Situation von Kindern psychisch kranker Eltern verbessern

Deutscher Bundestag fordert interdisziplinäre Arbeitsgruppe

(BPtK) Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung in einem einstimmigen Beschluss aufgefordert, eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe für Kinder psychisch kranker Eltern einzusetzen. Sie soll einvernehmlich Vorschläge zur Verbesserung der Situation von Kindern und Jugendlichen aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil psychisch krank ist, erarbeiten. Dazu soll sie bestehende Zuständigkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen klären, gesetzgeberischen Handlungsbedarf ausmachen und bis zum 1. Juli 2018 einen Bericht vorlegen. An der Arbeitsgruppe sollen die zuständigen Bundesministerien (Familie, Arbeit und Gesundheit), Fachverbände und -organisationen sowie weitere Sachverständige beteiligt werden.

Die Bundesregierung soll darüber hinaus Aufklärungsmaßnahmen für die Allgemeinbevölkerung, betroffene Familien und Fachleute starten und über die Aus- und Weiterbildung der an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen sicherstellen, dass sie zur notwenigen Kooperation fähig und bereit sind. Neben Erziehern und Lehrern werden Psychotherapeuten und Ärzte als Zielgruppen genannt.

Kinder psychisch kranker Eltern haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Erkrankung. Bei ca. 3,8 Millionen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist im Laufe eines Jahres ein Elternteil psychisch krank. Der Beschluss des Bundestages geht auf einen Antrag des Bundesverbandes für Erziehungshilfe (AFET) und des Dachverbandes Gemeindepsychiatrie an den Familien- und den Gesundheitsausschuss des Bundestages zurück, eine interdisziplinäre Sachverständigenkommission einzusetzen. Die Bundespsychotherapeutenkammer ist Mitunterzeichnerin der Initiative.

Internetprogramme zur Leistung für alle Versicherten machen

BPtK-Patienten-Checkliste für Internetpsychotherapie

(BPtK) Internetprogramme zur Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen erfordern mindestens die gleiche Sorgfalt wie Behandlungen im unmittelbaren Gegenüber in einer Praxis oder einem Krankenhaus. Diagnostik und Aufklärung müssen grundsätzlich im unmittelbaren Kontakt zwischen Psychotherapeut und Patient erfolgen. Wirksame Internetprogramme sollten zur Regelleistung für alle Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Sie sollten deshalb als Medizinprodukt geprüft und zugelassen werden sowie von Psychotherapeuten und Fachärzten zu verordnen sein. Das fordert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) in einem Grundsatzpapier zu „Internet in der Psychotherapie“. Patienten sollten sich an einen Psychotherapeuten wenden, wenn sie sich unsicher sind, wie ein Internetprogramm einzuschätzen ist. Außerdem hat die BPtK eine Checkliste entwickelt, mit der Patienten Internetprogramme für psychische Beschwerden und Erkrankungen einer ersten kritischen Überprüfung unterziehen können. „Jedes Programm sollte zumindest die Antworten auf die Fragen dieser Checkliste bieten“, erläutert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Ist dies nicht möglich, sollte ein Patient die Finger davon lassen.“

Grenzen der Internetprogramme

Behandlungen psychischer Erkrankungen, bei denen sich Psychotherapeut und Patient nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen, bergen Risiken, die die Gesundheit des Patienten gefährden können. „Bei den meisten Internetprogrammen fehlt ein zentrales Instrument, mit dem Psychotherapeuten das seelische Befinden ihrer Patienten einschätzen: der vollständige Eindruck und die körperliche Präsenz vom Patienten im unmittelbaren Gegenüber“, erklärt BPtK-Präsident Munz. Selbst bei Video-Telefonaten ist der audiovisuelle Eindruck auf einen Kameraausschnitt eingeschränkt. Der Psychotherapeut kann nicht sehen: Wie kommt der Patient in den Raum? Wie bewegt er sich? Wie sitzt er? Der Therapeut kann z. B. suizidale Motive des Patienten nicht ausreichend über Mimik, Gestik, Körperhaltung und Stimmlage des Patienten einschätzen. In Krisensituation kann er meist nur eingeschränkt reagieren. Der Patient kann einen Kontakt per Mausklick abbrechen.

Diagnostik und Indikationsstellung

Grundlage für jede psychotherapeutische Behandlung ist eine fachgerechte Diagnostik und Indikationsstellung. Für eine fachgerechte Diagnose ist grundsätzlich ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht unerlässlich, weil meist nur so ein ausreichender Eindruck vom Befinden des Patienten möglich ist. So sind z. B. bei psychotischen Störungen Kommunikation und Denken und oft auch die Krankheitseinsicht des Patienten so stark beeinträchtigt, dass eine Diagnose per Internet fahrlässig ist. Bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen sind besondere Anforderungen an die Diagnostik, Kommunikation und Sorgfaltspflichten zu stellen. Es ist zu beachten, wie alt die Kinder und Jugendlichen sind, ob sie in der Lage sind, altersgemäß zu kommunizieren, oder ob Vorerkrankungen vorliegen, z. B. Internetsucht.

Aufklärung und Einwilligung des Patienten

Auch Aufklärung und Einwilligung in die Behandlung erfordern grundsätzlich einen unmittelbaren Kontakt des Psychotherapeuten mit dem Patienten. Nur so kann der Psychotherapeut ausreichend sicherstellen, dass der Patient verstanden hat, in welche Behandlung er einwilligt. Deshalb gehört es zu den wesentlichen berufsrechtlichen Pflichten der Psychotherapeuten, Patienten mündlich vor der Behandlung aufzuklären, und zwar in einer Art und Weise, die der individuellen Befindlichkeit und Aufnahmefähigkeit des Patienten angemessen ist. Bei Minderjährigen, die noch nicht selbst über eine Behandlung entscheiden können, müssen auch die Eltern oder andere Sorgeberechtigte aufgeklärt werden. Sie müssen ausdrücklich der Behandlung zustimmen.

Therapieüberwachung und Notfallplan

Zu den psychotherapeutischen Sorgfaltspflichten gehört es ebenfalls, den Verlauf der Behandlung zu überwachen, um beispielsweise Suizide und Selbstverletzungen des Patienten verhindern zu können und konkrete Hilfe anzubieten. Für den Fall, dass es dem Patienten zwischenzeitlich schlechter geht, sollte mit ihm abgesprochen sein, was er machen oder an wen er sich wenden kann. Dazu gehört, dass er z. B weiß, wie sein Psychotherapeut im Notfall zu erreichen ist oder an welches Krankenhaus er sich wenden kann.

Vertraulichkeit der Kommunikation und Datenschutz

Für die psychotherapeutische Behandlung ist es unbedingt erforderlich, insbesondere E-Mail-Kommunikation und Video-Telefonate auf dem technisch höchsten Standard zu verschlüsseln und vor Ausspähen und Abfangen von Daten zu schützen. Ohne eine geschützte Internetverbindung kann ein Psychotherapeut die notwendige Vertraulichkeit nicht gewährleisten. Auch bei Internetprogrammen mit standardisierten Fragen und Antworten ist Datenschutz auf technisch höchstem Niveau notwendig. „Patienten sollten detailliert darüber informiert werden, welche Daten wie und wo erhoben und gespeichert werden, wie sie diese einsehen, weiterverwenden und löschen lassen können“, fordert BPtK-Präsident Munz. „Grundsätzlich ist anzustreben, dass die Patienten selbst die Verfügungshoheit über die von ihnen erhobenen Daten haben und kontrollieren können, wer in Patientendaten Einblick erhält. Jedem Patienten muss klar sein, dass selbst bei hohen Standards der Datensicherheit ein absoluter Schutz der Daten über seine psychische Gesundheit nicht möglich ist.“

Wirksame Internetprogramme gehören in die Regelversorgung

Aktuell nutzen viele Krankenkassen Internetprogramme für psychische Erkrankungen, um sich von ihren Wettbewerbern zu unterscheiden. Das führt dazu, dass viele Internetprogramme nur für die Versicherten der jeweiligen Krankenkasse verfügbar sind. Dies ist mit den Grundsätzen einer gesetzlichen Krankenversicherung nicht vereinbar. Bei Arzneimitteln wäre es undenkbar, dass eine Kasse einen Wirkstoff exklusiv ihren Versicherten zur Verfügung stellen kann. Eine der zentralen sozialpolitischen Errungenschaften der gesetzlichen Krankenversicherung ist der einheitliche Leistungskatalog, auf den jeder Versicherte Anspruch hat und nach dem er alles erhalten soll, was ausreichend, zweckmäßig und notwendig ist. Nachweislich wirksame Internetprogramme müssen allen Versicherten auf Kosten der Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden können.

Zulassung als Medizinprodukt

Die BPtK fordert, Internetprogramme für Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen als Medizinprodukte zu prüfen und zu zertifizieren. Die Zulassung sollte, anders als bisher, nicht über unterschiedliche private Anbieter, sondern durch ein finanziell unabhängiges Institut, wie beispielsweise das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, erfolgen. Das Institut muss für diese Aufgabe der Prüfung von medizinischer Software über ausreichend fachliche und personelle Ressourcen verfügen.

Verordnung von Internetprogrammen

„Wirksame Internetprogramme müssen künftig durch Psychotherapeuten und Fachärzte verordnet werden können“, fordert BPtK-Präsident Munz. Dazu müssen diese Medizinprodukte in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden. In dem Verzeichnis ist eine neue Produktgruppe zu schaffen. Für diese müssen Mindestanforderungen an die Qualität der Produkte festgelegt werden. Wird ein Medizinprodukt verordnet, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für die Nutzung solcher Programme durch ihre Versicherten. Dazu sollten auch die Kosten für gemietete Lesegeräte der elektronischen Gesundheitskarte gehören, die notwendig sind, um einen ausreichenden Datenschutz zu gewährleisten, wenn Internetprogramme genutzt werden.

Datenschutz und Telematikinfrastruktur

Die BPtK fordert, in der Telematikinfrastruktur für das deutsche Gesundheitswesen Anwendungen zu ermöglichen, mit denen Patienten und Psychotherapeuten sicher miteinander kommunizieren können. Mit dem elektronischen Heilberufsausweis und der elektronischen Gesundheitskarte stehen in naher Zukunft Authentifizierungsinstrumente mit sehr hohen Verschlüsselungsstandards zur Verfügung. Alle Internetprogramme, die bei der Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen eingesetzt werden, müssen über mindestens so hohe Standards der Datensicherheit verfügen wie die Telematikinfrastruktur selbst. Diese Standards müssen auch bei der Nutzung von Gesundheits-Apps auf Smartphones und Tablets sichergestellt werden.

BPtK-Checkliste für Patienten

Patienten sollten Internetprogramme für psychische Beschwerden und Erkrankungen kritisch hinterfragen. Häufig fehlen wichtige Informationen, um die Qualität und Datensicherheit der Programme beurteilen zu können. Bei einigen Programmen handelt es sich um Präventionsangebote, z. B. zur Stressreduktion, andere wurden gezielt zur Behandlung psychischer Krankheiten entwickelt. Einige Programme sind ohne Login von jedem zu nutzen, für andere muss der Nutzer ein Versicherter der jeweiligen Krankenkasse sein. Unklar bleibt oft die Qualifikation der Berater oder Behandler, die für die individuelle Unterstützung der Versicherten zuständig sind. Es ist nicht sichergestellt, dass sie Psychotherapeuten oder Ärzte sind. Ebenso wenig ist eine fachgerechte Diagnostik und Indikation gewährleistet. Viele Internetprogramme für psychische Beschwerden und Erkrankungen sind deshalb von Patienten nicht verlässlich einzuschätzen. Deshalb empfiehlt die BPtK Patienten, sich genau zu informieren, welche Programme empfehlenswert sind und welche nicht. Am sichersten können sich Patienten dann sein, wenn diese Programme in einer Behandlung durch einen Psychotherapeuten gezielt eingesetzt werden.

Die BPtK stellt Patienten eine Checkliste zur Verfügung, mit der sie Internetangebote in einem ersten Schritt kritisch prüfen können. Dazu gehören insbesondere Fragen, ob ein Anbieter von Internetprogrammen ausreichend über sein Angebot informiert und den Datenschutz sicherstellt. Fehlen wesentliche Angaben, sollte ein Verbraucher das Programm nicht nutzen.

Überarbeitung der ICD-10

Teilnahme an Feldstudien zur Entwicklung der ICD-11

(BPtK) 2018 wird die Verabschiedung der neuen ICD-11 erwartet. Deshalb wird seit Jahren die aktuelle Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) überarbeitet.

Dabei können sich auch deutsche Experten und klinische Anwender des Diagnosesystems mit ihrer spezifischen Fachkompetenz einbringen. Interessierte Psychotherapeuten können sich an zwei Teilprojekten beteiligen. Das eine Projekt betrifft die Diagnosestellung anhand von Fallbeschreibungen nach ICD-10- oder ICD-11-Kriterien, das andere Projekt die Zuweisung von Diagnose-Codes bei mehreren Fallbeschreibungen nach ICD-10 und ICD-11.

Interessierte sollten sich bis spätestens zum 15. Juli 2017 unter https://gcp.network/en/register (Teilprojekt 1) registrieren und der Projektgruppe ihre Teilnahmebereitschaft per E-Mail an ICD11@LVR.de (Teilprojekt 2) mitteilen. Voraussetzungen hierfür sind neben der Erfahrung im klinisch-diagnostischen Bereich auch gute Englischkenntnisse.

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Bessere Vergütung der Sprechstunde und Akutbehandlung

Sprechstunde als psychotherapeutische Grundversorgung anerkannt

(BPtK) Die neuen psychotherapeutischen Leistungen, Sprechstunde und Akutbehandlung, werden besser vergütet und auf das Niveau der antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen angehoben. Die Sprechstunde wird zugleich als Leistung der psychotherapeutischen Grundversorgung anerkannt und ist zuschlagsfähig. Dies hat der Bewertungsausschuss auf seiner Sitzung am 21. Juni 2017 beschlossen. Diese Regelung gilt rückwirkend zum 1. April 2017.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte nach eingehender Prüfung des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 29. März auf eine solche Korrektur gedrängt. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Landespsychotherapeutenkammern und die psychotherapeutischen Verbände hatten unisono den ursprünglichen Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses als fachliche Fehleinschätzung kritisiert und das BMG um eine Beanstandung gebeten. Außerdem hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Klage gegen den Beschluss eingereicht.

Bei Sprechstunde und Akutbehandlung werden jetzt wie bei anderen psychotherapeutischen Gesprächsleistungen auch grundsätzlich 20 Prozent der Zeit, die mindestens für diese Leistungen vorgesehen sind, zusätzlich zur Vor- und Nachbereitung einkalkuliert und honoriert. Zu den 25 Minuten einer Sprechstunde und Akutbehandlung werden deshalb fünf Minuten zur Vor- und Nachbereitung hinzugerechnet und insgesamt 30 Minuten vergütet. Damit werden die 25 Minuten mit 44,28 Euro honoriert.

Psychotherapeutische Grundversorgung

Auf Drängen des BMG hat der Bewertungsausschuss auch seine Entscheidung korrigiert, die psychotherapeutische Sprechstunde nicht zur psychotherapeutischen Grundversorgung zu zählen. Lediglich bei der Akutbehandlung bleibt es bei der alten Regelung. Somit können Zuschläge zur Förderung der psychotherapeutischen Grundversorgung (GOP 23216 und GOP 23218) auch dann abgerechnet werden, wenn im selben Quartal eine Sprechstunde stattgefunden hat. Die ursprüngliche Regelung hätte für die Psychotherapeuten zu Mindereinnahmen in Höhe von mindestens 18 Millionen Euro geführt.

Keine Anhebung der Vergütung der Probatorik

Für probatorische Sitzungen ist dagegen keine Anpassung der Vergütung beschlossen worden. Für diese Leistungen werden auch weiterhin keine Strukturzuschläge gezahlt. Die BPtK hatte in ihrem Schreiben das BMG auch bei diesen beiden Punkten um Beanstandung gebeten. Beide stehen nicht im Einklang mit der gesetzlichen Vorgabe, wonach die Bewertung der psychotherapeutischen Leistungen eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten hat (§ 87 Absatz 2c Satz 6 SGB V).

Vor jeder genehmigungspflichtigen Behandlung sind nach der neuen Psychotherapie-Richtlinie mindestens zwei probatorische Sitzungen durchzuführen. Die vom Bundessozialgericht (BSG) angenommene Belastungsgrenze von 36 Behandlungsstunden, welche die Grundlage für die Berechnung des Mindesthonorars bildet, muss daher auch die probatorischen Sitzungen einschließen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG sind damit probatorische Sitzungen wie genehmigungspflichtige Leistungen zu vergüten und vollständig in die Zuschlagssystematik einzubeziehen. Das BMG sah jedoch im Rahmen seiner Rechtsaufsicht für sich keinen Spielraum, dem Bewertungsausschuss hierbei Auflagen zu machen.

Eine bessere Vergütung auch der probatorischen Sitzungen wäre durchaus finanzierbar. Die Kosten hierfür betrügen insgesamt circa 50 Millionen Euro. Das ist deutlich weniger, als die Krankenkassen behaupten.

Die künftigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts bleiben abzuwarten. Um den Anspruch auf ein angemessenes Honorar über den Weg einer gerichtlichen Klärung zu wahren, müssen Psychotherapeuten allerdings weiterhin gegen jeden einzelnen Honorarbescheid Widerspruch einlegen.

Neue Befugnisse für Psychotherapeuten

Richtlinien seit Juni in Kraft getreten

(BPtK) Psychotherapeuten können die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen künftig umfassender koordinieren. Sie können seit Juni Krankenfahrten und Krankentransport sowie Soziotherapie und medizinische Rehabilitation verordnen und Patienten wegen ihrer psychischen Erkrankung zur stationären Behandlung ins Krankenhaus einweisen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte die erforderlichen Richtlinienänderungen am 16. März dieses Jahres beschlossen. Nachdem das Bundesgesundheitsministerium diese Änderungen nicht beanstandet hat, sind sie seit Anfang Juni in Kraft.

Für die Verordnung von Soziotherapie und medizinischer Rehabilitation muss allerdings noch der Einheitliche Bewertungsmaßstab angepasst werden. Diese Anpassungen hat der Bewertungsausschuss spätestens bis Dezember 2017 zu beschließen. Dies betrifft bei der Soziotherapie die Abrechnungsbestimmungen der Gebührenordnungspositionen (GOP) 30810 „Erstverordnung Soziotherapie“ und 30811 „Folgeverordnung Soziotherapie“. Bei der Verordnung von medizinischer Rehabilitation ist eine Änderung der Präambel des Kapitels 23 erforderlich, damit Psychotherapeuten die GOP 01611 „Verordnung medizinische Rehabilitation“ zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen können.

Für die Verordnung von medizinischer Rehabilitation ist seit April 2016 keine gesonderte Abrechnungsgenehmigung mehr erforderlich. Dagegen müssen Psychotherapeuten für die Verordnung von Soziotherapie bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung einen „Antrag auf Abrechnungsgenehmigung zur Verordnung von Soziotherapie“ stellen. Dabei müssen sie unter anderem die kooperierenden Einrichtungen (gemeindepsychiatrischer Verbund oder vergleichbare Versorgungsstrukturen) angeben.

Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“

BPtK empfiehlt, Jugendliche mit der Serie nicht allein zu lassen

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) empfiehlt Eltern, ihre jugendlichen Kinder die Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ nicht alleine sehen zu lassen, nach der Serie zu fragen, wenn möglich die Serie gemeinsam anzuschauen und darüber zu sprechen. Die Serie kann bei Jugendlichen dazu führen, dass sie Suizidgedanken entwickeln oder tatsächlich einen Suizid begehen.

Die seit März 2017 ausgestrahlte Serie handelt von einem jungen Mädchen, das sich suizidiert. Es hinterlässt Nachrichten für diejenigen, die sie für ihren Tod mitverantwortlich macht. Die Serie gilt als ausgesprochen populär unter Jugendlichen und ist großes Thema in den sozialen Netzwerken.

Empirische Studien belegen, dass Medienberichte über Suizide dazu führen können, dass die Anzahl von Suiziden steigt. Manche Jugendliche haben während der Pubertät Gedanken, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Besonders für labile Jugendliche kann die Darstellung eines Suizids z. B. in einem Film der Auslöser sein, diese Gedanken weiter zu verfolgen oder gar in die Tat umzusetzen. Suizide sind die zweithäufigste Todesursache in der Altersgruppe von 15 bis 25 Jahre. Auch die ZDF-Serie „Tod eines Schülers“ hatte 1981 nach ihrer Ausstrahlung zu Selbstmorden von Jugendlichen geführt. Die BPtK warnt vor der Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“, weil:

  • der Selbstmord der Hauptperson im Film detailliert dargestellt wird und diese Szenen wie eine Handlungsanleitung wirken können,
  • Hannah Baker, die sich in der Serie selbst tötet, ein hübsches, sensibles und ausgesprochen sympathisches Mädchen ist, mit dem sich Zuschauerinnen leicht identifizieren können. Viele Zuschauerinnen werden die emotionalen Probleme der tragischen Heldin gut nachvollziehen können und deshalb auch ihren Suizid für verständlich halten: „Wenn selbst so jemand Hübsches und Tolles wie Hannah es nicht schafft, mit ihren Problemen fertig zu werden, dann schaffe ich es erst recht nicht“,
  • der Film den Suizid als Hannah Bakers individuelle Lösung darstellt, die eine lange Vorgeschichte hat. Jugendliche Zuschauer können ihren Suizid daher leicht als folgerichtige und damit richtige Lösung missverstehen,
  • für Hannah Baker ihr Suizid außerdem eine erlösende Rache an den Schuldigen ihrer seelischen Qualen ist: „Wenn ich tot bin, werden die anderen endlich begreifen, wie schlecht es mir ging und was sie mir angetan haben.“ Der Film zeigt sogar, wie ihre Rache funktioniert. Einer der beiden Entwicklungsstränge der Geschichte beschreibt, wie sich Eltern und Mitschüler mit den Schuldzuweisungen („13 Gründe für meinen Selbstmord“) auseinandersetzen,
  • die Serie zeigt, dass Eltern, Lehrer und Schulpsychologen nicht in der Lage sind zu erkennen, dass Hannah Baker gefährdet ist. Dies könnte so missverstanden werden, dass Eltern, Lehrer und Schulpsychologen nie eine Hilfe sind. „Erwachsene lassen einen sowieso nur im Stich, niemand kann mir helfen.“

In der Forschung ist der Nachahmeffekt, der durch die Darstellung von Suiziden in Medien ausgelöst werden kann, gut belegt und als „Werther-Effekt“ beschrieben (nach Goethes Buch „Die Leiden des jungen Werther“). Dieser Effekt zeigt sich auch bei Erwachsenen. Berühmte Beispiele für solche Nachahmer-Suizide sind die Tode von Kurt Cobain und Robert Enke. Experten haben deshalb Empfehlungen erarbeitet, wie über Selbstmorde berichtet werden sollte, um solche tragischen Folgeeffekte zu vermeiden. Danach sollen insbesondere Presse, Funk und Fernsehen einen Suizid immer als ein Zeichen für psychische Probleme darstellen und über die Hintergründe von Suizidgefährdung sowie Hilfemöglichkeiten informieren.

Die Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ erzählt durchaus realistisch eine Geschichte, wie im wirklichen Leben alles schiefgeht, was schiefgehen kann. Eine ausdrückliche Darstellung des Suizids sollte aber auch in einem Film nicht erfolgen. Lehrer können die Netflix-Serie allerdings zum Anlass nehmen, über psychische Leiden und wie man damit umgehen kann zu sprechen. Sie sollten betonen, dass es völlig normal ist, wenn Gefühle verrückt spielen, einen völlig in Beschlag nehmen, einen an nichts anderes mehr denken lassen. Die BPtK-Website „GeFühle fetzen“ beschreibt Jugendliche, die sich intensiv mit verschiedenen Emotionen und Konflikten auseinandersetzen. Sie beschreibt auch, was Jugendliche tun können, wenn sie alleine nicht mehr weiterwissen, und wo sie Hilfen finden.

Versorgung von Kindern psychisch kranker Eltern verbessern

Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der LINKEN

(BPtK) Kinder psychisch kranker Eltern haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Erkrankung. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/12247) geht die Bundesregierung davon aus, dass bei ca. 3,8 Millionen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren im Laufe eines Jahres ein Elternteil psychisch krank ist. Darunter sind etwa 500.000 bis 600.000 Kinder unter drei Jahren.

Zur Versorgung gibt es bisher kaum gesicherte Daten. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert deshalb, den Unterstützungs- und Behandlungsbedarf von Kindern psychisch kranker Eltern systematisch abzuklären. Die Betroffenen brauchen einen gesicherten Zugang zu niedrigschwelligen und nachhaltigen, kooperativen und multiprofessionellen Hilfen. Zu zielgruppengerechten Hilfen weist die Bundesregierung auf einzelne Modellprojekte hin und sieht zugleich Bedarf zur Weiterentwicklung. Dazu gehört die bessere Vernetzung der Akteure aus unterschiedlichen Hilfesystemen.

Damit Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern nicht länger an unterschiedlichen Zuständigkeiten und Kostenträgern scheitern, muss der gesetzliche Handlungsbedarf geklärt und umgesetzt werden. Die BPtK ist daher Mitunterzeichnerin eines Antrags des Familien- und Gesundheitsausschusses, eine interdisziplinäre Sachverständigenkommission einzusetzen.

Nach der Bundestagswahl: Reform der Ausbildung und der Bedarfsplanung umsetzen

30. Deutscher Psychotherapeutentag in Hannover

(BPtK) Der 30. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) vom 12. bis 13. Mai in Hannover sprach sich mit überwältigender Mehrheit für eine Reform der Psychotherapeutenausbildung aus. In mehr als zweijähriger Arbeit hatten Experten aus den Reihen der Psychotherapeuten gemeinsam mit dem Vorstand der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) und den Präsidentinnen und Präsidenten der Landespsychotherapeutenkammern ein Konzept erarbeitet, das in großer Detailtiefe die künftigen Inhalte, Strukturen und die Finanzierung der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung beschreibt. Die Reform der Psychotherapeutenausbildung gehört zu den wichtigsten Forderungen der Profession für die nächste Legislaturperiode. Als weitere zentrale Forderung wurde intensiv die notwendige Reform der Bedarfsplanung für den Bereich der Psychotherapie diskutiert.

Behandlung in Privatpraxen weiterhin möglich

BPtK: Psychisch Kranke haben wie bisher Anspruch auf Kostenerstattung

(BPtK) Psychisch kranke Menschen haben weiterhin einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Absatz 3 SGB. Mit dieser Klarstellung reagiert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) auf die erneute Weigerung einiger gesetzlicher Krankenkassen, eine psychotherapeutische Behandlung auch in Privatpraxen zu bezahlen, wenn es keine Behandlungsmöglichkeit bei einem zugelassenen Psychotherapeuten gibt. Die Kassen lehnen diese Anträge ihrer Versicherten auf Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass durch die neue psychotherapeutische Sprechstunde und Akutbehandlung, die am 1. April 2017 eingeführt wurden, jeder psychisch kranke Versicherte kurzfristig behandelt werden könne.

„Sprechstunde und Akutbehandlung sind grundsätzlich andere Leistungen als eine klassische Psychotherapie“, erläutert BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Die Krankenkassen handeln eindeutig rechtswidrig, wenn sie den grundsätzlichen Anspruch des Versicherten auf eine ambulante Psychotherapie einschränken. Auch nach Einführung der Sprechstunde und Akutbehandlung besteht weiterhin ein Anspruch auf eine Richtlinienpsychotherapie. Kann die Kasse eine solche Behandlung durch einen zugelassenen Psychotherapeuten nicht sicherstellen, muss sie die Kosten für die Behandlung in einer Privatpraxis übernehmen.“

Die psychotherapeutische Sprechstunde dient der Diagnose und Beratung des Patienten. In der Sprechstunde erfährt der Patient insbesondere, ob er psychisch krank ist und welche Behandlung er benötigt. Die Sprechstunde ist für Patienten erst ab dem 1. April 2018 verbindlich, sie kann aber jetzt schon genutzt werden, um festzustellen, ob eine psychotherapeutische Behandlung notwendig und unaufschiebbar ist.

Dies kann sowohl eine Akutbehandlung als auch eine klassische Psychotherapie sein. Dabei handelt es sich allerdings um verschiedene Leistungen. Die Akutbehandlung dient der kurzfristigen Stabilisierung des Patienten. Sie wird angewandt, wenn der Patient sich in einer akuten psychischen Krise befindet. Eine Akutbehandlung soll verhindern, dass ein Patient in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss oder arbeitsunfähig wird. Die Akutbehandlung ist aber keine umfassende Behandlung der psychischen Erkrankung. Ist nicht allein eine kurzfristige Stabilisierung erforderlich, ist eine klassische Psychotherapie als Kurz- oder Langzeittherapie die richtige Behandlung.

„Auch eine klassische Psychotherapie kann kurzfristig notwendig sein, weil sich sonst die psychische Erkrankung verschlimmert oder chronifiziert“, erklärt BPtK-Präsident Munz. „Bei notwendigen und unaufschiebbaren Leistungen hat der gesetzlich Versicherte aber nach wie vor den Anspruch, sich in einer Privatpraxis behandeln zu lassen, wenn er keinen zugelassenen Psychotherapeuten findet.“

Reform der Psychotherapeutenausbildung überfällig

BPtK-Forderungen für die nächste Legislaturperiode

(BPtK) Die Psychotherapeutenschaft fordert für die nächste Legislaturperiode insbesondere eine Reform ihrer Ausbildung. „Jedes Jahr Verzögerung bedeutet, dass unser Nachwuchs seinen Beruf weiter unter prekären Bedingungen erlernen muss“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Jedes Jahr Verzögerung verlängert für die Studenten die Unsicherheit, ob sie mit dem gewählten Studium überhaupt eine Psychotherapeutenausbildung beginnen können. Beides ist schon lange nicht mehr tragbar.“

„Wir brauchen eine angemessene Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung“, fordert Dr. Munz. „Für die Behandlung psychisch kranker Menschen sind hoch qualifizierte Psychotherapeuten notwendig und die sind nicht zum Nulltarif zu haben. Insbesondere die gesetzliche Krankenversicherung muss es als ihre Aufgabe begreifen, hier in eine Verbesserung der Versorgung zu investieren.“ Die BPtK fordert ein Studium, das auf Masterniveau qualifiziert und mit einem Staatsexamen abschließt. An das Approbationsstudium soll sich eine Weiterbildung anschließen, in der sich Psychotherapeuten für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen oder Erwachsenen entscheiden und sich gleichzeitig für ein psychotherapeutisches Verfahren qualifizieren.

Weitere Forderungen der Psychotherapeuten für die nächste Legislaturperiode sind insbesondere die Reform der Bedarfsplanung, eine Krankenvollversicherung, die psychisch kranke Menschen weder beim Abschluss einer Versicherung noch bei den notwendigen Leistungen diskriminiert, mehr Prävention und Gesundheitsförderung für psychische Gesundheit sowie eine angemessene Vergütung psychotherapeutischer Leistungen.