung von psychisch kranken Flüchtlingen verbessert

Bundesregierung verpflichtet Zulassungsausschüsse, Ermächtigungen zu erteilen

(BPtK) Mit der heute verabschiedeten Reform des Asylrechts geht eine Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen einher. Für traumatisierte Flüchtlinge müssen zukünftig mehr Psychotherapeuten und Ärzte verfügbar sein. Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen sind künftig verpflichtet, befristet und speziell für die Behandlung von Flüchtlingen, die Folter, Vergewaltigung oder schwere psychische, physische oder sexuelle Gewalt erlitten haben, Psychotherapeuten und Ärzte zu ermächtigen. Auch Einrichtungen, die von Psychotherapeuten oder Ärzten geleitet werden, können eine solche Ermächtigung erhalten. Dazu hat die Bundesregierung die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte geändert.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt die neue Regelung nachdrücklich. „Jetzt müssen die dringend benötigten Psychotherapeuten und Ärzte, die bereit stehen, um traumatisierte Flüchtlinge angemessen zu behandeln, ermächtigt werden. Es besteht kein Ermessensspielraum mehr“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen konnten schon bisher befristet zusätzliche Psychotherapeuten und Ärzte ermächtigen, sofern dies notwendig ist, um eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung abzuwenden oder um einen begrenzten Personenkreis zu versorgen. Die Gremien, in denen Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen über solche befristeten Ermächtigungen entscheiden („Zulassungsausschüsse“) waren bisher jedoch in der Regel nicht bereit, diese Ermächtigungen zu erteilen. Deshalb stellte der Gesetzgeber klar, dass zukünftig für traumatisierte Flüchtlinge mehr Psychotherapeuten und Ärzte zuzulassen sind.

„Die Versorgung psychisch kranker Flüchtling ist zurzeit absolut unzureichend“, kritisiert BPtK-Präsident Munz. Etwa die Hälfte der Flüchtlinge ist psychisch krank. 2014 konnten jedoch nur etwa vier Prozent von ihnen psychotherapeutisch behandelt werden. „Wir fordern die Zulassungsausschüsse auf, der neuen Verpflichtung nachzukommen und beantragte Ermächtigungen zügig zu erteilen“, betont Munz. Psychotherapie ist bei Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung die Behandlungsmethode der Wahl. Die alleinige Behandlung mit Medikamenten ist nicht ausreichend.

Eine Ermächtigung muss beim zuständigen Zulassungsausschuss beantragt werden. Sie ist in der Regel auf zwei Jahre befristet. Wer eine solche Ermächtigung erhält, ist berechtigt, vertragspsychotherapeutische oder -psychiatrische Leistungen für Flüchtlinge zu erbringen und diese auch mit den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Die neue Regelung greift jedoch erst, wenn ein Flüchtling nach 15 Monaten Aufenthaltsdauer wie ein Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt wird. Bis dahin gelten die weiterhin eingeschränkten medizinischen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die BPtK fordert langfristig, diese Einschränkungen grundsätzlich aufzuheben. Außerdem müssten für eine Psychotherapie mit fremdsprachigen Flüchtlingen auch Dolmetscher finanziert werden.

Neues Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik

Psychiatrische Verbände legen Alternativkonzept zum PEPP vor

(BPtK) Das Konzept eines budgetbasierten Entgeltsystems als Alternativkonzept zum Pauschalierenden Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) schafft nach Ansicht der Bundespsychotherapeutenkammer nicht für alle psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser die Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, eine an Leitlinien und den Bedürfnissen psychischer kranker Menschen orientierte Versorgung anzubieten. Dazu gehören insbesondere eine verbindliche Personalausstattung in den Kliniken, ihre Finanzierung und eine leistungsgerechte Verteilung der Mittel zwischen den Häusern. Das Konzept hat aus BPtK-Sicht Stärken bei der inhaltlichen Entwicklung neuer Personalanforderungen sowie der Berücksichtigung besonderer struktureller Krankenhauskosten. Zielführend könnte ein Hybridsystem sein, bei dem ein Teil der Vergütung über leistungsorientierte Entgelte und ein anderer Teil über krankhausindividuelle Zuschläge erfolgt.

Am 29. September 2015 hatten verschiedene psychiatrische Fach- und Pflegeverbände der Öffentlichkeit einen Alternativvorschlag zum PEPP vorgestellt. Gesundheitsminister Hermann Gröhe hatte in dem von ihm initiierten strukturierten Dialog die Kritiker des PEPP aufgefordert, Lösungen für ihre Hauptkritikpunkte zu entwickeln.

Damit ein neues Entgeltsystem geeignet ist, eine leitlinienorientierte, an den Bedürfnissen psychisch kranker Menschen orientierte Versorgung sicherzustellen, muss es mindestens folgende Kriterien erfüllen:

• Verbindliche Personalanforderungen, deren Umsetzung überprüft wird

Grundvoraussetzung für eine gute Versorgungsqualität ist eine ausreichende und qualifizierte Personalausstattung. Diese kann nur mit verbindlichen Personalanforderungen realisiert werden, deren Umsetzung auch überprüft wird.

• Finanzierung der verbindlichen Personalanforderungen

Für die Umsetzung der verbindlichen Personalanforderungen müssen ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Da derzeit von einer Unterfinanzierung der Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik auszugehen ist, sind zusätzliche finanzielle Ressourcen notwendig. Weitere Mittel sind außerdem notwendig, weil in der Psychiatrie-Personalverordnung der wissenschaftliche Fortschritt, den es vor allem in der Psychotherapie und bei ambulanten und auf-suchenden Behandlungen gegeben hat, nicht berücksichtigt ist.

• Gleiches Entgelt für gleiche Leistung

Die in einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem begrenzt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel müssen leistungsgerecht verteilt werden. Für gleiche Behandlungsleistungen bzw. die Versorgung aufwandsgleicher Patienten sollten gleiche Entgelte gezahlt werden. Die großen Unterschiede in der Höhe der bisherigen Pflegesätze sind weniger medizinisch als mit dem Verhandlungsgeschick der Kliniken, historisch gewachsenen Strukturen und klinikindividuellen Besonderheiten zu begründen. Die große Spreizung der Pflegesätze legt nahe, dass die Versorgungsqualität in den Einrichtungen sehr unterschiedlich ist und viele Kliniken derzeit nicht die notwendigen Personalressourcen haben, um eine leitlinienorientierte Versorgung anzubieten.

• Strukturelle Besonderheiten berücksichtigen

Klinikindividuelle strukturelle Besonderheiten, wie zum Beispiel regionale Versorgungsverpflichtungen, die sich über ein pauschalierendes Entgeltsystem nicht adäquat abbilden lassen, sollten gesondert berücksichtigt und vergütet werden.

• Sektorenübergreifende Versorgung

Das Entgeltsystem sollte darüber hinaus eine stärker ambulant orientierte und sektorenübergreifende Versorgung fördern und weiterentwickeln. Wichtige Fragen wie die Kooperation zwischen Krankenhäusern und vertragsärztlicher bzw. psychotherapeutischer Versorgung gestaltet werden sollte, aber auch welche Patientengruppen sektorenübergreifende Versorgungsansätze benötigen und welche Anforderungen zum Beispiel im Bereich der Qualitätssicherung zu erfüllen sind, müssen dafür geklärt werden. Eine grundsätzliche Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung oder die flächendeckende Einführung von Regionalbudgets eignen sich dafür nicht.