Vergütung für neue Gruppenangebote geregelt

Ambulante Kurzgruppe sowie Probatorik in der Gruppe

(BPtK) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband haben im Bewertungsausschuss die Vergütung für neue Gruppenangebote in der ambulanten Psychotherapie festgelegt. Diese können damit ab dem 1. Oktober (4. Quartal) abgerechnet werden.

Psychotherapeutische Kurzgruppe

Neu ist eine psychotherapeutische Kurzgruppe („gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung“). Sie kann mit drei bis neun Teilnehmer*innen durchgeführt werden und zur Vorbereitung auf eine Gruppen-Psychotherapie, aber auch zur Beratung und ersten Behandlung der Erkrankung angeboten werden. Sie umfasst vier Sitzungen à 100 Minuten oder acht Sitzungen à 50 Minuten. Bei Kindern und Jugendlichen und Menschen mit geistiger Behinderung können zusätzlich weitere 100 Minuten durchgeführt werden, wenn Bezugspersonen einbezogen werden. Die Sitzungen werden nicht auf das Behandlungskontingent einer sich anschließenden Richtlinien-Psychotherapie angerechnet. Psychotherapeut*innen erhalten dafür abhängig von der Gruppengröße zwischen 101,90 Euro und 59,18 Euro je Teilnehmer*in und Therapiestunde. Dies entspricht der Vergütung für die Richtlinien-Gruppenpsychotherapie. Um die psychotherapeutische Kurzgruppe anbieten zu können, ist die Abrechnungsgenehmigung für die Durchführung von Gruppen-Psychotherapie erforderlich.

Probatorik in der Gruppe

Außerdem können ab Oktober auch probatorische Sitzungen im Gruppensetting durchgeführt werden. Mindestens eine probatorische Sitzung muss jedoch weiterhin im Einzelsetting durchgeführt werden. Falls die Gruppen-Psychotherapeut*in bei der Patient*in keine Sprechstunde durchgeführt hat, sind sogar zwei probatorische Sitzungen im Einzelsetting vorgeschrieben. Die Vergütung variiert nach der Gruppengröße zwischen 78,32 Euro pro Patient*in bei drei und 45,50 Euro bei neun Teilnehmer*innen. Sie liegt damit rund ein Viertel niedriger als die Vergütung der Richtlinien-Gruppenpsychotherapie.

Gruppen-Psychotherapie mit zwei Psychotherapeut*innen

Als weitere Neuerung kann Gruppen-Psychotherapie künftig auch von zwei Psychotherapeut*innen gemeinsam durchgeführt werden. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) wurde hierfür entsprechend angepasst. In dem Fall kann die Gruppengröße auf bis zu 14 Teilnehmer*innen erweitert werden. Dabei erfolgt eine feste Zuordnung von Patient*innen zu der jeweils hauptverantwortlichen Psychotherapeut*in, die u. a. für die Behandlungsdokumentation und Antragsstellung zuständig ist.

Analytische Gruppenpsychotherapie

Schließlich wurde der EBM dahingehend angepasst, dass die analytische Gruppen-Psychotherapie zukünftig, wie bei den anderen Verfahren, auch in 50-Minuten-Einheiten angeboten werden kann.

Neue Praxis-Info „E-Patientenakte“

BPtK empfiehlt eingeschränkte Nutzung nur für aktuelle Behandlungen

(BPtK) Seit dem 1. Januar können sich Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung kostenfrei eine elektronische Patientenakte anlegen. Sie ist für Patient*innen ein zentrales Archiv ihrer medizinischen Unterlagen. Für Psychotherapeut*innen ist und bleibt ihre Dokumentation die maßgebliche Grundlage all ihrer Entscheidungen. Die E-Patientenakte ist eine zusätzliche Sammlung von Dokumenten und Befunden, in der sie zum Beispiel medizinische Daten der Patient*in finden können, die von anderen erhoben wurden. Viele Patient*innen werden ihre Psychotherapeut*in fragen, ob sie zum Beispiel ihre psychotherapeutische Behandlung in der E-Patientenakte speichern sollen.

Die BPtK hat dazu eine neue Praxis-Info „E-Patientenakte“ veröffentlicht. Darin wird nicht nur deren Einsatz in der psychotherapeutischen Praxis erläutert, sondern es werden auch Empfehlungen für die Patienteninformation gegeben. Die Patient*innen sollten darüber aufgeklärt werden, dass sie nicht alle ihre Befunde speichern müssen, sondern auch nur die Daten ihrer aktuellen Behandlung hinterlegen können. Sie müssen ferner nicht für alle Behandler*innen ihre Unterlagen lesbar machen, sondern können die Einsicht in die E-Akte auch nur befristet erteilen. Sie sollten schließlich darauf hingewiesen werden, dass sie diese Daten nach einer abgeschlossenen Behandlung wieder löschen können. Insbesondere die Nutzung der E-Akte per Smartphone und Tablet birgt nach Ansicht der BPtK noch zu große Risiken des Datenschutzes und der Datensicherheit.

BPtK-Patienteninformation „Wege zur Psychotherapie“

Überarbeitete Neuauflage mit neuesten gesetzlichen Änderungen

(BPtK) Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat ihre Patienteninformation „Wege zur Psychotherapie“ überarbeitet. Sie wurde insbesondere um wichtige gesetzliche Neuerungen wie „Gruppenpsychotherapie“, „Psychotherapie per Video“ oder „Gesundheits-Apps in der Psychotherapie“ ergänzt. Patient*innen erhalten darüber hinaus weiterhin grundlegende Informationen zu professionellen Hilfen bei psychischen Erkrankungen. Die Broschüre liefert Antworten auf Fragen wie:

  •     Bin ich psychisch krank? – Die psychotherapeutische Sprechstunde,
  •     Ganz dringend – Die Akutbehandlung,
  •     Das Gespräch im Mittelpunkt – Die Behandlung in der Praxis,
  •     Besonders schwer krank – Die Behandlung im Krankenhaus,
  •     Chronisch krank – Die medizinische Rehabilitation,
  •     Wer zahlt? – Anträge und Kosten.

Die Broschüre kann unter www.wege-zur-psychotherapie.org heruntergeladen und als Druck-Exemplar unter bestellungen@bptk.de angefordert werden.

Im Spannungsfeld von Selbstbestimmung und Schutz

BPtK-Round-Table zur Suizidassistenz

(BPtK) Das Bundesverfassungsgericht hat am 26. Februar 2020 geurteilt, dass es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben mit der Unterstützung durch Dritte gibt. Dieses Urteil zur Suizidassistenz hat die gesellschaftliche und politische Debatte zum selbstbestimmten Sterben erneut entfacht. Damit steht auch das Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe zum Suizid aus dem Jahr 2015 zur Diskussion. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) hat am 29. Juni 2021 das Thema auf einem Round Table innerhalb der Profession erörtert.

Zentrale Frage bei der Suizidassistenz sei immer die Abwägung zwischen Autonomie und Schutz der Sterbewilligen, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. Dabei sei eine gängige Auffassung, dass Voraussetzung für eine freie, verantwortliche Entscheidung zum Suizid die psychische Gesundheit der Sterbewilligen* sei. Aus seiner Sicht könne jedoch auch psychisch kranken Menschen eine Suizidassistenz nicht verwehrt werden, da auch sie einen freien und autonom gebildeten Sterbewillen unabhängig von ihrer Symptomatik fassen können. Er sehe die Profession in der Verantwortung, sich über die Beratung und Begutachtung von Sterbewilligen, inklusive der berufsethischen Dimensionen, eine Meinung zu bilden. Letztlich müsse dann darauf aufbauend jede Psychotherapeut*in für sich entscheiden, welche Haltung sie zur Suizidassistenz einnehme.

Ein wegweisendes Urteil für die Suizidassistenz?

Prof. Dr. Steffen Augsberg, Professor für öffentliches Recht an der Universität Gießen, ordnete das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Folgen für die Gesetzgebung ein. Die Suizidassistenz stehe immer im Spannungsfeld zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmung. Dieses Spannungsfeld sei gesetzgeberisch kaum aufzulösen. Schutzkonzepte erforderten Regulierung. Sollten aber Freiräume trotzdem offenbleiben, dürfe man wiederum nicht zu effektiv regulieren. Je stärker reguliert werde, desto mehr werde der Staat in Verantwortung genommen. „Regulierung heißt auch legitimieren“, erläuterte Augsberg. Dabei sei das Recht auf Selbsttötung unter Rechtswissenschaftler*innen Konsens. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei zu diesem Punkt keine wegweisende Entscheidung gewesen. Für ihn führe das Urteil zu einer Überbetonung der Autonomie, die sich fast als Heroisierung oder Fetischisierung des Suizids lese. Grundsätzlich ergebe sich für den Gesetzgeber nicht zwingend ein Regelungsbedarf aus dem Urteil. Sollte der Gesetzgeber tätig werden, müsse er klare Verfahrensregeln schaffen, die aber nicht nur auf Ausnahmesituationen, wie einer bestehenden Krankheit, fußen dürfen. Es bestehe das Recht, sich aus freiem Willen zum Suizid zu entscheiden und dabei auf Assistenz zurückzugreifen.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass die informierte Entscheidung oft eine Illusion sei, da sie von verschiedenen Faktoren abhängig sei, unter anderem von der Fähigkeit zu verstehen, von der Vulnerabilität der Person, ihrer Behandlungsbedürftigkeit, aber auch ihrem Vertrauen in die Behandelnde*. Daher gebe es eine von vornherein fragile Grundvorstellung von Autonomie. Die Beantwortung der Frage, ob ein Mensch nicht mehr oder nicht so leben wolle, sei kontextabhängig. Dies könne nur darüber gelöst werden, dass man mit den Sterbewilligen über Alternativen spreche, das heißt, Beratung anbiete, begutachte, ob eine psychische Erkrankung das Potenzial hat, die Selbstbestimmung zu gefährden, und eine Wartezeit bis zur Umsetzung des Suizids vorgesehen werde. Es gehe um die verfahrensrechtliche Absicherung der autonomen Entscheidung. Augsberg machte deutlich, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht vom Zugang zur Suizidassistenz ausgeschlossen werden können, da auch sie freiverantwortliche Entscheidungen fassen können. Es dürfe nicht zu einer Überpathologisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen kommen, gerade deshalb sei die Begutachtung wesentlich. Kontrovers sei die Frage, ob Minderjährige von der Suizidassistenz ausgeschlossen werden können, da ihnen in einigen Fällen die Einwilligungsfähigkeit zugesprochen, in anderen aber abgesprochen werde. Da der Suizid nicht revidierbar sei, stelle sich die Frage, ob Minderjährige diese Entscheidung tatsächlich treffen dürfen sollten.

Kein Druck auf vulnerable Menschen

Konterkariert die Suizidassistenz die Suizidprävention? Nach Ansicht von Prof. Dr. Dr. Sigrid Graumann, Professorin für Ethik an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, ist dies ein Konflikt, der nur in der Praxis aufgelöst werden kann. Es sei wichtig davon auszugehen, dass der abgewogene, selbstbestimmte und dauerhafte Wunsch zu sterben (Bilanzsuizid) nicht der Normalfall sei. Für die meisten Menschen sei der Wunsch zu sterben das Ergebnis langwieriger, einengender und belastender Prozesse, die dazu führen, dass ein Mensch „das Leben nicht mehr ertragen“ wolle. Die Vulnerabilität von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder mit Behinderungen müsse berücksichtigt werden. Insbesondere die strukturelle Unterfinanzierung der sozialpsychiatrischen Versorgung müsse dringend behoben werden, um möglichen negativen Effekten einer Suizidassistenz entgegenzuwirken. Daher müsse die Suizidprävention Vorrang haben und dürfe nicht mit der Beratung zur Suizidassistenz vermischt werden.

Es gehe darum, Alternativen aufzuzeigen und Perspektiven zu schaffen. Der gesellschaftliche Druck auf vulnerable Gruppen dürfe unter keinen Umständen noch mehr erhöht werden. Unterstützung sei für vulnerable Menschen zentral für ihre Lebensqualität. Bei psychisch kranken Menschen könne die Freiverantwortlichkeit eingeschränkt sein oder Suizidalität periodisch auftreten, sodass eine Abgrenzung bei der Begutachtung herausfordernd sein könne. Wenn der Suizid Ausdruck des selbstbestimmten Lebens sei, stelle sich zudem die Frage, ob Suizidprävention überhaupt legitim ist? Nach Ansicht von Graumann setze Suizidprävention voraus, dass man die Vermeidung des assistierten Suizids als Ziel annehme und ein Verständnis von relationaler Autonomie habe. Suizidprävention müsse daher auf institutioneller und gesellschaftlicher Ebene stattfinden. Die Versorgungsangebote müssten gestärkt, Unter- und Überversorgung abgebaut sowie Teilhabe und Selbstbestimmung in Behinderten- und Pflegeeinrichtungen gestärkt werden. Gesellschaftlich müsse die Lebensleistung mehr anerkannt und ein Leben mit Beeinträchtigungen wertgeschätzt werden.

Freiverantwortlichkeit bei Menschen mit psychischen Erkrankungen voraussetzen

PD Dr. med. Dr. phil. Manuel Trachsel, Abteilungsleiter Klinische Ethik am Universitätsspital Basel, stellte heraus, dass die Suizidassistenz im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Fürsorgepflicht stehe. Dabei sei zu bedenken, dass insbesondere bei der Begutachtung von psychisch kranken Menschen voreilig angenommen werden könne, dass die Freiverantwortlichkeit nicht gegeben sei. Die eigene Grundeinstellung zu reflektieren sei daher zentral. Eine Umfrage unter Schweizer Psychiater*innen habe gezeigt, dass die Einstellung zur Suizidassistenz für Menschen mit psychischen Erkrankungen breit gefächert sei und sich keine mehrheitliche Befürwortung oder Ablehnung ablesen lasse. Rechtlich stehe aber fest, dass sie auch bei psychischen Erkrankungen nicht verweigert werden dürfe. Grundsätzlich müsse berücksichtigt werden, dass Leid subjektiv, nicht objektivierbar und höchstens nachvollziehbar sein könne. Die Ursache für das individuelle Leid sei nicht relevant und lasse daher auch ethisch keine Diskriminierung von psychisch kranken Menschen zu.

In der Schweiz diskutiere man als Voraussetzung für den assistierten Suizid drei Aspekte: Unerträgliches Leid, Behandlungsresistenz und Freiverantwortlichkeit. Für psychisch kranke Menschen sei festzuhalten, dass unerträgliches Leid selbstverständlich körperlicher oder psychischer Natur sein könne. Kritisch zu hinterfragen sei das Kriterium der Behandlungsresistenz: In der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung gebe es anders als in der Somatik keine Definition, wann eine Therapieresistenz bestehe oder dass es absehbar keine positive Langzeitprognose geben könne. Bei psychischen Erkrankungen gebe es kein Modell der „letzten Krankheitsstufe“. Von Freiverantwortlichkeit könne gesprochen werden, wenn Einsichtsfähigkeit und Urteilsfähigkeit oder Steuerungsfähigkeit bestehen. Informationen müssten verstanden werden, ihre Bedeutung erfasst und in Handeln umsetzbar sein. In einer Abwägung möglicher Alternativen werde eine rationale Gewichtung vorgenommen, die in einer Entscheidungsfindung münde. Grundsätzlich müsse auch bei Menschen mit psychischen Erkrankungen davon ausgegangen werden, dass sie einsichts- und urteilsfähig sind. Die Diagnose könne nur als Anhaltspunkt für einen Zweifel gesehen werden. Der Wechsel von Symptomen bei psychischen Erkrankungen könne die Freiverantwortlichkeit beeinflussen, weshalb eine Bewertung zu verschiedenen Zeitpunkten notwendig sei, auch um die Dauerhaftigkeit des Sterbewillens zu prüfen. Anerkannt werden müsse auch, dass es das Recht gebe, unvernünftige Entscheidungen oder Gründe anzuführen. Dies könne zwar Anlass für einen Zweifel an der Freiverantwortlichkeit, nicht jedoch Grund für eine Beschränkung des Zugangs zur Suizidassistenz sein. Die Begutachtung dürfe daher nicht von den persönlichen Auffassungen der Begutachtenden abhängig sein. Wer sich stark für oder gegen die Suizidassistenz positioniert, sollte daher von einer Begutachtung Abstand nehmen.

Psychotherapeut*innen begrüßen breite Diskussion zur Suizidassistenz

Dr. Nikolaus Melcop, Vizepräsident der BPtK, lud zur Diskussion der Suizidassistenz aus psychotherapeutischer Sicht ein. Wie lassen sich das professionelle Anliegen der Suizidprävention einerseits und der Zugang zu einem assistierten Suizid andererseits in psychotherapeutisches Handeln integrieren? Wie lassen sich die Rahmenbedingungen für Suizidprävention verbessern und so gestalten, dass sie die Möglichkeiten für Suizidassistenz sinnvoll ergänzen? Wo sollten Psychotherapeut*innen in die Beratung und Begutachtung von Sterbewilligen eingebunden werden? Welche Herausforderungen bestehen in der Begutachtung und benötigt es hierfür zusätzliche Qualifikationen?

Viele Diskussionseilnehmer*innen plädierten dafür, dass Psychotherapeut*innen sich als Expert*innen für psychische Erkrankungen in die Beratung und Begutachtung von Sterbewilligen einbringen. Psychotherapeut*innen seien bestens für das Erkennen und Diagnostizieren von psychischen Erkrankungen ausgebildet und könnten ebenso bewerten, ob es Einschränkungen der Freiverantwortlichkeit gebe. Betont wurde, dass Psychotherapie stark am Autonomiegedanken ansetze, deshalb dürfe sich die Profession nicht der Auseinandersetzung mit ihrer Rolle in der Suizidassistenz entziehen. Existenzielle Fragen stellten sich häufig im psychotherapeutischen Setting und Psychotherapeut*innen beraten in diesen Situationen, um Einengungen aufzulösen und Perspektiven zu schaffen. Dazu gehöre aber auch die Auseinandersetzung mit dem Tod sowie die Motivation von Sterbewilligen zu verstehen, auch wenn diese bisher, auch aufgrund haftungsrechtlicher Aspekte, primär suizidpräventiv beantwortet werde. Komplex sei auch die Frage, ob Minderjährigen der Zugang zu Suizidassistenz verwehrt bleiben dürfe. Gefordert wurde zu klären, in welchen Strukturen die Beratung Sterbewilliger am besten ausgestaltet werden könne und auch, wie eine unabhängige und qualitätsgesicherte Begutachtung sichergestellt werden kann. Hierfür seien Fortbildungsangebote zentral. In der Debatte zur Suizidassistenz müssten Psychotherapeut*innen sich jedoch gleichermaßen für eine starke Suizidprävention einsetzen. Festgehalten wurde, dass es wichtig sei, dass die berufsethische Auseinandersetzung mit der gesamten Profession fortgeführt und intensiviert werde.

Die Pandemie trifft Pflegeheime mit voller Wucht

Starker Anstieg der Sterblichkeit unter Pflegeheimbewohner*innen in 2020

(BPtK) Die Zahl der Todesfälle unter Bewohner*innen von Pflegeheimen hat in den ersten beiden Corona-Wellen massiv zugenommen, wie der Pflege-Report 2021 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) aufzeigt. Bereits im Frühjahr 2020 starben 20 Prozent mehr Pflegeheimbewohner*innen als in den Vorjahren 2015 bis 2019. Im Herbst letzten Jahres stieg die Übersterblichkeit weiter auf 30 Prozent und erreichte im Dezember kurzfristig ein Maximum von 80 Prozent. Das entspricht 13 Verstorbenen je 1.000 Pflegeheimbewohnenden. Die Maßnahmen zum Infektionsschutz seien unzureichend gewesen, schlussfolgern die Forscher*innen des WIdO aus den Ergebnissen.

Die Maßnahmen hatten dabei gravierende Auswirkungen auf die soziale Teilhabe und das psychische Befinden von Pflegebedürftigen, wie eine Angehörigen-Befragung des Pflege-Report zeigt. 73 Prozent der Angehörigen berichteten davon, dass zwischen März und April 2020 ein persönlicher Kontakt zu Pflegebedürftigen nur selten oder gar nicht möglich war. 36 Prozent der pflegebedürftigen Personen konnten in diesem Zeitraum nur selten oder gar nicht das Zimmer verlassen. Das Ausmaß an Belastung und Beeinträchtigung von Pflegebedürftigen stieg währenddessen deutlich an: Vor allem vermehrte Einsamkeit (70 %), Niedergeschlagenheit (68 %) sowie geringere geistige (61 %) und körperliche (56 %) Fitness beobachteten die befragten Angehörigen.

Die Studienautor*innen betonen, dass die bisherigen Maßnahmen, die die Pflegebedürftigen schützen sollten, grundlegend hinterfragt werden müssen. „Auf keinen Fall dürfe es noch einmal zu einer generellen Isolierung alter Frauen und Männer von der Außenwelt und ihren Angehörigen kommen“, fordert Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im WIdO.

In Deutschland werden in etwa 800.000 Menschen in Pflegeeinrichtungen betreut. Für seine Analyse hat das WIdO Routine-Daten von 400.000 AOK-Versicherten sowie eine Online-Befragung im Herbst 2020 von 2.000 Angehörigen pflegebedürftiger Menschen ausgewertet.

Sexuellen Missbrauch an Kindern verhindern – Versorgung verbessern

Nationaler Rat legt „Gemeinsame Verständigung“ vor

(BPtK) Der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen hat am 29. Juni 2021 Maßnahmen vorgelegt, um den Schutz und die Hilfen bei sexualisierter Gewalt und Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Kernaspekte sind der Ausbau von Schutzkonzepten und deren konsequente Anwendung, die Weiterentwicklung der Hilfen, auch der psychotherapeutischen Versorgung, sowie deren Vernetzung, die kindgerechte Ausgestaltung gerichtlicher Verfahren, der Schutz vor Ausbeutung und Menschenhandel und die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit sowie die Förderung der Forschung in diesem Themenfeld. „Die gemeinsame Verständigung ist eine wichtige Bestandsaufnahme von Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt an Kindern. Jetzt kommt es darauf an, dass die Maßnahmen in der nächsten Legislatur auch tatsächlich umgesetzt werden“, fordert Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK).

Im Dezember 2019 hatten der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und das Bundesfamilienministerium den Nationalen Rat einberufen, um eine Verständigung auf konkrete Verbesserungen bei Prävention, Intervention, Hilfen und Forschung zu erreichen. Dem Nationalen Rat gehören Vertreter*innen aus Politik und Wissenschaft, Betroffene sowie Verantwortliche aus der Zivilgesellschaft und der Fachpraxis an. Das Gremium umfasst insgesamt etwa 300 Mitwirkende. Die BPtK hat in der thematischen Arbeitsgruppe „Hilfen“ mitgearbeitet.

Eine besondere Würdigung erhielt der Nationale Rat am 30. Juni 2021 durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dieser hat Bundesfamilienministerin Lambrecht und den Unabhängigen Beauftragten Rörig gemeinsam mit Mitgliedern des Nationalen Rates, darunter auch mitwirkende Betroffene, zu einem Gespräch ins Schloss Bellevue eingeladen.

Corona-Sonderregelungen: Videobehandlung weiter unbegrenzt möglich

Erweiterte telefonische Beratung für privat Versicherte läuft aus

(BPtK) Psychotherapeut*innen können Videobehandlungen während der Corona-Pandemie weiter bis zum 30. September 2021 unbegrenzt anbieten. Auch im dritten Quartal 2021 gelten für gesetzlich Versicherte die aktuellen Sonderregelungen. Danach können grundsätzlich Einzelsitzungen und in begründeten Fällen auch psychotherapeutische Sprechstunden und probatorische Sitzungen per Videotelefonat durchgeführt werden, und zwar ohne Grenzen bei der Anzahl der Patient*innen und Leistungsmenge. Ebenso ist die telefonische Unterstützung für Patient*innen, die bereits in Behandlung sind, weiter abrechenbar. Darauf haben sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen geeinigt.

Gleichfalls können Versicherte der privaten Krankenversicherung während der Corona-Pandemie weiterhin unbürokratisch ihre psychotherapeutische Behandlung per Videotelefonat durchführen. Die entsprechenden gemeinsamen Abrechnungsempfehlungen von Bundespsychotherapeutenkammer, Bundesärztekammer, privater Krankenversicherung und Beihilfe wurden bis zum 30. September 2021 verlängert. Die Abrechnungsempfehlung für die Erfüllung aufwändiger Hygienemaßnahmen während der Corona-Pandemie wurde ebenfalls bis zum 30. September 2021 verlängert. Die Berechnung der Analoggebühr Nr. 245 GOÄ ist weiterhin auch für Psychotherapeut*innen einmal je Sitzung zum 1,0-fachen Satz in Höhe von 6,41 Euro möglich. Voraussetzung hierfür ist der unmittelbare, persönliche Kontakt zwischen Psychotherapeut*in und Patient*in. Dagegen wird die Regelung zur erweiterten telefonischen Beratung für privat Versicherte durch eine Mehrfachberechnung der Nummer 3 zum 30. Juni 2021 auslaufen.

Psychische Belastung hat während des zweiten Lockdowns zugenommen

Ergebnisse des TK-Gesundheitsreports 2021

(BPtK) Die Corona-Pandemie hat die Allgemeinbevölkerung vor allem während des zweiten Lockdowns psychisch stark beansprucht. Dies sind die Ergebnisse des Gesundheitsreports 2021 der Techniker Krankenkasse (TK). Im März 2021 berichteten 42 Prozent der Menschen in Deutschland von starker bis sehr starker psychischer Belastung. Im Vergleich zu Mai 2020 (35 %) ist sie damit um 20 Prozent gestiegen.

Als häufigste Gründe dafür wurden fehlende soziale Kontakte (89 %) und Angst vor einer Coronavirus-Infektion bei Angehörigen oder Freund*innen (60 %) genannt. Bei Familien waren Kita- und Schulschließungen (59 %) sowie bei Erwerbstätigen mehr Stress am Arbeitsplatz (49 %) für eine höhere psychische Belastung entscheidend. Insbesondere Familien mit Kindern litten unter der Situation während des zweiten Lockdowns: Mehr als die Hälfte aller Eltern, die im Home-Office arbeiteten, berichtete von starker Belastung. Vor allem berufstätige Mütter zeigten Burnout-Symptome wie erhöhte emotionale Erschöpfung. Berufstätige ohne Kinder erlebten Präsenzarbeit (46 %) als belastender als Home-Office (31 %).

Insgesamt sind die Krankschreibungen bei TK-Versicherten 2020 im Vergleich zu den beiden Vorjahren zwar leicht gesunken. Die meisten Krankschreibungen gab es 2020 jedoch aufgrund psychischer Erkrankungen. Diese machten mit 19,8 Prozent den größten Anteil der Fehltage aufgrund von Arbeitsunfähigkeit aus und sind im Vergleich zum Vorjahr um 3,3 Prozent gestiegen. Diese Zahlen bestätigen den Trend der letzten Jahre, dass betriebliche Fehltage wegen psychischer Erkrankungen zunehmen.

Datengrundlage des Reports sind Krankenkassendaten der TK sowie eine Befragung des psychologischen Instituts der Technischen Universität Chemnitz von insgesamt 2.900 Arbeitnehmer*innen, die zwischen April 2020 bis Januar 2021 wiederholt stattfand. Zusätzlich gingen Daten aus einer repräsentativen Umfrage von 1.000 Personen ab 18 Jahren in die Berechnungen ein, die das Forsa-Institut im Auftrag der TK im März 2021 durchführte.

Kein Kind zurücklassen – Pandemie als Verstärker sozialer Ungleichheiten

Leopoldina zu den psychosozialen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie

(BPtK) Die Corona-Pandemie hat die Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen erheblich einschränkt. Die Pandemie wirkte dabei als Verstärker sozialer Ungleichheiten. Knappe Ressourcen, wie zum Beispiel das Einkommen und die Bildung der Eltern, erhöhten die Wahrscheinlichkeit negativer Auswirkungen. Dies stellt die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in ihrer 8. Ad-hoc-Stellungnahme zu „Kindern und Jugendlichen in der Coronavirus-Pandemie“ vom 21. Juni 2021 fest. Die größte Wissenschaftsakademie in Deutschland fordert darin umfangreiche Maßnahmen, um die pandemiebedingten Defizite auszugleichen. Dabei gehe es darum, dass die Situation von Kindern und Jugendlichen nach der Pandemie „besser als vorher“ sei.

Psychische Störungen, einschließlich Substanzmissbrauch und Selbstverletzung, verursachten nach der Leopoldina-Stellungnahme mit rund 220.000 „verlorenen gesunden Lebensjahren“ (DALYs) die höchste Krankheitslast im Kindes- und Jugendalter (5 bis 19 Jahre) im Jahr 2019. Bereits vor der Pandemie habe es Hinweise auf ungenügende psychotherapeutische Behandlungsangebote gegeben. Nach der Pandemie sollte man auf einen erhöhten Versorgungsbedarf für psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen vorbereitet sein. Die Leopoldina-Wissenschaftler*innen fordern deshalb, in Kitas und Schulen ein Frühwarnsystem für psychische Probleme zu schaffen. Um Depressionen und Angststörungen vorzubeugen, seien regelmäßige Sportaktivitäten, Psychoedukation zu Schlafhygiene und eine gesunde Ernährung erforderlich. Schließlich sei ein Ausbau evidenzbasierter Maßnahmen in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in der Therapie psychischer Störungen des Kindes- und Jugendalters anzustreben. Insbesondere solle „die Wartefrist auf einen Therapieplatz verkürzt werden“.

Die Stellungnahme der Leopoldina können Sie hier nachlesen.

Begleitung behinderter Menschen im Krankenhaus gesichert

Assistenz durch Angehörige oder Behindertenhilfe wird finanziert

(BPtK) Behinderte Menschen können künftig eine Begleitung durch vertraute Personen im Krankenhaus finanziert bekommen. Wenn sie in der Klinik die Unterstützung durch Angehörige oder Mitarbeiter*innen der Behindertenhilfe benötigen, übernimmt entweder die gesetzliche Krankenversicherung oder die Eingliederungshilfe die Kosten. Das hat der Bundestag heute beschlossen.

Menschen mit Behinderungen, die im Alltag von Assistenzkräften unterstützt würden, benötigten diese Hilfe auch während eines Aufenthalts im Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung. Sie brauchen zum Beispiel die Begleitung durch eine vertraute Person, wenn sie sich nicht mit Worten verständigen können oder auf ungewohnte Situationen oder belastende Untersuchungen mit Ängsten reagieren. „Auch Patient*innen mit stark ausgeprägtem Autismus benötigen im Krankenhaus die Unterstützung von vertrauten Helfer*innen, um mit den fremden Abläufen und wechselnden Personen zurechtzukommen“, erklärt Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer.

Die Assistenz im Krankenhaus wurde im Rahmen eines Änderungsantrages im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Tierarzneimittelgesetz (BT-Drs. 19/28658) beschossen.