Qualitätssicherung der Zukunft – nützlich, effizient, bürokratiearm

Bericht zum Workshop „Perspektiven der Qualitätssicherung in der Psychotherapie“ am 14. Januar 2025

(BPtK) Die sechsjährige Erprobung des QS-Verfahrens ambulante Psychotherapie hat zum 1. Januar 2025 in Nordrhein-Westfalen begonnen. Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Landespsychotherapeutenkammern, psychotherapeutische Berufsverbände sowie Wissenschaftsvertreter*innen haben in den vergangenen Jahren das vom Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) entwickelte Qualitätsmodell, die Instrumente und die Qualitätsindikatoren wiederholt und umfassend kritisiert. Um auch mögliche Perspektiven einer professionseigenen Alternative der Qualitätssicherung (QS) in den Blick zu nehmen und mit der Profession zu diskutieren, veranstaltete die BPtK am 14. Januar 2025 in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin einen Workshop zu Perspektiven der Qualitätssicherung in der Psychotherapie.

In ihrer Begrüßung ließ BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke kurz die Vorgeschichte des nun in NRW erprobten QS-Verfahrens Revue passieren. Der erste Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für die Erarbeitung einer Konzeptskizze für ein datengestütztes Qualitätssicherungsverfahren reiche über 10 Jahre zurück. Im Mai 2018 habe dann das IQTIG den Auftrag erhalten, die Skizze zu überarbeiten und ein QS-Verfahren mit einem Fokus auf die Richtlinienpsychotherapie bei Erwachsenen zu entwickeln. Mit dem Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz 2019 sei dann dem G-BA sogar gesetzlich vorgegeben worden, bis Ende 2022 ein einrichtungsübergreifendes sektorspezifisches QS-Verfahren für die ambulante Psychotherapie zu beschließen. Die Möglichkeit einer ergebnisoffenen Bearbeitung des ursprünglichen G-BA-Auftrags, auch im Zuge der Erprobung in NRW, sei damit entfallen.

Die BPtK habe das defizitäre QS-Verfahren von Beginn seiner Entwicklung an in den Gremien des G-BA und in Stellungnahmen umfassend kritisiert, so Benecke. Diese Kritik sei vom IQTIG jedoch überwiegend unberücksichtigt geblieben. Zu den verschiedenen Fragen der Qualitätssicherung in der Psychotherapie habe die BPtK seit 2018 professionsintern, unter anderem im Rahmen der Bund-Länder-AG Qualitätssicherung, intensiv diskutiert. Zunächst habe die BPtK Empfehlungen für die Dokumentation psychotherapeutischer Behandlungen erarbeitet, die 2020 vom 37. Deutschen Psychotherapeutentag beschlossen wurden. Eine Round-Table-Staffel habe sich seit 2022 mit der Frage befasst, wie ein geeigneter professionseigener QS-Ansatz als mögliche Alternative zur gesetzlich beauftragten externen Qualitätssicherung aussehen könnte. Es sei nun an der Zeit, diesen Prozess in einem größeren Kreis von Beteiligten fortzuführen und die Überlegungen in ein Gesamtkonzept zu integrieren.

QS-Verfahren ambulante Psychotherapie – Grundsätzliche Fehler und Fehlentwicklungen

Dr. Nikolaus Melcop, Vizepräsident der BPtK, legte in seinem einführenden Vortrag die gravierenden methodischen und inhaltlichen Mängel des QS-Verfahrens des IQTIG dar und erläuterte, warum der Ansatz der datengestützten Qualitätssicherung des G-BA für den Bereich der ambulanten Psychotherapie gänzlich ungeeignet sei. Die datengestützte QS sei im Krankenhausbereich für klar umschriebene Interventionen und definierte Erkrankungen entwickelt worden. Von den ambulanten Behandlungsverfahren ausgerechnet die ambulante Psychotherapie auszuwählen, sei der denkbar ungeeignetste Anwendungsfall gewesen. Die Gruppe der behandelten Patient*innen sei hinsichtlich der Erkrankungen, Diagnosen und Schweregrade sowie der Krankheitsdauer und möglicher Komorbiditäten viel zu heterogen. Auch die Behandlungsdauern seien zu verschieden – von Kurzzeittherapien mit wenigen Monaten bis hin zu Langzeittherapie über drei, vier oder mehr Jahre. Hinzu käme der Einsatz unterschiedlicher Psychotherapieverfahren, die Kombination von Einzel- und Gruppentherapie oder auch die medikamentöse Mitbehandlung oder eine zwischenzeitliche stationäre Behandlung. Ungeachtet dessen, sollen aber die Daten über alle Patient*innen aggregiert und je Praxis zu einzelnen Indikatorergebnissen zusammengefasst werden. Die Daten aus den Patientenbefragungen sollen anonymisiert und für Zwei-Jahres-Zeiträume zusammengefasst und mit großem zeitlichen Abstand an die Praxen zurückgemeldet werden. Auffällige Ergebnisse bei einzelnen Indikatoren würden dadurch diffus bleiben und könnten nicht sinnvoll interpretiert werden. Konkrete Handlungsanschlüsse für mögliche Qualitätsverbesserungen ließen sich daraus nicht ableiten, bemängelte Melcop. Diese Grundproblematik lasse sich auch nicht mit einer Weiterentwicklung des QS-Verfahrens auf Basis der geplanten Evaluation auflösen. Doch wie könnte das QS-Verfahren infolge der Erprobung in NRW vom IQTIG weiterentwickelt werden? Für die Indikatoren auf Basis der Leistungserbringerdokumentation sei aufgrund der zu erwartenden Deckeneffekte mit erheblichen Kürzungen, gegebenenfalls sogar mit einer vollständigen Streichung zu rechnen. Auch bezüglich der Indikatoren auf Basis der Patientenbefragung sei mit Kürzungen zu rechnen, so Melcop. Insbesondere mit Blick auf die Indikatoren zur therapeutischen Beziehung und zum Therapie-Outcome vermutete er jedoch, dass das IQTIG sich angesichts von Unterschieden in den Indikatorergebnissen zwischen den Praxen für deren Erhalt aussprechen werde. Hieraus könnten zwar für auffällige Praxen keine konkreten Handlungsanschlüsse abgeleitet, aber vermeintliche Qualitätsunterschiede zwischen Praxen aufgezeigt werden. Im weiteren Verlauf, so seine Prognose, könnte es bei diesem dysfunktionalen QS-Verfahren dann zu ungünstigen Anpassungsprozessen in der Versorgungspraxis kommen, die lediglich auf die Vermeidung von Auffälligkeiten abzielten. Es drohe, sich langfristig ein QS-Verfahren in der Versorgung zu verfestigen, das Qualitätssicherung lediglich suggeriere, ohne jedoch relevante Qualitätsverbesserungen anstoßen zu können. Stattdessen werde es jedoch erhebliche zusätzliche Aufwände produzieren.

Um eine Änderung des gesetzlichen Auftrags anstoßen zu können, werde es die Profession nicht bei einer reinen Kritik am QS-Verfahren belassen können. Um die Politik davon überzeugen zu können, müsse eine wissenschaftlich fundierte QS-Alternative entwickelt werden, so Melcops Plädoyer.

Feedback- und Monitoringsysteme in der psychotherapeutischen Versorgung