Psychotherapeutische Versorgung von Flüchtlingen in Europa mangelhaft

Internationaler Round-Table der BPtK am 23. März 2017 in Berlin

(BPtK) Die Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge in Europa ist mangelhaft und sollte dringend verbessert werden. Das war das Fazit eines Round-Table-Gesprächs der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) am 23. März 2017 in Berlin, an dem Experten aus neun verschiedenen europäischen Ländern sowie eine Vertreterin der Europäischen Kommission teilnahmen.

BPtK-Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop berichtete einleitend, dass es durch eine BPtK-Befragung zur psychotherapeutischen Versorgung von Flüchtlingen in Europa möglich sei, die Situation in den unterschiedlichen Ländern genauer beschreiben und besser einschätzen zu können. So sei es jetzt möglich, nicht nur nationale Schritte zu unternehmen, sondern auch auf europäischer Ebene politische Forderungen zu stellen. Tomáš Zdechovský, Mitglied des Europäischen Parlaments, forderte in seinem Grußwort, „einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen, um die psychische Gesundheit von Flüchtlingen zu sichern“.

Gruppenpsychotherapie ab 1. Juli besser honoriert

Bewertungsausschuss verwendet neue Vergütungssystematik

(BPtK) Der Bewertungsausschuss hat zum 1. Juli 2017 eine deutlich bessere Vergütung der gruppenpsychotherapeutischen Leistungen beschlossen. Der aktuelle Beschluss verwendet dabei eine neue Vergütungssystematik. Künftig richtet sich die Höhe der Vergütung differenziert nach der Zahl der jeweils anwesenden Gruppenteilnehmer. Die alte Einteilung in kleine und große Gruppen wurde in diesem Zusammenhang aufgehoben. In diesem Zuge wird das gesamte Kapitel 35.2 EBM neu strukturiert. Auch die Leistungen der Einzelpsychotherapie und der Testdiagnostik erhalten neue Gebührenordnungspositionen.

Mit dem Beschluss wird insbesondere die Vergütung für größere Gruppen substanziell angehoben. Im Durchschnitt steigt die Vergütung für gruppenpsychotherapeutische Leistungen um ein Fünftel. Die Höhe der Vergütung schwankt pro Patient und 100-minütiger Therapieeinheit zwischen 51,07 Euro bei neun Teilnehmern und 88,03 Euro bei drei Teilnehmern. Damit entspricht die Vergütung für eine Gruppe mit drei Teilnehmern der bisherigen Vergütung für die kleine Gruppe. Für die Gruppe mit vier Teilnehmern resultiert dagegen eine im Vergleich zur bisherigen Regelung um 16 Prozent geringere Vergütung je Patient. Dadurch wird der Aufwand für die Behandlung in kleinen Gruppen, die nicht zuletzt in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen bedeutsam sind, schlechter abgebildet.

Bei der Reform der Psychotherapie-Richtlinie hatte der Gemeinsame Bundesausschuss keine relevanten Impulse für die gesetzlich geforderte Förderung der Gruppentherapie gesetzt. Im Gegenteil führt die Zweiteilung der Kurzzeittherapie gerade auch für die Gruppentherapie zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand. Kleinere Vereinfachungen im Gutachterverfahren und Anpassungen bei der Gruppengröße können diese Nachteile nicht kompensieren. Mit dem aktuellen Beschluss erfährt dagegen die Gruppenpsychotherapie eine deutliche Aufwertung. Der zusätzliche Aufwand der Gruppentherapie im Vergleich zur Einzeltherapie wird besser abgebildet – mit Ausnahme der kleinen Gruppen.

Ausführliche Informationen zur Reform der Psychotherapie-Richtlinie und zu den Honorarbeschlüssen finden sich in der Praxis-Info „Psychotherapie-Richtlinie“ der BPtK.

Psychische Belastungen in der Arbeitswelt

BAuA legt umfangreiches Gutachten vor

(BPtK) Psychische Belastungen am Arbeitsplatz können krank machen. Das zeigt ein umfangreiches Gutachten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), das am 5. Mai vorgestellt wurde. Danach gehören beispielsweise eine langandauernd hohe Arbeitsintensität, geringe Erholungszeiten, enge Handlungsspielräume, häufige Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit und anhaltende Konflikte mit Kolleginnen und Kollegen zu den Belastungen am Arbeitsplatz, die die psychische Gesundheit beeinträchtigen und das Risiko für psychische Erkrankungen erhöhen. Anderseits ist Arbeit auch eine Ressource, die die psychische Gesundheit stärken kann.

„Der Bericht belegt, dass psychische Belastungen in der Gefährdungsbeurteilung und im Arbeitsschutz noch nicht ausreichend verankert sind“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Politik und Sozialpartner müssen mehr als bisher dafür Sorge tragen, dass arbeitsbedingte psychische Belastungen frühzeitig und besser erkannt und verringert werden.“

Der Bericht enthält zehn Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei psychischen Belastungen. Hierzu gehören die Begrenzung und partizipative Gestaltung der Arbeitszeit, das Ausbalancieren zwischen Arbeit und Erholung, die Stärkung der Bedeutung der Führungskräfte für eine Arbeitsgestaltung, die der psychischen Gesundheit zuträglich ist, und den Aufbau von Strukturen, die es ermöglichen, psychische Probleme von Beschäftigten so früh wie möglich zu erkennen und sie bei der Bewältigung zu unterstützen.

Der Bericht ist der Startschuss für einen Runden Tisch zwischen Gewerkschaften, Arbeitgebern und dem Bundesarbeitsministerium zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt, an dem auch die BAuA und die Nationale Arbeitsschutzkonferenz beteiligt sein werden. „Wir begrüßen den geplanten Dialog zwischen den Sozialpartnern und dem Bundesarbeitsministerium“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Munz. „Wir hoffen, dass daraus konkrete und wirksame Maßnahmen abgeleitet werden.“

Aktionswoche Alkohol: PKV gefährdet Versichertenleben

BPtK: Behandlung von Alkoholerkrankungen muss Standard sein

(BPtK) Die private Krankenversicherung (PKV) gefährdet das Leben Alkoholabhängiger. Wer – wie knapp neun Millionen Menschen in Deutschland – privat krankenversichert ist, bekommt bei einer Alkoholerkrankung nicht immer die notwendigen Behandlungen. Anders als die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen die privaten häufig weder die Kosten für den körperlichen Entzug im Krankenhaus noch die Entwöhnung in der Rehabilitation. Die private Krankenversicherung schließt bei Alkoholerkrankungen die Standardbehandlung grundsätzlich aus.

„Ein Entzug ohne ärztliche Kontrolle gefährdet das Leben von alkoholkranken Versicherten“, warnt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Die Weigerung privater Krankenversicherungen, die Kosten für notwendige Behandlungen von Alkoholerkrankungen zu übernehmen, ist unverantwortlich. Privat Krankenversicherte, die finanziell nicht in der Lage sind, die Rechnungen für Entzug und Entwöhnung selbst zu tragen, werden in den gefährlichen Entzug ohne ärztliche Kontrolle gedrängt. Die BPtK fordert deshalb die privaten Krankenversicherungen auf, den Ausschluss der Entzugs- und Entwöhnungsmaßnahmen bei Alkoholerkrankungen in ihren Musterverträgen zu streichen.“

Das Bürgerliche Gesetzbuch verbietet Einschränkungen in Versicherungsbedingungen, wenn dadurch die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. „Die Rechtsprechung in den letzten Jahren zeigt, dass die Gerichte vor diesem Hintergrund immer weniger bereit sind, den Leistungsausschluss bei Alkoholerkrankungen hinzunehmen“, erklärt BPtK-Präsident Munz. „Die privaten Krankenversicherungen sollten jetzt das Heft selbst in die Hand nehmen und sich nicht von den Gerichten treiben lassen.“

Verbesserung der Suizidprävention in Deutschland

3,5 Millionen Euro Fördermittel für Forschung

(BPtK) In Deutschland wird nicht genug für die Suizidprävention getan. Mit etwa 12 Suiziden je 100.000 Einwohnern jährlich liegt Deutschland im internationalen Vergleich im oberen Drittel. Psychische Erkrankungen sind die Hauptursache für etwa 10.000 Selbsttötungen pro Jahr. Zehnmal so viele Menschen unternehmen Suizidversuche. „Der europäische Vergleich zeigt, dass es Möglichkeiten gibt, die Anzahl der Suizide in Deutschland zu senken“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Wir müssen zum Beispiel besondere Risikogruppen wie Männer und ältere Menschen mit unseren Hilfs- und Versorgungsangeboten besser erreichen.“

Das Bundesministerium für Gesundheit fördert jetzt befristet bis zum Jahr 2020 Forschungsprojekte zur Suizidprävention mit einem Gesamtvolumen von 3,5 Millionen Euro. Damit sollen bestehende Hilfs- und Beratungskonzepte evaluiert und neue Maßnahmen und Konzepte zur Vermeidung von Suiziden und Suizidversuchen entwickelt werden. Wesentlich für erfolgreiche Prävention ist die Verfügbarkeit und Inanspruchnahme passgenauer Hilfsangebote, die auf den spezifischen Bedarf von Risikogruppen zugeschnitten sind. Förderschwerpunkte liegen daher darauf, durch Aufklärung ein Bewusstsein im sozialen Umfeld von Risikogruppen zu schaffen und die Beteiligten in der Suizidprävention besser zu vernetzen. „Psychotherapie ist zentraler Bestandteil von Suizidprävention“, erläutert Munz. „Wenn gefährdete Menschen durch Entstigmatisierung und bessere Vernetzung von Hilfsangeboten rechtzeitig psychotherapeutisch versorgt werden, können wir viel in der Suizidprävention in Deutschland erreichen.“

Die Bereitstellung der Fördermittel geht auf eine Initiative von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag zurück (BT-Drs. 18/5104), der sich CDU/CSU und SPD angeschlossen haben.

Ärztliche Zwangsbehandlungen künftig im Krankenhaus notfalls möglich

Bundestag erweitert Möglichkeiten, Patienten gegen ihren Willen zu retten

(BPtK) Psychisch kranke Patienten, die nicht mehr erkennen können, dass sie ärztlich behandelt werden müssen, um ihr Leben zu retten, konnten bisher nur zwangsbehandelt werden, wenn sie in einem Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung zwangsweise untergebracht worden waren. Der Bundestag hat nun ein Gesetz zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen beschlossen, das die Möglichkeiten erweitert, Patienten auch gegen ihren Willen zu retten. Künftig können auch Patienten in einem Krankenhaus zwangsbehandelt werden, die sich dort in stationärer Behandlung befinden (BT-Drs. 18/11240).

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt, dass damit eine Regelungslücke geschlossen wurde. Die Änderungen betreffen ausschließlich nicht-einwilligungsfähige Patienten, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen oder seelischen Behinderung nicht erkennen können, dass eine ärztliche Behandlung notwendig ist. Eine ärztliche Zwangsmaßnahme ist künftig dann möglich, wenn der Patient stationär in einem Krankenhaus behandelt wird und die ärztliche Maßnahme zum Wohl des Patienten notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden.

Damit sind jetzt ärztliche Zwangsmaßnahmen unter strengen Voraussetzungen bei einer stationären Behandlung möglich. Das Krankenhaus muss dabei die gebotene medizinische Versorgung des Patienten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sicherstellen. Wichtig ist, dass mit dieser Regelung weiterhin ambulante Zwangsmaßnahmen oder ärztliche Zwangsmaßnahmen in einem Heim ausgeschlossen bleiben.

Bundestag verabschiedet Reform des Bundeskriminalamtgesetzes

Berufsgeheimnisträger bleiben unzureichend geschützt

(BPtK) Der Bundestag hat am 27. April 2017 das umstrittene Gesetz zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes (BT-Drs. 18/11163) beschlossen. Geistliche, Abgeordnete, Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände sind von staatlichen Überwachungsmaßnahmen absolut ausgenommen. Der gleiche Schutz bleibt Psychotherapeuten und Ärzten jedoch weiterhin versagt.

„Grundlage einer erfolgversprechenden Psychotherapie ist ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Psychotherapeut“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), das Bundeskriminalamtgesetz. „Alle Patienten brauchen die Möglichkeit, sich jederzeit und insbesondere in Krisensituationen, an einen Psychotherapeuten zu wenden. Sie müssen sich der absoluten Vertraulichkeit ihrer Gespräche sicher sein können. Das Gesetz untergräbt die therapeutisch wesentliche Zusicherung der Psychotherapeuten an ihre Patienten, nach der kein Wort aus den Gesprächen nach außen dringt“.

Die BPtK kann nicht nachvollziehen, weshalb zwar Gespräche mit Rechtsanwälten oder Geistlichen vor staatlichem Abhören absolut geschützt sind, nicht jedoch Gespräche mit Psychotherapeuten oder Ärzten. Alle diese Berufsgruppen sind als Zeugnisverweigerungsberechtigte nach § 53 StPO geschützt. Dieser Schutzgedanke hätte auch im Bundeskriminalamtgesetz nachvollzogen werden müssen. Die BPtK hatte sich bei den Gesetzesberatungen für den absoluten Schutz der Psychotherapeuten eingesetzt.

BPtK fordert mehr Honorargerechtigkeit

Offener Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat in einem Offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe mehr Honorargerechtigkeit für psychotherapeutische Leistungen gefordert. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 29. März 2017 zur Vergütung hat in der der deutschen Psychotherapeutenschaft für erhebliche Empörung gesorgt. Die falsche Einschätzung der neuen psychotherapeutischen Sprechstunde und Akutbehandlung ist für viele Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ein weiterer Beleg für die strukturelle Unterbewertung ihrer Leistungen.

Die BPtK sieht deshalb politischen Handlungsbedarf, damit Psychotherapeuten zukünftig angemessen honoriert werden. „Wir benötigen präzisere gesetzliche Regelungen“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Der Bewertungsausschuss muss eindeutige Vorgaben bekommen, wann und nach welchen Kriterien er die Entwicklung der psychotherapeutischen Honorare überprüfen und anpassen muss.“

Psychotherapeutische Leistungen sind strukturell unterbewertet. Mit ihren Gesprächsleistungen können psychotherapeutische Praxen nicht annähernd die gleiche angemessene Vergütung wie ärztlichen Praxen erzielen. Eine psychotherapeutische Praxis erwirtschaftet rund 71.500 Euro pro Jahr, eine fachärztliche Praxis dagegen ein Jahreseinkommen von rund 141.500 Euro.

Für diese weit unterdurchschnittliche Honorierung erbringen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten hochqualifizierte und intensive Arbeit. Die Vergütung der Gesprächsleistungen ist an den zeitlichen Einsatz von 50 Minuten gebunden. „Diagnostische und therapeutische Arbeit unmittelbar mit dem Patienten, die sich nicht verkürzen lässt, wird im deutschen Gesundheitssystem außerordentlich schlecht vergütet“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Mit Apparatemedizin lässt sich ein Vielfaches an Einkommen erzielen. Das ist grundsätzlich falsch.“

Die BPtK stellt auch irreführende Aussagen der gesetzlichen Krankenversicherung über die Arbeitszeiten von niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten richtig. Eine psychotherapeutische Praxis leistet durchschnittlich 45 Wochenarbeitsstunden. Hiervon entfallen 27 Stunden auf die unmittelbare Patientenbehandlung, knapp 10 Stunden auf psychotherapeutische Tätigkeiten ohne unmittelbaren Patientenkontakt und 8 Stunden auf Praxismanagement und Fortbildung.

Die BPtK fordert auch vom Bundesgesundheitsministerium eine formelle Beanstandung des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses. Die Berechnung der Strukturzuschläge für das Praxispersonal ist aus Sicht der BPtK eindeutig rechtswidrig. In dieser Berechnung fehlen die probatorischen Sitzungen und die Gesprächsziffern. In seinem Urteil vom März dieses Jahres hat das Sozialgericht Marburg festgestellt, dass die seit 2012 geltenden Strukturzuschläge nicht den Vorgaben des Bundessozialgerichts entsprechen.

Besserer Schutz von geflüchteten Frauen und Kindern notwendig

BPtK fordert sichere Unterkünfte und psychosoziale Versorgung

(BPtK) Frauen und Kinder, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, erleben häufig auch auf der Flucht schwere traumatische Verletzungen. Insbesondere auf afrikanischen Fluchtwegen sind sie oft allein unterwegs und besonders wehrlos gegenüber Lösegelderpressern, Vergewaltigern und gewalttätigen Banden. „Die Erlebnisse auf der Flucht sind häufig genauso grauenhaft wie die Erlebnisse in ihrer Heimat“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Gerade geflüchtete Frauen und Kinder, die in Deutschland Aufnahme und Schutz suchen, brauchen deshalb unsere besondere Fürsorge. Die erschreckende Realität ist aber leider, dass sich Frauen und Kinder auch in Flüchtlingsunterkünften häufig nicht sicher fühlen.“

Traumatisierte Menschen benötigen grundsätzlich eine Situation, in der sie sich sicher und aufgehoben fühlen, in der sie ausreichend Privatsphäre sowie psychosoziale Beratung und Betreuung erhalten. Die BPtK fordert deshalb, die Unterbringung und die Gesundheitsversorgung insbesondere von geflüchteten Frauen und Kindern dringend zu verbessern. „Wir brauchen verbindliche Mindeststandards für den Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. „Für ihre Betreuung benötigen wir außerdem mehr geschultes Personal, Dolmetscher und eine gesicherte Finanzierung einer psychosozialen Erstversorgung sowie von Psychotherapie, wenn psychische Erkrankungen vorliegen.“

Drei aktuelle Studien belegen, dass die Unterbringung und Gesundheitsversorgung von geflüchteten Frauen und Kindern in Deutschland mangelhaft sind.

Geflüchtete Frauen besonders gefährdet

Geflüchtete Frauen bewerten vor allem ihre Unterbringung als schlecht oder sehr schlecht. In einer Studie, die von der Integrationsbeauftragten Aydan Özoğuz in Auftrag gegeben wurde, beklagen sie, dass es an ausreichender Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten fehle. Die hygienischen Bedingungen seien zum Teil mangelhaft. Oftmals fühlten sie sich in den Unterkünften nicht sicher.

Mehr als ein Drittel beklagt auch eine mangelhafte medizinische Versorgung. Nicht einmal jede zehnte geflüchtete Frau erhielt psychologische Betreuung – und das, obwohl die Mehrzahl der Frauen in ihrer Heimat oder auf der Flucht Traumatisches erlebt hatte. Die Mehrheit der befragten Frauen flüchtete vor Lebensgefahr, Krieg und Terror. Auch Angst vor Ehrenmord, Zwangsverheiratung, sexueller Gewalt oder Genitalverstümmelung wurden als Fluchtgründe genannt. Besonders Frauen aus Eritrea waren Opfer von Folter oder sexueller Gewalt.

Viele afrikanische Frauen machen sich alleine auf die Flucht und sind daher besonders gefährdet. „Wir müssen insbesondere auf die Frauen aus afrikanischen Ländern achten, weil sie häufig alleine geflüchtet sind und unvorstellbare Grausamkeiten erlebt haben. Sie brauchen unbedingt unsere besondere Aufmerksamkeit“, betont BPtK-Präsident Munz.

Flüchtlingskinder brauchen Sicherheit und Rückzugsmöglichkeiten

Auch Flüchtlingskinder leiden unter ihrer Situation in Deutschland, wie eine UNICEF-Studie belegt. Demnach verbringen viele Flüchtlingskinder mehrere Monate in Unterkünften, die nicht ihrem besonderen Schutzbedürfnis entsprechen. Dies wird auch von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages kritisiert. Das Zusammenleben mit fremden Menschen auf engstem Raum ohne die Möglichkeit, ein Zimmer abzuschließen, bedeutet für die Kinder ständigen großen Stress und Unsicherheit. „Kindern und Jugendlichen fällt es ohnehin schon schwer, ihre traumatischen Erlebnisse in der Heimat und auf der Flucht zu verarbeiten. Die Situation in Flüchtlingsunterkünften kann deshalb dazu führen, dass sie starke psychische Beschwerden und Erkrankungen entwickeln oder sich bestehende Leiden verschlimmern“, erklärt Munz. „Familien mit Kindern sollten deshalb so schnell wie möglich aus Gemeinschaftsunterkünften in eigene Wohnungen umziehen dürfen.“ Auch die Kinderkommission des Bundestages fordert, Flüchtlingsfamilien dezentral in Wohnungen unterzubringen, damit sie am normalen Alltagsleben teilhaben können. Darüber hinaus empfiehlt sie, dass die Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Gemeinschaftsunterkünften gestärkt und Beratungsangebote in den Unterkünften vorgehalten werden sollten.

Gerade Kinder leiden unter ihrer Unterbringung und der Ungewissheit, ob sie wieder abgeschoben werden. Nicht selten haben sie eine psychische Erkrankung und benötigen eine Psychotherapie. Trotz vorliegender Indikation lehnen es deutsche Behörden oft jedoch ab, die Kosten für eine Behandlung zu übernehmen. Unbehandelte psychische Erkrankungen im Kindesalter können einen Menschen jedoch ein ganzes Leben lang belasten“, stellt der BPtK-Präsident fest. „Wenn Kinder psychisch gefährdet oder krank sind, muss ihnen schnell und unbürokratisch geholfen werden.“ Die Kinderkommission fordert in diesem Zusammenhang, psychosoziale Zentren und vergleichbare Angebote für Flüchtlinge auszubauen und verlässlich zu finanzieren.

Unbegleitete Minderjährige besonders häufig traumatisiert

Zur besonderen Situation unbegleiteter Minderjähriger hat die Bundesregierung einen Bericht veröffentlicht. Danach haben unbegleitete Kinder und Jugendliche auf ihrer Flucht extreme Belastungen erlebt. Sie sind häufiger traumatisiert als Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien geflüchtet sind. „Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen fehlt der unverzichtbare familiäre Rückhalt“, so Munz. „Sie benötigen mehr als alle anderen verlässliche Betreuung und Behandlung bei psychischen Erkrankungen.“

Neue Praxis-Info „Jobsharing“

BPtK informiert, wie sich gemeinsam Berufseinstieg und -ausstieg gestalten lassen

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer hat eine neue Praxis-Info „Jobsharing“ veröffentlicht. Mit dem zweiten Band der Reihe wird das Jobsharing als besondere Ausgestaltung der Berufsausübungsgemeinschaft beschrieben. Die Jobsharing-Partner nutzen nicht nur gemeinsam die Praxisräume und gegebenenfalls auch das Personal, sondern teilen sich auch einen Kassensitz.

Jobsharing bietet gerade für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger die Möglichkeit, sich auch in gesperrten Planungsbereichen niederzulassen – sofern sich ein Praxisinhaber findet, der bereit ist, den eigenen Sitz zu teilen.

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