Die längsten Fehlzeiten weiterhin durch psychische Erkrankungen

BPtK-Auswertung 2018 „Langfristige Entwicklung Arbeitsunfähigkeit“

(BPtK) Psychisch erkrankte Arbeitnehmer sind mit rund 35 Tagen deutlich länger krankgeschrieben als körperlich erkrankte. Dieser Unterschied hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen: Im Jahr 2000 fielen Arbeitnehmer, die z. B. an einer Depression oder Angststörung litten, bereits mindestens eine Woche länger aus als körperlich Kranke. Bis zum Jahr 2017 hat sich dieser Unterschied fast verdreifacht. Dies geht aus der BPtK-Auswertung 2018 „Langfristige Entwicklung der Arbeitsunfähigkeit“ hervor, in der aktuelle Daten zu den betrieblichen Fehlzeiten der großen gesetzlichen Krankenkassen ausgewertet wurden.

Neben der Dauer der Krankschreibungen hat sich auch die Anzahl der Versicherten, die innerhalb eines Jahres aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig waren, in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast verdoppelt. Im Berichtsjahr 2000 war jeder 30. Versicherte (3,3 %) mindestens einmal wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Im Jahr 2017 war es bereits jeder 18. Versicherte (5,5 %).

„Aufgrund der gestiegenen Häufigkeit und langen Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen geben die Krankenkassen Milliarden für Krankengeld aus“, erläutert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Dieses Geld wäre viel besser investiert, wenn damit die monatelangen Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung abgebaut würden. So könnte verhindert werden, dass sich psychische Erkrankungen verschlimmern oder chronifizieren.“ Außerdem müssen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten eine psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit bescheinigen können. Der Bundesrat hatte deshalb bei der geplanten Reform der Psychotherapeutenausbildung bereits gefordert, dass auch Psychotherapeuten eine solche Befugnis erhalten.

Krankenkassen blockieren sachgerechte Reform der Bedarfsplanung

BPtK: Ländliche Regionen weiterhin massiv benachteiligt

(BPtK) Psychisch kranke Patienten werden in vielen Regionen auch in Zukunft unzumutbar lange auf einen Psychotherapieplatz warten müssen. Die Reform der Bedarfsplanung, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf seiner heutigen Sitzung beschlossen hat, bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. „Die Krankenkassen sperrten sich von Anfang an gegen auch nur einen zusätzlichen Praxissitz“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Mit dieser destruktiven Strategie blockierten sie den G-BA und verhinderten eine sachgerechte Lösung.“

Nach der heutigen G-BA-Entscheidung kommt es zu einer völlig unzureichenden Erhöhung der Anzahl der psychotherapeutischen Praxen um voraussichtlich knapp 800 Sitze. Nach den Empfehlungen des G-BA-Gutachtens zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung wären über 2.400 zusätzliche Sitze notwendig gewesen. Nach dem Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der auch von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, den Patientenvertretern und den Ländervertretern mitgetragen wurde, wären immerhin knapp 2.000 Sitze in den am schlechtesten versorgten Regionen geschaffen worden. „Durch die grundsätzliche Verweigerung einer sachgerechten Bedarfsplanungsreform konnten die Krankenkassen die Zahl psychotherapeutischer Praxen, die zusätzlich geschaffen werden können, mehr als halbieren. Das ist Politik zulasten von Versicherten, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung kaum in der Lage sind, sich zu wehren.“

Epidemiologische Studien zeigen, dass sich der Bedarf an Psychotherapie in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdoppelt hat. Gleichzeitig konnte belegt werden, dass die Menschen auf dem Land in etwa genauso häufig erkranken wie in den Großstädten. Deshalb sind auf dem Land grundsätzlich genauso viele psychotherapeutische Praxen notwendig wie in großstädtischen Zentren. Die BPtK konnte mit ihrer Wartezeiten-Studie 2018 zeigen, dass Menschen außerhalb von Ballungsräumen im Durchschnitt fünf bis sechs Monate auf den Beginn einer Psychotherapie warten. Die Wartezeit in Großstädten liegt bei durchschnittlich vier Monaten. Die besonders langen Wartezeiten auf dem Land sind darauf zurückzuführen, dass dort deutlich weniger Psychotherapeuten vorgesehen sind als in den Großstädten. „Daran ändert die jetzige Bedarfsplanungsreform zu wenig“, stellt BPtK-Präsident Munz fest. Während in Großstädten künftig rund 35 Psychotherapeuten je 100.000 Einwohner zur Verfügung stehen, sind es in ländlichen Regionen zwischen 17 und 21 Psychotherapeuten – also rund die Hälfte. „Damit benachteiligen die Krankenkassen auf lange Zeit psychisch kranke Menschen in ländlichen Regionen.“

Sonderregion Ruhrgebiet: Ein Spezialfall in der Bedarfsplanung ist das Ruhrgebiet. Obwohl die Region zwischen Rhein und Ruhr ein großstädtischer Ballungsraum ist, können sich dort entgegen der allgemeinen Systematik der Bedarfsplanung deutlich weniger Psychotherapeuten niederlassen als in anderen Großstädten. Darum sind zwischen Duisburg und Dortmund die Wartezeiten auf eine ambulante Psychotherapie sogar noch länger als auf dem Land. Sie betragen dort mehr als sieben Monate. „Das Ruhrgebiet wird seit jeher ohne sachlichen Grund aus der allgemeinen Systematik der Bedarfsplanung herausgenommen“, erläutert Munz. „Der G-BA hätte die Versorgung von psychisch kranken Menschen hier dringend verbessern müssen. Unverständlicherweise wird es mit der jetzigen Reform jedoch kaum zusätzliche Sitze geben. So bleibt diese Region auch in Zukunft das Schlusslicht der Republik mit den längsten Wartezeiten.“

Abschiebung psychisch kranker Flüchtlinge soll erleichtert werden

BPtK zum „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“

(BPtK) Flüchtlingen soll es weiter schwerer gemacht werden, selbst bei schweren psychischen Erkrankungen den Schutz vor Abschiebungen zu bekommen, den sie benötigen. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) kritisiert deshalb scharf die weiteren Erleichterungen „zur besseren Durchsetzung der Ausreise“, die die Bundesregierung mit dem sogenannten „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ heute in den Bundestag einbringt.

„Schwer erkrankte Flüchtlinge dürfen nicht abgeschoben werden“, fordert BPtK-Präsident Munz. „Ob eine Depression, Psychose oder posttraumatische Belastungsstörung so schwerwiegend ist, dass ein Flüchtling nicht abgeschoben werden darf, können Psychotherapeuten selbstverständlich beurteilen. Es ist deshalb nicht nachzuvollziehen, warum Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nicht zu den Gutachtern gehören sollen, die überprüfen können, ob ein Flüchtling aus gesundheitlichen Gründen abgeschoben werden kann.“ Die BPtK fordert daher, Psychotherapeuten ausdrücklich zu Gutachten in aufenthaltsrechtlichen Verfahren zuzulassen.

Asylsuchende dürfen nicht abgeschoben werden, wenn eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung besteht, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Eine solche Gefahr für Leib und Leben können schwere psychische Erkrankungen sein, insbesondere Depressionen, Psychosen und posttraumatische Belastungsstörungen. Bei diesen Erkrankungen können Patienten in erheblichem Maße suizidgefährdet sein und benötigen dann eine unmittelbare Behandlung. Die „Stellungnahmen zur Feststellung psychischer Erkrankungen“, bei denen eine Abschiebung nicht möglich ist, werden bisher in der Regel von approbierten Psychotherapeuten verfasst. In Zukunft sollen nur noch Ärzte Stellungnahmen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren abgeben dürfen. Dafür müssen sie keine Fachärzte für psychische Erkrankungen wie Psychiater oder Psychosomatiker, sondern können beispielsweise auch Orthopäden sein.

Bereits jetzt ist es für viele Flüchtlinge kaum möglich, die massiven gesundheitlichen Auswirkungen von Krieg, Folter und anderen Formen schwerer Gewalt im Asylverfahren geltend zu machen. „Statt psychisch kranke Flüchtlinge zu schützen und zu behandeln, werden ihnen mit dem Gesetz noch mehr Hürden in den Weg gelegt“, sagt Dr. Dietrich Munz, Präsident der BPtK. „Approbierte Psychotherapeuten von der Begutachtung psychischer Erkrankungen auszuschließen, kann nur einem Ziel dienen, nämlich psychisch kranken Flüchtlingen zu schaden.“

Gemeinsam mit der Bundespsychotherapeutenkammer hat die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) eine umfassende Stellungnahme zu den geplanten Änderungen verfasst.

Wissenschaftlich und praktisch hervorragend qualifiziert

BPtK zur Anhörung der Reform der Psychotherapeutenausbildung

(BPtK) Psychotherapeuten erwerben künftig in ihrem Studium sowohl umfassende wissenschaftliche als auch praktische Kompetenzen. Neben einer umfassenden wissenschaftlichen Ausbildung in Psychotherapie und deren Grundlagen gehören dazu auch praktische Erfahrungen in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken. Allein im Masterstudium sind künftig 26 Wochen Berufspraxis vorgesehen. Hinzu kommen Praktika im Bachelorstudium. „Das ist mit Blick auf die Versorgung psychisch kranker Menschen viel mehr, als von Ärztinnen und Ärzten für die Erteilung der Approbation verlangt wird“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), anlässlich der Anhörung zur Reform der Psychotherapeutenausbildung im Deutschen Bundestag klar. „Ärztinnen und Ärzte können ihre Facharztweiterbildung in Psychiatrie und Psychotherapie auch ohne praktische Erfahrungen in psychiatrischen oder psychosomatischen Krankenhäusern beginnen. Das ist bei Psychotherapeuten in Weiterbildung ausgeschlossen.“ Im Medizinstudium sind bis zu 16 Wochen des Praktischen Jahres in einer psychiatrischen oder psychosomatischen Klinik möglich. Das ist aber nicht verpflichtend.

Das geplante Bachelor- und Masterstudium bietet einen Rahmen, in dem eine ausreichende wissenschaftliche und praktische Qualifizierung für die Approbation und die anschließende Weiterbildung möglich ist. Mit dem Referentenentwurf legte das Bundesministerium im Januar einen Vorschlag zu Studieninhalten des künftigen Approbationsstudiums vor. „Dieser Vorschlag stellt sicher, dass angehende Psychotherapeuten umfassende wissenschaftliche und praktische Kompetenzen erwerben. Sie sammeln damit auch genügend Erfahrungen, um die Möglichkeiten und Grenzen ihrer heilkundlichen Kompetenzen unter den realen Bedingungen der Patientenversorgung einschätzen zu können“, erklärt BPtK-Präsident Munz. „Damit haben wir eine Vorlage für eine künftige Approbationsordnung.“

Prävention und Frühintervention bei Alkoholerkrankungen

Symposium der BPtK am 10. April 2019

(BPtK) Der Pro-Kopf-Konsum von Reinalkohol liegt mit 13 Litern in Deutschland deutlich höher als im übrigen Europa und sinkt langsamer als in vielen Nachbarländern. Mehr als 3 Millionen Menschen in Deutschland sind abhängig von Alkohol oder trinken Alkohol in schädlichen Mengen. Etwa die Hälfte dieser alkoholkranken Menschen wird durch unser Gesundheitssystem nicht erkannt und nur 10 Prozent der alkoholabhängigen Menschen erhalten eine suchtspezifische Behandlung. Alkoholstörungen verursachen nicht nur erhebliche Kosten im Gesundheitswesen, sondern auch volkswirtschaftliche Kosten durch lange Krankschreibungen und Frühverrentungen. Wirksame Präventionsmaßnahmen, wie eine höhere Besteuerung von Alkohol oder ein Werbeverbot für alkoholische Getränke werden in Deutschland trotzdem nur unzureichend umgesetzt.

„Umso wichtiger ist es, dass problematischer Alkoholkonsum frühzeitig erkannt wird“, stellte Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), in seiner Begrüßung fest, und zwar „auch in der psychotherapeutischen Versorgung“. Das Symposium der BPtK widmete sich deshalb der Frage, was Gesundheitspolitik und Gesundheitssystem in Deutschland gemeinsam für eine bessere Prävention von Alkoholstörungen tun könnten. Dr. Munz appellierte an die eigene Profession, den Alkoholkonsum auch in der psychotherapeutischen Versorgung systematisch abzufragen. Als Unterstützung für die Praxis hat die BPtK eine Leitlinien-Info „Alkoholstörungen“ herausgegeben, die auch auf der Homepage der BPtK heruntergeladen werden kann.

Videobehandlung in der psychotherapeutischen Versorgung geregelt

Änderung der Psychotherapie-Vereinbarung unzureichend

(BPtK) In Zukunft sollen psychotherapeutische Behandlungen auch per Videotelefonat erbracht werden können. Mit einer entsprechenden Anpassung der Psychotherapie-Vereinbarung sind GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung dem Auftrag aus dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz nachgekommen. Nach einer psychotherapeutischen Sprechstunde und probatorischen Sitzungen im unmittelbaren Kontakt können Psychotherapeuten zukünftig ihren Patienten eine Kurz- oder Langzeitbehandlung sowie Rezidivprophylaxen per Video anbieten. Das bietet Chancen für eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung, beispielsweise für Menschen, die aufgrund einer chronischen körperlichen Erkrankung nicht regelmäßig eine psychotherapeutische Praxis aufsuchen können.

Von der Videobehandlung ausgeschlossen sind jedoch Akutbehandlungen. „Damit bleiben die Chancen der Digitalisierung ausgerechnet für die Patienten ungenutzt, die besonders dringend auf psychotherapeutische Hilfe angewiesen sind“, kritisiert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. Der Deutsche Psychotherapeutentag im März forderte in einer Resolution zur Videobehandlung, dass über den Einsatz, die Anzahl und Frequenz von Videobehandlungen in der Psychotherapie ausschließlich Psychotherapeut und Patient entscheiden.

Unklar ist aktuell, wie die Leistungen per Video vergütet werden. Eine entsprechende Entscheidung des Bewertungsausschusses steht noch aus.

Psychotherapeutische Videobehandlung

Änderungen in der Psychotherapie-Vereinbarung

(BPtK) Psychotherapeuten werden in Zukunft Behandlungen per Videotelefonat erbringen können. Dazu haben der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Voraussetzungen in der Psychotherapie-Vereinbarung geschaffen. Die Anpassung war notwendig, damit der Bewertungsausschuss seinen Auftrag aus dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz erfüllen kann. Der Bewertungsausschuss soll den Einheitlichen Bewertungsmaßstab so anpassen, dass Videobehandlungen auch in der psychotherapeutischen Versorgung möglich werden. Er muss insbesondere klären, wie solche Behandlungen vergütet werden.

Die Reglungen in der Psychotherapie-Vereinbarung stellen klar, dass die Durchführung einer Videobehandlung nicht den Regelfall darstellt. Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung erfordern den unmittelbaren persönlichen Kontakt zwischen Psychotherapeut und Patient. Dies sieht auch die Musterberufsordnung der Psychotherapeuten so vor. Videobehandlung kann nur dann eingesetzt werden, wenn in einer Kurzzeit-, Langzeitpsychotherapie oder Rezidivprophylaxe kein unmittelbarer persönlicher Kontakt notwendig ist. Ausgeschlossen bleiben psychotherapeutische Sprechstunden, probatorische Sitzungen, Akutbehandlungen, Gruppenpsychotherapien und Hypnose. Diese müssen in jedem Fall im unmittelbaren Kontakt durchgeführt werden.

Aktuell ist die Vergütung einer Videobehandlung noch auf die sogenannte Videosprechstunde und die zugehörige Technikpauschale von Psychotherapeuten beschränkt. Dies kann nur abgerechnet werden, wenn im selben Quartal bei diesen Patienten keine andere Leistung erbracht wurde.

Die Anpassung der Psychotherapie-Vereinbarung trat am 15. April 2019 in Kraft. Weitere Änderungen in der Psychotherapie-Vereinbarung umfassen die Regelungen zu Zweitgutachten, erweiterte Kontingente für Menschen mit geistiger Behinderung sowie die Konkretisierungen der Bedingungen, unter denen die Akutbehandlung nicht oder nur in Ausnahmefällen erbracht werden kann.

Ein modernes Berufsgesetz für einen akademischen Heilberuf

BPtK begrüßt Approbationsstudium für Psychotherapeuten

(BPtK) „Das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung schafft eine moderne Ausbildung zu einem akademischen Heilberuf“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), angesichts der ersten Beratung des Gesetzes im Deutschen Bundestag fest. Mit der Reform werden die notwendigen bundeseinheitlichen Qualifikationsstandards auf Masterniveau sichergestellt. Gleichzeitig bleibt die Möglichkeit erhalten, über unterschiedliche Studiengänge eine Psychotherapeutenausbildung zu absolvieren. Außerdem wird nach dem Studium der psychotherapeutische Nachwuchs künftig nicht länger in prekären Praktikumsverhältnissen ausgebildet, sondern als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut mit angemessenem Gehalt für die eigenverantwortliche Tätigkeit in der ambulanten und stationären Versorgung weitergebildet. Der Gesetzentwurf beendet den Sonderweg der bisherigen Psychotherapeutenausbildung und schafft eine, wie bei den anderen akademischen Heilberufen, bewährte Struktur eines Approbationsstudiums mit anschließender Weiterbildung.

Die Reform stellt außerdem sicher, dass Patientinnen und Patienten, die einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfen, eine qualifizierte, patientenorientierte Versorgung auf dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse erhalten. „Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten werden noch besser für die gesamte Breite ihrer Aufgaben und der psychischen Erkrankungen qualifiziert. Dabei bilden die Weiterbildungsambulanzen mit ihrer konzeptionellen Einheit von Behandlung unter Supervision, Selbsterfahrung und Theorievermittlung die notwendige Grundlage“, erläutert BPtK-Präsident Munz. Die Kosten für diese spezifischen psychotherapeutischen Inhalte der Weiterbildung sind bisher finanziell nicht ausreichend gedeckt. „Ohne zusätzliche finanzielle Förderung der ambulanten Weiterbildung bleibt die Reform allerdings halbherzig,“, kritisiert Munz. Der Deutsche Psychotherapeutentag forderte im März, dass die Finanzierungslücke in der Weiterbildung durch gesetzlich geregelte Zuschüsse aufgefangen wird, um zu vermeiden, dass die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Weiterbildung die Kosten hierfür zu tragen haben.

Koordinierte Behandlung bei chronischen Rückenschmerzen

G-BA beschließt DMP Chronischer Rückenschmerz

(BPtK) Um die Versorgung von Menschen mit chronischen Rückenschmerzen zu verbessern, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in seiner Sitzung im April die inhaltlichen Anforderungen an ein strukturiertes Behandlungsprogramm (Disease-Management-Programm, DMP) beschlossen.

Zentrale Bausteine einer solchen Behandlung sind körperliche Aktivierung und Lebensstiländerungen. Bei jedem Patienten soll zudem geprüft werden, ob er hierbei von einer multimodalen Schulung, die mindestens aus einem somatisch und einem psychisch orientierten Modul bestehen soll, profitieren kann. Damit erhalten Patienten eine Behandlung, wie sie auch von der Nationalen Versorgungsleitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz als wesentliche und wirksamste Behandlung bei chronischen Rückenschmerzen empfohlen wird.

Multimodale Behandlungsprogramme stehen bisher meistens nur als hochintensives Angebot in der teilstationären und stationären Krankenhausbehandlung oder medizinischen Rehabilitation zur Verfügung. Mit dem DMP Chronischer Rückenschmerz können diese Behandlungen auch in der ambulanten Versorgung gefördert werden. Abzuwarten bleibt jedoch, wie viele DMP-Verträge von den Krankenkassen abgeschlossen werden und wie vielen Patienten eine solche evidenzbasierte Versorgung angeboten wird.

Grundsätzlich könnten sich Patientinnen und Patienten mit chronischen – das heißt länger als zwölf Wochen andauernden – Schmerzen im Kreuzbereich des Rückens, deutlichen Aktivitätseinschränkungen und einem fortbestehenden Therapiebedarf in das DMP einschreiben. Liegen spezifische Ursachen für den Kreuzschmerz vor, beispielsweise Wirbelkörperfrakturen, rheumatische Erkrankungen oder ein Tumor im Bereich der Wirbelsäule, ist ein Einschreiben in das DMP nicht möglich, da hier die Behandlung der ursächlichen Erkrankung im Vordergrund steht.

Psychotherapeutische Gutachten bei Asylsuchenden ausgeschlossen

Kabinett beschließt neue Härten für Geflüchtete

(BPtK) Die Bundesregierung plant mit dem Gesetzentwurf zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, Psychotherapeuten von Gutachten zur Feststellung psychischer Erkrankungen bei Asylsuchenden auszuschließen. Obwohl Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bestens für die Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen qualifiziert sind, sollen in Zukunft nur noch Ärzte – unabhängig von ihrer Fachrichtung – Stellungnahmen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren abgeben dürfen. Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus die Kürzung von existenzsichernden Leistungen sowie die Ausweitung von Inhaftierungen vor. Gerade bei bereits psychisch belasteten Personen können Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben und Isolierung zu einer erheblichen Verschlechterung der psychischen Gesundheit führen.

„Der Verzicht auf psychotherapeutische Gutachten ist fachlich nicht zu begründen“, stellt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), fest. „Die geplanten Änderungen scheinen auf die Abschreckung von Geflüchteten ausgerichtet zu sein. Die Bundesregierung darf dafür aber die Gesundheit der Geflüchteten nicht aufs Spiel setzen.“

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung birgt die Gefahr, dass schwer traumatisierte und psychisch erkrankte Personen nicht die psychotherapeutische Versorgung erhalten, die sie brauchen, oder in ein Land ohne angemessene Gesundheitsversorgung abgeschoben werden. Asylsuchende dürfen nicht abgeschoben werden, wenn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche Gefahr für Leib und Leben können schwere psychische Erkrankungen sein, insbesondere Depressionen, Psychosen und Posttraumatische Belastungsstörungen. Bei diesen Erkrankungen können Patienten in erheblichem Maße suizidgefährdet sein und benötigen dann eine unmittelbare Behandlung.

Die Feststellung und Behandlung von psychischen Erkrankungen bei Asylsuchenden muss verbessert und nicht durch zusätzliche Hürden erschwert werden. Die BPtK fordert daher, Psychotherapeuten ausdrücklich zu Gutachten in aufenthaltsrechtlichen Verfahren zuzulassen, die Gesundheitsversorgung von Geflüchteten zu verbessern und ihre Möglichkeiten zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu stärken.